Beiträge von Der Unbuddhist im Thema „Zen-Priester unter Missbrauchsverdacht“

    Der Fall hat auch sein Gutes. Noch vor kurzer Zweit wurden die wenigen, die es wagten das zu kritisieren was zu derartigen Fällen führt – Hörigkeit, kritikloses Nachbeten, Projektion, (Gegen)Übertragung – mehrheitlich als Provokateure, Unwissende, Unerleuchtete Miesepeter, entäuschte Nörgler usw usv. bezeichnet. Auch und gerade im Buddhaland. Diese Stimmen hört und liest man hier inzwischen kaum noch. Gelegentlich reibt man sich sogar die Augen und wundert sich. Selbst ein ehemaliges Ratsmitglied der DBU, das in dieser Funktion vor einigen Jahren eine buddhismuskritische Kunstaktion vehement bekämpft hat, spricht nun eloquent vom "Symbolischen Kapital" – das mit eben dieser Kunstaktion kritisch beleuchtet wurde und welches in hohem Maße für Machtmissbrauch im deutschen Schweige-und-Wegsehbuddhismus ursächlich mitverantwortlich ist. Das alles lässt hoffen, dass Buddhismus doch noch Formen annehmen kann, die wegkommen von der Anbetung eines Phantoms das vor 2500 Jahren gewirkt haben soll. Das lässt hoffen, dass zum Beispiel Nagarjuna doch noch ins Gespräch kommt mit Gedanken der Aufklärung und solchen der europäischen Philosophie seit Marx, Nietzsche, Husserl, Heidegger, Foucault, Derrida etc. und dass daraus eine spirituelle Haltung entsteht, die sich dem grossen Problem unserer Zeit zuwendet: dem Zusammenhang unserer ökonomischen Lebensform und einer drohenden und in Teilen schon eintretenden drastischen und hochgefährlichen Veränderung unseres planetaren Lebensraumes.

    Axel:

    Boyer. Ich fürchte, das wird uns nicht weiter bringen.


    In der Tat nicht, das würde hier zu weit führen. Weber wäre auch evtl. hilfreich. Stichwort Charisma. Hat da gute Sachen zu gesagt. Ich habe verschiedentlich darüber geschrieben.


    Zitat

    Ich muss einfach zugeben, dass ich es nicht 'intelektuell' begründen kann, aber ich denke, dass es ein angeborenes Verständnis von 'Gut' und 'Böse' gibt.


    Gibt es in gewissem Sinne. Wieder Boyer usw. Aber wie gesagt, der Übergang von genetisch zu sozial determiniertem Verhalten ist wichtig. Hier vermischen sich bestimmte Elemente. Das Stichwort ist Exaptation.


    Sudhana:


    Ich halte den Begriff 'symbolisches Kapital' in unserer Diskussion hier für hilfreich.


    Ist er bestimmt. Sehr schöne Zusammenfassung. Und in ihrer Sachlichkeit verbirgt sich eine enorme Tragweite für das was wir hier besprechen.

    Soziales Kapital ist ein Begriff aus der Soziologie, siehe z.B. Pierre Bourdieu. Sieh auch die Affäre "Made in Dresden".


    Piaget oder Spinoza habe ich nicht drauf. Wer aber Das Gute an sich setzen will, als Apriori, wird sehr schnell Probleme bekommen. Auch ist der Übergang von möglicherweise genetisch vererbten Verhaltensweisen auf soziale, aus dem historischen Prozess hervorgegangenen, sehr schwierig zu verstehen. Siehe z.B. Pascal Boyer und seine Kausale Essenz und ähnliche Forschungen.


    Ich würde beim Verweis auf Das Gute allerdings der Einfachheit halber auf das 20. Jahrhundert mit seinen millionenfachen Massenmorden verweisen. Hitler, Stalin, Mao, Pol Pot konnten alle auf so etwas wie Das Gute verweisen, in ihrem jeweiligen Sinne, und sie hatten dabei noch dazu immer die Vernunft auf ihrer Seite, mit der sie ihren Wahn begründen konnten.


    Naja, und mir fällt noch der Idiot in Washington ein. Wenn es Das Gute gibt, was durchaus im Sinne von Sorge sein kann, welche Kräfte sind es dann die die Hälfte aller US-Amerikaner dazu treibt diesen Idioten zum Präsidenten zu machen?


    Das alles wäre auf jeden Fall etwas für ein Themenheft von Buddhismus aktuell. Allerdings glaube ich nicht, dass die da entsprechend kompetente Autoren haben, die über eine Verankerung einer Ethik in einem jenseitigen Raum hinausgehen können. Ich erinnere mich, dass selbst ein Wissenschaftler wie Karl-Heinz Brodbeck das macht (siehe Themenheft Achtsamkeit von 2016).

    Man kann natürlich darüber streiten, wie eine Ethik zu begründen sei. Das ändert aber nichts am zweiten Teil des Problems: Dass viel im Buddhismus im Westen der Schwierigkeit dieser Begründung aus dem Weg gehen, indem sie einfach voraussetzen, das Problem sei im Meister gelöst.

    void:

    Oder eine Sonderaushabe [von Buddhismus heute] "Wie gehen wir mit Missbrauch um" von Buddhismus aktuell.


    Vielleicht sollte man es allgemeiner angehen und die Problematik folgendermaßen thematisieren: Wir wissen heute, eine Ethik lässt sich nicht aus irgendwelchen objektiven Tatsachen herleiten. Z.B. in dem man Das Gute im Menschen voraussetzt. Ergo ergibt sich eine Ethik immer auf Basis von Übereinkünften. Das bedeutet, dass man miteinander darüber reden muss. Wie wir wissen ist das nicht einfach. Im Buddhismus im Westen haben wir aber oft das Problem, dass man diese Problematik der Übereinkunft umgeht indem man einfach unterstellt, der Meister besitze das Wissen um die Ethik. Alles Schalten und Wallten ist also beim Meister konzentriert, ohne dass es ein Gespräch darüber gäbe, wie sein Wissen wirklich aussieht.


    Für Buddhismus heute als Organ der DBU ergibt sich aber ein Interessenkonflikt bei einem solchen Thema. Starke Gruppen in der DBU-Mitgliedschaft die auch im Rat vertreten sind, basieren in ihrer Struktur auf der oben genannten, nicht hinterfragten Voraussetzung, dass der Meister weiss was er tut und dass kein Gespräch mit ihm darüber nötig ist, wie er zu seiner Auffassung von Ethik kommt.


    Buddhismus aktuell kann das Thema nicht in allen wichtigen Fassetten diskutieren, ohne, zumindest implizit, die Autorität von Personen wie z.B. Sogyal von Lakar oder Ole Nydahl in Frage zu stellen.


    Sudhana:

    Die DBU soll ihren Mitgliedsverbänden bescheinigen, dass sie alle "authentischen Buddhismus" lehren (was auch immer das sein mag) und ansonsten auf ehrenamtlicher Basis ein wenig PR machen - nicht aber Mitgliedern an den Karren fahren, wenn die aus der Spur laufen. Deswegen äußert sich Herr Gantzhorn auch so zu dem Thema, wie er das tut - da spricht er für die DBU heute, was ja auch sein Amt ist.


    Dazu zitiere ich Tenpel aus einer Diskussion im Forum der Buddhismus aktuell:


    Zitat

    Was sollte denn die Bedeutung der DBU sein, wenn sie nicht einmal Stellung zu ethischen Fragen beziehen kann? Ein buddhistischer Dachverband ohne Kompetenz in (buddhistischer) Ethik? [meine Hervorhebung]


    Sudhana:

    Noch 2011 wurde auf dem Kongress der DBU das Thema unter verschiedenen Aspekten diskutiert. Damals stand man tatsächlich bei diesem Thema "noch ganz am Anfang" - heute ist man einen großen Schritt zurückgetreten.


    Das in dieser Nüchternheit von einem ehemaligen Rat der DBU zu hören ist schon ein niederschmetterndes Urteil.

    Moosgarten:

    Ich bin in 10 Tagen da, aber Hozumi Gensho ist ein vielbeschäftigter Mann, wer weiss ob ich ihn antreffe.


    Ganz im Ernst: Wie wäre es mit einer kleinen informellen Recherche, wie man dort mit dieser Sache umgeht. Nicht nur beim Cheff Hozumi sondern überhaupt bei den dortigen Zenis soweit du sie triffst. Wobei die wie auch immer sich darstellende Unmöglichkeit das Thema anzusprechen schon Teil der Sache wäre. Das Thema ist schwierig, das ist klar, und man will vielleicht nicht unbedingt damnit anderen auf die Nerven gehen. Andererseits würde mich mal wirklich eine starkes Statement eine anerkannten Zen-Persönlichkeit interessieren.

    Sudhana:
    Der Unbuddhist:

    In welchem Zeitraum war eigentlich Genpo D. im Rat der DBU und welche Funktion hatte er da inne?


    April 1985 bis April 2008.


    Thx.


    Übrigens allgemein. Dass man als Kritiker immer wieder angefeindet wird, dass einem unlautere Motive unterstellt werden usw. usv. kennt man zur Genüge. Allerdings werden diejenigen die nicht mehr drauf haben, hier anscheinend weniger. Vor 5 oder zehn Jahren wäre hier im Buddhaland ein Thread wie dieser mit relativ viel Substanz nicht möglich gewesen. Das lässt hoffen.

    Axel:

    Aber manchmal scheint es in dem Artikel darum zu gehen, weitere 'Sex-Skandale' zu verhindern, statt die dahinterliegenden Strukturen anzuschauen, die eben nur im Einzelfall 'Sex-Skandale' verursachen, aber als Ergebnis des laufenden Geschäfts eben auch ganz andere 'Skandale'...


    Naja, der Schwerpunkt liegt halt schon bei Genpo D. und bei den sich wiederholenden Verhaltensweisen. Aber du hast Recht, der Sexskandal ist 'nur' ein Effekt der Strukturen in denen sich das abspielt.

    Axel:

    Lesenswerter Artikel. Danke. Allerdings auch hier (finde ich) teilweise wieder das Verwechseln von Form ('Sex-Skandal') und Inalt (ideologisch-institutionell begünstigter Machtmissbrauch).


    Hi Axel, Danke.


    Betreffend Form und Inhalt. Mir geht es eher um die Unterscheidung Einzelperson gegenüber Struktur in der möglich wird, was die Einzelperson tut. Oder besser gesagt, Person als Erscheinung einer Struktur. Die Verantwortlichkeiten verteilen sich dann anders. Solange man nur von der Einzelperson ausgeht, können sich gewisse Institutionen leicht rausreden, damit nichts zu tun zu haben. Wenn man es strukturell betrachtet verändert sich das. Ich würde dabei auch Wert darauf legen, von Verantwortung zu reden und nicht von Schuld. Dieser Gedanke führt aber nicht dazu, das was Genpo D. getan hat zu relativieren. Er hat sich dafür zu verantworten. Er hat allerdings auch die Chance sich zu rehabilitieren. Dazu ist unser Rechtssystem so gebaut wie es gebaut ist.

    Vielleicht sollte man, statt nach den Problemen zu fragen die sich scheinbar in einer Einzelperson konzentrieren, danach fragen, welche Strukturen es ermöglichen, dass solche Dinge nicht verhindert werden und sich andauernd wiederholen. Bei der Vielzahl solcher Fälle, die wir inzwischen kennen, fallen einem doch immer häufiger die immer gleichen Verhaltensweisen der Beteiligten auf. Bei denen geht es garnicht so sehr um 'Buddhismus' sondern um ganz normale Formen der Verdrängung, der Skrupellosigkeit, der Scham, Dummheit, Selbstüberschätzung, Narzissmus usw. Täglich grüßt das Murmeltier.

    Auf Facebook schreibt jemand der Genpo Döring wohl kannte, dieser sei jemand, "dem der Amoralismus des Zen durchaus als Ausrede für äußerst zweifelhaftes Verhalten galt und den eine große Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit auszeichnete - das Gefühl, jemand Besonderes und anderen Menschen grundsätzlich überlegen zu sein."


    Ja, das kommt einem doch irgendwie alles sehr bekannt vor. Und genau solche Menschen sind es, die in Organisationen wie zB Diamantweg und Rigpa ausschliesslich nach oben kommen. Nach oben kommt, wer sich überlegen fühlt. Wer sich in der Szene auskennt, kennt das. Ein weiterer Fall an den einen das erinnert ist natürlich der von Eido Shimano.

    Zitat

    Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Äußerung des Sprechers der DBU in diesem Beitrag
    http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=386025
    http://blog.buddhistische-sekt…schuelerinnen-haben-oder/


    Es ist wirklich zu hoffen, dass die DBU irgendwann da landed, wo sie hingehört: Auf dem Müllplatz der Geschichte.


    Wenn der Sprecher der DBU Gunnar Gantzhorn – heutzutage – zum Thema nicht mehr zu sagen hat, so outet er sich als völlig inkompetent. Stattdessen vom üblichen Esoterikmist à la Vajrayana usw. zu schwadronieren zeigt, dass es sich bei ihm um den üblichen Eso-Blender handelt.


    Kein Wunder allerdings, die DBU in ihrem Rat wird bekanntlich dominiert von den beiden mächtigsten und zugleich zutiefst reaktionären buddhistischen Gruppen Deutschlands bzw. weltweit: Ole Nydahls Diamantweg und Sogyal Rinpoches Rigpa. Da will man sich nicht unbeliebt machen, indem man zB Vergwaltigung Vergewaltigung nennt und das pseudobuddhistische Getue dieser Leute als das bezeichnet was es ist: Sektenseppels Grössenwahn als Voraussetzung für Machtmissbrauch in jeglicher Form.