Axel:
Mich irritiert gerade etwas
Offen gesagt verstehe ich Deine Irritation nicht. Es werden viele und sehr unterschiedliche Leute als Zenmeister tituliert. Es gibt für diesen Titel keine objektiven Auswahlkriterien (etwa eine Prüfung mit Diplom) und ebenso wenig Ausschlußkriterien (wie der Posten eines Aufsichtsrates). Es gibt Leute, die andere Leute 'Zenmeister' nennen. Deren Kriterien muss man sich wiederum nicht unbedingt zu eigen machen. Es genügt, sie mehr oder weniger amüsiert (oder, bei entsprechender Disposition, verärgert) zur Kenntnis zu nehmen.
Womöglich irritiert Dich dieses Beispiel aber auch, weil die Sanbō Kyōdan nichts anderes ist als eine Zen-Variante des real existierenden säkularen Buddhismus. Diese Shinshūkyō ("Neue Religion") verwendet aus der Zen-Tradition entlehnte didaktische Mittel und gibt eben diese pragmatische Reduktion als 'Zen' aus. Die Folgerung aus solch einer Gleichsetzung von Zen mit einer spezifischen Form der Unterweisung hat bereits Suzuki Daisetsu Teitaro 1938 in 'Zen und die Kultur Japans' gezogen:
Zitat
Darum vermag es sich mit großer Schmiegsamkeit fast jeder weltanschaulichen oder sittlichen Lehre anzupassen, solange seine intuitive Unterweisung durch sie nicht gestört wird. Es kann sich mit anarchistischen oder faschistischen, kommunistischen oder demokratischen Idealen, mit Atheismus oder Idealismus, mit jedem politischen oder wirtschaftlichen Dogma befreunden.
Hintergrund dieser These ist natürlich der militante agressive Nationalismus Japans dieser Zeit, dem sich auch Suzuki ideologisch andiente - unter anderem mit dem Ansatz, Zen als eine eigenständige Kulturleistung Japans zu deklarieren und von seinen buddhistischen Wurzeln in den verachteten, 'rückständigen' Kulturen Indiens, Chinas und nicht zuletzt Koreas abzutrennen. In diesem Sinne kann man den Suzuki dieser Jahre durchaus als 'säkularen Buddhisten' bezeichnen. Einmal davon abgesehen, dass ich die in dem Zitat formulierte Auffassung von Zen nicht teile (und Suzuki selbst das nach der nationalen Katastrophe Japans 1945 so wohl auch nicht mehr formuliert hätte) - das ist genau die Ablösung von einem 'soteriologischen Programm', die beispielsweise Batchelor als konstitutiv für einen säkularen Buddhismus benennt. Da kommt durchaus zusammen, was zusammen gehört, auch wenn Dich dieser erneute Hinweis verärgern sollte.
Entsprechend figurieren die 'Zenmeister' dieses säkularen Zen. Wobei (aus Gründen, die hier in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen) dieses säkulare Sanbō Kyōdan - Zen dann als auffälligste weil eigenartigste Gestalt den 'christlichen Zenmeister' hervorgebracht hat. Denn 'säkular' beinhaltet natürlich auch 'transkonfessionell'. Es gibt Leute, die das als besonders sympathisch empfinden und dabei übersehen, dass da selbstverständlich auch noch ganz andere 'Konfessionen' inkludiert werden können und auch werden bzw. wurden. Verglichen etwa mit der Art, wie sich bei dem Sanbō Kyōdan - Gründer Haku'un Yasutani Zen (um auf das Suzuki-Zitat zurückzugreifen) mit "faschistischen ... Idealen" "befreundet" hat (Antisemitismus mit eingeschlossen), ist die Befreundung mit dem "wirtschaftlichen Dogma" des Kapitalismus, wie sie in der Person seines aktuellen Nachfolgers Ryōun Yamada augenfällig wird, noch eher harmlos. Natürlich lässt diese Offenheit auch Leute wie Robert Aitken oder David Loy zu. Das ist das schöne an einer säkularen buddhistischen Organisation - da können der faschistische ehemalige Sōtōpriester, der jesuitische Missionar, der westliche Buddhist, der Unternehmer und Banker und selbstredend auch der kapitalismuskritische Philosophieprofessor in schönster Kumpanei koexistieren. Eine solch disparate "Vergesellschaftung" kann nun in der Tat auf den ersten Blick irritieren. Gewiss nicht alles Schlampen - aber schon seltsam, in welcher Gesellschaft sich Mutti so herumtreibt.
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