Beiträge von Schroedinger im Thema „Spiritueller Materialismus“

    Sudhana:
    Tychiades:

    Schluss. Aus. Ende.


    Gut. Was mich angeht, so werde ich heute abend noch ein wenig in Shōbōgenzō Bukkyō blättern. Mit Dōgen bin ich bislang ganz gut gefahren.


    Papier ist geduldig.


    Ich hätte da noch einen ausgezeichneten Chateau Batailley Grand Cru, Pauillac von 1989 ....

    Sudhana:


    Nun - wenn Du "Vernichtung" mit einer Erkenntnis gleichsetzt, dann ist das Vernichtung einer falschen Sicht. Das hat ausschließlich etwas mit Dir und Deiner Sicht zu tun aber nichts mit den "Spuren" oder den "Schriften und Studien".


    Spuren, Schriften und Studien gibt es nicht getrennt von mir und meiner Sicht.

    Morpho:

    Stimmt schon, die Spuren des Erwachens führen endlos fort -aufgelöst. Erwachen merkst du schon, aber wie lässt es sich verhindern ins unterscheidende Denken zurückzufallen ?


    Die Frage hat mal einer gestellt: wie ist es, wenn ein großer Erleuchteter der Täuschung unterliegt? Daigo, Shobogenzo.
    Also - er merkt es nicht. Aber, wenn er sich rum streitet, wie das ist, wenn ein großer Erleuchteter der Täuschung unterliegt - spätestens dann müsste er es merken.
    Wenn Nansen nach dem Dharma gefragt wurde, soll er sich immer schroff abgewandt haben. Es bringt nämlich nichts, diesbezüglich Fragen zu beantworten. Da wird man nur vom Arbeiten oder Sitzen abgehalten.
    Deshalb wende ich mich jetzt auch hier ab. Für einen Weile zumindest.

    Sudhana:


    Es ist ja nicht so, dass die Schriften für Huineng ein Hindernis gewesen wären - es war ein Vers des Diamantsutra, das ihn erwachen ließ ...


    Solche Sätze liebe ich - aus X folgt Y - beim einen war es ein Kiesel, beim anderen ein Furz, vielleicht war es garnicht der Vers, sondern die Stimme - der Kuckuck, lauter Metaphern. Wenn dieses, dann jenes - hat mit den Schriften nichts zu tun. Vielleicht aber mit dem Sammeln von Holz? Alles spekulativ. Es ist einfach nur eine Zuschreibung.
    Ich sehe es so: er war bereits erwacht und als die Worte in sein Bewusstsein drangen, erkannte er die Einheit seines Zustandes mit den Worten. Es ging im ein Licht auf.


    Zitat


    Zweifellos sollte man "Schriften und Studien", wenn man mit ihnen fertig ist, hinter sich lassen, sie loslassen. Wer darüber hinaus noch meint, er müsse sie vernichten, der hat sie dann allerdings nicht wirklich losgelassen. Und der sollte seine Schriften auch nicht in einem Internetforum veröffentlichen, wo er sie nicht mehr löschen kann. :)


    Vernichtung meint ja hier zu erkennen, das das alles vergänglich ist - es ist eigentlich ungeboren. Und dann macht man eben doch ein Fass auf, öffnet wie Konserven das Zeug und wärmt es auf, es ernährte den Geist eine Weile und schuf eine Menge an Vorstellungen, Ansichten und Illusionen.
    "Durch Nahrung ist dieser Mensch geworden. Auf Nahrung gestützt ist die Nahrung zu überwinden."
    Buddha hat ja nun nichts geschrieben. Damals hatte man noch keine passende Schrift. Dogen hat nichts veröffentlicht, und erst aufgrund des Wunsches von Tradition und Festhalten, hat man das in Schriftform gefasst oder scheibchenweise veröffentlicht.
    Auch wenn der Experte fürs Diamantsutra, 德山宣鑑 Deshan Xuanjian, seine Kommentar-Schriften verbrannt hat, hatte er sie nur deshalb verbrennen können, weil er es realisiert hatte. Das Sutra hat ihn gewendet und deshalb brauchte er es nicht mehr. Dennoch war er nicht damit fertig.


    Zitat


    Heisst es nicht: "kein Anhäufen, kein Vernichten"? Wir folgen auf unserem Weg den Spuren der Älteren und hinterlassen dabei unvermeidlich selbst Spuren. Den Spuren der Buddhas vor uns mit ganzem Körper-und-Geist zu folgen - das ist die wahre Tradition, in der Zen übertragen wird. Die Mühe, die "eigenen" Spuren zu verwischen, sollte man sich nur machen, wenn sie in die Irre geführt haben.


    Die Spuren, um die es hier geht, sind ja nicht sichtbar, sondern sie offenbaren sich, dem der sie sucht. Deshalb braucht man sie nicht verwischen, man kann es garnicht, weil sie eben nicht "eigene" Spuren sind. Und sie führen auch nicht in die Irre - sondern sie führen "endlos weiter".


    Zitat


    Loslassen ist nicht vernichten, loslassen ist geben.


    Carlo sagte immer zu Goofy "Finden ist behalten" 8)
    Kleiner Scherz von mir.

    Moosgarten:


    Auch die meisten Japaner verstehen erst mal nur so ungefähr von was da die Rede ist, wenn sie rezitieren. Meistens ist es ja Chinesisch, nur japanisch lautend.
    Zur Wirkung, nur mal so als Beispiel: Man merkt beim gemeinsamen Rezitieren, wie der Haufen grad drauf ist, mit in bissel Übung auch, wies dem Einzelnen geht. Ob grade alles flockig ist, oder sich die Sangha um Gemeinsamkeit bemüht, oder ob es grad mächtig knirscht. Kann man für den Tag mitnehmen und sich entsprechend einstellen.


    Und mit noch mehr Übung, merkt man das auch bei sich selbst :)

    accinca:
    Tychiades:

    den drei Arten üblen Handelns gegenüber sich abneigen, wegneigen, hinwegneigen, abwenden ist: das ist, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist.


    Schön, und ist es wahr das du das:
    "anfängliche Haften an einem bestimmten Tun" nennst???


    In meiner Ideologie würde ich das nicht so nennen
    und kann es mir auch beim Buddha nicht vorstellen.


    Dann stell dir halt was anderes vor.

    Morpho:

    Was ich nicht verstehe ist,
    da lernt einer von anderen, oder sagen wir, das Bewusstsein wird ja erweitert, geschult, verinnerlicht sich, oder so, grad halt durch und mit dem Tradierten, und wenn einem nur hier und da ein Satz auffällt, ein Zusammenhang; ist ja nicht so, dass Sichtweise und Haltung vom Himmel fällt, aber dann heisst es: "ihr"- des libertären Doktrin, des spirituellen Idealismus ... usw. Will mir nicht in den Kopf.


    Weisst du was Kommunikation ist?


    Zitat


    Es muss einem doch auffallen, das es grade die tradierte Unterweisung, Form und so Vorgänger, Begleiter, sind, die einem nach wie vor "den Weg weisen", ob das nun bewusst ist oder nicht.


    Der Weg ist nicht außerhalb von dir und deshalb ist auch keiner da, der den Weg weisen könnte.
    Wenn nicht in dir etwas dir nicht Verständliches wäre, dass dich da hin zieht und mit dem du verbunden bist (kommunizierst) würde dir nichts auffallen, was ja für eine Menge von Leuten gilt.


    Zitat


    Aber warum ist einem das nicht bewusst ? Ich finde Leute merkwürdig, die glauben, "das- was auch immer" fiele ihnen in den Schoss unabhängig Buddha-Dharma, Sangha- nee, nee,
    wenn dieser Irrtum nicht besteht, rezitiert man nicht nicht, nicht unwillig; man rezitiert ja nicht für einen selbst, sondern um des wieder und wieder 'Hörens' wegen. Das Sutra heutzutage zum "spirituellen Beiwerk"- "ferner lief" dekradiert wird, das ist eigentlich voll ein Voll-Keks. Naja, muss jeder selber sehen. :)


    Also wenn ich es auf japanisch rezitiere ist es nur unverständliches Zeug. Ich müsste es mir mühsam erarbeiten und das wäre dann wieder Blödsinn, weil ich ja auch ein dharani rezitieren kann, das sowieso nur eine Aneinanderreihung von Silben ist. Nun glaube ich nicht an die magische Wirkung, aber an Wirkung - allein schon der Zusammenklang von vielen Stimmen, die im Raum Schwingung erzeugen, macht was. Es berührt tatsächlich physisch. Und dann gibt es Leute, die finden das spirituell - man nennt das in der Phänomenologie Einleibung und Ausleibung - da hänge ich nicht dran. Das ist Getue und Gewese. Brauch' ich nicht. Das ist wie Teelichter und Kerzen und diesen ganzen romantischen Schnick-schnack.
    Aber ich kann es anderen lassen und man muss ja auch gönnen können. :)

    accinca:
    Tychiades:


    Wenn du in MN117 mal liest, dann ist nach buddhistischer Ideologie das Enthalten von (bestimmten) Taten damit gemeint. Enthalten deshalb, weil es kein Tun ohne Haften gibt.


    Du meinst sicher der Buddha habe überhaupt nichts mehr
    getan oder er habe doch noch gehaftet oder?


    Er hat sicherlich gegessen und vermutlich, wurde ihm als Heiliger Mann reichlich gespendet.



    Nein. Da du die Version von Neumann hier benutzt, solltest du wissen, dass Wandel bei Neumann Lebensweise bedeutet. Also das, was Buddha den Bettelgang nannte.
    Tat oder Handlung ist das vorhergehende Pfadglied und heißt bei Neumann auch Handeln.

    Zitat

    "Da geht denn, ihr Mönche, rechte Erkenntnis voran. Wie aber geht, ihr Mönche, rechte Erkenntnis voran? Falsches Handeln gewahrt man als falsches Handeln, rechtes Handeln gewahrt man als rechtes Handeln: das gilt einem als rechte Erkenntnis. Was ist nun, ihr Mönche, falsches Handeln? Lebendiges umbringen, Nichtgegebenes nehmen, Ausschweifung begehn: das ist, ihr Mönche, falsches Handeln. Was ist nun, ihr Mönche, rechtes Handeln? Rechtes Handeln, sag' ich da, Mönche, ist doppelter Art. Es gibt, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das wahnhaft, hilfreich, zuträglich ist; es gibt, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Was ist das nun, ihr Mönche, für ein rechtes Handeln, das wahnhaft, hilfreich, zuträglich ist? Man kann, ihr Mönche, Lebendiges umzubringen vermeiden, Nichtgegebenes zu nehmen vermeiden, Ausschweifung zu begehn vermeiden: das ist, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das wahnhaft, hilfreich, zuträglich ist. Was aber ist es, ihr Mönche, für ein rechtes Handeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist? Was da, ihr Mönche, im heiligen Herzen, im wahnlosen Herzen, das sich auf heiligem Wege befindet, heiligen Weg vollendet, eben den drei Arten üblen Handelns gegenüber sich abneigen, wegneigen, hinwegneigen, abwenden ist: das ist, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Da ist man eifrig bemüht falsches Handeln zu verlieren, rechtes Handeln zu gewinnen: das gilt einem als rechtes Mühn. Besonnen läßt man falsches Handeln hinter sich, besonnen gewinnt und erreicht man rechtes Handeln: das gilt einem als rechte Einsicht. So haben sich einem diese drei Dinge um das rechte Handeln aneinandergereiht, aneinandergeschlossen.


    Ich hoffe, du erkennst den Unterschied. Auch bei Neumann enthält man sich dem Handeln.

    accinca:
    Tychiades:

    Erst muss man das "anfängliche Haften an einem bestimmten Tun finden" und erst dann kann man es verlieren - oder aufgeben.


    Gibt es dann nach deiner Ideologie kein bestimmtes Tun ohne Haften?


    Wenn du in MN117 mal liest, dann ist nach buddhistischer Ideologie das Enthalten von (bestimmten) Taten damit gemeint. Enthalten deshalb, weil es kein Tun ohne Haften gibt.

    Sudhana:

    Schroedinger: zunächst - ich habe den Eindruck, Du argumentierst etwas inkonsistent. Zuerst schreibst Du

    Tychiades:

    letztlich muss man dann doch seine eigene Rezitationspraxis finden


    Dann präzisierst Du

    Tychiades:

    Mit "eigener Praxis" meinte ich das anfängliche haften an einem bestimmten Tun


    - anders gesagt: man muss "letztlich" das anfängliche haften an einem bestimmten Tun finden? Nun ja, das ist ... zumindest missverständlich. Wie schon angedeutet ist für mich "zu eigener Praxis finden" doch eher das "haften an einem bestimmten Tun" verlieren.


    Klingt vielleicht nur inkonsistent bei mir, aber du hast das ja schön präzisiert. Genau so ist es. Erst muss man das "anfängliche Haften an einem bestimmten Tun finden" und erst dann kann man es verlieren - oder aufgeben. Erst muss man den Ochsen finden, bevor man ihn wieder los lassen kann.


    Zitat


    Nun heisst es wiederum bei Dir:

    Tychiades:

    Ich meine, da gibt es letztlich nichts "eigenes".


    Etwas "eigenes" gibt es insofern nicht, als es natürlich keinen "Eigner" der Praxis gibt. Trotzdem hat jede empirische Person entsprechend der Ursachen und Bedingungen, aus denen heraus sie existiert - und praktiziert - eine spezifische Praxis. Meine Praxis ist nicht Deine Praxis und es wäre auch nicht sinnvoll, wollte ich meine zu Deiner machen oder umgekehrt, Nachahmung hin oder her. Dass es auf einer anderen Ebene - ohne mein und dein - nur eine Praxis gibt, ist eine andere Geschichte. Auf dieser Ebene "eine Praxis" gibt es dann aber auch keine Sōtō-Praxis, keine Zenpraxis, keine buddhistische Praxis. Nicht einmal heilsame oder unheilsame Praxis.


    Genau. Das hatte ich im Blick. Es gibt natürlich eine "bestimmte" Praxis, die ganz konkret mit einer konkreten Adresse verbunden ist, nur sollte man dies zusammen sehen - dann kann man sich nämlich Auseinandersetzungen ersparen. Und zwar aus nur einem Grund - man kann sich garnicht über diese Dinge auseinandersetzen. Du kannst nicht aus deinem konkreten Tun heraus - es ist deine Weise - und der andere ebenso. Deshalb gibt es auch keinen Grund für spirituellen Materialismus. Es ist lediglich ein Zeichen für eine recht oberflächliche Sicht und verdient insofern Mitgefühl.


    Den Rest schenke ich mir - bis auf ein paar Punkte:


    Die Praxis kann nicht erlernt werden. Sie wird vollzogen und durch den Vollzug, die Ausübung, wird der Ausübende gewandelt - ohne das er es anfänglich bemerkt. Er glaubt, er würde etwas tun, aber das ist eben nur der Anschein, in Wirklichkeit setzt er sich einer ihm unbekannten und auch unerkennbaren Wirkung aus und es ist darüber auch kein Wissen möglich. Eine Ahnung vielleicht.
    Was sich da wirklich tut, kann er nicht voll erfassen. Bedingt ist es möglich, als Weg-Bewusstsein. Doch das hat nur bedingten Wert.
    Es ist ein Geschehen, dem sich der Übende aussetzt, weil er dafür Gründe hat, die ihm auch nicht genau bewusst sind.
    Letztlich erkennt man es am bedingten Ergebnis: Friede, Gleichmut, Mitgefühl, Tiefe - das hat alles nichts mit "Spiritualität" zu tun, sondern ist einfacher, spontaner Ausdruck, der nicht gemacht werden kann. Auch nicht durch jahrelange Übung oder Studium.


    Zum Schluß:

    Sudhana:

    Und gleich, wie eng man der Tradition dann folgt (was zumindest hinsichtlich "verständig" und "unverständig" Unsicheren allemal zu empfehlen ist), ist es doch auf jeden Fall hilfreich, sie zu studieren.


    Wer sein Schriften und Studien für nichtig erkennen kann und sie daher vernichten kann - das ist die wahre Tradition, in der Zen übertragen wird.

    Morpho:

    Natürlich hat Rezitation eine "Auswirkung", aber anstatt erst mal dabei zu bleiben und wahrzunehmen (wenn überhaupt für eine die Gelegenheit besteht in einer Zendo zu sein, wo mehr als das Herzsutra rezitiert wird) verwehren sich nicht wenige bereits im Vorfeld und bilden sich Meinungen und Urteile;da werden mitunter dann auch derart Zuschreibungen in die Welt gesetzt, wie du sie verkündest. Das sind doch auch nur Begriffe, Gedanken verbunden mit Empfindungen. Ob die so passend sein könnten, kann man ja nur bei einem Realitätscheck rausfinden.


    Ja - so ist das nun mal. Da hilft auch ein moralischer Appell nichts.

    Morpho:
    Tychiades:

    Ich nenne das Begleitprogramm - das sich ums Zazen herum mäandert. Das brauche ich nicht. Andererseits scheint es sinnvoll zu sein, weil Regeln und Riten dem ganzen Sitzen eine Art Stütze geben. Es braucht ja einen Eingangs-und Ausgangsritus - im Sinne der Handlungsregeln und -struktur.


    Das "Begleitprogramm" dient der Achtsamkeit, oder besser, wie Sudhana sagte, dem 'Anhalten',
    bzgl. Klärung fang ich hier nicht an. Die Formalie ist nicht unwichtig, genauso so wenig wie die Form des Sitzens unwesentlich ist. Das sollte von jemandem übertragen werden, der oder die sie ausreichend im Original kennengelernt hat.


    Rezitation hat - unabhängig vom Inhalt - eine Wirkung, ob das Achtsamkeit bedeutet ist fraglich. Dafür kann man jederzeit und immer, bei jeder Verrichtung, Achtsamkeit auf den Atem oder mit dem Koan Mu praktizieren. Das ist letztlich auch die Wirkung und Funktion vom Nembutsu. Da wird natürlich nichts "angehalten", sondern der Bewusstseinsstrom wird umgelenkt, mit der Wirkung, dass das "alte" Plappermaul- Bewusstsein durchsetzt wird mit einem anderem Text. Das ist eine Art von Gehirnwäsche, wobei ich das nicht negativ sehe. Es kommt auf den Inhalt an und das Herzsutra ist mir dann schon lieber, als irgendeine libertäre Doktrin.

    Sudhana:
    Sudhana:

    Wobei das "seine eigene Praxis finden" für mich heisst, zu wissen, was man tut - weniger warum man es tut


    Tychiades:

    Mit "eigener Praxis" meinte ich das anfängliche haften an einem bestimmten Tun - wo man wissen muss, was man tut - aber davon muss man sich wieder lösen und eben es tun ohne warum und ohne was.


    Dann meinen wir mit "zu eigener Praxis finden" wohl nicht dasselbe.


    Richtig. Ich meine, da gibt es letztlich nichts "eigenes".

    Zitat


    Zu wissen, was man tut, heisst für mich, sich seines Tuns unmittelbar bewusst zu sein. Da ist kein Raum für Rationalisierungen, für ein "warum" - da ist nur der gegenwärtige Moment des "was" und ungetrennt davon das Bewusstsein von "was".* In diesem Moment ist da eben auch nur das Tun und nichts, das an diesem Tun haftet oder nicht. Ohne zu wissen, was man tut, spult man nur wie eine Maschine mechanisch ein eingegebenes Programm ab. Das kann auch ein Roboter.


    Das Bewusstsein kann nicht "voll bewusst" werden. Und wenn Körper-Geist abfällt, da ist nichts bewusst, im Sinne von intentional. Natürlich sollte ich bei Bewusstsein sein, wenn ich Kartoffel schäle, sonst kann das Probleme machen, doch nicht was ist entscheidend, sondern "wie". Wie ich Kartoffel schäle, da ist der Ort der Praxis. Das kann man vertiefen.

    Zitat


    Wenn man zu dieser Praxis gefunden hat, dann ist das eine "eigene" insofern da die Praxis der "Verständigen" nicht einfach imitiert wird. Dieses Imitieren ist für mich "das anfängliche haften an einem bestimmten Tun".


    Nachahmung ist ja ganz wesentlich für die Praxis - denn die wird ja gezeigt, bezeugt und da geht es um das "wie". Entweder reden wir aneinander vorbei oder wir haben da tatsächlich einen wesentlichen Unterschied im Verständnis.


    Noch als Ergänzung: Das Rezitationsbuch des SZTP (Soto Zen Text Project) ist ein Handbuch der "Liturgie" und als religiöse Praxis braucht man so was. Das ist aber nicht zwingend außerhalb des Tempels und es gibt da sicher auch abgespeckte Versionen. Ich steh' auf so was nicht.
    http://soto-zen-hamburg.de/medien/SZTP.PDF

    Sudhana:
    Tychiades:

    aber letztlich muss man dann doch seine eigene Rezitationspraxis finden - man kann sie aber auch weglassen


    So ist es. Wobei das "seine eigene Praxis finden" für mich heisst, zu wissen, was man tut - weniger warum man es tut. Wohingegen es im Rahmen der Gestaltung / Formung gemeinschaftlicher Praxis schon sinnvoll ist, die Funktion eines bestimmten Tuns (was nicht notwendig ein "warum" bedeutet) zu bedenken.


    ()


    Ich nenne das Begleitprogramm - das sich ums Zazen herum mäandert. Das brauche ich nicht. Andererseits scheint es sinnvoll zu sein, weil Regeln und Riten dem ganzen Sitzen eine Art Stütze geben. Es braucht ja einen Eingangs-und Ausgangsritus - im Sinne der Handlungsregeln und -struktur.
    Mit "eigener Praxis" meinte ich das anfängliche haften an einem bestimmten Tun - wo man wissen muss, was man tut - aber davon muss man sich wieder lösen und eben es tun ohne warum und ohne was.


    Wenn ich in der Funktion bin, andere auf ein gemeinschaftliches Tun hin zu sammeln, dann kann ich mir natürlich überlegen und aussuchen, was ich machen will - und was ich nehme aus dem Katalog der Tradition. Es führt dann auch zur Selektion, als ein Raster, in das manche passen und manche nicht.

    Sherab Yönten:

    Das Prahlen über das Erreichen gewisser Zustände stellt für mich eine Form des Spirituellen Materialismus dar.


    Als Stolz über etwas, ist das zunächst nur die unbekümmerte Freude, ein Ziel oder einen Abschnitt erreicht zu haben. Dabei wird dann oft vergessen, dass auch das vergänglich ist.
    Da gibt es einen Text im Pali-Kanon, in dem vom Eigendünkel die Rede ist.
    http://www.palikanon.com/angutt/a04_151-160.html#a_iv159
    Auf Eigendünkel gestützt ist der Eigendünkel zu überwinden. Man muss also überhaupt erst einmal seinen Stolz und Dünkel in einer konkreten Situation erkennen. Dann - darauf gestützt, kann man das überwinden. Aber immer nur konkret, denn es taucht immer wieder Dünkel und Stolz auf.

    Zitat


    Dabei ertappe ich mich selbst immer wieder, wie ich in diese Falle gerate, wenn ich zum Beispiel im Kleinen Kreis über meine Pläne berichte, ein Retreat machen zu wollen oder wenn ich einer Dharmafreundin mehr oder weniger enthusiastisch erzähle, wie fließend die "Praxis XY" zur Zeit bei mir gerade läuft. Dann ist es gut, jemanden zu haben, der diese Begeisterung ein wenig wieder gerade rückt ("alles ist vergänglich, nach guten Zeiten wird es auch wieder schlechte Zeiten geben, die Schwierigkeiten mit sich bringen...Es ist ein ständiges Auf und Ab"), so dass der spirituelle Stolz ein wenig wieder ins Lot kommt.


    Genau.

    Lucy:

    Bei der Frage, wozu Rezitation halte ich mich an meine Erfahrung.


    Das ist ein interessantes Thema - Erfahrung ist ja nur die eine Seite, die andere ist die, wie die Praxis der "Verständigen" aussieht, also wie Erfahrung sich realisiert, z.B. welche Rezitationen und welche nicht.
    Wenn man wenig Beziehung zu "traditioneller" Praxis hat, dann sind Bücher auch ganz hilfreich, aber letztlich muss man dann doch seine eigene Rezitationspraxis finden - man kann sie aber auch weglassen und diesen ganzen Plunder sein lassen. Dann muss man aber auch seine sino-japanischen Studienunterlagen in die Tonne kloppen - die sind eh nutzlos. Es macht aber durchaus was her, bei Leuten, die auf der Suche nach "Verständigen" sind.

    Lucy:

    So eine gelungene Demonstration zum Thema des threads, ausgesprochen anschaulich!


    Ich sehe es eher als spirituellen Idealismus, schließlich hat ja keiner von den dreien was davon.
    Im übrigen ist es auch ein "gelungenes" Beispiel für Dogen's Katto 葛藤.