Beiträge von Doris im Thema „Säkularer Buddhismus“


    Säkular und pragmatisch sind miteinander verbunden.
    Ein Werkzeug, das mit der heutigen Zeit nicht kompatibel ist, würde seinen Zweck nicht mehr richtig erfüllen. Es wäre demnach pragmatisch, es nicht mehr anzuwenden, sondern durch ein geeigneteres zu ersetzen.


    Ich vermute, Du denkst, dass ein säkularer Ansatz gleichbedeutend ist mit der Gründung einer neuen Traditionslinie, also vergleichbar mit Zen, Theravada usw. Aber darum geht es nicht. Das ist ein linienübergreifender Ansatz, der sowohl innerhalb als auch außerhalb vorhandener Traditionen greift. Es könnte sein, dass daraus eine neue Sekte entsteht, so wie nach dem Tode Buddhas eine neue Sekte entstanden ist. Genauso gut könnte es ein individueller Ansatz bleiben. So wie im Christentum das reformatorische Denken nicht nur die neuen Bekenntnisse begründet hat, sondern auch die alte römischen Kirche davon ergriffen wurde.


    Liebe Grüße
    Doris

    Lieber Tychiades,


    dass ein Sessin anstrengend ist, ist noch kein Beweis dafür, dass man sich nicht auch wohlfühlt dabei. Das könnte ja Dein persönliches Nagelbrett sein.


    Ich sehe den Widerspruch darin, zu glauben, man dürfe sich nicht wohlfühlen und die Entscheidung für den Dharma usw. sei keine Entscheidung, bei der das Wohlgefühl nicht auch eine Rolle spielen würde.


    Alles Arschlöcher in Deiner Sangha? Wow! Ich kenne so wenige davon, dass Jahre vergehen müssen, bis mir mal zwei gleichzeitig begegnen. :?



    Liebe Grüße
    Doris

    Zitat

    Wenn da nichts dazu kommt von dem was wir in den letzten 2.600 Jahren erarbeitet und erkämpft haben bleibt das Ergebnis eines sB wirklich bei dem stecken, was einige hier kritisieren, einem für Westler leicht konsumierbar gemachtem Wohlfühlbuddhismus.


    Lieber fotost,


    ob was "Wohlfühlbuddhismus" ist oder nicht, hängt doch ausschließlich vom Rezipienten ab. Wenn ich will, dann mache ich es mir auch auf einem Nagelbrett bequem. Es gibt Leute, die finden es zutiefst befriedigend sich zu kasteien und kokettieren mit Entsagung und Mediationsmarathons.


    Diese Wohlfühdiskussion halte ich zu einem großen Teil für oberflächlich, vorverurteilend und arrogant und in sich widersprüchlich.
    Es trifft außerdem die meisten: Bisher hat hier noch jeder behauptet, er sei beim Buddhismus gelandet, und dann auch noch in seiner speziellen Sangha, weil er sich da wohlfühlt. Besonders oft äußern das doch diejenigen, die die Sangha gewechselt haben, gerade weil sie sich in der anderen nicht wohlgefühlt haben.


    Ein säkularer Ansatz ist in meinen Augen gar nicht geeignet, um es sich bequem zu machen, du musst alles hinterfragen.


    Liebe Grüße
    Doris

    Lieber Waldler,


    ich nutze diese Gelegenheit, um mich mal wieder hier einzubringen.


    Du willst was über den säkularen Buddhismus wissen?
    Dann gehe auf deren Webseite und lies erst mal die Einführung. Da wird es ganz gut beschrieben.


    http://www.saekularerbuddhismus.org/?page_id=30


    Dem möchte ich ein paar eigene Gedanken hinzufügen.


    Selbst betrachte mich als "säkulare Buddhistin", auch wenn ich mich eigentlich nicht "Buddhistin" nenne, denn ich sehe mich nicht als Anhängerin einer Religion, sondern als eine Suchende und Forschende, die sich hauptsächlich an den Methoden orientiert, die im Buddhismus gelehrt werden (wobei ich "Buddhismus" für mich nicht als Religion verstehe, sondern als eine Anhäufung von Methoden, die der Selbsterkenntnis dienen und nach einem bestimmten Mann benannt wurden). Ich bin also keine "Buddhistin" so wie es einige verstehen würden.


    Ich habe Zuflucht genommen. In einer tibetischen Schule. Das stellt für mich keinen Widerspruch dar, eben weil ich säkular bin. Es ist für mich nur deshalb möglich gewesen, weil ich säkular bin. Sonst hätte ich nirgendwo Zuflucht nehmen können. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass es eine Göttlichkeit gibt, das erscheint mir logischer – und bin trotzdem säkular.

    Ich wollte immer nur mich erforschen und – ja! unbedingt! – mich "optimieren". Darunter verstehe ich, ein guter, freundlicher, zufriedener Mensch zu werden, der der Welt so nützlich wie nur möglich ist, also all mein Potential zu erkennen und freizulegen. Ich wollte nie eine Religion finden, mich irgendwo "heimisch" fühlen. Da ich mit mehreren Religionen aufgewachsen bin, in mehreren Kulturen, habe ich mich immer heimisch gefühlt – auf der Welt und unter den Menschen. Ich habe weder eine Religion abgelehnt, noch mich mit einer identifizieren können, obwohl ich natürlicherweise mehr christlich sozialisiert bin.


    Da ich kulturwissenschaftliche Fächer und Geschichte studiert habe, weiß ich um die Subjektivität und die Einbindung aller Texte in die Kultur und die Geschichte. Deshalb kann ich z.B. nicht behaupten oder gar glauben, dass der Palikanon eine 1:1 Wiedergabe der Worte des Gautama sein soll, das ist schlicht nicht haltbar. Ich würde gegen die wissenschaftliche Redlichkeit verstossen. Und von den Wissenschaften bin ich überzeugt. Wer sich damit auseinandersetzt kann das auch nachvollziehen.
    Die Ergebnisse der Natur- und Geisteswissenschaften kann ich nicht ignorieren. Das ist ein wesentlicher Punkt.


    Als ich mit dem Buddhadharma in Kontakt kam, war ich sehr erschrocken über die Streitereien und Kämpfe. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich erkannt habe, dass es sich dabei um regelrechte Religionskämpfe handelt. Ausschlaggebend für eine Bewertung, ob eine Richtung was taugt oder nicht, sind jedoch nur die Ergebnisse der Praxis, nicht das jeweilige Narrativ einer Gemeinschaft. Da ich bei allen Richtungen Menschen mit guten Ergebnissen gefunden habe, vermute ich in allen Richtungen Wahrhaftigkeit, und mir erscheinen diese Religionskämpfe umso mehr absurd. Wovon ich 100%-ig überzeugt bin: Diese Grabenkämpfe stehen im völligen Widerspruch zu dem, was der Buddha gelehrt hat, bzw. sind Beweis für die Richtigkeit der Annahmen des Buddha, nämlich dass wir alles daran setzen und nichts davon ausnehmen uns Identifikationsmöglichkeiten zu suchen, an unseren Vorstellungen festhalten und dadurch unnötige Leiden verursachen.


    Für mich ist es egal, ob irgendwas „ursprünglicher Buddhismus“ ist oder nicht („Buddhismus“ kann übrigens meiner Meinung nach per se niemals ursprünglich sein), für mich ist es egal, ob einer an Götter glaubt, an die wahre Existenz der Höllenbereiche, ob er Robe trägt, Rituale durchführt usw. Für mich zählt das Ergebnis. Davon kann ich einen Teil im persönlichen Kontakt erfahren, also daran erkennen wie ein Mensch sich verhält, der andere Teil bleibt mir natürlich verborgen. „An ihren Werken sollt ihr sie erkennen“ – gilt auch für Buddhisten.


    Wie kann es sein, dass ich Vajrayani bin und dennoch säkular?
    
Weil ich mit der Bildwelt gut zurecht komme, auch weil ich mit mehreren Religionen aufgewachsen bin und ein Mensch bin, der Übung mit Bildhaftigkeit hat. Weil ich in ihr Bedeutung erkennen kann, die was mit mir zu tun hat. Weil ich das als kulturelle Ausformung sehen und akzeptieren kann, ohne mich gleich damit identifizieren zu müssen. Es ist wie in der Kunst: Ich kann mit einem Gemälde von Kandinsky was anfangen, die Wahrhaftigkeit darin erkennen, den persönlichen Bezug zu mir herstellen, kann sogar mit den Symbolen spielen, muss diese aber nicht zu meinen eigenen Symbolen machen, sondern kann in Transferleistung meine eigenen kulturellen Analogien dazu finden. Es entsteht eine Mischkultur. Wie bei jeden Individuum, jeder Kultur, in jeder Zeit. Das ist ein universelles Phänomen, dessen man sich bewusst werden sollte, und das ich für eine der Grundaussagen des Buddha halte. Letztendlich ist auch der tibetische Buddhismus ein Floß, das losgelassen werden muss. Das gilt für jede Tradition. Weshalb es redundant ist, sich mit einer Tradition zu identifizieren oder sie als einzig richtige zu betrachten, weil eben viele Wege nach Rom führen. Natürlich kann aber jeder auch den Umweg über die Identifikation nehmen, sich also Eigner eines Floßes wähnen …


    Warum ich den Ansatz von Batchelor gut finde?
    Weil er die Lehre des Buddha von Anfang an nicht als Religion vermittelt, sondern als Ergebnis gründlicher Selbsterforschung: Buddha hat sich erforscht und was er gefunden hat tut er kund – nichts weiter. Batchelor möchte das konsequent beibehalten. Weil er die Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften mit einbezieht, und damit die Welt von heute.
    Damit ist der Dharma an sich natürlich grundsätzlich hinterfragbar: Gerade für Menschen, die sich von Religionen verabschiedet haben, ist das wichtig. Für Menschen, die erst mal einen Handlauf benötigen, ist das abschreckend. Beides ist menschlich und legitim.


    Der Nachteil: Es gibt von Beginn an keinen Handlauf zur Orientierung, religiöse Hilfsmittel fehlen. Das benötigen Menschen aber bisweilen. Ich vertraue aber meiner Erfahrung mit meinen Mitmenschen, dass sie sich diese religiösen Elemente schon suchen werden, wenn sie diese benötigen, auch wenn sie sich für säkular halten. Offensichtlich funktionieren wir Menschen so, wir suchen immer nach Sinn und Halt. Den Sprung ins Leere wagen ist nicht einfach und erfordert Mut, den jeder nur gemäß seiner Anlagen und Vorbedingungen aufbringen kann. Grundsätzlich ist das jedoch für jeden machbar, sagt auch der Buddha. Und die große Zahl an Methoden der verschiedenen Schulen dienen der Vorbereitung dazu, sind quasi die Trainingseinheiten für diesen Sprung, der in Wirklichkeit aus unzähligen kleinen Sprüngen besteht.


    Andererseits bietet die säkulare Sicht auch die Möglichkeit weitere Methoden hinzuzufügen, die aus anderen Bereichen kommen. Was wohl in jeder Tradition seit jeher so gehandhabt wird. Jedoch wird das gerne vergessen und viele halten die jeweiligen Methoden und Facetten irgendwie schon für geradezu gottgegeben und nicht weiter veränderbar oder gar ersetzbar. Wenn neue Ansätze kommen, wird seitens mancher religiös orientierten Buddhisten dann gerne von „Wellness“ und „Dharma-light“ geredet. Dabei modifizieren und vereinfachen auch heutige Meister oftmals die überlieferten Rituale, Methoden und erklären die Texte für die Menschen von heute. Sollte eine effektivere Methode gefunden werden, mehr über sich zu erfahren, was spräche dagegen, sie anzuwenden? Alles steht auf dem Prüfstand, immer wieder, das Überlieferte ebenso wie das Neue.


    Dabei habe ich nicht den Eindruck, dass der säkulare Ansatz alles Überlieferte per se verwerfen möchte. Ganz und gar nicht. Es wird sicher nicht bezweifelt, dass so manches, das als „Wahrheit“ verkauft wird, aber nicht der Realität entspricht, nicht dennoch wahrhaftig sein kann. Das würde auch einer Grundprämisse des Buddhadharma widersprechen, demzufolge ja alle Wesen sich ihre eigenen Bilder von der Welt schaffen. Die Frage, die dabei gestellt wird: Funktioniert das Bild,funktioniert die Methode, kann damit die Wahrhaftigkeit transportiert und vermittelt werden, ist es verständlich, ist es notwendig usw.


    Mich erinnert der säkulare Weg stark an den Chan, mit dem ich recht vertraut bin: Man muss von Beginn an dazu bereit sein, auf den Boden unter den Füßen zu verzichten: "Die ihr eintretet, laßt alle Hoffnung fahren!"
    Es ist keineswegs ein bequemer Weg. Die Praxis ist niemals einfach, egal was einer macht, wo er es macht und mit wem.


    Ich denke im Übrigen, dass jede Praxis säkular ist. Aber vielleicht ist diese Erkenntnis, ein Ergebnis religiöser Praxis? Das darf gerne hinterfragt werden, wenn sich jemand dazu bemüßigt fühlt.


    Jeder soll machen, was er möchte, oder wie es Jesus ausdrückte: "Meines Vaters Haus hat viele Zimmer."


    Liebe Grüße
    Doris