Beiträge von Frieden-und-Freude im Thema „Was wird eigentlich wiedergeboren?“

    Moosgarten:

    :)
    Wir sind eben keine vereinzelten Wesen, die in irgendeiner Weise allein agieren könnten. Wir übernehmen alles was wir zu haben glauben (selektiv) von anderen und setzen es nur jeweils spezifisch zusammen. "anatta" ist auch daraus eine Konsequenz.


    Heiter und leicht aus der Meditation freue ich mich über diese heilsame Einsicht.


    :)

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Moin Accinca! :)
    Stimmt genau, ich war leider nicht dabei, als der Buddha lehrte. Und etwas Schriftliches hat er auch nicht hinterlassen. Im Verlauf von Jahrhunderten wurde seine Lehre mündlich überliefert und die Überlieferung dabei immer wieder verändert.


    Wenn das denn deine Meinung ist die du als Wahrheit
    betrachten möchtest muß man das ja nicht auch glauben.
    Ein Gespräch über die Lehre erübrigt sich dann aber auch.
    Wäre ja auch unnütz.


    Du zitierst mich so, als wollte ich behaupten, dass man keine Aussagen darüber machen kann. Stattdessen sage ich aber, dass es sich um Hypothesen handelt. Und ich gebe Dir ausführliche Argumente.


    Du verdrehst also mutwillig meine Worte und gehst auf kein einziges Argument ein. ;)
    In diesem Stil möchte ich keine Diskussion fortführen.

    accinca:


    Von dem was der Buddha lehrte scheinst du wenig zu wissen.


    Moin Accinca! :)


    Stimmt genau, ich war leider nicht dabei, als der Buddha lehrte. Und etwas Schriftliches hat er auch nicht hinterlassen. Im Verlauf von Jahrhunderten wurde seine Lehre mündlich überliefert und die Überlieferung dabei immer wieder verändert.
    Deshalb weiß ich wirklich wenig darüber, was der Buddha lehrte. Und ich äußere mich darüber vorsichtig, denn alle Aussagen dazu sind Hypothesen.
    Du scheinst aber zu glauben, gerade in einem der umstrittensten Bereiche etwas sicher zu wissen, und zwar dass ein "innerer Wesenskern" als Träger personaler Identität wiedergeboren werde.
    Und Du äußerst wiederholt, dass die gesamte Lehre und Praxis sinnlos werde, wenn diese Interpretation von "Wiedergeburt" aufgegeben werden muss.


    Mir scheint aber das Entscheidende am Buddhismus (im Gegensatz zu den monotheistischen Religionen) darin zu bestehen, dass es gerade nicht um Glauben und Festhalten an Glaubenssätzen geht. Sondern um Entwicklung/"Erziehung", also Praxis.
    Ajahn Jayasaro formuliert das sehr deutlich und gut nachvollziehbar in einem seiner Vorträge:
    https://www.youtube.com/watch?v=-IHpwKa0E2Q


    (ab Minute 6.38 findest Du die relevante Stelle)



    Zu den Textstellen, die Du ohne Erläuterung angeführt hast, offenbar als Belege für Deine Interpretation: Da sehe ich nicht den geringsten Beleg dafür, dass innere Wesenskerne als Träger personaler Identität wiedergeboren werden.
    Was Du als Beleg für Deine Auffassung brauchst, sind Textstellen, aus denen hervorgeht, dass es eine Kontinuität personaler Identität gibt, von Geburt zu Geburt.


    Beispielsweise könntest Du folgende Textstelle anführen, die das scheinbar belegt:


    Majjhima Nikāya 12:


    17. (8) "Wiederum erinnert sich der Tathāgata an seine vielfältigen früheren Leben, das heißt, an eine Geburt, zwei Geburten, drei Geburten, vier Geburten, fünf Geburten, zehn Geburten, zwanzig Geburten, dreißig Geburten, vierzig Geburten, fünfzig Geburten, hundert Geburten, tausend Geburten, hunderttausend Geburten, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog, viele Äonen, in denen sich das Weltall ausdehnte, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog und ausdehnte: 'Dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, solcherart war meine Nahrung, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich woanders wieder; auch dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, war meine Nahrung solcherart, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich hier wieder.' Auch das ist eine Kraft eines Tathāgata, die der Tathāgata hat, kraft derer er den Platz als Anführer der Herde beansprucht, seinen Löwenruf in den Versammlungen ertönen läßt, und das Rad des Brahmā in Bewegung setzt."


    Das schaut ja auf den ersten Blick so aus, als ob der Buddha als Person immer derselbe bliebe: Es ist von "Ich" und "Mein" die Rede, bezogen auf die ganze Reihe an Wiedergeburten.


    Meine Gegenargumente dazu wären:


    1. Die Verwendung von "Ich" und "Mein" soll lediglich eine Art karmische Verbundenheit ausdrücken, nicht aber eine Fortexistenz als personhaftes Ich über die Zeiten hinweg.


    2. Selbst wenn sich einzelne Textstellen finden lassen sollten, die nach wörtlicher Lesart eine personhafte Fortexistenz suggerieren, sind diese Stellen metaphorisch zu verstehen. Denn sonst wäre die Lehre des Buddha inkonsistent. (Und das widerspricht dem zentralen Prinzip der Textauslegung, dem "principle of charity": Interpretiere so, dass Du dem Urheber eines Textes oder einer Rede keine offensichtlichen Widersprüche zuschreibst.)


    Warum es ein Widerspruch zu Anicca und Anatta wäre, eine personale Kontinuität oder irgendwelche inneren Wesenskerne anzunehmen, wurde bereits mehrfach gesagt.



    Ich hoffe, ich konnte ein wenig zur Klärung beitragen.


    Vorläufig muss ich mich aber aus der Diskussion verabschieden.


    Herzliche Grüße


    _()_



    Ich möchte noch auf Deine letzten Argumente eingehen, die ich noch nicht beantwortet hatte:


    1. Menschen bilden im Laufe ihres Lebens gewohnheitsmäßige Reaktionen aus. Man spricht dabei oft von ihrem "Charakter". Diese typischen Reaktionsweisen sind häufig relativ konstant, d.h. in ähnlichen Situationen reagiert derselbe Mensch jeweils ähnlich. Du möchtest offenbar sagen, dass dieser "Charakter" der "innere Wesenskern" sei, der eine Person ausmacht und der als personale Identität wiedergeboren wird.


    Meine Antwort darauf:
    Ja, da sind Gewohnheiten und "Gewohnheitsenergien", die im Laufe der Sozialisation entstehen. Und auch das sind bloße Prozesse, kein "innerer Wesenskern", der als Träger Deiner personalen Identität wiedergeboren wird.


    2. Du glaubst, dass die ganze Praxis vergeblich sei, wenn es keine Wiedergeburt im Sinne einer Kontinuität persönlicher Identität gebe. Der Buddha habe dann umsonst gelehrt.


    Mir scheint, dass der Buddha keineswegs die Wiedergeburt von "inneren Wesenskernen" bzw. die Konstanz personaler Identität gelehrt hat. Das alles sind doch eher Vorstellungen aus dem Brahmanismus oder anderweitige Seelen-Vorstellungen, auch wenn Du versuchst, das abzumildern, indem Du nur von relativer Konstanz statt absoluter Konstanz sprichst.


    Doch selbst, wenn der Buddha das so gelehrt haben sollte, was Du glaubst (wogegen sehr viel spricht), wird dadurch die Praxis in diesem gegenwärtigen Leben nicht sinnlos.


    Deine Reaktion ("dann ist alles sinnlos") erinnert mich an Dostojewskis Roman "Die Brüder Karamasow".
    In einer berühmten Passage ruft Iwan verzweifelt aus: "Wenn Gott tot ist, dann ist alles erlaubt!"


    Iwan hat alles Gute und Moralische auf den Begriff "Gott" projiziert. Sobald der Gottesglaube wegfällt, meint er, sei auch alles Gute vernichtet.
    Für Außenstehende ein klarer Trugschluss.


    Ähnlich scheint es bei Dir: Du hast anscheinend alles Gute an der Lehre des Buddha mit einem bestimmten Verständnis von Wiedergeburt verknüpft. Und wenn dieser Glaube wegfällt, so meinst Du, ist die Lehre tot.


    Ebenfalls ein Trugschluss.



    Gute Nacht & liebe Grüße


    _()_


    Lieber Accinca,


    erinnere Dich doch bitte an die Früchte des spirituellen Weges, die in DIESEM LEBEN SICHTBAR sind. Für jeden, der den Weg praktiziert. An die heilsamen Wirkungen für Dich selbst und für andere Menschen, mit denen Du zusammen bist.


    Das alles "macht Sinn". Ganz konkret. Im Hier und Jetzt.


    Ob "Wiedergeburt" als Kontinuität Deiner Person Sinn ergibt - oder ob es nicht eher spiritueller Materialismus ist (ein "Lohn" Deiner Arbeit in späteren Leben zu bekommen) - das ist eine andere Frage ...


    _()_

    accinca:


    Die Vorstellung: die Praxis bleibt die Praxis mit und ohne
    Buddhalehre, egal welche Ansicht man hat, vertrete ich nicht.
    Alle Gedanken verändern die Praxis.


    Ich hatte Dir oben das Beispiel einer Sichtweise der Lehre gegeben, die ohne die Idee "personaler Wiedergeburt" auskommt: Ziel ist die Überwindung von dukkha, nicht die "Befreiung" eines persönlichen Wesenskerns.
    Auch das Argument im Hinblick auf den Prozesscharakter personaler Identität (der 5 khandas) entstammt der Lehre selbst. Wer an einen persönlichen Wesenskern glaubt, der von Wiedergeburt zu Wiedergeburt schreitet, steht (meiner Meinung nach) im Widerspruch zum Anti-Essentialismus des Buddha.

    Und im Laufe des Threads gab es von Moosgarten noch andere Argumente, allesamt auf Grundlage des Pali-Kanons.



    Diese metaphysische Annahme, dass ein personaler Wesenskern wiedergeboren werde und das Ziel darin bestehe, vorrangig diesen zu erlösen/befreien, ist meiner Meinung nach gar kein Bestandteil der Lehre.


    Aber es kann sein, dass ich mich irre.
    Und ich möchte allen, die an einen fortdauernden persönlichen Wesenskern glauben, dennoch zubilligen, dass sie eine sinnvolle Praxis ausüben. Soweit sie den achtfachen Pfad praktizieren.


    So meinte ich das. :)



    Die Argumente sind ausgetauscht. Falls nicht noch ein spannender neuer Gesichtspunkt auftaucht, verabschiede ich mich jetzt aus dieser Diskussion.


    _()_

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Na, in der modernen Philosophie haben erst im 20. Jahrhundert ein paar Leute neu entdeckt, dass alles Prozess ist und die Dinge keinen Wesenskern haben.


    Was immer die Herren Philosophen so glauben mögen, hier
    geht es ja nur um den Buddha und was er lehrte.
    Danach macht die Lehre keinen Sinn wenn man das Ziel
    der Lehre (nicht wieder geboren zu werden) auch ohne
    die Lehre automatisch erreichte.



    Ja, ich verstehe, was Du meinst.


    Was hältst Du denn von folgender Sichtweise: Das Ziel der Lehre ist die Überwindung von dukkha. Die leidenden Wesen sind nicht getrennt voneinander, stattdessen ist alles ein Prozess der beständigen Reproduktion von dukkha. Und "Du" (also der Prozess der 5 Khandas, die man "Persönlichkeit" nennt) kannst in jedem anderen Wesen Dein "eigenes" Leiden wiederentdecken. Und es wird in jedem empfindungsfähigen Wesen "wiedergeboren".
    Was Du tun kannst, ist die Überwindung von dukkha durch die Praxis des achtfachen Pfades. Dabei geht es darum, schon in diesem Leben Gier, Hass und Verblendung zu reduzieren und auch das Leiden anderer Wesen zu lindern.


    Würde das für Dich "keinen Sinn machen"?



    Morpho:

    Das Wort ist Sakkaya.


    Ja, das sind die 5 khandas - und das sind Prozesse, kein Wesenskern.






    Aber okay, mir liegt es fern, jemand von etwas überzeugen zu wollen.


    Ich habe gar nicht den Anspruch, eine besondere Interpretation der Lehre des Buddha vorzulegen.
    :)


    Was ich sagen möchte, ist: Auch ohne die Annahme, dass so etwas wie eine persönliche Identität als Wesenskern wiedergeboren wird, macht die Praxis der Lehre Sinn.


    Wenn aber jemand an dieser Annahme personaler Wiedergeburt festhalten möchte, ist das ebenso okay.
    Der metaphysische Überbau des Buddhismus hat nicht zwingend einen Einfluss auf die Praxis. (Und auf die Praxis kommt es an.)

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Da müssten wir jetzt ganz grundsätzlich darüber sprechen, was der Buddha lehrte.
    Ich bin der Meinung, dass Richard Gombrich in seinem Buch "What the buddha thought" zutreffend beschreibt, dass die Lehre des Buddha anti-essentialistisch ist. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Wesenskern.


    Tja, das nenne ich unbegründet das Kind mit dem Bade auskippen.


    Na, in der modernen Philosophie haben erst im 20. Jahrhundert ein paar Leute neu entdeckt, dass alles Prozess ist und die Dinge keinen Wesenskern haben.
    Insofern war der Buddha da recht fortschrittlich. ;)


    Da müssten wir jetzt ganz grundsätzlich darüber sprechen, was der Buddha lehrte.
    Ich bin der Meinung, dass Richard Gombrich in seinem Buch "What the buddha thought" zutreffend beschreibt, dass die Lehre des Buddha anti-essentialistisch ist. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Wesenskern.

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Aus "Alles ist Prozess" folgt lediglich, dass wir unsere Illusionen von "Person" und "Ich" (jeweils gedacht als konstante Einheit) nicht ins nächste Leben retten können. :)


    Was heißt denn "retten können"?


    Die weit verbreitete "volkstümliche" Vorstellung von Wiedergeburt ist doch, dass jemand glaubt, seine personale Identität bleibe erhalten. Als eine Art Wesenskern, der fortexistiert.
    Doch diesen Wesenskern gibt es eben nicht, da alles Prozess ist, auch die personale Identität selbst.

    accinca:

    Man kann
    aber nicht sagen: Alles ist vergänglich also kann
    es keine Wiedergeburt geben. Das ist sicher Falsch.



    Da stimme ich Dir zu. Das wäre ein Fehlschluss.


    Aus "Alles ist Prozess" folgt lediglich, dass wir unsere Illusionen von "Person" und "Ich" (jeweils gedacht als konstante Einheit) nicht ins nächste Leben retten können. :)

    accinca:
    Frieden-und-Freude:


    Doch alles ist Prozess. Und eine konstante personale Identität gibt es nicht einmal in diesem Leben.


    Kommt eben darauf an was man unter "Konstanz" versteht.
    Du sprichst hier sicherlich wohl von einer absoluten ewigen
    Konstanz. So eine gibt es nicht. Was anderes sind z.B. für
    lange konstant verlaufende und zusammenhängende Prozesse.


    Ob Prozesse langsam ablaufen oder schneller, spielt bei dieser Frage keine grundsätzliche Rolle. Sobald wir erkennen, dass alles prozesshaft ist, gibt es auch nicht so ein "personhaftes Ich-Ding", an das wir uns klammern müssten. Weder in diesem Leben noch für ein eventuell zukünftiges (was auch immer das bedeuten mag).


    Die Einsicht, dass wirklich alles prozesshaft ist, stellt meiner Meinung nach eine große philosophische Leistung des Buddha dar.

    accinca:


    Das Problem welches du beschreibst ist tatsächlich in der Vorstellung
    von "Konstanz" begründet und in der Annahme die bestehende "Konstanz"
    durch welche man jetzt und hier das Fortbestehen einer Person als eine
    Einheit durch dieses Leben identifiziert wäre ausschließlich von diesem
    Körper abhängig und würde darüber hinaus nicht möglich sein.


    Eine konstante personale Identität ist doch bereits in diesem Leben eine Illusion, eine mentale Konstruktion. Du bist nicht derselbe, der Du bei Deiner Geburt warst ... oder vor 20 Jahren ... oder vor zwei Wochen. Und das betrifft nicht bloß äußerliche körperliche Merkmale, sondern alle Merkmale, die Dich als Person ausmachen, also auch psychische und geistige Dispositionen. Natürlich gibt es Ähnlichkeiten und manche Merkmale, die sich nur sehr langsam verändern. Doch alles ist ein Prozess, alles verändert sich.


    Das normale Alltagsbewusstsein unterliegt gerade in diesem Punkt einer Täuschung. Menschen glauben, sie seien immer "derselbe" ... ununterbrochen und konstant, ein Leben lang (und evtl. darüber hinaus).
    Und gerade wenn Menschen älter werden, versichern sie sich dieser personalen Identität, indem sie ständig Geschichten über sich erzählen, um sich selbst und anderen zu zeigen "Das bin ich!".


    Doch alles ist Prozess. Und eine konstante personale Identität gibt es nicht einmal in diesem Leben.

    Verordnen lässt sich "rechte Rede" natürlich nicht. Aber es sollte schon immer wieder bewusst gemacht werden, dass die Praxis ganz konkret ist: Im Fall von Diskussionen in diesem Forum könnte es bedeuten, dass es wichtiger ist, Freundlichkeit und freundliche Rede zu üben, als auf der Ebene von "right view" Recht behalten zu wollen.


    Natürlich lässt sich rechte Rede auch in Diskussionen über "Wiedergeburt" üben. Doch diese Übung scheint schwierig zu sein. :)


    Was spricht eigentlich dagegen, sich die jeweiligen Meinungen mitzuteilen, sich kurz über den Inhalt und Argumente auszutauschen. Und es damit beruhen zu lassen. Statt mit Ablehnung und Aversion zu REAGIEREN und einander beständig zu provozieren.


    Das ist ja ein sehr konkreter und praktisch relevanter Sinn von "Wiedergeburt": Durch Aversion gegenüber den Meinungen des anderen und durch das Begehren, die RICHTIGE Meinung durchzusetzen, erschaffen wir fortlaufend unser EGO.
    Permanente Wiedergeburt im "Wiedergeburts"-Thread. :)



    Wenn jemand sagt, er wurde als "Person" wiedergeboren, dann impliziert das doch die Konstanz bestimmter Merkmale von Persönlichkeit.
    Und so ist das ja auch in der Regel beim volkstümlichen Begriff von "Wiedergeburt" gemeint, dem auch viele Buddhisten anhängen, weil man sich darunter noch etwas vorstellen kann: Man stellt sich vor, als Subjekt mit einem bestimmten konstanten Ich-Bewusstsein durch die Zeiten zu wandern. Doch das steht ja ganz offenbar im Widerspruch zur Lehre des Buddha.


    In der Hermeneutik (also in der Textauslegung) gibt es einen wichtigen Grundsatz, das "Principle of Charity". Dieser Grundsatz besagt, dass man dem Urheber eines Textes bei der Interpretation keine offensichtlichen Widersprüche oder Ungereimtheiten unterstellen sollte.


    Wenn sich also Passagen finden, die so klingen, als meine der Buddha "Wiedergeburt" im Sinne einer Konstanz von personaler Identität, sollten solche Passagen so interpretiert werden, dass die Lehre konsistent bleibt: beispielsweise als bloße metaphorische Rede.


    Insgesamt bestärkt mich die Diskussion in diesem Thread darin, mit dem Thema "Wiedergeburt" zurückhaltend umzugehen und mich des Urteils zu enthalten. Die Praxis des achtfachen Pfades halte ich für eine klar verständliche Lehre, die unter Praktizierenden auch Harmonie und Gemeinschaft stiftet. Im Gegensatz dazu scheint "Wiedergeburt" heutzutage eher Zwietracht unter Praktizierenden zu stiften. (Dieser Thread legt darüber Zeugnis ab. :) )

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:

    Diese "Einzelnen" sind aber ontologisch nicht "real", sondern nur Manifestationen des Leidens.


    Wieso sollten sie nicht "real" sein, sie wirken doch durch ihre Gedanken, Worte, Taten, sind als das Wirklichkeit. Und sie können dies nur sein, weil nichts an ihnen isoliert ist - ihre Existenz besteht nur in Abhängigkeit von anderen, ist also keine vereinzelte.



    Vielleicht erläutere ich mal, wie "ontologisch" gemeint ist ...
    Es geht dabei um grundlegende Aussagen über den Bereich des Seienden. Beispielsweise sind die "Individuen" in der Ontologie Schopenhauers nicht real, sondern nur Manifestationen des Willens zum Leben.


    Jetzt zum eigentlichen Thema:


    Soweit ich das beurteilen kann, besagt die buddhistische Ontologie (trotz großer Unterschiede einzelner Richtungen) ungefähr Folgendes:
    Alles was existiert, sind nur Ströme abhängig entstehender Phänomene, die miteinander interagieren.


    Die Annahme von getrennt von allem anderen existierenden Einzelwesen ist also von vornherein eine Illusion. Man kann sogar radikaler sagen: Ein Einzelwesen gibt es gar nicht, denn es ist lediglich Teil des Stroms von Phänomenen.


    Wenn dem so ist, bedeutet "Wiedergeburt" vermutlich nur, dass sich die Phänomene (darunter das Leiden) immer neu reproduzieren.



    (Ich dachte, Du hattest das so gemeint.)

    Moosgarten:

    Nach meiner Auffassung handelt es sich bei "Wiedergeburt" im Kontext der Buddhalehre vor allem um die des Leidens und dessen Ursachen. Das ist aber kein abstraktes Phänomen sondern manifestiert sich konkret im jeweils Leidenden. Insofern wird also auch immer der Leidende wiedergeboren, immer jetzt durch Ergreifen, worin sich die Leidenden nicht unterscheiden. Das heißt in der Konsequenz, ich werde in jedem wiedergeboren, mit allem, wie ich der Welt begegne, jetzt, in Zukunft und selbst nach meinem Tode, das setzt sich unendlich fort.
    Das ist z.B. der Grund, wieso ich ich absolut unfähig bin, so was wie ne "Nashorn"-Praxis auszuüben :)


    Ok, danke.
    Ich versuche zu verstehen: Voraussetzung Deiner Auffassung scheint eine Ontologie zu sein, in der das Leiden eine Art universelles Prinzip ist, das sich nur manifestiert in einzelnen fühlenden Wesen. Diese "Einzelnen" sind aber ontologisch nicht "real", sondern nur Manifestationen des Leidens.
    Insofern stellt sich auch nicht die Frage, ob ein Einzelner wiedergeboren wird.


    Meintest Du das so oder so ähnlich?


    Und was bedeutet dann "Befreiung" für Dich?
    Und wie trägt die Praxis dazu bei?




    Wenn ich Dich richtig verstehe, lautet Deine Antwort: "Übe jetzt!"


    Eigentlich hatte ich erwartet, einige inhaltliche Ausführungen dazu zu bekommen, was denn nun die aus Deiner Sicht relevante Konzeption von "Wiedergeburt" und "Befreiung" ist.


    Aber mit "Übe jetzt" kann ich auch etwas anfangen. :)


    _()_

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:


    Dennoch ist es vielleicht eine interessante Frage, welche Konzeption von "Wiedergeburt" dem Kenntnisstand der Neurowissenschaften zumindest nicht widerspricht.
    Mich würde Deine Meinung diesbezüglich jedenfalls interessieren.


    Die Antwort wird dich möglicherweise enttäuschen: die Frage ist aus meiner Sicht prinzipiell nicht beantwortbar - und zwar deshalb, weil Naturwissenschaft schon im Ansatz (naturwissenschaftlich) widerlegbare Hypothesen benötigt. Nur diese sind zur Beantwortung naturwissenschaftlicher Fragen zugelassen. Dazu müßte man aber als Vorraussetzung die gesamte "Folge" von paticcasamuppada naturwissenschaftlich abbilden können - was einfach nicht geht, sondern nur in Teilbereichen - wie willst du beispielsweise "Befreiung" (ja auch von "Wiedergeburt - was immer man sich darunter vorstellt) naturwissenschaftlich beschreiben?


    Aus dem selben Grund sind aber auch Versuche, bestimmte Wiedergeburtstheorien durch "Beobachtung" (z.B. "Nahtoderlebnisse" oder Berichte von irgendwelchenwelchen "Erinnerungen") zu stützen, aus naturwissenschaftlicher Sicht von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist - diese Leute verstehen einfach nicht, daß es darauf in den Naturwissenschaften überhaupt nicht ankommt, weil keine widerlegbare Arbeitshypothese und ein dazu entscheidendes Experiment vorgeschlagen werden kann. Die Diskussion in dieser Richtung halte ich aber auch im buddhistischen Kontext für vollkommen für "a-dhamma", weil sie überhaupt nichts zur Frage der "Befreiung" beitragen - denn genau darum dreht sich die Lehre Buddhas und um nichts anderes - das ist jedenfalls meine Sicht der Dinge.


    Vielen Dank für Deine Antwort!


    Ich bin ganz Deiner Meinung, dass nur falsifizierbare Hypothesen und Theorien zum Bereich der empirischen Wissenschaften gehören. Alles andere ist "Metaphysik".


    Allerdings ist es doch so, dass in der Wissenschaftsgeschichte häufig vormals "metaphysische" Theorien weiterentwickelt und anschließend der empirisch-wissenschaftlichen Prüfung zugänglich wurden.
    Empirie und "Metaphysik" sind also nicht ganz so strikt zu trennen.
    (Hinzu kommt, dass der Begriff der empirischen Widerlegbarkeit auch mehrdeutig ist, beispielsweise kann eine bestimmte Hypothese/Theorie "logisch falsifizierbar" sein, aber nicht "praktisch falsifizierbar".)


    Insofern wäre ich da zurückhaltender.
    Den erkenntnistheoretischen Status der verschiedenen "Wiedergeburts-Konzeptionen" kann ich nicht so leicht beurteilen. Ich übe mich da vorläufig in Urteilsenthaltung.



    Zu den "Beobachtungen", die als Belege für "Wiedergeburt" angeführt werden:
    Die "Erfahrungen", um die es da geht (Erinnerungen an frühere Leben usw.) sind ja üblicherweise nicht überprüfbar.
    Aber es gibt doch verschiedene "Erinnerungen" an frühere Leben, die bereits als (Selbst-)Täuschungen nachgewiesen wurden. Ich erinnere mich an ein Fallbeispiel eines Menschen, der glaubte, in einem früheren Leben Soldat in einem bestimmten Krieg gewesen zu sein. Ein Historiker hat diesen Menschen eingehend befragt und festgestellt, dass dessen "Erinnerungen" Falschaussagen sind.
    Also liegt doch eine Falsifikation vor.
    (Natürlich keine Falsifikation einer "Wiedergeburts-Konzeption", aber doch immerhin eine Falsifikation von Tatsachenbehauptungen im Hinblick auf konkrete "Wiedergeburten". Das alles kann Gegenstand empirisch-psychologischer Forschung sein.)



    Zur Praxis:


    Mich interessiert, welche Konzeption von "Wiedergeburt" und "Befreiung" für Dich relevant ist. (Vermutlich hast Du es in diesem Thread oder auch in anderen Diskussionen bereits irgendwo erwähnt, aber ich habe die Stelle nicht gefunden, sorry.)

    Moosgarten:

    Ich bin zwar selbst Biowissenschaftler, bemühe mich aber wirklich, keinerlei naturwissenschaftliche Argumente in die Diskussion einzuführen


    Dennoch ist es vielleicht eine interessante Frage, welche Konzeption von "Wiedergeburt" dem Kenntnisstand der Neurowissenschaften zumindest nicht widerspricht.


    Mich würde Deine Meinung diesbezüglich jedenfalls interessieren.