Beiträge von Doris im Thema „Erste Wahrheit. Ich leide nicht.“

    Gleichmut wird schon mal gerne mit Gleichgültigkeit verwechselt.
    Nur hat das damit nichts zu tun.
    Gleichmut bedeutet, wie das Wort schon sagt, allen Situationen mit dem gleichen Mut zu begegnen.
    Wenn einen also der Tod von Prince persönlich sehr trifft, dann ist derjenige gleichmütig, der diesen Gefühlen von Trauer, Schmerz, Verlassenheit, Verlust usw. gelassen gegenübersteht. Er will sie nicht abwehren, nicht bekämpfen, nicht verleugnen, sondern wird durch sie hindurch gehen.


    Auch wer aus der Fassung gerät, kann gleichmütig sein, weil er das annehmen kann und er sich der Vergänglichkeit dieses Zustands gewiss ist.


    Nebeneffekt von Gleichmut ist, dass es dann ein paar Situationen weniger geben wird, die einen durcheinander bringen bzw. kann man so schnell wieder Boden unter den Füßen gewinnen, dass man es vielleicht gar nicht mehr merkt, wie sehr man gerade durcheinander gewirbelt wird.
    Wenn es dann Situationen gibt, die einen überhaupt nicht mehr bewegen, dann ist das wohl, weil man eine andere Sichtweise bekommen hat: Was mich früher genervt hat, sehe ich heute anders, darum berührt es mich nicht mehr oder auf eine ganz andere Weise, z.B. Mitgefühl statt Zorn.

    Selbst:
    Zitat

    Emotionen zu mögen oder nicht zu mögen ist Anhaftung.


    Warum hast du denn Angst vor dieser Art von Anhaftung? Jemanden zu lieben ist zum Beispiel sehr angenehm, und ich mag das. Das liegt auch am Hirn und ist, wie du schreibst, nichts Besonderes. Aber wieso sollte man denn nicht an jemandem anhaften, den man furchtbar gern hat, und sich in diesem Gefühl suhlen? Wo ist das Problem? Davon schreibt doch auch Benson: Solange es gut ist, ist es gut. Und das hat seine Berechtigung an sich. Dann tritt es in einen anderen Zustand über, und der hat dann auch seine Berechtigung.


    Ist die ganze Motivation für Buddhismus vielleicht bloß die Angst vor dem Leiden, vor diesem anderen Zustand, der auf das Glück folgen kann, den Anhaften bedeuten kann?


    Dein Kopfkino … :D
    Ich habe keine Angst vor dem Anhaften, aber ich hafte an, ständig an irgendwas.
    Ja, lieben kann angenehm sein. Anhaften kann den Menschen nutzen und es ist nicht das Ziel einen Zombie aus sich zu machen. Aber darum geht es gar nicht.
    Erst mal ist es wichtig, sich das alles anzusehen, ohne Bewertung. Nur ansehen und analysieren. Die Entscheidung, ob das für mich dann in Ordnung ist oder ob ich da noch mal genauer hinsehen muss, fällt erst danach. Das ist also der zweite Schritt, nicht der erste. Sich hinzustellen und zu sagen: "Lieben ist schön!" und deshalb diesen Punkt nicht zu untersuchen, wäre Ausblenden einer sehr wichtigen Facette unseres Daseins. Schließlich geht es um die Selbsterforschung. Gerade die offensichtlich angenehmen Erfahrungen mit einem Untersuchungstabu zu belegen, halte ich für fatal, da sich ausgerechnet hier, unsere tiefsten Abgründe auftun können.


    Als ich mich dem Dharma zugewendet habe, war ich glücklich, mir fehlte nichts, ich wollte nichts anders in meinem Leben. Schmerzen und Leiden kannte ich, das war mir vertraut, und ich wusste damals schon, dass ich mit allem klar kommen würde. Also war das sicher nicht die Motivation.


    Ich habe lange gebraucht um zu verstehen, dass das Leiden nicht einfach nur in großen schmerzlichen Emotionen besteht, sondern dem Leben immanent ist und sich daher in allen Dingen und äußerst subtil äußern kann. (Die Leute, die im Forum schon lange dabei sind, kennen die Diskussionen mit mir.)
    Eigenartigerweise geschieht folgendes je mehr ich mein persönliches Leiden in allen Momenten erkennen kann: Ich leide weniger und lache noch mehr. Sobald ich merkte, dass ich dem Leiden nicht entkommen kann, dass es überall ist, und in den tollsten Verkleidungen daherkommt, wird es lustig. Weil ich nämlich damit aufhören kann dem Leiden zu entkommen. So kann ich aus dem Hamsterrad der Leidvermeidung aussteigen. Und weil das Leid dazu neigt immer wieder zu kommen, muss ich das von Augenblick zu Augenblick tun (wahrscheinlich solange ich lebe, weil ich erst am Anfang stehe und ich ziemlich doof bin). Gelingt mir noch lange nicht, aber manchmal schon. Diese paar "gelungenen" Momente genügen mir aber, um diese Erfahrung beschreiben und einordnen zu können. Ich weiß also, dass Leid nicht nur im Offensichtlichen wohnt.

    Selbst:
    Doris Rasevic-Benz:

    Niemand leidet gerne. Das ist Selbsttäuschung.


    Ich glaube, jetzt erliegst du deinen eigenen Prämissen oder Vorurteilen (oder denen deiner Religion). Gerade habe ich dir gesagt, dass es so ist. Man kann sich auch einfach der Melancholie und anderem Leiden hingeben oder "überlassen", ohne festzuhalten. So wie du dich vielleicht meinst, dem Loslassen hinzugeben. Sonst würdest du ja am Loslassen haften.


    So kann man das doch nicht machen, einfach behaupten, die Wahrnehmungsrealität eines anderen, der zum Beispiel gern leidet, sei eine Täuschung, aber die eigene nicht.


    Dem Loslassen kann man sich weder hingeben noch kann man an ihm haften.


    Ich glaube Dir gerne, dass Du Deine Melancholie magst. Damit stehst Du nicht alleine. Nur, wenn Du schreibst, Du würdest sie pflegen, dann impliziert das, dass Du diese Emotionen magst und sie gerne beibehältst, sie womöglich sogar zu erzeugen suchst. Das sind per definitionem Gier und Anhaften.


    Emotionen zu mögen oder nicht zu mögen ist Anhaftung. Man kann das natürlich und froh sein z.B. über die Emotion Freude. Nützlich ist es, nicht nach Emotionen zu gieren. Die stellen sich ohnehin von alleine ein … um dann auch wieder zu vergehen: Jetzt bin ich froh, eine Minute später zornig, daraufhin ängstlich … das ist nicht steuerbar. Das Gehirn erzeugt das einfach nach seinen eigenen Gesetzen. Alles nichts Besonderes.

    Zitat

    Freut er sich auch über die, die irgendwie gerne leiden? Die gibt es ja auch. Ich pflege zum Beispiel hin und wieder meine Melancholie. Aber das ist ja noch gar nichts.


    Niemand leidet gerne. Das ist Selbsttäuschung.
    Da sind aber Gier und Festhalten. Also Gier nach der Emotion des Schmerzes und das Festhalten an dieser Emotion. Eine Emotion zu "pflegen", bedeutet ja, sie nicht verlieren zu wollen, an ihr zu haften.
    Das gehört zu den unzähligen Facetten der Verblendung.

    Selbst:

    Ich finde die Erklärung von Muho in dem Youtubeclip ziemlich daneben. Als Beispiel für Leiden nimmt er Zappen im TV. Das Leiden entsteht dann, wenn dem Zuschauer ein Programm nicht mehr gefällt und er umschaltet. Dann hebt Muho auf die Einstellung des Bodhisattva ab, der das Leiden der anderen beheben will. Da kommt mir gleich der Gedanke: Also soll der andere für ihn die Fernbedienung drücken.
    Witz.
    Wenn der andere aber bloß am TV-Programm leidet, also bitte, was soll da die große Bodhisattva-Attitüde?


    Ich habe Leiden so verstanden: Alles vergeht. Eben auch die Lust an einer Sendung. Das ist ganz normal. An dieser Vergänglichkeit ist nichts zu ändern. Aber man kann etwas daran ändern, dass einem das was aus macht. Trotzdem wird man umschalten, wenn man gelangweilt ist. Dass man nicht mehr gelangweilt oder irgendwie bewegt wird von den Umständen, erscheint mir zombiehaft und nicht erstrebenswert. In dem Film bringt eine Frau diesen Einwand: Die Welt würde nicht vorankommen ohne einen solchen Antrieb. Er könnte zum Beispiel dazu führen, dass man selbst zu einem besseren TV-Programm beiträgt.


    Welches Leiden meint Muho wohl im Sinne eines Bodhisattva bei anderen beheben zu können? Das wird nicht klar. Meines Erachtens bestätigt das Filmchen den Benson, der nicht leidet. Wer nicht leidet, hat sozusagen kein Problem. Dem kann auch nicht geholfen werden. Da steht der Bodhisattva halt mal im Regen.


    Der Bodhisattva steht nicht im Regen, er freut sich über jeden, der nicht leidet.