Sherab Yönten:
Was versteht man im Zen Buddhismus unter Leerheit/Leere ?
Zen ist Mahayana, und so stüzt man sich in seinem Verständnis von Leerheit auf Nagarjuna, der ja auch als indischer Zen-Patriarch gesehen wird. Ein weiterer wichtiger Referenzpunkt ist das Herzsutra. Dieses wird natürlich auch von anderen Mahayana-Schulen als grundlegend gesehen. So gesehen versteht man unter Shunyata das gleiche wie auch der tibtische Buddhismus.
Unterschiede gibt es darin, wie weit man die Anwendung des Leerheitsbegriffs fasst. Das Herzsutra hat ja eine sehr radikale Vorstellung von Leerheit, die so weit geht, sogar bestimmte Aspekte des Pfades selber als leer zu sehen: "Gleichermaßen gibt es kein Leiden, keine Ursache, keine Beendigung, keinen Pfadgeist. Kein tiefes Gewahrsein, keine Errungenschaft, keine Nicht-Errungenschaft." Leerheit macht selbst vor dem Buddhismus selbst nicht halt, Auch seine Konzepte sind in gewisser Hinsicht Verblendungen.
Im tibetischen Buddhismus geht man damit um, indem man die Unterscheidung zwischen konventioneller Wahrheit und absoluter Wahrheit orientiert. Mag ja sein, dass der Pfad absolut gesehen leer ist, so macht es konventionell ( und pragmatisch) Sinn, zwischen einem profanen, verblendeten und einem heiligen, sakralen Bereich zu trennen. Im Zen werden aber die Worte des Herzsutras in ihrer ganzen anarchistischen Tragweite ernst genommen. So dass der grosse Unterschied zwoischen dem banalan Alltäglichen und dem Heiligen fällt:
Als der Kaiser von China Boddidharma an den Kaiserhof einlud fragte der Kaiser ,“Ich habe bis heute Tempel bauen lassen, Sutren kopiert und Mönche und Nonnen unterstützt. Welchen Verdienst habe ich dadurch erworben?”
Bodhidharma antwortete darauf: “Keinen Verdienst!” Und als der Kaiser Bodhidharma darauf hin fragte, was der höchste Sinn der Wirklichkeit sei, bekam der die Antwort: "Offene Weite - nichts von heilig."
Was ja der Aussage des Herzsutras folgt, dass Erungenschaften, Pfad usw. letzendlich auch leer sind. Von einem tibetischen Lama hätte er wohl eine andere Antwort bekommen. Weil dort die ganze buddhitische Instrumentarium an Hilfsmitteln zwar als letzendlich leer, aber eben als so nützlich und heilsam gesehen wird, dass man nicht darauf verzichten will.