Karma Pema:
Zwischen reinem Gewahrsein und intellektuellem Verstehen besteht immer eine Kluft, denn das eine ist Ruhiges Verweilen und das andere Analytische Meditation. Aber es gibt Texte die eine Brücke zwischen diesen beiden bilden. Daher erwähnte ich die Rime Bewegung, da ein neuer Ansatz immer wieder die Möglichkeit bietet, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, wie auch die Möglichkeit offen hält, solche Texte zu entdecken.
Zwischen den beiden Übungen des reinen Beobachtens und des intellektuellen Verstehens muss meines Erachtens keine Kluft sein. Es greifen ja alle Übungen am achtfachen Pfad ineinander und es sollte wohl keine vernachlässigt werden. Lesen, Hören, Nachdenken und Diskutieren über die Lehre betrifft das Verstehen, was aber gewöhnlich nicht genügt um das Verstandene dann auch wirklich gründlich zu erkennen. Wenn ich verstehe dass eine Rose kein Objekt für sich ist sondern eine Verbindung der Elemente des Universums, dann sehe ich trotzdem erstmal eine Rose. Man kann über die Rose meditieren und tiefer in das Verständnis eindringen.
Aber du scheinst doch mit der Aussage das Lesen, Hören, Nachdenken und Diskutieren über die Lehre nicht genügt um das Verstandene wirklich gründlich zu erkennen, eine Kluft aufrecht zu erhalten. Obwohl man nicht mehr tun kann. Liegt dies dann nun an den Mitteln die man zur Verfügung hat oder an den eigenen karmisch bedingten Fähigkeiten ? Bevor man nicht jede Möglichkeit ausgeschöft hat, ist das wohl nicht so einfach zu beantworten. Aber wenn man den Eindruck hat das etwas fehlt, ein Faktor, der dies möglich macht, wäre es doch ratsam ausschau zu halten nach dem was fehlt. Daher erwähnte ich die Rime Bewegung :) Denn wenn es eine Möglichkeit gebe bei Kontakt mit der Rose den Bedeutungsinhalt der Rose auszutauschen und sie als ein Wunder zu erfassen, das sie überhaupt, angesichts der vielen Umstände die zusammenkommen müssen damit sie in Erscheinugn tritt, existiert...wenn man diese Verwunderung relativiert, angesichts der Endlichkeit, dann zupft man das Tischtuch von verschiedenen Stellen glatt.Sogyal Rinpoche erzählt in einem Buch von einer Frau die im Sterben lag, sie hatte Krebs. Er sagte er erzählte ihr vom Dharma und plötzlich war alles was sie sah ein Wunder. Sie lachte bei allem was sie sah und freute sich das es da war. Da frage ich mich wieder, was soll mir dieser Bericht sagen ?
Im Satipatthana Sutta wird die Meditation über die Elemente mit der Körperbetrachtung verbunden, der ersten von den vier Grundlagen. Da ist also die Achtsamkeit auf eine bestimmte Weise auf ein bestimmtes Objekt gerichtet. Und auch sonst ist im Palikanon ist die Betrachtung der Elemente in verschiedenen Beziehungen zu Körper und Geist dargestellt, wie in S.14, M.112, M.140 oder M.115. Was ich sinnvoller finde als ein "fremdes" Objekt, weil das ja direkt das eigene Dasein und die Loslösung davon betrifft.
Das reine, auf kein bestimmtes Objekt gerichtete Beobachten nun kann auch sowas sein wie eine Vorstufe zum systematischen Satipatthana. Es lässt sich anwenden als eine eigene Übung oder als Innehalten zwischendurch um die Achtsamkeit zu entwickeln, die ja mit allen Gliedern des achtfachen Pfades eine Verbindung hat. Mir hilft es vor allem als Innehalten zwischendurch, wenn ich dabei bin mich in Emotionen oder unnützen Gedanken zu verlieren. Für die formale Meditation ist wohl eine Objektbeobachtung sinnvoller, die nach dem Satipatthana mit dem Atem beginnt.