Beiträge von Sudhana im Thema „Umgang mit Krankheit Haustier“

    Die Frage, um die es hier geht, ist schlicht: "was ist heilsam?". Die Frage in der Form "was ist für mich heilsam" zu stellen, ist zwar möglich, aber selbst nicht heilsam. Es verstärkt die unheilsame falsche Sicht von einem Selbst, dem die buddhistische Praxis dienen soll - einem Selbst, dem *seine* Praxis *gehört* und das von dieser Praxis profitiert. Das ist weder Rechte Sicht noch Rechte Gesinnung, das ist Hinayana.

    Zitat

    Ihr Bhikkhus, ein wohlunterrichteter edler Schüler [...] betrachtet materielle Form so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.' Er betrachtet Gefühl so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.' Er betrachtet Wahrnehmung so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.' Er betrachtet Gestaltungen so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.' Er betrachtet das, was gesehen, gehört, empfunden, erfahren, erlebt, gesucht und geistig erwogen wird, so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.'
    (Alagaddūpama Sutta MN.22)


    'Heilsam' ist alles, was absolut der Überwindung oder relativ der Verringerung von Leiden (duhkha) dient. Tiere sind aufgrund ihrer beschränkten Erkenntnisfähigkeit kaum fähig, Befreiung (Überwindung von duhkha) zu verwirklichen; insofern ist die Gefahr, mit der Tötung eines Tieres dessen Befreiung zu verhindern, zu vernachlässigen. Es geht also hier 'nur' um eine Verringerung von Leiden.


    Erste Option heilsamen Handelns ist dann die Heilbehandlung. Schlägt diese fehl oder ist sie aussichtslos, ist die zweite Option die Linderung der Schmerzen mit geeigneten Medikamenten. Schlägt auch dieses fehl oder ist nicht (mehr) wirksam, ist abzuwägen, ob die Lebensqualität des Tieres so sehr beeinträchtigt ist, dass eine schmerzlose Tötung der Fortsetzung des Leidens vorzuziehen ist. Ein guter Tierarzt - d.h. jemand, der tiefgehende Kenntnisse von der Physiologie des Tieres hat - erfüllt hier eine wichtige Beraterfunktion. Aber er kann und sollte einem hier die Entscheidung nicht abnehmen.


    Eine solche Entscheidung sollte ausschließlich im wohlverstandenen Interesse des Tieres, also selbstlos getroffen werden. Dazu gehört auch, einem Tier die Zeit für ein natürliches Sterben zu gönnen, wenn sich die Schmerzen in einem akzeptablen oder mit Schmerzmitteln beherrschbaren Rahmen halten. Viele scheitern an der Herausforderung, nicht nur das Leben sondern auch das Sterben mit einem tierischen Hausgenossen zu teilen und 'befreien' dann durch die Tötung nur sich selbst von dem Tier. Die Motivation, das Tier von seinem Leiden zu erlösen, ist dann nur unbewusst vorgeschoben. Auch das ist eine Antwort - und zwar eine falsche - auf die Frage "was ist für mich heilsam?"


    Selbstverständlich ist es nicht unproblematisch, stellvertretend für ein anderes Wesen die Entscheidung zu einer Tötung zu treffen. Es braucht ein hohes Maß an Mitgefühl und man muss das Tier gut kennen, um seinen Zustand zu erkennen und so seiner Entscheidung hinreichend sicher zu sein. Solche Entscheidungen sind Teil der Verantwortung, die man übernimmt, wenn man sein Haus mit Tieren teilt. Wer das - Verantwortung übernehmen - nicht kann oder will, sollte keine Tiere halten. Dazu ist er dann genauso wenig geeignet wie dazu, in solchen Fällen kluge Ratschläge zu erteilen.


    Vom Töten abzustehen, ist nicht zufällig das erste der Übungsfelder. Ein Übungsfeld oder Übungsweg (sikkhapadam) ist kein Dogma - aber man kann eines daraus machen. Einem Dogma zu folgen, ist leicht - dazu braucht man weder Sinn noch Verstand. Und auch keine Verantwortung - die hat man an den, der das Dogma aufgestellt hat, abgegeben. Ein Übungsfeld erfordert hingegen, dass man den Sinn der Übung versteht. Da kann es durchaus eine lehrreiche Übung auf dem Übungsfeld des Nicht-Tötens sein, aus Mitgefühl und Barmherzigkeit dem Leiden eines Tieres durch den Tod ein Ende zu setzen, wenn es kein anderes Mittel mehr gibt.


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    Ich lebe schon sehr lange mit Hunden und Katzen zusammen und habe schon oft Abschied von tierischen Lebensgefährten genommen - leicht ist es nie gewesen und es wird auch nicht leichter durch Gewöhnung. Der letzte Abschied war der von einem Hund, den ich mit 9 Jahren aus dem Tierheim geholt habe. Wir mussten erst einmal sein Gebiss sanieren lassen - zwei kaputte Backenzähne, Unmengen Zahnstein, der die restlichen Zähne fast überwuchert hatte. Eine chronische Arthritis behandelte meine Frau erfolgreich mit Schüsslersalzen - wobei es vielleicht auch nur die stressfreieren Lebensumstände waren, die sie verschwinden ließ. Danach sorgten gute Ernährung und Behandlung (ausreichend Bewegung, regelmäßige Impfungen) für eine gute Gesundheit.


    Mit etwa 16 wurden längere Wanderungen anstrengend für ihn, am Bewegungsbild sah man, dass die Gelenke teilweise verschlissen waren. Unsere Ausflüge wurden kürzer und ich passte mich seinem Tempo an anstatt wie früher er sich an meines. Mit knapp 18 hörten dann seine Nieren auf zu arbeiten. Spezialfutter half leider nicht, sondern führte zu krampfartigen Durchfällen, die anscheinend auch schmerzhaft waren und die Austrocknung beschleunigten. Im Garten des Nachbarn, der mir freundlicherweise eine abgelegene Ecke zur Verfügung gestellt hatte, hob ich ein Grab aus, während sich meine Frau um ihn kümmerte. Die Tierärztin, die er sehr mochte (er ging gern in die Praxis) kam aus dem Nachbarstädtchen zu uns und legte eine Kanüle. Als Belohnung für das Stillhalten bekam er ein paar Scheiben Käse - seine Lieblingsbelohnung, auf die er in der letzten Zeit wegen der Diät hatte verzichten müssen. Die Ärztin spritzte das Mittel sehr langsam und schonend. Er schlief neben mir auf der Couch ein, den Kopf auf meinem Schoß. Er liebte es, mir auf diese Art beim Lesen Gesellschaft zu leisten. Ein paar Minuten später setzte die Atmung aus.


    Ich denke, er hat sich bei uns sehr wohl gefühlt und wir hatten ihn auch sehr gerne um uns. Die Erinnerung an die Gefühle, die uns verbanden, sind die Erinnerungen an den traurigen Abschied von ihm mehr als wert.


    Mit vertrauten Menschen kann man darüber sprechen, wie sie unter welchen Umständen sterben möchten und wie nicht und dann ggf. nach ihren Wünschen handeln. Bei Tieren ist man ganz alleine dafür verantwortlich, wie man mit ihrem Sterben umgeht. Das ist nicht so ganz einfach. Aber wenn man mit der ehrlichen Überzeugung handelt, dass man dem Tier hilft und nicht sich selbst (z.B. weil man das Siechtum einfach nicht länger vor Augen haben will oder weil das Tier inkontinent ist oder weil man keine religiösen Regeln brechen will usw. usf.), dann kommt man damit zurecht.


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