Beiträge von Christopher im Thema „Zen-Priester unter Missbrauchsverdacht“

    Morpho:

    Die Maus frisst am Katzennapf.


    Würden Sie zu Ihren Kommentaren in dieser Diskussion auch unter Ihrem bürgerlichen Namen stehen? Ich würde Sie gerne anderswo zitieren, eventuell auch mit Hinweis darauf, wer Ihr Zen-Lehrer ist, was für Funktion Sie ggf. in Ihrem Tempel haben, usw.


    Wenn Sie sich nicht preisgeben wollen, ist natürlich auch Ihr gutes Recht; ich werde Sie aber nicht weiter beachten können.

    Doris Rasevic-Benz:


    Stellen wir uns nur vor, Döring hätte so einen Lehrer gehabt, einen, der ihm seine Lügen nicht durchgehen lässt … Und dass was in ihm ungelöst war, konnte man sehen.


    Schade also, dass sein Lehrer seit 1991 nur Hozumi Gensho war, Rinzai-Zen-Meister, Dharma-Erbe von Omori Sogen Roshi, 83. Patriarch in der Traditionslinie nach Buddha Shakyamuni, Lehrer an der Hanazono-Universität, usw. usf.


    Sudhana:


    Es ist nach meinem Empfinden eine [...] ebenso naive Vorstellung von dem, was ein in seiner buddhistischen Praxis 'Fortgeschrittener' (z.B. ein Hōzumi Genshō Rōshi) alles an Täuschung durchschauen könne oder gar müsse. Da feiern die alten, abgegriffenen Mythen fröhliche Urständ.


    Morpho:

    Ein "Mythos" ist 'Herzensdurchdringung' sg. Einsicht(sfähigkeit) in die Psyche eines Menschen. Auch "Verrückte Weisheit" ist nix ist womit ein Zen tändelt. Beides stammt aus dem esoterischen Buddhismus.


    Ich darf also festhalten: man kann nicht von einem zertifizierten Zen-Meister selbst nach jahrzehntelanger Koan-Training erwarten, dass er feststellt, dass sein Schüler heimlich Kinder mißbraucht. Gibt es vielleicht auch anderen "abgegriffenen Mythen"?


    Wie ist es zum Beispiel mit der Anspielung von zertifiziertem Zen-Meister Seung Sahn, dass Zen-Meister Wunder bewirken können? (Quelle: Dropping Ashes on the Buddha: The Teachings of Zen Master Seung Sahn, Grove Press, 1976, p.99)

    Presseerklärung


    Hauptverhandlung um mehrfachen sexuellen Missbrauch durch einen Zen-Priester beginnt
    Prozessauftakt vor dem Landgericht Augsburg am 16. Juni 2017


    Ab 16. Juni 2017 hat die Jugendkammer des Landgerichts Augsburg als Jugendschutzkammer einen Aufsehen erregenden Fall zu verhandeln. Angeklagt ist der 62jährige spirituelle Leiter einer buddhistisch orientierten Gemeinschaft mit Sitz in Dinkelscherben. Er soll in 22 Fällen männliche Kinder missbraucht und dabei in etlichen Fällen auch pornografische Aufnahmen gefertigt haben.


    Den Vorsitz hat wie gewohnt der Vorsitzende Richter am Landgericht Lenart Hoesch.


    Die Kammer hat zur Klärung des Falles außer am 16.6. noch Termine für den 30.06., 4.7., 7.7., 11.7., 12.7., 13.7, 31.7., 1.8., 2.8., 3.8., 4.8. und 7.8.2017 festgelegt. Es sind über 40 Zeugen und zwei Sachverständige geladen. Die Termine beginnen regelmäßig um 9 Uhr im Sitzungssaal 170 in der Gögginger Str. 101, 86199 Augsburg. Lediglich am 11.7. beginnt die Sitzung um 14 Uhr, am 3. und 7.8.2017 jeweils um 13:30 Uhr.


    Mit freundlichen Grüßen


    Dr. Claus Pätzel
    VRiLG (w.a.Ri.)
    Pressesprecher


    Laut Auskunft des Gerichts sind die Termine erstmal öffentlich.

    mkha':


    Euer Mitgefühl gilt ja auch den Familienangehörigen, daher werdet Ihr bestimmt bald überlegen, wem die Fortsetzung dieser Diskussion in diesem Forum nützen soll.


    Mein Anliegen ist es, die Aspekte des Buddhismus zu untersuchen, die zu solchen Fällen führen, in der Hoffnung, dass wenn man zB die leeren Versprechungen des Zen und die unhaltbaren Erwartungen an Zen-Meister möglichst durchleuchtet, das Verhalten von Zen-Lehrern sich in Zukunft auch verbessern wird.


    Mitgefühl mit allen Betroffenen darf ja nicht verhindern, etwaige Lehren aus diesem "Super-GAU" des deutschen Buddhismus für die Zukunft zu ziehen. Übrigens finde ich, dass die Diskussion hier sowieso außerordentlich sensibel und vernünftig verläuft.


    Sudhana:

    Zum Thema ist er hier geworden, weil er ein bekannter und bis vor einem Jahr auch hoch geachteter Dharmalehrer ist. Das ist hier on topic.


    Eben!

    Morpho:

    den Ansatz von Christoph finde ich deswegen vom Grundsatz her unsinnig; ich bin nie davon ausgegangen, dass Zen Lehrer ( "Meister") moralisch "höherwertig" wären;


    Dann hast Du wohl was mit Klaus Zernickow gemeinsam! Er schreibt, dass „Zen-Meister keine Heiligen oder Moralapostel sind […] schließlich wissen sie um die Dinge: die Sicht auf Moral und Rechtschaffenheit kann immer nur relativ sein“. Und somit bestätigst Du übrigens gerade meinen Grundsatz: diese Haltung haben die Täter ja benutzt, um ihren Taten zu verharmlosen.


    Morpho:


    Was ist denn eine Dharmaübertragung ?
    (Ich denk da immer an Huineng)
    Von einer Institution, einem Tempel, einer Organisation, kann keine kommen, dann ist das ein institutioneller Ritus. Ein Meister wird nicht gemacht. Er 'ist' oder ist 'es' nicht.


    Eine andere Frage: was hältst Du denn davon:


    https://www.benediktushof-holz…e/zeremonie-in-china.html


    Tychiades:

    Z.B. ist ein Dokusan nichts anderes als ein Setting und wenn man dann privat miteinander zusammen kommt, dann sieht man einen, oft auch neurotischen Menschen, was man nicht glauben will. Schärfung des Urteilsvermögens hilft also nur dann, wenn man möglichst viele unterschiedliche Situationen miteinander verbringt.


    Finde ich vollkommen richtig. Ich weiss nicht, wie D. mit seiner Familie war, aber wenn der Lehrer auch privat nichts außer "Zen-Zeug" betreibt, kann man ihn noch schwerer einschätzen.

    Danke für Deinen ausführlichen Kommentar; ich teile Deine Meinung weitgehend.


    Sudhana:

    Eine verengende Sicht auf das Rinzai-Zen ist ja nur eine weitere Fokussierung des vorher schon auf Zen konzentrierten Blicks. Ich bezweifle, ob das wirklich hilfreich ist, denn sexuelles (und sonstiges) Fehlverhalten es ist nicht einmal ein neues, geschweige denn speziell 'westliches' Problem.


    Natürlich ist Mißbrauch kein Rinzai-spezifisches Problem. Da ich aber Rinzai-Schüler bin, fange ich halt hier an. Und da gerade die Rinzai-Schule sich oft für was Besseres hält, ist eine solche Kritik noch wichtiger. Man muss bloß nach Nordamerika schauen, wo geschätzt 80% aller Rinzai-Schüler mit den Folgen eines solchen Skandals zu kämpfen haben.


    Sudhana:


    Für mich ist es offensichtlich, was diese Institutionen leisten können und was nicht. Sie können (theoretisch zumindest) etwa im Kontext Zen gewährleisten, dass ein (z.B. durch Dharmaübertragung) mit der entsprechenden Autorität ausgestatter Mensch z.B. fähig ist, Menschen zu einer buddhistischen Praxis anzuleiten und auszubilden. Sie können nicht gewährleisten, dass ein solcher Mensch denen, die seine Autorität anerkennen und ihm vertrauen, keinen Schaden zufügt - also seine durch die Institution begründete und garantierte Stellung nicht missbraucht.


    Ich verstehe was Du hier meinst, aber die Aussage ist trotzdem irgendwie absurd, oder? Wir reden nicht über den Bäcker-Meisterbrief! Wozu ist eine buddhistische Praxis ja überhaupt wert, wenn sie keinen Machtmißbrauch ausschließt? In meinen Augen ist die Dharma-Übertragung als Konzept de facto tot, weil zahlreiche anerkannte Meister einfach vollkommene Scharlatanen waren.


    Sudhana:


    Der Ansatzpunkt, die Investitur durch die Institution abzuschaffen (die Dharma-Übertragung) halte ich für verfehlt.


    Ob man die Dharma-Übertragung ganz abschafft oder bloß als “nicht nur fehlerbehaftet, sondern dysfunktional” bezeichnet, ist wohl letztendlich wurscht. Aber ich denke, dass wenn niemand mehr sich auf ein (wertloses) Blatt Papier berufen kann, haben Schüler einen Grund mehr, eigenständig zu denken und selbst zu beurteilen, ob sie mit einem Hochstapler zu tun haben.


    Sudhana:


    Das Problem ist - der Meister, der einem auf dem Weg ein paar Schritte voraus ist und einem sachdienliche Hinweise geben kann, ist ja nicht das, was der Suchende will. Der will vielmehr den perfekten Gegenentwurf zu sich selbst und den will er im Meister sehen. Das funktioniert ja auch in der Regel ganz gut


    Stimmt - so war es auch bei meiner Praxis am Anfang. Deswegen ist es für mich auch schwierig, diese Kritik auszuüben, weil ich weiß, was verloren gehen wird. Aber die Wahrheit muss trotzdem raus.


    Sudhana:

    Und ja, in diesem Augsburger Fall gehöre auch ich zu denen, die sich haben betrügen lassen.


    Das ist schade. Aber Du kannst die Möglichkeit nun benutzen, nachzudenken und daraus noch mal zu wachsen. Ich glaube, wahres Zen ist nicht, bis nach ganz oben im Koan-Elfenbeinturm zu steigen, sondern am Ende wieder auszusteigen, und Zen objektiv von außen zu betrachten. Ich persönlich habe nur einen Sesshin vor 15 Jahren mit D. gemacht und das hat mir schon gereicht. Seine Art, Zen zu lehren und seine Karriere in der Institution waren halt nich mein Ding. Auch der meterhohe goldene Buddha am Altar fand ich ziemlich geschmacklos :) .


    Sudhana:

    Als Remedium habe ich außer Schärfung des Urteilsvermögens durch Aufklärung wenig anzubieten.


    Ich auch nicht. Mehr kann man ja nicht machen.

    Tychiades:


    Auffallend ist, dass die aufgedeckten Fälle überwiegend im Rinzai-Zen geschehen sind. Hier scheint mir Punkt zu sein. Es geht im "seriösen" Zen darum, dass ein Zen-Meister wieder einen Nachfolger ernennen soll, damit die Linie, also die Institution erhalten bleibt. Dazu braucht man Kriterien.
    Und damit beginnt der Irrtum. Es gibt nämlich kein Kriterium.


    Es gibt zwar auch Missbrauch im Soto (zB Richard Baker, Dennis Merzel) aber bislang stimmt es, dass die meisten Fällen im Rinzai waren. Zwei Gründen sind erwähnenswert:


    1. wie du sagst, ist die Institution der Dharma-Übertragung sicherlich mitverantwortlich. Stuart Lachs in den USA hat überzeugend argumentiert, wie die Schüler dazu geneigt sind, den Fehlverhalten ihrer Lehrer zu übersehen in der Hoffnung, doch noch die Dharma-Übertragung von ihm zu erhalten. Weil die Dharma-Übertragung inhaltlich eh bloß Mythos ist, gehört sie eindeutig abgeschafft.


    2. die Autoritären Strukturen und vielen Geheimnissen im Rinzai lassen sich wohl eher missbrauchen als die "populistischere" Strukturen des Soto. Wie Du sagst, sind Koans eventuell für einiges hilfreich, aber als Maßstab für menschliche Qualitäten sicherlich nicht.


    Obwohl im aktuellen Fall diese Punkte nicht wirklich relevant sind, weil es ja kein "institutionelles" Problem gab, vermute ich trotzdem mal, dass Herr D. überhaupt eher dem Rinzai-Zen zugeneigt war, weil es seinen Charakter (ich habe ihn auch persönlich gekannt) als Ex-Polizist entsprach. Auch seine Karriere-Bahn von Gremium zu Gremium lässt deuten, dass er dieses hierarchische, institutionelle durchaus beherrschte. Ob das Schlussfolgerungen über sein Innenleben zulässt, weiss ich aber nicht.

    Danke für die vielen vernünftigen Kommentare. Auch sie geben Hoffnung.


    Tychiades:

    So sehe ich den Spiess umgedreht:


    Nicht Zen-Meister verhalten sich moralisch besser - sondern wir wollen dass es so sei.
    Ebenso wünschen wir uns, dass Zen-Meister sich nicht täuschen.


    Diese Ansicht wurde auf der BA-Seite auch vertreten, so dass meine Antwort von dort hier zitieren würde:


    Ich bin auch Deiner Meinung, dass es unrealistisch ist, sich Ideal-Bilder von Zen-Meistern zu machen. Wie Du sagst, ist da aber jeder für sich selbst verantwortlich. Mein Anliegen ist es eher zu zeigen, wie der Zen-Buddhismus selbst solche idealisierte Bilder schafft und fördert. Es ist ja kein Zufall, dass wir alle genau die gleichen unrealistischen Vorstellungen haben. Und da sind unsere Lehrer mitverantwortlich, dass sie solche leeren Versprechungen wiederholen.


    Aus diesem Grund ist es auch zu einfach zu sagen, dass „der Meister erst zum Meister durch den Schüler“ wird. Im Gegenteil, im Zen wird der Lehrer zum Meister ausdrücklich nur durch die Institution der sogenannten Dharma-Übertragung, mit der ganzen dazugehörigen Hagiographie und Pipapo (siehe z.B. https://www.benediktushof-h... ). Und da sind wir Schüler nicht bloß „selber schuld“ wenn wir uns einbilden, da müsste was ganz besonderes dran sein. Vor allem wenn unsere Lehrer sich dieser Mythologie bewusst bedienen – oder zumindest stillschweigend in Kauf nehmen – weil sie ja davon profitieren.


    Meines Erachtens sind Zen-Lehrer schon ganz gut im Aufzeigen, dass wir Schüler für unsere eigene Einbildungen verantwortlich sind. Aber im Zugeben, dass sie selbst Teil des Problems sind, hapert es noch gewaltig.


    Tychiades:


    1. Es ist - was den Zen-Meister anbelangt, ein institutionelles Problem. Da werden Leute zu etwas gemacht, was sie nie sein können. Dieser Zirkus sollte beendet werden. Sie haben ja überhaupt keine Qualifikation, um Menschen anzuleiten. Koan-Schulung kann's ja nun nicht bringen. Aber da werden dann andere, die an solchen Popanz glauben, bewusst von der Institution in die Irre geführt.


    Da stimme ich Dir voll zu.


    void:

    Wenn der Beschuldigte einer jener arroganten, selbsterklärten Meister wäre - einer jener charismatischen Guru-Gestalten, die sich mit falschen Titeln und phantastischen Roben schmücken und einen auf "crazy wisdom" machen, dann würde die Kritik von Christopher viel mehr Sinn machen. Dann wäre die Idee des "Zen-Meisters als Übermensch" das Problem und man könnte zukünftige Missbrauchsfälle verhindern, indem man dieses Konzept fallen lässt.


    Aber ist es nicht so, dass diese Logik gerade auf diesen Fall nicht passt, weil der Beschuldigte eher als bescheider Zen-Priester auftrat - also gerade für einen seriösen Ansatz stand. Was die Sache in gewisser Weise noch viel schlimmer macht.


    Meine Kritik richtet sich hier nicht gegen selbsternannten Gurus - das wäre zu einfach. Sondern ich möchte zeigen, dass auch "seriöses" Zen leere Versprechungen macht, zum Beispiel die drei Punkte, die ich erwähnt habe. Und das betrifft in diesem Fall teilweise nicht nur Herrn D. selbst, sondern seinen ganz seriösen, Hanazono-Universitäts-leitenden, offiziell von Myoshinji entsandten Zen-Meister, der offensichtlich jahrelang hinters Licht geführt worden ist.


    Wie Du sagst, macht das die Sache viel schlimmer. Ich bin übrigens gespannt, ob wir eine Stellungnahme zu dem Fall von Myoshinji bekommen werde. Da habe ich aber keine große Hoffnung - wir in Westen müssen diese Probleme leider alleine angehen.

    Aktuelles zu dem Fall:


    http://www.augsburger-allgemei…rauchs-an-id41106891.html


    Hier auch meine Meinung dazu (auch unter http://buddhismus-aktuell.de/m…-fluechtlingskindern.html zu lesen):


    Die Flut der Mißbrauchsfälle im Zen-Buddhismus dauert leider an. Nach der Reihe von Fällen, in denen verschiedene Zen-Meister ihre Schülerinnen systematisch mißbraucht haben (siehe BA 3/2013), wurde im Herbst letzten Jahres ein deutscher Zen-Lehrer wegen sexueller Straftaten verhaftet.


    Eine solche Serie von traurigen Ereignissen dürfte für die restliche buddhistische Gemeinschaft Anlass bieten, einige unangenehme Fragen über unsere Praxis zu stellen. Vor allem müssen wir langsam zugeben, dass ein Großteil dessen, was man Zen-Meister an Tugenden und Einsicht gemeinhin zuschreibt, angesichts der Tatsachen einfach nicht stimmt. Ich möchte hierzu drei konkrete Beispiele nennen.


    Zen-Meister verhalten sich moralisch besser
    Nach den Fällen Shimano, Maezumi, Zernickow, Baker, Sasaki, Merzel, usw. ist es kaum noch erwähnenswert, dass Zen-Meister auch zu egoistischem und verwerflichem Handeln fähig sind. Sie sind in der Lage, nicht nur ihren einzelnen Schülerinnen zu verletzen, sondern oft ihre gesamte Sangha dabei zu zerstören. Und ihnen wird trotzdem immer noch eine gewisse moralische Überlegenheit beigemessen. Absurderweise gibt es von dem gerade inhaftierten Lehrer eine DVD zu kaufen, die ausgerechnet das Thema « Ethik im Zen » behandelt. Man ist im Zen zwar immer schon skeptisch gegenüber leeren Worten gewesen, aber die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis ist in diesem Fall besonders krass.


    Zen-Meister lassen sich nicht täuschen
    Besonders im Rinzai-Zen wird betont, dass das persönliche Gespräch zwischen Meister und Schüler die tiefstmögliche Begegnung zweier Menschen darstelle, welche die reine Kommunikation « von Geist zu Geist » möglich mache. Während solchen Gesprächen helfe der Meister dem Schüler, seine « ursprüngliche Natur » jenseits von dualistischen Gedanken oder Begierden zu erleben. Dabei seien Versuche des Schülers, vorgetäuschte Antworten zu geben oder sich unecht zu benehmen, stets vergeblich, weil sie vom Meister blitzschnell erkannt und bloßgestellt werden. Nun erscheinen solche Behauptungen aber ziemlich hochgeschraubt, wenn einige Menschen offenbar das gesamte Koan-Curriculum durchlaufen können, ohne dass ihr Meister dabei merkt, dass sie zu sexueller Deviation, Narzissismus, oder gar Soziopathie neigen.


    Zen-Meister sind weniger angehaftet
    Es ist inzwischen so selbstverständlich, dass Zen-Meister den ganz normalen menschlichen Trieben nachgehen, dass man leicht vergisst, dass der Buddha damals eigentlich was anders gepredigt hatte. Und die Erfahrung der letzten Jahren zeigt, dass solche Menschen nicht nur an sexuelle Befriedigung, sondern auch an Ruhm, Geld oder Macht haften können. Auch der aktuelle deutsche Fall macht dies deutlich: bislang haben sich nämlich weder der Verdächtigter noch sein Tempel öffentlich zu seiner Verhaftung geäußert. Auf der einen Seite ist es bei einem solch sensiblen Thema natürlich nachvollziehbar, dafür erst die rechtskräftige Verurteilung abzuwarten. Auf der anderen Seite ist der Mann aber angeblich Zen-Meister. Und nach dem dazugehörigen Dogma schweben solche Wesen ja quasi oberhalb der weltlichen Gesellschaft: sie haften an nichts, fürchten weder Alter noch Tod, haben nichts zu erreichen weil es nichts zu erreichen gibt, usw. Was also hindert diesen Mann daran, die Wahrheit über seinen Tat einfach sofort preiszugeben? Jeder noch so unbedeutende Politiker ist heute in der Lage, ethische Verfehlungen zuzugeben, sich bei den Betroffenen zu entschuldigen und die Verantwortung dafür auf sich zu nehmen. Warum kann also ein angeblich erfahrener spiritueller Lehrer dies nicht auch tun? Wo bleibt denn hier « Wäsche waschen nach der Ekstase »?


    Zusammenfassend ist es für mich also klar, dass viele der überlieferten Versprechungen über Zen-Meister heutzutage schlicht nicht eingehalten werden. Ob sie jemals eingehalten wurden, oder ob die zugeschriebene Qualitäten immer schon übertrieben waren, sei erstmal dahingestellt. So oder so bleibt festzuhalten, dass die Zeiten der Mytholisierung des Zen-Meisters nun endgültig vorbei sind. Man kann aber hoffen, dass wenn solch unhaltbare Erwartungen einmal wegfallen, dass das Verhalten der kommenden Generation der Zen-Lehrer sich auch normalisieren wird. Luft nach oben wäre auf jeden Fall da.


    - Christopher Hamacher