Beiträge von Freeman reloaded im Thema „Bewusstsein im Buddhismus“

    Solange man sich auf seinen Körper als formhafte Erscheinung in Zeit und Raum beschränkt, sich mit diesem identifiziert, sich mit dem Personalausweis identifiziert, solange denkt man "hier bin ich und da ist der Kosmos" oder man denkt sich "ich bin ein Teil des Kosmos". Aber wenn diese Beschränkung auf den Körper, auf den Personalausweis aufgegeben wird, dann wird man Eins mit dem Kosmos. Das nenne ich allgegenwärtiges, kosmisches Bewusstsein. Dieses allgegenwärtige, kosmische Bewusstsein leuchtet auf in tiefem Samadhi, wenn Nibanna verwirklicht ist. Dieses allgegenwärtige, kosmische Bewusstsein ist nicht zusammengesetzt, weil es da keine Subjekt-Objekt-Spaltung im eigentlichen Sinne mehr gibt (kosmisches Eins-Sein). Wenn man daher sagt, "das allgegenwärtige, kosmische Bewusstsein nimmt Objekte wahr", so trifft es nicht. Wenn man sagt, "das allgegenwärtige, kosmische Bewusstsein nimmt keine Objekte" wahr, so trifft es wieder nicht usw. Im allgegenwärtigen, kosmischen Bewusstsein sind alle Worte, alle Benennungen, namarupa, mit Stumpf und Stiel ausgelöscht, ein Abgrund, der kosmische Abgrund. Un-bennenbare, unauslotbare Tiefe und Weite, Tiefschlaf (Tod), Traum und Wachsein umfassend, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassend, die Ewigkeit umfassend:


    Shunyata. Leere ist Form und Form ist Leere.


    In diesem klaftergrossen Körpergeist (namarupa) sind Entstehung und Vernichtung des Kosmos beschlossen.


    Eins-Sein ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille ist Dualität, Subjekt-Objekt-Spaltung. Diversität. Eins-Sein und Dualität/Diversität bedingen sich gegenseitig, wie die zwei Seiten einer Medaille, so, wie Nibbana und Samsara sich gegenseitig bedingen.


    In der folgenden, kürzeren Lehrrede über Leerheit ist das, was ich hier meine, beschrieben:


    http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m121z.html


    Man könnte das, was ich als "kosmisches Bewusstsein" bezeichne, auch als "kosmische Bewusstsein jenseits aller Unterscheidungen" bezeichnen, in der verlinkten Lehrrede als "Singularität" bezeichnet (siehe auch Anmerkung 2 unten im Text: " An anderer Stelle wird ekattā mit "Einheit" übersetzt. Der hier gewählte Begriff "Singularität" soll die Bedeutung "Unteilbarkeit" (nicht "Einigkeit, Harmonie") verdeutlichen.")


    Edit: Ich denke übrigens, dass das alles sehr wohl mit der Überwindung von Dukkha zu tun hat^^

    mukti


    Übrigens, Du fragtest nach einem allgegenwärtigen, kosmischen Bewusstsein:


    Hatte nicht Buddha sowas in der Art verwirklicht? Er war in seiner Bewusstheit all- gegenwärtig, also überall da, wo er sich gerade aufhielt, war er voll bewusst gewärtig und kosmisch war er in seiner Bewusstheit ja auch irgendwie, weit und tief, unauslotbar wie der Urozean, sagt man. Das klingt schon nach einer Art kosmischen Bewusstseins... ähnlich, wie es accinca über die Allwissenheit sagt:


    " Was nun die sog. "Allwissenheit" anbelangt, kommt es sehr
    darauf an was genau man damit denn meint. Wenn man darunter
    versteht, das einer zu einem jeden Zeitpunk und gleichzeitig
    alles was in der Welt gewußt werden könnte auch wissen müßte,
    dann hat der Buddha erklärt, das sowas nicht seine Absicht oder
    Möglichkeit oder Ziel seines Interesses sei. Warum sollte
    man auch den ganzen endlosen Blödsinn der Welt wissen wollen?
    Wenn man aber z.B. unter "Allwissenheit" ein Bewußtsein
    versteht das jede kleinste auftretende Willenstätigkeit
    bewußt mit Weisheit wahrnimmt, weil der Geist nicht in der
    Welt zerstreut ist, dann könnte man schon von "Allwissenheit" reden."

    mukti


    mukti:
    Freeman reloaded:

    mukti


    Übrigens, ich will damit nicht etwa sagen, dass zB ein Tischbein (als Objekt) Bewusstsein "hat" (Objekte "haben" kein Bewusstsein), aber da, wo ein Tischbein ist, da ist mit Sicherheit auch Bewusstsein (:


    Und wenn gerade niemand da ist der das Tischbein wahrnimmt, welches Bewusstsein wäre das dann, etwa so ein kosmisches Allgegenwärtiges?


    Ein Tischbein ist ein Tast-, Riech-, Schmeck-, Hör- oder Denk- Objekt, nicht wahr? Und überall da, wo eines dieser Objekte ist, da ist eben auch Bewusstsein. Wo niemand ist, der eines jener Objekte wahrnimmt, da ist keines jener genannten Objekte und somit auch kein Tischbein (:

    Namarupa...


    " Ob auch die Stunden uns wieder entfernen ...
    wir sind immer zusammen im Traum,
    wie unter einem aufblühendem Baum.
    Wir werden die Worte, die laut sind, verlernen
    und von uns reden wie Sterne von Sternen.
    Alle lauten Worte verlernen,
    wie unter einem aufblühenden Baum."


    R. M. Rilke


    " Mag auch die Spiegelung im Teich
    oft uns verschwimmen:
    Wisse das Bild.
    Erst in dem Doppelbereich
    werden die Stimmen
    ewig und mild."


    R. M. Rilke

    mukti


    Was namarupa betrifft, könnten wir uns da evt statt auf "Geist und Körper" auf "Name und Form" einigen?


    https://en.m.wikipedia.org/wiki/Namarupa


    Diese Übersetzung vermeidet evt die typisch westliche Trennung von Körper und Geist (ich tue mich schwer mit dem westlichen "Substanz bzw Materie"- Begriff (weiter oben hatte ich namarupa mit "Bild und Begriff" übersetzt, aber "Name und Form" erscheint mir noch treffender) . Oder wie wär's mit: Namarupa = "Geistkörper" oder "Körpergeist"? :)


    ".... wenn Nama als Geistiges und Rupa als Körperliches gilt, lässt sich ohne diese wohl kaum ein Objekt ausmachen."


    Also gibt es überall da, wo es namarupa gibt, auch Objekte. Und überall da, wo Objekte sind, da ist namarupa.


    " Das gesamte Universum habe ich noch nicht bereist, aber käme man an einen Ort ohne Objekte, könnte man ihn nicht wahrnehmen. Woher soll man also wissen ob es sowas gibt?"


    Zunächstmal ist ja jeder Ort auch in Objekt, bzw ist aus vielen Objekten zusammengesetzt, alles ist aus Objekten zusammengesetzt, daher kann es keinen Ort ohne Objekt geben. Überall da, wo Objekte sind, da ist namarupa und überall da, wo namarupa ist, da sind auch Objekte nicht weit :)


    " Und wie soll man wissen ob es Objekte gibt ohne dass dort auch Bewusstsein ist?"


    Überall da, wo Riech-, Schmeck, Tast-, Hör-, oder Denk- Objekte sind, da gibt es auch Bewusstsein und überall da, wo es Bewusstsein gibt, da gibt es eben auch mindestens eins jener Objekte. "Objekt", das ist ein Name, ein Bild, ein Begriff der Wahrnehmung, ein Denk-Begriff, "Materie", das ist ein Denk- Objekt, es gibt kein "Objekt an sich irgendwo da draussen". Es gibt keinen "Ort" ohne "Objekte", es gibt keine "Objekte" ohne "Bewusstsein", nichts ohne "namarupa", alles zusamengesetzte Objekte.


    Spock


    Ha, heilige Coincidencia!, bevor ich meinen Kommentar abschicke, sehe ich doch glatt, dass Du dieselbe Übersetzung von "namarupa", wie ich vorschlägst :)

    buddhinator


    " Bewusstsein ist bedingt durch Bild und Begriff, Bild und Begriff sind bedingt durch Bewusstsein. Soweit reicht der Kreis der Verständigung."


    :) Sagt dieses Zitat irgendetwas sinnvolles aus? (Die Frage ist wirklich ernstgemeint)"


    Grins- wenn dieses Zitat nichts Sinnvolles aussagen würde, dann hätte ich es nicht zitiert :) Dieses Zitat sagt aus, dass Bild und Begriff (nāmarūpa) durch Bewusstsein ( viññā) bedingt ist und Bewusstsein ist durch Bild und Begriff bedingt. Also ohne viññā kein nāmarūpa und ohne nāmarūpa kein viññā. Und "Soweit reicht der Kreis der Verständigung" besagt, dass es darüber hinaus keine weitere sinnvolle Verständigung über diese Sache gibt.


    " Die Frage ist doch, was Bewusstsein "an sich" ist?"


    Tja, die moderne Wissenschaft muss da bis heute passen (sonst würdest Du diese Frage wohl nicht mehr stellen müssen^^), man sucht immer noch. Ebenso, wie die moderne Wissenschaft immer noch versucht herauszufinden, was Materie "an sich" ist. Die Wissenschaft braucht halt was zu tun :) Ich persönlich würde Deine Frage damit beantworten, dass Bewusstsein eine subjektive, in- dividuelle Erfahrung ist und da muss die Wissenschaft nunmal passen, denn sie kann nur neuronale Epiphänomene bewusster Erfahrungen einzelner Individuen im Labor untersuchen, aber eben nicht die bewusste, subjektive Erfahrung "an sich". Ich denke, Buddha würde auf die Frage, was denn Bewusstsein "an sich" sei, gewohnt trocken antworten:


    " Diese Frage führt nicht zum Aufhören des Leidens..." :)


    Kannst Du mir sagen, was zB ein Gehirn oder eine Wolke oder Materie oder eine Tasse Tee "an sich" ist?


    " Genau, also, ich hab es auch genau so verstanden, dass der Buddhismus eigentlich nicht glaubt, dass eine bestimmte Person, Seele o.ä. "wiedergeboren" wird. Trotzdem lese ich auf sämtlichen buddhistischen Informationsseiten ( es gibt auch einige Reportagen mit richtigen buddhistischen Mönchen, u.ä.), dass "Erinnerungen an frühere Leben" diese Idee der "Reinkarnation" bestätigen würden.
    Glauben Buddhisten dann nicht doch, dass man Erinnerungen (also Inhalte von neuronalen Schaltkreisen im Gehirn) mit ins nächste Leben nehmen kann?"


    Ganz so einfach ist das mit den Er- innerungen nicht, man kann Er- innerungen neurologisch nicht auf "Inhalte neuronaler Schaltkreise" reduzieren. Dieses mechanistische Modell des Gehirns ist längst überholt. Er- innerungen sind keine festgelegten Inhalte in irgendwelchen Schubladen des Gehirns, sondern sie ändern ihre Gestalt, ihre Form, ihre Erscheinung, sie sind in hohem Masse aktive, kreative Leistungen des menschlichen Individuums.


    " Glauben Buddhisten dann nicht doch, dass man Erinnerungen (also Inhalte von neuronalen Schaltkreisen im Gehirn) mit ins nächste Leben nehmen kann?"


    Wie um Himmelswillen soll das gehen? Dann müsste man ja jene neuronalen Schaltkreise (also materielle Teile des Gehirns) in eine neue Existenz hinüberretten können :)


    Viele Leute (erstaunlicherweise auch etliche westliche Buddhisten) glauben nicht an eine Weiterexistenz nach dem Verfall des Körpers, weil sie sich selbst nicht an eine Existenz, die ihrer jetzigen Existenz vorausging, er- innern können. Da möchte ich doch anmerken, dass man zumindest versuchen sollte, sich daran zu er- innern, wie das eigene Bewusstsein beschaffen war, als man als Embryo, Säugling, Kleinkind in die jetzige, aktuelle Existenz einging. Diese Phase der Existenz ist geprägt durch ein Bewusstsein, das weit, sehr weit vom rationalen, dinghaften Bewusstsein eines Erwachsenen entfernt ist. Da gab es noch keinen rationalen Gedanken an Zeit und Raum, an einen Personalausweis usw, sondern das Bewusstsein war im Wesentlichen sehr vage, äusserst nebulös, traumartig gewissermassen- und wer kann sich auch nur daran er- innern, was er in der Nacht zum 1. Januar 2002 geträumt hat?


    ... irgendjemand sagte übrigens mal "Der Buddha stirbt siebenmal in der Sekunde"...

    Hiho, buddhinator, spontan fallen mir zu Deiner Frage folgende Worte des Buddha ein:


    " Bewusstsein ist bedingt durch Bild und Begriff, Bild und Begriff sind bedingt durch Bewusstsein. Soweit reicht der Kreis der Verständigung."