Beiträge von Karnataka im Thema „Das andere Nirvana oder das Nirvana der Anderen“

    Yofi:


    Obwohl die Glieder gleichberechtigt und untereinander austauschbar sind, spiegeln sie alle Vier Wahrheiten wieder. Unwissenheit (Gier nach der Existenz) bedingt Karma-Formationen. Das menschliche Leben ist kostbar, weil es der Überlieferung nach als einzige Lebensform die Möglichkeit bietet, den Daseinskreislauf eines Geistkontinuums zu beenden.


    Gruß, Yofi


    Meine Interpretation des alten Textes ist als Vorschlag für ein sinnvolles Verständnis gemeint. Dabei ist der Pali-Kanon aber sicher nicht mein Metier, über das ich mich ereifern möchte. Auch glaube ich, dass die Vorstellung, Geist, Körper und so weiter zu löschen, Berechtigung hat, um dem Leid zu begegnen. Dass die Verwirklichung der Leerheit Befreiung entstehen lässt.


    Allerdings macht der Text auch als chronologische Aufzählung Sinn. So kann ich ihm entnehmen, dass Bewusstsein als das Erste erachtet wurde, Geist und Körper sodann als gemeinsam entstehend. Dies lässt sich in Richtung eines klaren und lichthaften Kontinuums, das dem Leben zugrunde liegt, interpretieren.


    Aus Sicht der Edlen Wahrheiten ist es der Achtfache Pfad, der hilft, dem Leid zu begegnen. Aus Sicht der Ethik des Dalai Lama gilt es, sich stärker und bewusster auf das Wohl der Mitmenschen auszurichten, um innere Freude zu gewinnen.


    Dem liegt die Kette des Bedingten Entstehens zugrunde. Die Kette lässt sich verstehen, wenn man sagt:


    Durch Ignoranz kommt es zum Sex. Dadurch entsteht neues Leben, Bewusstsein, Geist und Körperlichkeit, Sinne, Begehren, Wachsen und so weiter. Schließlich kommt es zur Geburt und damit fängt die ganze Kacke vom Leid an.


    Aus meiner Sicht sollte man die Kette aber nicht primär auf das Leid beziehen. Das Leben von Grund auf abzulehnen kann nicht die richtige Haltung sein, oder? Vielleicht möchte die Kette des Bedingten Entstehens schlicht erklären, wie Leben entsteht? So setzt sie Bewusstsein als Erstes, vor Geist und Körper. Sie erklärt also nicht das Leid, sondern das Bedingte Entstehen.

    hedin02:

    Zugegeben es ist eine Spekulation, aber ich habe mich schon mal damit beschäftigt, dass das Bewusstsein (6 Sinne) funktionell allen Individuen, von einer Stelle aus, in gleicher Weise zur Verfügung stehen könnte. Auf dieses Zentrale, nur funktionelle Bewusstsein würde dann bei Bedarf jedes einzelne Geistkontinuum der Individuen zugreifen.
    Das Ergebnis, was und wie das einzelne Individuum wahrnimmt, wäre demnach dem Geistkontinuum zuzuschreiben, welches sich nach dem Verfall des Körpers so lange einen neuen Wirtskörper sucht, bis der Daseinsdurst erloschen ist.
    Das Geistkontinuum führe auch die Bedingungen mit sich, die bei einer neuen körperlichen Geburt die Verbindung zum zentralen Bewusstsein herstellen könnte.


    Vielleicht denkst du ähnlich wie Leibniz? https://de.wikipedia.org/wiki/Monadologie
    Vermutlich nicht... :)



    hedin02:

    Ungeachtet der obigen Spekulation verläuft m.E. die Wahrnehmung von einer Form zu einem Objekt nach Mustern, d.h. zunächst wird die Form auf Grund von bereits vorhandenen Mustern mit einem Begriff bestimmt, z.B. Tisch. Nun wird der Tisch in all seine Teile zerlegt. Die Zerlegung erfolgt nicht willkürlich, sondern in Strukturen nach fraktalen Mustern, wobei jedes kleinere Teil wieder (analog fraktaler Strukturen) in noch kleinere Teile zerlegt wird. Erst wenn dieser Wahrnehmungsprozess beendet ist, wird das Objekt als wahrgenommener Tisch, mit all seinen Attributen, für die weitere Beurteilung an den nächsten Geistfaktor weitergegeben.


    Wie funktioniert unser Erkennen?



    Quelle: http://deutchdeko.com/stuhl-tisch-2/

    Carneol:


    In der Welt der Physik kann man derzeit (!) viele Phänomene noch (!) nicht erklären. Kennst du das Gleichnis vom Fischer mit seinem Netz? Je engmaschiger er das Netz macht, desto kleinere Fische bleiben auch mit hängen. Und die Methoden der Wissenschaftler werden auch immer genauer. Von Quanten und Morphogenetischen Feldern wusste man früher auch nichts... also besser den Erfahrungen vertrauen - irgendwann ist die Wissenschaft mit der Forschung auch soweit...


    Liebe Grüße :rainbow:


    aha, morphische Felder - davon hatte ich noch nicht gehört... den meisten Menschen begegnen mitunter kleine Begebenheiten, die unerklärbar erscheinen. Etwa, wenn man sich umdreht, weil man intuitiv erfährt, angestarrt zu werden. Die gedanklichen Produkte des Gehirns sind jedenfalls nur subjektiv erfahrbar und ohne räumliche Ausdehnung, die messbar wäre.


    In der Erkenntnistheorie existiert schon lange die Idee, dass eine Erkenntnis der Welt nur möglich wäre, weil die Welt ähnlich wie ein Bewusstsein beschaffen wäre. Dass sich also unser Gehirn samt Körper nicht in einem völlig fremdartigen Medium, sondern in einer ebenso geistigen Welt bewegt. Allerdings ist diese geistige Welt kein bloßer Traum, sondern gehorcht, ebenso wie unser Körper, physikalischen Gesetzen.


    Dies entspricht im Buddhismus der Nur-Geist-Schule, würde ich sagen. Auch diese Schule spricht den Abstraktionen, etwa einem Tisch, keine inhärente Existenz zu. Doch sieht sie in dem Faktum unserer Zuschreibungen und Abstraktionen ein Indiz dafür, dass die Dinge nicht von unserem wahrnehmenden Geist getrennt sind. Die Abstraktionen des Geistes weisen demnach ebenso auf eine Eigenschaft der Wirklichkeit, nämlich irgendwie geistig zu sein, würde ich sagen.


    Wie ließe sich das erklären? Der Schematismus unserer Wahrnehmung lässt uns blitzschnell einen Tisch als solchen erkennen, weil wir ihn mit der inneren Zeichnung eines Tisches abgleichen: hat eine Tischplatte, kann man darauf schreiben, hat die richtige Höhe, vier Beine, aus Holz usw. So als würden wir innerlich blitzschnell die Form eines Tisches nachzeichnen, um ihn als solchen zu erkennen, oder? Ist dies nur eine Eigenschaft und Fähigkeit des Gehirns?
    Da unser Gehirn als solches natürlich entstanden ist, könnte dieser Erkenntnisvorgang auch eine Eigenschaft der Wirklichkeit spiegeln.


    Was ich so zusammenschreibe... :?
    Liebe Grüße auch von mir!

    Sunu:

    Was meinst du mit individueller Tod ?


    individueller Tod meint, dass ein Individuum stirbt.


    Der Tod wird in unserer Gesellschaft wenig thematisiert, da die Wissenschaft keine Antwort geben kann auf die Frage, was nach dem Tod kommt (außer, dass man irgendwann zu Erdöl wird). Ab einem gewissen Alter sind Gedanken an den eigenen Tod jedoch naheliegend. Hieraus ergibt sich die Vermutung, dass jenes Wegsehen von sich und Verdrängen der eigenen Sterblichkeit eine Form der Unersättlichkeit und ein starkes Bedürfnis nach Ablenkung schaffen; Unruhe und Besorgnis, die dann einem zufriedenen Geisteszustand im Wege stehen. So erscheint es doch vorteilhaft, Hoffnung zuzulassen. Dies unterstützt eine Besinnung auf tatsächliche Werte wie Liebe und Mitgefühl.

    Sunu:

    Geist- Kontinuum erfährt man jeden Tag auch wenn man es nicht erklären kann.Erst duch den Versuch der Erklärung wird daraus eine Abstraktion um greifbar zu machen, was nicht greifbar ist. Die Abstraktion ist bedingt entstanden..Geist- Kontinuum ist bedingt entstanden. Dir Realität kümmert sich nicht darum, sie ist einfach nur... von Moment zu Moment... immer wieder neu ohne Anfang und ohne Ende...ohne zu enstehen oder zu vergehen. Energie geht nicht verloren, sie wandelt sich nur...
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Energieerhaltungssatz


    ja, schon, aber Energie ist doch ein physikalischer Begriff. In der Welt der Physik gibt es sowas wie Geist gar nicht. Gibt es also auch ein solches Kontinuum über den individuellen Tod hinaus? Wie siehst du das?

    Für Platon gab es die Abstraktion, etwa die Idee eines Menschen. Genau genommen ist die Idee eines Menschen eher dann sinnvoll, wenn man jemanden nur unscharf erkennt. Wenn man dann näher kommt, sieht man: Ah, es ist ein Mann. Kommt man noch näher, sieht man vielleicht, um wen es sich handelt. So gesehen sind Abstraktionen nichts Reales.
    Ist das Geist-Kontinuum im Buddhismus tatsächlich eine solche Abstraktion? Gibt es nicht Menschen, die behaupten, es erfahren zu haben? Daher scheint es mir wichtig, Erfahrungen von Erklärungen zu unterscheiden. Sofern wir also an die Erfahrung glauben, können wir über Erklärungen nachdenken.


    Auch Zeit und besonders Ewigkeit sind Abstraktionen, die es vermutlich für sich nicht gibt. Zumindest sind Raum und Zeit kein Fass, worin sich die Wirklichkeit befindet. Zugleich ist es aber so, dass wir nicht wissen, was unsere Gedanken ihrem Wesen nach sind. Denn sie sind nicht ident mit den biologischen und chemischen Vorgängen im Hirn. Zwar erleben wir sie bloß subjektiv, doch prägen diese kognitiven Leistungen unsere Welt so dramatisch, dass es seltsam wäre, Gedanken als unwirklich zu bezeichnen und einzig biochemische Gehirnvorgänge gelten zu lassen.


    Kognitive Vorgänge, deren Abstraktion Geist genannt wird, besitzen in unserem subjektiven Erleben eine zeitliche Ausdehnung. Offenbar stehen sie also mit der doch so seltsamen Eigenschaft Zeit in einer besonderen Verknüpfung. Inhaltlich können Gedanken alles Mögliche besagen, ihrem Wesen nach erscheinen sie aber nur in der Zeit. So kann man die Abstraktion Denken und die Abstraktion Zeit vielleicht als verwandte Phänomene betrachten. Wenn aber etwas selbst Zeit ist, dann steht es in gewisser Weise auch außerhalb, könnte man nun mutmaßen. So würde ich das Kontinuum von Klarheit und Lichthaftigkeit erklären, das der Buddhismus dem Geist zuschreibt.

    Morpho:

    die hinayana nihilisten gehen nun davon aus, dass das bewusstsein mit der 'vollen verwirklichung' (paranirvana) (ab)stirbt, da es heißt, es ist bedingt. selbstverständlich ist das eine negative sichtweise.


    Der tiefere Sinn von Metaphysik scheint mir, Trost und Hoffnung zu geben. Vielleicht ist es also so, dass unsere persönlichen Eigenschaften, unsere Vernunft und liebevolle Verbundenheit mit anderen Lebewesen, Einfluss auf die Beschaffenheit des Kontinuums ausüben. Das können wir jedenfalls hoffen. Was Nirwana in dieser Rechnung ist, kann ich nicht sagen. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass auch unter den buddhistischen Schulen Uneinigkeit herrscht, ob Nirwana nun tatsächlich Erlöschen bedeuten soll.
    Aber eigentlich ist das Problem auch nicht so gigantisch. Selbst wenn Nirwana, so wir es in zehntausend Geburten erreichen, ein Verlöschen bedeutet, so verlöscht doch niemand, der es nicht wollte.

    pamokkha:

    (a) Das Geistkontinuum ist entstanden und daher vergänglich. Daraus folgt, dass das Nirvana mit Leidhaftem vermischt ist oder
    (b) das Geistkontinuum ist nicht entstanden und daher auch nicht vergänglich und leidhaft. Dann ist es aber Atman.


    Ich würde für b plädieren: Das Kontinuum ist unsterblich, wieso sollte es also vergänglich sein? Seine lichthafte Klarheit soll dem Geist oder dem Bewusstsein zugrunde liegen. Wenn der Buddhismus allerdings meint, im Grunde wäre alles leer, dann ist das Kontinuum kein Ausdruck einer Weltseele, sondern ebenfalls nur eine Erscheinung in der Zeit. Wie kann es also unvergänglich sein, wenn es nur Erscheinung ist? Sofern die Welt keinen Anfang und kein Ende hat, gilt das auch für das Kontinuum, würde ich meinen.