Beiträge von raterz im Thema „Kann man das Sterben in der Meditation üben?“

    kilaya:

    D.h. Du erwartest, als "Mandala der Gottheit" dann um Dich herum sehenden Auges eine komplett andere Welt zu sehen?


    na klar. einmal die echte welt, und dann eben die zweite parallelwelt des mandalas mit dem yidam als man selbst in der mitte.


    und diese beiden realitäten können sehr stark verschmelzen. wenn man ein zornvolles mandala hat, kann es tatsächlich sein, dass einem die ganze zeit auf der straße skelette entgegen kommen. das hat nichts mit verrückt sein zu tun, sondern ist fortgeschrittene tantrische praxis.



    bezüglich der visualisation wollte ich noch einmal anmerken: tantrische visualisation ist kein willensakt und erfordert keine wirkliche geistige aktivität. die visualisation entsteht spontan aus der leerheit heraus. d.h. aus der eigenen weisheit, oder man könnte sagen: aus der tiefe der eigenen rigpa-erfahrung - spontan, mühelos und durchscheinend. wer in seiner weisheitsmeditation verweilen kann, der verweilt auch ganz automatisch in der visualisation des yidams.
    ohne weisheitsmeditation ist diese praxis deshalb nur anstrengend und nicht fruchtbar.


    es gibt deshalb kein tantra ohne dzogchen/mahamudra. die einweihung in rigpa ist auch essentiell. und ich hab mittlerweile die meinung, dass die beste vorbereitung für eine rigpa-einweihung weisheitsmeditation ist - also vipassana.

    Sherab Yönten:


    Das hängt ganz davon ab wie Du "Stabilität" definierst. Es gibt Meister, die visualisieren ihren Yidam während ihrer Meditation 4 Stunden lang und halten diese Visualisierung aufrecht! Das ist durchaus eine Herausforderung, wenn auch nicht unmöglich. Rezitieren von Mantras und Visualisierungen gehören für mich zusammen :) Und die Rezitation von Sutras und Wunschgebeten stabilisiert wiederum die tantrische Praxis....


    Dafür braucht es keine Meisterschaft. Den Yidam ununterbrochen aufrecht zu halten ist eher "nur" etwas fortgeschrittenes. ;)
    Je weiter man dann praktiziert, desto mehr "sieht" man überall das Mandala der Gottheit.

    Eine stabile Yidam Meditation ist in meinen Augen für jeden fleissigen Praktiziernden möglich. Aber nicht durch das Rezitieren von Texten, sondern von Mantras.


    Phowa ist meiner Meinung nach eine Art Fähigkeit, die sich durch jede Yidam Praxis entfaltet. Diese explizit zu üben, ist meiner Meinung nach nicht notwendig, und auch nur eine moderne Idee.

    Die Auflösungsphase ist die Simulation des letzten Punktes im Sterbeprozesses.
    Ein Tantriker übt das Sterben jeden Tag.


    Das Wiedererscheinen als Gottheit kommt übrigens danach und ist einer der Hauptgründe der Yidam Praxis: man erscheint nach dem Tode als Yidam und hat damit ein Gefäß für den Geist, einen Anker. Mit diesem Anker kann man im körperlosen Bardo Zustand navigieren und ist nicht schutzlos den ganzen Dämonen Gesindel ausgeliefert.