Beiträge von Sudhana im Thema „Über Dharma schreiben“

    Tychiades:

    der Ochse verschwindet - was bleibt ist der Mist - der Mensch verschwindet - was bleibt ist sein Müll - jedenfalls für eine Kalpalänge.


    Der Mist ernährt die Wiese. Der Müll der Götter sind die Schätze der Menschen, der Müll der Menschen die Schätze der Hungergeister.


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    Tychiades:
    Sudhana:

    Jedenfalls lässt er sich da tief ins Gras fallen ....


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    Da fällt mir ein, ich muss morgen unbedingt den Rasen düngen. ;)
    Danke.

    Das ist das weniger bekannte Ochsenbild Nr. 6b - mit dem Mist des Ochsen die Wiese vor der Hütte düngen :)


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    Tychiades:

    Es gibt also, um bei deiner Metapher zu bleiben, neben Spiegel und Spiegelbild noch ein Drittes - nämlich die Trübungen oder der Staub, der sich da auf dem Spiegel bildet.


    Man kann der Tragweite von Metaphern auch ein Stück zu weit trauen. Auf diese Genze habe ich mit der Bemerkung

    Tychiades:

    das allerdings als Metapher etwas irreführend ist, da 'Spiegel' und 'Spiegelbild' nicht voneinander zu trennen sind.

    hingewiesen. Was für das Bild gilt, gilt im gleichen Maße für den Staub. Dies sind nur Namen, die auf Funktionen hinweisen - nicht jedoch auf verschiedene 'Dinge' (dharmas). Huinengs Vers deutet für mich in die Richtung 'kein Ständer, kein Spiegel, kein Staub'. Aber andererseits ist an diesem Vers im Lauf der Jahrhunderte auch nachweislich so viel herumgebastelt worden, dass man sich im Zweifelsfall eine Version heraussuchen kann, die einem am ehesten passt.

    Tychiades:

    Nun - hat aber der 6. Patriarch klar gemacht, dass sich weder was manifestiert noch offenbart. Es also keinen Geistgrund gibt etc.

    Anderseits spricht der 6. Patriarch in seiner Belehrung von Shenxius Schüler Zhicheng - in diese Form wird die doktrinäre Abgrenzung der südlichen zur nördlichen Schule gekleidet - von "Geistgrund" (diese Übersetzung findet sich jedenfalls bei Morinaga / Jarand) und genau diesen Abschnitt habe ich in meiner Antwort an Bakram paraphrasiert. Ich denke, dass da (mit dem 'Geistgrund') auf das Yogacara-Konzept der 'Basis' des ālayavijñāna zurückgegriffen wird, dessen Wenden (āśraya-parivṛtta / 轉依) den Wechsel vom erleuchteten zum unerleuchteten Zustand bezeichnet. Aber was weiss ich schon, was sich der alte Knabe dabei gedacht hat (falls er sich etwas dabei gedacht hat). Jedenfalls lässt er sich da tief ins Gras fallen ....


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    Bakram:

    Wenn ich dich recht verstehe liegt dem gewöhnlichen, bewusst erfahrbaren Geist ein Geistesgrund zugrunde, der sich erst offenbaren muss um bemerkt zu werden oder um seine Wirkung zu entfalten.

    Nicht ganz. Dieser Geistgrund "offenbart" bzw. manifestiert sich im "gewöhnlichen, bewusst erfahrbaren Geist". 平常心是道 - "gewöhnlicher Geist ist der Weg", heisst es deshalb.

    Bakram:

    Falls dieser Geistesgrund im Verborgenen immer schon da ist, sich nicht verändert und nicht entwickelt und deshalb zwar unpersönlich aber doch unveränderlich und ewig ist, widerspricht dies meiner Ansicht von anicca und anatta.

    Für den 'Geistgrund' wird häufig das Bild vom Spiegel gebraucht , das allerdings als Metapher etwas irreführend ist, da 'Spiegel' und 'Spiegelbild' nicht voneinander zu trennen sind. Das heisst, es ist es nicht nur so, dass sich das Spiegelbild im Spiegel manifestiert - auch der Spiegel manifestiert sich im Spiegelbild. Insofern ist der Spiegel ebenso "anicca und anatta" wie das Spiegelbild.


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    mukti:
    Sudhana:

    Man kann sich darin üben, den Weg zu manifestieren und damit einen "verwirklichten, leidbefreiten Geist ohne Gier, Hass und Verblendung" zu manifestieren. Oder man kann einen "verwirklichten, leidbefreiten Geist ohne Gier, Hass und Verblendung" manifestieren und damit auch den Weg - der Geistgrund ohne Irrtum ist śīla, der Geistgrund ohne Torheit ist prajñā, der Geistgrund ohne Verwirrung ist samādhi. Die Manifestation des Geistgrundes ist daher auch der vollständige Weg - ob man ihm nun drei Aspekte (śīla, prajñā, samādhi) beilegt oder acht.


    Wie sieht das genau in der Praxis aus "den verwirklichten Geist manifestieren", in der Meditation vielleicht, also Jhana erreichen? Der Weg wäre dann sozusagen inspiriert durch die Jhana-Erfahrung, wenn man sich nicht mehr darin befindet. Aber damit sich der Geist zu Jhana sammeln kann sind ja Voraussetzungen der Sittlichkeit nötig. Kannst du das bitte näher erklären?


    Es ist ein recht altes Missverständnis, die Zenübung sei die Übung der Jhana; schließlich ist Jap./Chin. Zen / Chan eine Transliteration von Pali/Sanskrit Jhana/Dhyana. Entsprechend haben schon in der formativen Phase des Chan verschiedene Lehrer darauf hingewiesen, dass Zuochan / Zazen keine Übung der Jhana/Dhyana ist. Als solches wäre es eine Übung, die lediglich einen Aspekt des Weges darstellt und isoliert, 'für sich' ausgeübt, vom Weg in seiner umfassenden Fülle isoliert ist. Zen ist eine holistische Übung, die organisch Praxis ("den Weg manifestieren") und deren Anhalten (sitzend "den Geistgrund manifestieren") umfasst. Im Übergang von Praxis des Weges zum Anhalten der Praxis zeigt sich das Aufhören der Verblendung, im Übergang vom Anhalten zur Praxis entfaltet sich der Weg.


    Die mE beste (welche Auffassung sicherlich meiner Tradition geschuldet ist) Beschreibung gibt Dōgen mit seiner oft zitierten Formel im Genjōkōan:

    Zitat

    Wenn alle Dinge Buddhalehre sind, dann gibt es Verirren und Erwachen, Übung, Leben und Tod, alle Buddhas und leidende Wesen. Wenn die zehntausend Dinge ohne Ich sind, dann gibt es weder Verirren noch Erwachen, weder Buddhas noch leidende Wesen, weder Entstehen noch Vergehen. Da der Buddhaweg von Grund auf Überfluss und Mangel entspringt, gibt es Entstehen und Vergehen, Verirren und Erwachen, leidende Wesen und Buddhas. Doch obgleich sich dies sagen lässt, fallen die Blüten in sehnsüchtiger Liebe, und das Unkraut sprießt zu unserem Ärger, und das ist alles. Sich selbst vorantragen um die zehntausend Dinge zu bezeugen ist Verirren. Dass die zehntausend Dinge fortschreiten und uns selbst übend bezeugen ist Erwachen. Die zum Verirren vollkommen erwachen sind die Buddhas. Die sich im Erwachen heillos verirren sind die leidenden Wesen.
    [...]
    Den Buddhaweg ergründen heißt sich selbst ergründen (Dem Buddhaweg folgen heißt sich selbst folgen/Den Buddhaweg gehen heißt selbst gehen). Sich selbst ergründen (sich selbst folgen/selbst gehen) heißt sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen heißt von den zehntausend Dingen bezeugt werden. Von den zehntausend Dingen bezeugt werden heißt Körper und Geist von sich selbst und den anderen fallen lassen. Die Spuren des Erwachens lösen sich auf, und die aufgelösten Spuren des Erwachens führen endlos fort.
    (Antaiji-Übersetzung)

    Bakram:

    Ich glaube, dass ein verwirklichter, leidbefreiter Geist ohne Gier, Hass und Verblendung, aus sich selbst heraus, d.h. ohne Regeln und Weisungen einzuhalten, gar nicht mehr anders als ethisch korrekt handelt.


    Huineng sprach hier von der Ethik/Sittlichkeit/śīla, mit der der Geistgrund (der "leidbefreite Geist ohne Gier, Hass und Verblendung") auf natürliche Weise ausgestattet ist - d.h. es ist die Art und Weise, wie er sich verkörpert/verwirklicht. Das ist eine Wechselwirkung. Insofern ist genau diese Art und Weise natürlicher Verkörperung/Verwirklichung auch die Leidbefreiung des Geistes; seine Befreiung von Gier, Hass und Verblendung. Anders herum ist die 'Reduktion' des als Gier, Hass und Verblendung geformten Geistes auf seinen Grund der direkte, unmittelbare Weg zu dieser Manifestation/Verwirklichung. Darauf beruht die Zenpraxis als ein Weg unmittelbaren / plötzlichen Erwachens.

    Bakram:

    Ich glaube nicht, dass man dies allein mit üben erreicht.

    Womit sonst? Eine Rolle spielt dabei natürlich ganz unweigerlich die Art der Übung - vor allem ihre Konstanz. Aber vielleicht ist es auch besser, statt von 'üben' von 'ausüben' zu sprechen.

    Bakram:

    Ich glaube, dass nur der achtfache Pfad als ganzer zu diesem Ziel führt.


    Das glaube ich auch. Aber es gibt unterschiedliche Arten, diesen Weg zu gehen. Man kann sich darin üben, den Weg zu manifestieren und damit einen "verwirklichten, leidbefreiten Geist ohne Gier, Hass und Verblendung" zu manifestieren. Oder man kann einen "verwirklichten, leidbefreiten Geist ohne Gier, Hass und Verblendung" manifestieren und damit auch den Weg - der Geistgrund ohne Irrtum ist śīla, der Geistgrund ohne Torheit ist prajñā, der Geistgrund ohne Verwirrung ist samādhi. Die Manifestation des Geistgrundes ist daher auch der vollständige Weg - ob man ihm nun drei Aspekte (śīla, prajñā, samādhi) beilegt oder acht.

    Bakram:

    Ich bin deshalb der Meinung, dass jeder den achtfachen Pfad ohne Abkürzung selber bis zum Ende gehen muss, will er diese endgültige Verwirklichung des Geistes selber erreichen.

    Das fasst meine Tradition als einseitige, dualistische Sicht auf - ohne die Wirksamkeit einer entsprechenden Praxis zu bestreiten, versteht sich. Die direkte Praxis etwa des Zen sollte jedoch nicht als "Abkürzung" missverstanden werden - als ein 'schneller, höher, weiter'. Es ist lediglich ein anderer Ansatzpunkt als bei einer Praxis 'allmählichen Erwachens' - beides Ansätze für Menschen mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen. Ein 'schneller' oder 'langsamer' hängt lediglich davon ab, wie weit der gewählte Ansatz den jeweils gegebenen Ausgangsbedingungen entspricht.

    Bakram:

    Mit der Einführung des "Bodhisattwa" im Mahayana habe ich deshalb so meine liebe Mühe:


    Ich mag jetzt nicht all Deine Missverständnisse hinsichtlich des Verständnisses von Bodhisattva im Mahayana aufdröseln. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn Du (und btw auch accinca) unter Bodhisattva einfach 'werdender Buddha' verstehst. Und dieses Verständnis ist durchaus nicht vom Mahayana "eingeführt".

    Bakram:

    Ein Bodhisattwa ist für mich deshalb nicht mehr als ein fortgeschrittener Bhikkhu.


    Ist doch in Ordnung ...


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    Bakram:

    Heilsame Absichten zu hegen ist gut und recht.
    Natürlich sollte jeder heilsame Absichten verfolgen, keine Frage.

    Schön, dass wir uns da schon einmal einig sind :) .

    Bakram:

    Da wir hier über Dhamma sprechen, gestatte ich mir einige Anmerkungen. Buddhadhamma geht nämlich weit über simple Ethik hinaus !

    Nun ja - wenn man eine Sicht auf Ethik hat, wo diese simpel erscheint, mag einem auch die Sicht plausibel erscheinen, dass der Dharma darüber hinaus geht - also irgendwie etwas davon Verschiedenes wäre. Der Buddhadharma hat nach traditioneller Auffassung acht Aspekte und alleine drei davon beschäftigen sich mit "simpler Ethik" hinsichtlich des Umgangs mit dem scheinbar Anderen. Die anderen beschäftigen sich mit einem Ethos hinsichtlich des Umgangs mit dem scheinbaren Selbst.


    Dass diese "simple Ethik" keine sinn- und zweckfreie Transformation des Handelns mit Körper, Sprache und Geist ist, kein l'art pour l'art, ist schon richtig. Aber das, worauf die Transformation zielt, ist nicht "weit darüber hinaus" sondern nicht davon zu trennen.

    Bakram:

    Hier hat Buddha einst eindeutig definiert was er als ethisch heilsam und was als unheilsam erachtet:


    Danke für Deine Zitate - sie beschreiben dies sehr genau. Das "ethisch" in Deinem Hinweis halte ich jedoch für überflüssig. Es geht um Heilsames und Unheilsames. Das eine tun, das andere lassen, ist "simple" buddhistische Ethik. Verhalten ist "ethisch" (genauer: buddhistischen Verhaltensmaximen entsprechend), wenn es heilsam und weil es heilsam ist.


    Dass dies - weil nicht immer auf Anhieb zu erkennen ist, was heilsam ist und was nicht - gar nicht so ganz simpel ist, hat @Sherab Yönten durchaus richtig angesprochen. Heilsames Tun - zweckmäßiges ethisches Handeln - setzt die Erkenntnis voraus, was heilsam ist und was nicht. Sich um solche Erkenntnis mit aller gebotenen Sorgfalt und ernsthafter Hingabe zu bemühen, ist somit selbst ethisch bedeutsam.

    Bakram:

    Nur geht es im Buddhadhamma bekanntlich nicht hauptsächlich um eine ethisch heilsame Lebensführung sondern um Verwirklichung.


    Was genau soll denn da "verwirklicht" werden? Was heisst überhaupt "verwirklichen"? Etwas in die Wirklichkeit treten zu lassen. 'Wirklichkeit' bestimmt sich dadurch, dass sie Wirkung ausübt und Wirkung ist. Weil sie nicht nur Wirkung auf uns, sondern auch Wirkung unseres Tuns mit Körper, Sprache und Geist ist, können wir sie beinflussen. Das, was der Sangha bewirkt, ist die Transformation der Wirklichkeit in den achtfachen Weg. Und eben dies ist nicht getrennt von "ethisch heilsamer Lebensführung" - es ist genau das.

    Bakram:

    Da jede Absicht, selbst vermeintlich heilsame, letzten Endes bedingt entstanden ist, ist diese immer trügerisch.


    Nun - hinsichtlich heilsamer ethischer Lebensführung sollte man Absichten nicht mit Tun verwechseln, auch wenn sich beides nicht voneinander trennen lässt. Zur Absicht muss das Lernen und Verstehen treten, was die umgesetzte Absicht bewirkt - Heilsames oder Unheilsames. Man wird aus empirischer Erfahrung lernen, dass Heilsames bewirkende Absichten mit bestimmten Geisteshaltungen korrespondieren, die traditionell als paramita oder als brahmavihara bezeichnet werden. Dann übt man sich nicht mehr in Absichten, sondern in einer heilsamen Geisteshaltung.


    Insofern sind wir da

    Bakram:

    Wie in MN 78 müssen zur Verwirklichung alle Absichten, selbst ethische Absichten wie heilsam/unheilsam überwunden werden. Gefragt sind nicht heilsame Absichten sondern das Ziel besteht im kultivieren eines heilsamen Geisteszustands.

    der gleichen Auffassung. Insbesondere finde ich erfreulich und bemerkenswert, dass Du von einem "Ziel" und nicht von einem "Zweck" schreibst. Wobei Weg und Ziel nicht zu trennen sind - das Ziel ist in der Ausrichtung des Weges inbegriffen.


    Im mahayanischen Verständnis ist genau dies die 'Gestalt' des Bodhisattva. Er ist der Mensch, der beschrieben wird "als verwirklicht in dem , was heilsam ist, als vervollkommnet in dem, was heilsam ist, als einen, der das Höchste erlangt hat". Einer, der den Weg erlangt hat und ihn verwirklicht, indem er sein Selbst abwirft und mit ihm identisch wird.


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    Monikadie4.:

    Auch für mich ist Erleuchtung nicht mehr von Bedeutung, denn hier und jetzt heilsam zu denken und zu handeln ist entscheidend.


    "Hier und jetzt heilsam zu denken und zu handeln" ist nicht "entscheidend", es ist bedeutend. D.h. genau dieses heilsame Denken und Handeln - als Weg, dem man durch die Zeit folgt - deutet zur Erleuchtung hin. Und gleichzeitig deutet von ihr weg. Deswegen können wir dies einen Weg nennen. Es ist der Weg des So-Gekommenen wie der des So-Gegangenen. Es ist Wandeln in Soheit. Wo Kommen zum Gehen wird, kommt Wandlung in Ruhe. Das ist der erleuchtete Moment.


    Ich werde jetzt die Schuhe schnüren und schauen, wohin mich der Weg vor meiner Tür führt. Schaut Euch diesen Frühlingstag an! Die Zeichen des Erwachens sind unübersehbar!


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