Beiträge von Karnataka im Thema „Gibt es ein Selbst?“

    Doris Rasevic-Benz:
    Zitat

    Gestern Abend trank ich drei Flaschen Bier und ging dann berauscht zu Bett (was zum Glück sehr selten vorkommt). Nach tiefem Schlaf folgte in den Morgenstunden ein intensives Traumerleben. Damit meine ich einen Zustand faszinierter Aufmerksamkeit, mit dem ich Vorstellungen und Gedanken wahrnahm. Einzig die Erinnerung an diesen lustvollen Zustand ist mir geblieben, denn kein Trauminhalt gelangte in mein Gedächtnis. Genauso wenig gab es im Zustand des Träumens ein „Ich“, das mit Vorstellungen über mich verknüpft gewesen wäre, sondern einzig das Erleben von Produktionen meines Gehirns. Dennoch waren es bewusste Zustände.


    Wie Du schreibst, das ist die Wirkung von Alkohol. Die bringt Schlaf und Traumerleben komplett durcheinander.
    Allein schon, dass Du "lustvoll" und "fasziniert" schreibst, sollte Dich skeptisch machen über die vermeintliche Ich-Losigkeit.
    Iss das nächste Mal besser ein Tomatenbrot. :D


    Vermutlich intensivierte die Trunkenheit mein Traumerleben. Wieso aber bringe ich Schlaf und Traumerleben komplett durcheinander? Warum war diese Ich-Losigkeit nur "vermeintlich"? Auch dein letzter Satz "Iss das nächste Mal besser ein Tomatenbrot" drückt eigentlich eine Missachtung aus, die für Kommunikation nicht förderlich ist.

    Formen der Selbstlosigkeit


    Gestern Abend trank ich drei Flaschen Bier und ging dann berauscht zu Bett (was zum Glück sehr selten vorkommt). Nach tiefem Schlaf folgte in den Morgenstunden ein intensives Traumerleben. Damit meine ich einen Zustand faszinierter Aufmerksamkeit, mit dem ich Vorstellungen und Gedanken wahrnahm. Einzig die Erinnerung an diesen lustvollen Zustand ist mir geblieben, denn kein Trauminhalt gelangte in mein Gedächtnis. Genauso wenig gab es im Zustand des Träumens ein „Ich“, das mit Vorstellungen über mich verknüpft gewesen wäre, sondern einzig das Erleben von Produktionen meines Gehirns. Dennoch waren es bewusste Zustände.


    Um von einem Selbst im herkömmlichen Sinn zu sprechen, braucht es also Funktionen, die ich mal "Langzeitgedächtnis" nenne. Zwar habe ich mit der Meditationsform, die Achtsamkeit auf die Atmung verlangt, keine Erfahrung. Theoretisch sehe ich jedoch eine Ähnlichkeit mit der zuerst genannten Selbstlosigkeit. Die Konzentration, die etwa ein Didgeredoo Spieler braucht, führt irgendwann zu einem Automatismus, der zugleich aber ein Level hoher Aufmerksamkeit garantiert. Trotz hoher Aufmerksamkeit ist hierbei der Zugriff auf das Langzeitgedächtnis vermutlich deutlich geringer möglich. Über die Sinnhaftigkeit dieses Trainings lässt sich sodann spekulieren. Können nun Inhalte ins Bewusstsein treten, die zuvor verhindert wurden? Bringt dies ein reineres Erleben von Wirklichkeit? Erweitert diese Fähigkeit auch unser alltägliches Bewusstsein? Gibt die Fähigkeit in weiterer Folge Schutz, etwa vor Angst und starken Emotionen? Usw.


    Dann gibt es den herkömmlichen Sinn von Selbstlosigkeit. Dieser meint unter anderem die Fähigkeit, Fürsorglichkeit zu empfinden. Fehlt diese Möglichkeit, tiefe und selbstlose Zuneigung für bestimmte Menschen zu empfinden, etwa für das eigene Kind, was zugleich auch grundsätzliche Verbundenheit mit den Mitmenschen meinen sollte, können beispielsweise starke narzisstische Gefühle dominant werden, die in eine falsche Richtung treiben, übermäßige Gier, Aggression und Machtstreben hervorrufen. Die Verbindung von Mitgefühl mit geistigem Wohlbefinden ist die eigentlich interessante Selbstlosigkeit für mich.


    Schlussendlich sehe ich die philosophischen Fragen, etwa wieweit Wirklichkeit Subjektivität braucht. So wie wir über die Dauer eines Traums kaum Auskunft geben können, fehlt einer Wirklichkeit ohne Subjektivität jegliches Dauern, vermutlich zerbröselt überhaupt alles. Manche Physiker sind sich nicht mal sicher, ob da abseits unserer Beobachtung überhaupt irgendwas ist.

    Doris Rasevic-Benz:

    Angesichts dessen, dass bei uns gerade die leckersten Tomaten reifen, frage ich mich, ob sich für den einen oder anderen die Frage nach der Existenz eines Selbst mit Kontemplation und Nachdenken über folgende Frage klären lässt:


    "Bin ich das Tomatenbrot?"


    Einatmend weißt du, dass du noch nicht dieses Tomatenbrot bist. Ausatmend lächelst du es an.
    Einatmend verzehrst du dieses Tomatenbrot. Ausatmend lächelst du den Aggregatzuständen zu. :angel:

    bel:

    Ich hab nix gegen Lächeln, ganz im Gegenteil - aber wenn man das sich erst suggerieren muß, braucht man keinen TNH, da reicht der normale amerikanische Mittelstandsdrill.
    Ergebnis identisch.


    ah... neue Seite... so finde ich deinen Beitrag erst jetzt.
    "Willentlich grinsen" wäre natürlich eine "lächerliche" Methode. Ich glaube aber, dass ein herzliches Empfinden unsere Urteilskraft nicht schmälert, sondern den Blickwinkel eher weiter macht. Würden wir nur mit reiner Rationalität herangehen, ließe sich vermutlich so ziemlich alles rechtfertigen und es gäbe kaum eine Motivation, sich um gutes Handeln zu bemühen. Vermutlich meint dein Beitrag aber das Thema, ob es ein Selbst gibt, oder?

    Yofi:

    Shinjinmei gemeinsam überlegen - gerne.


    Das Lächeln hat mir auch auf Anhieb gefallen, weil das ein natürliches Mittel gegen Angst und Selbstablehnung ist, ganz wie du schreibst, Kamataka, bzw. wie es in der Psychologie erkannt wurde.


    Letztendlich kann man aber nur das eigene Lächeln beeinflussen sowie es auch richtig innerlich einsetzen.


    ich "stehe" auf die emotionale Herangehensweise. Ich glaube, dass die Motivation, aus der heraus das Lächeln entsteht, den Weg weisen kann.
    Deinen Satz "letztlich kann man aber nur..." meinst du in Bezug auf das Thema, ob es ein Selbst gibt, nehme ich an.



    Gefällt mir. Dazu eine Anmerkung zu Psychologie und Herkunft des Lächelns. Es bildet sich erstmals beim wenige Monate alten Baby, und zwar ausschließlich im zwischenmenschlichen Kontakt, nicht in anderen Situationen. Dazu lässt sich spekulieren, dass dem eine erste Unterscheidung im Bewusstsein des Babys zwischen Selbst, Welt und "Mutter" vorausgeht. Wenn das Baby zuvor schreit, etwa weil es Hunger hat, dann braucht es keine solche Unterscheidung. Jedenfalls ist diese instinktive Hinwendung mit einem freudigen Affekt verknüpft. Auch taubblind geborene Kinder lächeln. Die Psychoanalyse nach Melanie Klein spricht davon, dass sich Repräsentanzen von Selbst, Welt und „Mutter“ in der Psyche des Kleinstkindes bilden, die das spätere Erleben eines Menschen maßgeblich beeinflussen. Das Lächeln könnte also eine erste und "liebevolle Fantasie" vom anderen beinhalten, die diese Trennung überwindet.