Beiträge von Sudhana im Thema „Meditation und Wein“

    Morpho:

    Tsjaja. Sudhana spricht eher von den Brahmajalagelübden her, auch wenn er hier den Vinaya einbezieht; Die ersten 5 sind identisch, die weiteren nicht. Die rechte Absicht (Gesinnung) scheint mit im Mahayana doch eine etwas andere "Peilrichtung", insofern jener ist es dem Mahayani auch "erlaubt" situationsbezogen ein Gelübde zu ... Ich sag mal vorsichtig, zu ignorieren.

    Ich bin @pamokkha für seine klare Stellungnahme dankbar, sehe mich aber dadurch nicht veranlasst, dem, was ich zuvor zum Thema geschrieben habe, etwas hinzuzufügen. Der eigentliche Dissenz liegt tiefer als das Thema und gehört auch nicht in einem Anfängerforum erörtert. Sicher hat das etwas mit der unterschiedlichen Ausrichtung von Theravada und Mahāyāna zu tun; ich sehe da allerdings keinen grundsätzlichen Unterschied hinsichtlich 'rechter Absicht', auch wenn es richtig ist, dass im Mahāyāna prajñāpāramitā einen Stellenwert hat, der die śikṣāpada bei bestimmten Umständen relativieren kann (d.h. ihnen keine absolute, unbedingte Gültigkeit zuweist). Was natürlich ein großes Problempotential ist, wenn man sich (oder Andere) über prajñāpāramitā täuscht. Der eigentliche Dissenz liegt jedoch mE eher bei der Auffassung von saṃgha. Genauer: einer exklusivistischen und einer inklusivistischen.


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    Morpho:

    Die Chinesische Variante (BJ)spricht sogar von gewichtigen Verboten, deren Bruch " den Ausschluss verdient". Allerdings nicht in Bezug auf den Eigenkonsum, sondern in Bezug auf ein "ins Verkehr bringen". Man hat da also Gelübdemäßig eine Spannbreit von Übungsregel über Gebot bis Verbot.


    Man muss da zwischen dem Dharmaguptaka-Vinaya (四分律, der 'vierfache Vinaya'), der sich inhaltlich nicht wesentlich vom Theravada-Vinaya unterscheidet, und dem (Mahāyāna-) Brahmajāla Sūtra (梵網經, 'Sutra von Brahmas Netz'), in dem es um Bodhisattva-Gelöbnisse geht, differenzieren. Das 5. der gewichtigen Bodhisattva-Gelöbnisse behandelt in der Tat einzig die Proliferation von alkoholischen Getränken. Der Konsum wird im zweiten der 48 sekundären Gelöbnisse behandelt - übrigens durchaus im Sinne strenger Abstinenz.


    Wie an verschiedenen Stellen des Sutra deutlich wird, waren diese Bodhisattva-Gelöbnisse übrigens nicht für Laien konzipiert, sondern sie wurden von Bhikshus zusätzlich zu den Vinaya-Gelöbnissen genommen/empfangen.


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    Waldler:
    Sudhana:


    In meiner Tradition ist man etwas bescheidener. Man übt sich in den sikkhāpada im Wissen, dass es sich um Ideale handelt, denen man sich als Lebewesen allenfalls annähern kann. Und genau darum bemüht man sich nach Kräften. Entscheidend ist die Bemühung, das Üben - und das endet nie.

    Das klingt interessant. Darf ich fragen, welche Tradition das ist?

    Ich übe in einer Gemeinschaft, die zur Soto-Zentradition gehört. Die Form, in der bei uns das 5. Gelöbnis (als Bodhisattvagelöbnis) gegeben und empfangen wird, ist übrigens auf ein breiteres Verständnis als Alkoholabstinenz gerichtet. Es geht da generell darum, den Geist (den eigenen und den Anderer) vor täuschenden und trübenden Einflüssen generell zu bewahren und damit nicht nur um Alkohol oder andere Drogen mit vergleichbaren Effekten, sondern auch beispielsweise um einen achtsamen Umgang mit Medien.


    Ergänzend zur Bedeutung von sikkhāpada: sikkhā ist "Studium, Übung". pada sind "Schritte"; im übertragenen Sinn (den man hier mE nicht unbedingt bemühen muss) ein "Weg".


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    pamokkha:

    Jetzt nur kurz und flapsig:

    Mal genauso kurz und flapsig: hält ein Theravadin oder Frühbuddhist auch die "Tugendregel" des Nicht-Tötens ein, wenn er sich mit einem Auto durch die Gegend kutschieren lässt, auf dessen Windschutzscheibe hunderte von Insekten sterben? Wenn er über die Straße geht und dabei Lebewesen zertritt? Wenn er bei einer Erkrankung ein Antibiotikum schluckt? Wenn er Fleisch als Essensspende annimmt? Nicht, dass nicht auch bei der Produktion vegetarischer Lebensmittel Myriaden von Lebewesen getötet würden ...


    In meiner Tradition ist man etwas bescheidener. Man übt sich in den sikkhāpada im Wissen, dass es sich um Ideale handelt, denen man sich als Lebewesen allenfalls annähern kann. Und genau darum bemüht man sich nach Kräften. Entscheidend ist die Bemühung, das Üben - und das endet nie.


    Btw - ich hoffe, Du trinkst nur Wasser. :) Fruchtsäfte enthalten in der Regel um die 0,3 % Alkohol. Da kommt schon bei einem halben Liter deutlich mehr reiner Alkohol zusammen, als ein Grasblatt fassen kann. Früchte sind eh gefährlich - vor allem Bananen. Überreife können bis zu 1 % Alkohol enthalten. Dagegen ist Sauerkraut (0,5%) fast harmlos. Von Backöfen sollte man sich übrigens auch fernhalten - beim Brotbacken wird Alkohol freigesetzt und womöglich von zuchtlosen Toren eingeatmet. Aber nicht alles verdampft - Roggenbrot enthält 0,3 %, Weißbrot 0,2 % Alkohol ... Wie man sieht - moralischer Rigorismus schafft jede Menge Probleme, wenn man ihn denn wirklich ernst nimmt.


    Wieauchimmer - bin ab Samstag im Ausland und weitestgehend afk. Werde mich also dann in die Diskussion wahrscheinlich nicht mehr einschalten können.


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    Ich denke, es ist sinnvoll, die Frage systematisch zu behandeln, wobei ich mich hier auf den Palikanon als Grundlage beschränken möchte. Da fängt man am besten beim Wortlaut des "Gebots" an, das in dieser Formulierung sowohl als (5.) der Laiengelöbnisse wie auch als Gelöbnis für Novizen und Vollordinierte identisch ist: Surā-meraya-majja-pamādaṭṭhānā veramaṇī sikkhāpadaṃ samādiyāmi.

    Um von hinten anzufangen: was ich da auf mich nehme (samādiyāmi), ist eine Übungsregel (sikkhāpadaṃ), kein Gebot. Es handelt es sich also um eine Form des Trainings oder der Schulung - work in progress. Ein Laie, der am Beginn der Übung steht und sich regelmäßig (etwa jedes Wochenende) einen Vollrausch antrinkt, folgt dieser Regel schon, wenn er seinen Alkoholkonsum deutlich reduziert. Da ist seine Übung zunächst das Reduzieren, wenn er ein radikales Aufhören nicht schafft (dass das bei Alkoholkranken nicht funktioniert, ist mir selbstredend bekannt). Die Rede ist von alkoholischen Getränken (majja), gleich ob sie aus fermentierter Getreidestärke hergestellt sind (surā - wie etwa Bier) oder aus vergorenen Früchten bzw. Honiglösung oder Zuckerrohrlösung (meraya - also Wein, Met usw.). Der Grund dafür ist, dass diese 'pamādaṭṭhānā' sind, d.h. Grund / Ursache / Anlass für pamāda. Pamāda wiederum kann man mit 'Achtlosigkeit' übersetzen, was nun allerdings nicht direkt etwas mit Achtsamkeit (insbesondere 'Rechter Achtsamkeit', samma sati) zu tun hat, sondern eher im Sinne von 'Enthemmung' zu verstehen ist - die dann zu unerwünschten, leidhaften Folgen führt. Verwerflich / leidhaft ist also nicht der Alkoholkonsum selbst, sondern es sind die durch die mit dem Alkoholkonsum verbundene Enthemmung (potentiell) daraus entstehenden Folgen.


    Nun kann man das 'Surā-meraya-majja-pamādaṭṭhānā veramaṇī sikkhāpadaṃ samādiyāmi' auf zweierlei Art übersetzen. Zum einen so, dass man dem Konsum alkoholischer Getränke als Ursache von pamāda entsagt und zum anderen so, dass man dem Konsum alkoholischer Getränke entsagt, wenn sie zur Ursache von pamāda werden. Die erste Übersetzung impliziert eine grundsätzliche Abstinenz, die zweite eine Begrenzung der Menge auf ein Level, auf dem keine Enthemmung (von schwereren Bewusstseinstrübungen wie einem Alkoholrausch ganz zu schweigen) auftritt.


    Für einen Vinaya-Ordinierten (nicht nur im Theravada, in anderen Vinayas ist das genau so) ist die Auslegung eindeutig: absolute Abstinenz. Dass diese Auslegung nicht zwangsläufig ist, zeigt schon, dass explizit festgelegt wurde, dass für einen Bhikku schon das Trinken einer Menge, die ein Grasblatt halten kann, als pācittiyādhammā (dazu gleich) gilt. Übrigens ist dessenungeachtet vernünftigerweise Alkohol als Bestandteil einer Medizin zulässig. Übrigens wurde die Regel erst eingeführt, als ein Bhikku (auf Betreiben einer Gruppe von sechs anderen Bhikkus) beim Bettelgang so viel Alkohol gespendet wurde, dass er danach sturzbetrunken war (Dana durfte er nicht zurückweisen) und sich entsprechend daneben benahm.


    Man sollte sich ruhig auch einmal anschauen, welchen Stellenwert der Vinaya einem Verstoß gegen dieses Gelöbnis beimisst - insbesondere im Vergleich zu den anderen vier auch für Laien geltenden Gelöbnissen. Die 227 Regelverstöße, die im Therāvāda Patimokkha gelistet sind, sind nach Schwere des Verstoßes bzw. der daraus folgenden Sanktion in acht verschiedene Gruppen eingeteilt. Die kleinste dieser acht Gruppen umfasst die vier schwersten Regelverstöße (pārājikādhammā), die dann auch zum Ausschluss aus dem Orden führen: Töten, Stehlen, sexuelles Fehlverhalten und Lüge - wobei die Lüge allerdings eine bezüglich des eigenen spirituellen Entwicklungsstandes sein muss. Ansonsten findet man den Bruch der Übungsregel des Nicht-Lügens in der größten und am wenigsten schwerwiegenden Gruppe (92 der 227 Verstöße) - als ersten der Verstöße, die eine Buße erfordern (pācittiyādhammā). In dieser Gruppe findet sich dann auch der Bruch der Alkoholabstinenz - an 51. (!) Stelle. Unmittelbar vor solch schandbaren und schweren Vergehen, wie dem Anstoßen einer anderen Person mit dem Finger (Nr. 52) oder dem spasshaften Spritzen mit Wasser (Nr. 53). Aus dieser Perspektive scheint mir das Thema in der vorangegangenen Diskussion gelegentlich deutlich zu hoch gehängt.


    Ob man nun als Laie die Regel leichter nehmen kann als ein Bhikku (im Sinn der zweiten möglichen Übersetzung der Regel, "wenn sie zur Ursache von pamāda werden"); man also lediglich Trunkenheit bzw. Enthemmung durch Alkohol vermeiden sollte, sollte wohl jeder für sich entscheiden. Dagegen spricht im Palikanon mW nur eine einzige Stelle: Sutta Nipata II.14.398-399. In KEN'S schwülstiger Übersetzung:

    Wer sich nicht für einen Toren hält und / oder gelegentlich zu bestimmten Gerichten gerne ein Gläschen Wein trinkt oder nach körperlicher Anstrengung in der Sommerhitze ein Glas Radler, der möge sich damit beruhigen, dass in A.X.176 (dem Cunda Sutta), wo die zehn unheilsamen Wirkensfährten, die sich wiederum aus drei Unlauterkeiten in Werken, vier in Worten und drei im Denken speisen, aus den vier ersten Übungsregeln abgeleitet werden. Von der fünften ist da bezeichnenderweise nicht die Rede. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass die Missachtung der fünften Übungsregel (was in dem Falle heisst: das Überschreiten der Grenze zur Enthemmung) häufig zum Beschreiten einer oder mehrerer der zehn unheilsamen Wirkensfährten führt. Das wiederum kann geringfügigen Alkoholkonsum durchaus zu einer interessanten Übung in Achtsamkeit machen.


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    Holzklotz:

    Wir sind hier im Unterforum "Anfängerbereich".


    Um mal hier ausnahmsweise die Moderatorenkappe aufzusetzen: Das Zitat möchte ich unterstreichen. Hier ist nicht der Ort, um wechselsetige schulspezifische Animositäten zu pflegen. Nichts gegen Abgrenzungen und Verdeutlichung unterschiedlicher Auffassungen, auch wenn dieses Unterforum mE nicht ganz der geeignete Ort dafür ist. Aber ich bitte alle hier, sich zumindest im Ton zu mäßigen, bevor sich die Moderation gezwungen sieht, das Thema zu sperren. Danke.


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    Losang Lamo:

    Mit Vipassana kann man diese Frage ja sogar selbst für sich untersuchen. Der Buddha, der's erfunden hat, hielt nicht viel vom Alkohol.


    Buddha war kein Dogmatiker. Er hat begründet, warum er "nicht viel vom Alkohol" hielt. Vielleicht wäre es ja mal hilfreich, sich diese Begründung anzuschauen. Dass Alkohol bei der 'Meditation' stört, war so weit ich mich erinnern kann, kein Grund, den er genannt hat.


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