Beiträge von Sudhana im Thema „Leonard Cohen und Zen“

    Tychiades:

    Da machst du es dir einfach und wendest hier nur deine Behauptung an.


    Ich wende an, was ich durch Beobachtung und Prüfung (so weit sie mir möglich ist) gelernt habe. Ob das einfach ist oder nicht, ist ohne Belang - von Belang ist allenfalls die Frage, ob es es eine sinnvolle Alternative gibt. Sicher - das Anwenden überhaupt bleiben lassen, geht immer ... Ist das nun einfacher oder schwieriger?

    Tychiades:

    Weshalb sollen Gott und Soheit in andere Richtung weisen


    Um es gekürzt zu wiederholen: weil die beiden Begriffe unterschiedliche Funktionen in unterschiedlichen Kontexten haben. Der Kontext ist die Richtung, in die gewiesen wird. Ich vermute mal, Du meinst die Umkehrung dieser Richtung. Ob der Ausgangspunkt dieser Richtungen jeweils derselbe ist? Möglich, wer will das behaupten oder bestreiten. Zumindest ich nicht. Der Punkt ist doch - wenn ich aus einem Kontext heraus diesen Ausgangspunkt aufsuche, dann nutze ich die Funktionen, die mir der Kontext bietet, von dem ich ausgehe, nicht die eines anderen Kontextes. Andere mögen das anders halten. Ich sage lediglich, dass das ein anderes Vorgehen ist und dass ich es für untauglich halte.

    Tychiades:

    und wenn das so erscheinen mag, alle Richtungen führen doch nur zu der Einsicht, dass man nirgendwohin kommt bzw. dass am Ende der Tod steht. Und das kann man dann nennen, wie es dem Kontext beliebt - nur auch mit Soheit kommt man nicht weit oder weiter


    Mit Begriffen zu jonglieren, bringt einen gewiss nicht weiter. Auch nicht, wenn man die Begriffe gegen andere austauscht. Was den Tod angeht - der steht weder am Anfang noch am Ende. "Wo inmitten von Leben-und-Tod Buddha ist, ist kein Leben-und-Tod. Und es heisst auch: Wo inmitten von Leben-und-Tod Buddha nicht ist, gibt es im Leben-und-Tod kein Zweifeln." Nicht meine Worte, aber ich bin - gemäß meinem Ausgangskontext und den ihm eigenen Funktionen - dem Rat gefolgt, sie nicht ungenutzt zu lassen. Ist jedenfalls etwas anderes als "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich". Anderer Kontext, andere Funktion.

    Tychiades:
    Zitat

    Ich habe Meinungen (nicht zu allem, aber zu ziemlich vielen Dingen) und kein Problem damit, sie zu artikulieren. Z.B. zu dieser Auffassung von Zen, auf die ich schon verwiesen hatte:


    Ja - das Suzuki-Zitat. Das hat so eine Besonderheit, die dir nicht auffällt, oder?


    Ich fürchte, ich kann daran in der Tat nichts Besonderes finden. Wenn Du magst, kannst Du mir ja auf die Sprünge helfen.

    Tychiades:

    Auch ein buddhistischen Zen - ist ein Bindestrich-Zen.


    Ja - und genauso ein Unfug wie christliches Zen.

    Tychiades:

    Zen-Buddhismus ist wie Zen-Faschismus auch nur eine Zuordnung. Suzuki entkoppelt hier das Zen auch vom Buddhismus, schließlich muss er das ja auch auf sein System anwenden.


    Ich bezweifle doch sehr, dass das, was Suzuki da entkoppelt, Zen ist. Viel mehr als die "intuitive Unterweisung", die sich - vorausgesetzt sie bleibt ungestört - auch mit faschistischen Idealen befreunden kann, bleibt da nicht. Und in diesem Satz bleibt auch von dem großen Zen-Weisen, der ihn niederschreibt, nicht viel mehr als jemand, der - vorausgesetzt, er bleibt ungestört - sich mit faschistischen Idealen befreunden kann. Bedauerlich, aber wie gesagt nichts Besonderes.


    Wie ich bereits andeutete, lässt sich Zen und Buddhadharma nach meinem Verständnis ebenso wenig "entkoppeln" wie Form und Leere. Die "Beziehung", von der ich schrieb und die ich in Anspielung auf das Herzsutra Deiner "Verbindung" gegenüberstellte, ist eine nicht-duale Beziehung. Nicht identisch, nicht verschieden, nicht weder identisch noch verschieden und nicht sowohl identisch als auch verschieden. Jedenfalls nicht "entkoppelbar".

    Tychiades:

    Wenn du auch keine Probleme hat deine Meinungen zu artikulieren, so hast du offensichtlich Probleme sie fallen zu lassen.


    Ich bitte dich - denkst Du wirklich, hier wäre der Ort, Meinungen fallen zu lassen? Was soll das für einen Sinn haben? Hier ist Meinungsbörse. Hier ist der Marktstand, an dem Meinungen abgewogen und gehandelt werden. Du willst doch nicht ernsthaft behaupten, Du seist hier mit leeren Händen unterwegs? Siehst Du hier Bäume blühen? Zumindest hast Du

    Zitat

    Just my two cents

    zu bieten. Nun - mehr Wert messe ich meinen Meinungen auch nicht zu, da kannst Du beruhigt sein. Notfalls gebe ich sie sogar umsonst ab.


    AFK 成道会まで


    ()

    Tychiades:
    Sudhana:

    Deswegen sagt Rinzai: "Wenn ihr die Art von Verstehen erlangen wollt, die mit dem Dharma in Einklang ist, lasst euch von nichts und niemandem täuschen. Ob ihr nach innen schaut oder nach außen, was immer euch begegnet, tötet es. Trefft ihr Buddha, tötet Buddha."


    Ich nehme mal an, du verstehst, wie das gemeint ist, oder?


    Das hoffe ich doch ...

    Tychiades:


    Deine Frage ist nämlich völlig daneben:

    Sudhana:

    Lehren die christlichen "Zenmeister" ihre Schüler, Gott zu erschlagen, wenn sie ihn treffen?


    Gott zu erschlagen, ist genauso blödsinnig, wie Buddha zu töten. Es geht hier, wie dort um das "töten" von Vorstellungen von XY.


    So ist es. Wenn man Nietzsche glauben mag, ist Gott tot und Buddha ist auch schon vor zweieinhalb Jahrtausenden an einer Lebensmittelvergiftung gestorben. Was außer Vorstellungen bliebe da zu töten übrig? Damit kommen wir zu dieser Aussage, die Anlass unserer OT-Diskussion ist:

    Holzklotz:

    Gott und Leerheit können auch das selbe meinen


    Nun ist 'Leerheit', wie ich schrieb, nichts, dem man sich "hingeben könnte". Leerheit ist ein Werkzeug, und zwar eines, das genau dem Zweck dient, Vorstellungen zurückzuweisen bzw. aufzulösen - bis hin zur Vorstellung eines Werkzeuges zur Auflösung von Vorstellungen. Der Begriff 'Soheit', den ich als andere Möglichkeit ins Spiel brachte, bezeichnet die von Vorstellungen, von Subjekt und Objekt befreite, unmittelbare Erfahrung - reines So-Sein. Natürlich sind auch dies - Leere, Soheit - wenn wir darüber sprechen oder schreiben Vorstellungen wie alles, dem man einen Namen gibt. Die Frage ist, welche Funktion diese Vorstellungen haben. Anders gesagt: worauf z.B. der Name 'Gott' (bzw. die Qualifizierung "christlich") verweist - auf welches Tun, auf welches Sein. Und da denke ich, dass der Name "Gott" in eine andere Richtung weist als der Name "Soheit". Diese Richtung wird konkret sicht- und erfahrbar in Gestalt theistischer Religionen, insbesondere der monotheistischen: Christentum, Islam und Judentum. Diese Religionen veranschaulichen die Funktion des Begriffs "Gott", so wie der Mahayana-Buddhismus die Funktion der Begriffe Leerheit und Soheit konkretisiert und veranschaulicht. Aufgrund ihrer verschiedenen Funktionen sind sie auch nicht beliebig austauschbar.


    Alle 'Richtungen' haben ihre spezifischen Vorteile und Probleme, den Buddhadharma nicht ausgenommen. Man kann sich diesen Problemen stellen oder, wenn sie auftauchen, einfach die Richtung wechseln. Nichts gegen Richtungswechsel - das kann durchaus eine adäquate Problemlösung sein, wenn auch keine endgültige. Bonno mujin ... Ob man damit, wenn man es zur Methode erhebt, irgendwo hingelangt, erlaube ich mir zu bezweifeln. Dann springt man nur zwischen den Wegen hin und her - und verliert in der Regel dabei beide aus den Augen.

    Tychiades:
    Sudhana:

    Wohlgemerkt: Ich sage nicht, dass sie das tun sollten. Wäre auch nicht sonderlich christlich. Nur sollten sie sich dann nicht Zenmeister nennen oder nennen lassen und dabei Priesterornat oder Mönchskutte tragen.


    Was hast du eigentlich für Probleme?


    Speziell damit jetzt? Persönlich keine. Probleme hätte ich, wenn ich mich dadurch täuschen ließe. Ich habe Meinungen (nicht zu allem, aber zu ziemlich vielen Dingen) und kein Problem damit, sie zu artikulieren. Z.B. zu dieser Auffassung von Zen, auf die ich schon verwiesen hatte:

    D.T.Suzuki:

    Darum vermag es [Zen] sich mit großer Schmiegsamkeit fast jeder weltanschaulichen oder sittlichen Lehre anzupassen, solange seine intuitive Unterweisung durch sie nicht gestört wird. Es kann sich mit anarchistischen oder faschistischen, kommunistischen oder demokratischen Idealen, mit Atheismus oder Idealismus, mit jedem politischen oder wirtschaftlichen Dogma befreunden.


    Meine Meinung (falls die nicht deutlich geworden sein sollte): ein christliches Zen ist genau so ein Unfug wie ein faschistisches, kommunistisches, islamisches oder eines der modischen Bindestrich-Zens. Krieger-Zen, Manager-Zen - you name it. Natürlich kann man so etwas konstruieren, "sein eigenes Ding machen". Fragt sich nur, warum und wozu - und mit Antworten auf diese Fragen habe ich mich bewusst zurückgehalten. In der Hoffnung, dass der eine oder andere sich diese Frage selbst stellt und beantwortet. Die Frage stellt sich bei Zen (ohne Attribut, ohne Bindestrich) nicht. Zumindest mir nicht. Insofern habe ich da auch kein Problem.


    Du meinst an anderer Stelle,

    Tychiades:

    es bleibt dann aber immer noch die Frage offen, was mit Zen gemeint ist und was die Verbindung von Zen und Buddhismus beinhaltet.

    Auch damit habe ich kein Problem, aber eine Meinung dazu. Es gibt da keine "Verbindung". Allenfalls eine Beziehung; dieselbe wie zwischen Form und Leere. "Und so gibt es weder Alter noch Tod, noch ein Ende von Alter und Tod, weder Leiden noch Entstehen von Leiden, kein Anhäufen, Vernichten, keinen Weg, weder Erkennen noch Erreichen, weil es nichts zu erreichen gibt." Das ist "Buddha erschlagen" - nicht verschieden von Buddhadharma. Ansonsten ist es nicht Zen sondern "Zen". Situs vilate inis et abanet.


    ()

    mukti:

    Gut, präziser und korrekter ausgedrückt gibt es eine Diskrepanz zwischen der positiven und der negativen Theologie, die seit dem Frühchristentum zu Auseinandersetzungen führt.


    Kataphatische und apophatische ("positive" und "negative") Theologie sind sicher unterschiedliche hermeneutische Herangehensweisen, die aber nicht notwendig diskrepant sein müssen (bzw. nur von einzelnen radikalen Vertretern der jeweiligen Richtung so verstanden wurden) - häufiger wurden und werden sie als komplementär verstanden. Welche Richtung da gerade den größeren Zuspruch findet, ist eher eine Sache wechselnder Moden - was die sog. negative Theologie jedoch nie zu einer Sache von Dissidenten oder gar Häretikern gemacht hat. Daher mein Verweis auf dieser Richtung zuzurechnende Kirchenlehrer und Heilige.

    mukti:

    Wobei Letztere dem Daoismus und Buddhismus sicher näher kommt.


    Das würde ich insbesondere in Bezug auf den Buddhismus deutlich tiefer hängen. Es gibt Analogien zum Wahrheitsbegriff bei Nāgārjuna - wobei man nicht übersehen sollte, dass die negative Theologie sich auf die Versicherung beschränkte, dass keine positiven Aussagen über Gott möglich sind während Nāgārjuna eine radikale allgemeine Erkenntniskritik formulierte, also die Möglichkeit gültiger positiver Aussagen überhaupt bestritt.

    mukti:

    Die Verwerfung aller Bestimmungen Gottes ist eine These der negativen Theologie, die in der Praxis folgerichtig auf Loslösung von allem sinnlich (den Geistsinn mit einbezogen) Erfahrbaren abzielt.
    Im Buddhismus führt diese Loslösung auch über die Sphären der "Nichtsheit", und "Weder Wahrnehmung noch nicht Wahrnehmung", die noch geistig sind, hinaus bis zu Nibbana, eben dem völligen Erlöschen.


    Das ist widersinnig. Im 7. jhana gibt es nichts mehr, von dem man sich lösen könnte - schon gar nichts sinnlich Erfahrbares mehr. Nur noch das Nichts, von dem man sich dann zwar auch noch lösen kann - dann ist aber endgültig Ende der Fahnenstange. Im 8. jhana hatte Buddha das Ende der Sackgasse erreicht -da blieb dann nur noch der Weg zurück zu einer heilsamen Mitte.


    Was Du da sagst, läuft auf nirvana als eine Art 9. jhana hinaus. Mein Verständnis ist das nicht und auch nicht Zen-Verständnis. Und ich bezweifle auch, dass das im Theravada allgemein so verstanden wird.

    mukti:

    Übereinstimmend ist, dass nichts Positives über das was eintritt gesagt werden kann.


    Genau dies tut doch die Mystik, wenn sie das, "was eintritt" als "Gotterfahrung" oder meinetwegen "Erfahrung des Göttlichen" oder - neutraler - als unio mystica deklariert. Sie stattet das, "was eintritt", mit Attributen (oder doch zumindest einem Attribut) aus.

    mukti:

    Somit wäre auch die Bezeichnung "das Göttliche" oder "Gott" hinfällig. So wie z.B. "die Stätte höchsten Friedens" für Nibbana.


    Deswegen sagt Rinzai: "Wenn ihr die Art von Verstehen erlangen wollt, die mit dem Dharma in Einklang ist, lasst euch von nichts und niemandem täuschen. Ob ihr nach innen schaut oder nach außen, was immer euch begegnet, tötet es. Trefft ihr Buddha, tötet Buddha." Lehren die christlichen "Zenmeister" ihre Schüler, Gott zu erschlagen, wenn sie ihn treffen? Wohlgemerkt: Ich sage nicht, dass sie das tun sollten. Wäre auch nicht sonderlich christlich. Nur sollten sie sich dann nicht Zenmeister nennen oder nennen lassen und dabei Priesterornat oder Mönchskutte tragen.


    Was den Rest Deines Postings angeht - sprechen wir vielleicht noch einmal uber die verschiedenen Modelle des Interagierens von Religionen. Ich hatte das "christliche Zen" als Inklusivismus identifiziert und wenn Du Dir die Mühe machst, das noch einmal nachzulesen (findet sich auf Seite 2 dieses Threads) wird Dir vielleicht deutlicher, woher meine Vorbehalte kommen. Was ich hingegen sehr schätze, ist Ökumenismus. Ökumenismus bedeutet, dass verschiedene Religionen verschiedene Wege entwickelt haben, mit den Grundfragen menschlicher Existenz - insbesondere der nach seiner Leidhaftigkeit - umzugehen und sie zu bewältigen. Er bedeutet aber auch, jeden dieser Wege als sinnhaft, vollgültig und gleichwertig zu begreifen und daher auch so, wie er ist, zu respektieren. Ein "besser" und "schlechter" kann es da nur im Hinblick auf die persönliche Wahl des Weges geben, den man gehen will. Das heisst, es gibt hier kein Kriterium absoluter Wahrheit, das die eine Religion mehr (oder gar vollständig) besitzt, die andere weniger oder gar nicht. Es gibt lediglich das Kriterium subjektiver Wahrheit und das wiederum ist abhängig von den persönlichen Bedingungen und Ausgangsvoraussetzungen, die jemand mitbringt.


    Diese Haltung beinhaltet wechselseitigen Respekt und daher ist das ökumenistische Modell mE das einzige, das eine friedliche und heilsame Koexistenz verschiedener Religionen ermöglicht. Und vielleicht sogar mehr. Ich bin gelegentlich - wenn auch nicht allzu häufig - bei besonderen Gelegenheiten hier in der Dorfkirche Gast beim Gottesdienst. Ich spreche zwar das Glaubensbekenntnis nicht mit und nehme natürlich nicht am Abendmahl teil, aber das wird respektiert. Mit dem Dorfpfarrer pflege ich ein Verhältnis, das von gegenseitiger Achtung und Respekt geprägt ist. Mit einem Ehepaar hier im Ort, beides Diplomtheologen und Religionslehrer, bin ich befreundet und gelegentlich diskutieren wir (natürlich auch kontrovers) bei einem guten Esssen und ein paar Gläsern Wein über Gott, Buddha und die Welt und haben unseren Spass daran und lernen dabei etwas von- und übereinander ohne dass der Eine dem Anderen seine Wahrheiten aufdrängen will. Das ist gelebter interreligiöser Dialog.


    Wie schon gesagt, ich weiss ein gutes Glas Wein ebenso zu schätzen wie eine gute Tasse Tee, auch wenn ich persönlich Tee vorziehe. Aber beides zusammenzukippen verdirbt nur beides.


    ()

    mukti:

    Weil dort der Gottesbegriff von dem der etablierten Kirchen abweicht, kam es in der Geschichte immer wieder zu Konflikten.


    Im Ernst? Der Gottesbegriff eines Thomas a Kempis, eines Franz von Sales, Jakob Böhme, Angelus Silesius, Johannes Bonaventura, Johannes vom Kreuz, einer Theresa von Avila, Hildegard von Bingen - um nur mal ein paar Namen zu nennen - weicht von dem der etablierten Kirchen ab? Tatsächlich? Inwiefern denn?
    Dass einige Thesen Meister Eckharts offiziell verurteilt wurden und Marguerite Porète als Häretikerin verbrannt (übrigens weniger wegen ihres "Gottesbegriffs") reicht wohl kaum zur Begründung solch einer These aus. Übrigens gerade Eckhart baut ja ganz wesentlich auf der negativen Theologie des Dionysisus Areopagita auf - ganz offiziell sowohl von der katholischen als auch den orthodoxen Kirchen als Kirchenlehrer anerkannt und verehrt. Wie übrigens auch Franz von Sales. Und der wohl einflussreichste christliche Mystiker der Neuzeit war Ignatius von Loyola (wie Franz von Sales heiliggesprochen) - Gründer des Jesuitenordens, der z.B. Pater Lassalle als Missionar nach Japan schickte.

    mukti:

    Demnach wären nicht die Ideen und Formen der kirchlichen, sondern diejenigen dieser mystischen Traditionen mit dem sogenannten "christlichen Zen" zu vergleichen.


    Du postulierst da einen Gegensatz zwischen Kirche und "mystischen Traditionen", den es historisch gar nicht gab. Selbst Eckhart, der für solche Thesen gerne herangezogen wird, war einer der ranghöchsten Kirchenfürsten des Dominikanerordens sowie als Lehrer an der Sorbonne einer der prominentesten Theologen seiner Zeit. Der stand nicht außerhalb der Kirche - er hatte nur Feinde in ihr.

    mukti:

    Eine essentielle Übereinstimmung solch christlicher Mystik mit dem Buddhismus wäre, dass über das Göttliche einerseits und das Nirvana andererseits nichts anderes ausgesagt werden kann, als dass es durch die vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt eintritt.


    Die These, die christliche Mystik (ignorieren wir mal die offensichtliche Tatsache, dass Du da unzulässig recht unterschiedliche Strömungen unter einem Begriff zusammenfasst) vertrete die Auffassung, dass "über das Göttliche [...] nichts anderes ausgesagt werden kann, als dass es durch die vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt eintritt" halte ich schon einmal für bedenklich - doch ist hier wohl nicht der Ort für theologische Disputationen. Ob nun dieselbe These - nämlich, dass es "durch die vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt eintritt" - für das nirvana zutrifft, halte ich für mehr als nur zweifelhaft. Die Sphäre der Nichtsheit (ākiñcaññāyatana) hatte Buddha schon bei seinem Lehrer Ālāra Kālāma kennengelernt - und diesen Lehrer verließ er bekanntlich, weil diese "vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt" eben nicht die Befreiung war, die er suchte. Dasselbe gilt für die nichtdualistische Sphäre der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung (nevasañña-n'āsaññāyatana), die er unter seinem nächsten Lehrer Uddaka Rāmaputta erlangte. Offensichtlich ist also an nirvana doch ein wenig mehr dran als nur "die vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt".


    Selbst jedoch, wenn dem nicht so wäre - das wären allenfalls gleiche Bedingungen (wobei die Frage noch zu klären wäre, ob für sich schon hinreichende Bedingungen) für den Eintrit eines Ereignisses, nämlich laut Deiner These dem "Eintreten des Göttlichen" einerseits und dem "Eintreten des nirvana" andererseits. Das ist jedoch nicht notwendig eine "essentielle" Übereinstimmung. Alleine hier - ungeachtet der beiden problematischen Prämissen - weist Deine These schon einen logischen Fehler auf.


    mukti:

    Ob sich die christlich-mystischen Praktiken hierfür grundsätzlich vom achtfachen Pfad unterscheiden, erinnert etwa an die Frage ob sich Praktiken des Amithaba Buddhismus noch mit dem achtfachen Pfad vereinbaren lassen. Ich traue mir ein Urteil in diesen Angelegenheiten nicht zu.


    Das ist löblich. Herr Willigis Jäger zum Beispiel ist da allerdings weniger bescheiden. Ich nehme mir die Freiheit zu gleicher Unbescheidenheit und sage, dass Jägers sophia perennis nicht Prajñāpāramitā ist.


    ()

    mukti:

    Der Buddhismus hat aber die jeweilige Kultur, auf die er getroffen ist, immer mit einbezogen, etwa den Taoismus, Bön, usw. Warum nicht jetzt auch das Christentum.


    Es ist mE hilfreich, dieses "mit einbeziehen" analytisch zu betrachten, wobei speziell die vergleichende Religionswissenschaft ein geeignetes Instrumentarium entwickelt hat. Bahnbrechend hier übrigens ein katholischer Theologe, Gavin D'Costa.


    Verschiedene Religionen können auf sehr unterschiedliche Weise interagieren, So lassen sich z.B. vom Synkretismus im engeren Sinn andere Ansätze wie Ökumenismus, Kompartimentalismus und Inklusivismus unterscheiden. Es ist hier nicht der Ort, dies im einzelnen näher auszuführen - es soll genügen, dass der Ekayana-Ansatz des Lotossutra ein typisch ökumenistischer ist, während der Buddhismus mit dem religiösen Substrat der Kulturen, in die er Eingang fand, in der Regel kompartimentalistisch interagierte. Typische Beispiele dafür sind etwas das Verhältnis zum Shinto in Japan oder zum Nath-Kult in Myanmar. Einen 'echten' Synkretismus (von Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus) findet man hingegen im sog. Sanjiao (三敎, 'Drei Lehren') - eine Strömung, die bereits im 6. Jahrhundert einsetzte, jedoch erst während der Ming-Dynastie in China vorherrschend wurde; was wiederum mE der Hauptfaktor dafür ist, dass nach dem Ende der südlichen Sung und der kurzlebigen Yuan-Dynastie nicht nur Chan, sondern generell der chinesische Buddhismus seine transformative und kulturschöpferische Kraft verloren hatte.


    Was nun die Propagandisten des sog. "christlichen Zen" betreiben, das ist Inklusivismus. In der Definition Timothy Brooks': "Inklusivismus versucht, die Ideen und Formen einer religiösen Tradition in den Begriffen einer anderen zu erklären. Im Effekt reduziert er den Inhalt der einen auf den der anderen. Wenn eine Religion in das ideelle System gebracht wird, das eine andere anbietet, wird die erstere entsprechend als eine geringerwertige, unvollständige oder "misslungene" Repräsentation der Wahrheit angesehen. Aus dem Blickwinkel der dominanten Religion mag dies als synkretistische Kombination erscheinen, tatsächlich wurde jedoch nichts inkorporiert, das die Religion, in die die neuen Elemente aufgenommen wurden, signifikant ändern könnte." (übersetzt nach: Rethinking Syncretism: The Unity of the Three Teachings and their Joint Worship in Late-Imperial China, Journal of Chinese Religions, 21:1, 13-44).


    Genau das trifft mE ziemlich genau das "Zen" eines Hugo Enomiya Lassalle oder Willigis Jäger. Man muss ihnen ihre inklusivistische Herangehensweise an Zen nicht krumm nehmen. Aber das so entstandene "christliche Zen" ist nicht das "Zen der Patriarchen", es ist das, was Guifeng Zongmi (780–841) als 'Waidao Chan'(外道禪, Jap. Gedō Zen, wörtl. 'Zen außerhalb des Weges') charakterisiert hat. Das, was Willigis Jäger als "nacktes Zen" anpreist, ist alles, nur nicht das: es ist christliche Mystik in modischer, exotischer Gewandung.


    ()

    mukti:

    Wenn jemand behauptet den Weg bereits zu Ende gegangen zu sein, finde ich vorerst mal Skepsis angebracht.


    Von "zu Ende gegangen" war ja nicht die Rede. Nur Sackgassen sind irgendwo zu Ende. Und selbst da braucht man nicht stehen zu bleiben - man kann immer noch umkehren.


    Weitergehen - es gibt hier nichts zu sehen.


    ()

    mukti:

    So genau kenne ich mich mit dem Zen nicht aus. Aber ich denke dass wir alle am Weg sind und dass sich da eine gute Strecke lang einiges vereinbaren lässt. Es muss nicht von vorneherein ein System vollinhaltlich angenommen und ein anderes radikal abgelehnt werden. Jeder hat seinen eigenen Zugang zu Sittlichkeit, Weisheit und Sammlung, und ein Christ kann davon bereits mehr verwirklichkt haben als ein Buddhist oder umgekehrt, zumindet in Teilbereichen. Und jeder kann vom anderen was lernen. Meine Meinung.


    Das ist durchaus richtig. Es geht hier aber nicht um "Zugänge" zum Weg sondern um Leute, die vorgeben, den Weg gemeistert zu haben, d.h. die "gute Strecke lang" hinter sich gelassen zu haben.


    ()

    Holzklotz:

    na ja... Gott und Leerheit können auch das selbe meinen, aber man verwendet einfach einen anderen Begriff.


    Begriffe sind nicht beliebig. Sie haben jeweils ihre eigene Begriffsgeschichte, die in einem spezifischen kulturellen Kontext verankert ist - deswegen sind sie nicht einfach austauschbar. Wenn man "Gott" einfach an Stelle von "Leerheit" (btw. böte sich für ein solches Missverständnis eher tathatā / shinnyo an als śūnyatā / ) verwenden könnte, warum dann nicht auch "Pipifax", "Schlagsahne" oder "freiheitlich demokratische Grundordnung"?

    Holzklotz:

    Solche Aussagen wie in dem Zitat kommen vermutlich von Leuten, die meinen, Christen/Monotheisten müssten zwingend an einen allmächtigen Bärtigen zwischen den Wolken glauben, der irgendwelche Hintergedanken hat.


    Nun - es wird Dich vielleicht überraschen, aber das Zitat kommt von jemandem, der sich nicht nur mit der negativen Theologie (insbesondere Meister Eckhart) sondern auch mit dem Pantheismus Spinozas oder dem Panentheismus Fichtes beschäftigt hat. Übrigens auch mit der interkulturellen Theologie (P. Schmidt-Leukel). Und im Übrigen seit langem ein aufmerksamer und interessierter (wenn auch kritischer) Teilnehmer an und Begleiter des interreligiösen Dialogs ist, z.B.:
    http://zensplitter.blogspot.de…pa-woytila-revisited.html
    http://zensplitter.blogspot.de…lismus-vs-religioser.html
    http://zensplitter.blogspot.de…celsis-deo-halleluja.html

    Holzklotz:

    Ich empfinde es eher so, dass es für manche Menschen einfacher ist, sich einer Leerheit hinzugeben, die sie "Gott" nennen.


    Man mag sich Gott "hingeben" können - sicherlich jedoch nicht śūnyatā. "Einfach" kann man es sich natürlich machen - entscheidend ist aber, was man tut, wenn der Weg aufhört, "einfach" zu sein. Ob man dann stehen bleibt oder weiter geht. Wenn einem auf dem Zenweg schon abgefordert wird, Buddha zu erschlagen - wieviel mehr dann Gott. Wer sich damit überfordert fühlt, sollte zumindest etwas bescheidener auftreten und sich nicht als Zenlehrer oder gar "Meister" gerieren.


    Wie ich an anderer Stelle deutlich gemacht habe, schätze ich eine gute Tasse Tee. Ich schätze auch - bedingt durch meine Herkunft und Sozialisation - ein gutes Glas Wein. Trotzdem käme ich nicht auf die Idee, Tee in meinen Wein zu kippen oder Wein in meinen Tee. Da summieren sich eben nicht die jeweiligen Vorzüge, sondern man erzeugt nur eine ungenießbare Plörre.


    ()

    Holzklotz:

    Das verstehe ich nicht so ganz. Viele Jesuiten (Pater Lasalle, ...) sind damals nach Japan gegangen, um sich im Zen unterweisen zu lassen. Einige sind als Zen-Lehrer zurück gekommen und bezeichnen sich weiterhin als Christen. Ich sehe da auch keinen Widerspruch, oder habe ich Dich jetzt falsch verstanden?


    Lassalle ging nicht nach Japan, "um sich im Zen unterweisen zu lassen", sondern als Missionar.
    Ich würde eher sagen - einige sind weiterhin Christen und bezeichnen sich als Zen-Lehrer. Warum auch nicht, ist ja keine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung. Jeder darf sich so nennen.


    Zitat

    Für ein nationalistisches oder militaristisches Zen ist es erforderlich, Sila zu amputieren - die angemessene, 'rechte' soziale Haltung, das ethisch bestimmte Handeln. Für ein Zen, das Leerheit und wechselseitig bedingtes Entstehen durch einen Gott ersetzen will, muss man Prajna, Einsicht in die Dinge-wie-sie-sind, amputieren (was zugegeben deutlich erträglicher ist). Beides ist genausowenig Zen wie ein Zen, aus dem man die Übung des Zazen herausgeschnitten hat. Dazu ließe sich höchstens sagen: Operation gelungen, Patient tot.
    [...]
    allein dadurch, dass auch Nicht-Buddhisten Zen üben, entsteht kein nicht-buddhistisches oder "transkonfessionelles" Zen. Genausowenig, wie das Herzsutra zu einem Psalm wird, wenn es ein Christ liest oder zum Gegenstand einer Exegese aus christlichem Geiste macht.


    Zitate von hier: http://zensplitter.blogspot.de/2010/02/reformiertes-zen.html


    ()

    Jikan Cohen ist ein merkwürdiger Fall. Seine Übung hat ihn anscheinend nicht von der Anhaftung an den Gott seiner Kindheit befreit (oder war es nur Anhaftung an seine jüdische Herkunft?) - das wollte er wohl nie - sondern sie nur bitter werden lassen. Duhkha hat er sehr klar gesehen. Einer seiner letzen Songs:
    https://www.youtube.com/watch?v=0nyMrjGX2vk - und ein Nachruf in der Jüdischen Allgemeinen, der diesen Song aufgreift.


    Vor zwei Jahren gab es einen Glückwunsch zum 80. Geburtstag: See you out there on the corner, in the marketplace ... Damit ist es nun vorbei.


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