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Ich bin da ehrlich gesagt auch selber mehr hin und her gerissen, als das sich jetzt vielleicht lesen mag und ich kann Deine Einwände durchaus nachvollziehen.
Schön, das freut mich. Man kann das Ganze ja ruhig bedenken, spricht ja nichts dagegen.
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Die Zentren sind da vielleicht derzeit durchaus etwas überfordert, aber mMn gilt es sich weiter zu entwickeln und passendere Formen zu finden, anstatt rückwärts zu blicken.
Die Frage ist ja, sollte man sich weiter entwickeln oder die Lehre?
Wozu sollte man etwas verändern, was jahrhundetelang schon Früchte gebracht hat? Der moderne Mensch glaubt, nur weil er ein bischen Technikfirlefanz um sicher herum sammelt, dass er in der Stellung wäre, einfach mal alles zu verändern, auch Sachen die einfach so, wie sie sind, funktionieren.
Warum erneuert man nicht das klassische Shaolin Kung Fu? Weil das keinen Sinn machen würde. Aber Religionen, oder Philosophien, wie Zen, haben großen Zulauf. Viele kommen über 10 Ecken darauf. Dann ist dein Bedenken:
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Was nützt es, wenn die spirituellen Wege nur noch für ein paar wenige Nostalgiker eine Anlaufstelle bieten?
Eigentlich nicht real vorhanden. Eher ist es umgekehrt - die spirituellen Wege sind für eine Vielzahl von Menschen zur Anlaufstelle geworden. Und ich für meinen Teil finde es gut, ja sogar wichtig, diesen Menschen auch die klassischen/traditionellen Inhalte zu vermitteln. Ob man diese annimmt, bleibt ja jedem selbst überlassen. Aber er sollte die Chance erhalten, wenigstens mal von ihnen zu hören und sich dabei nicht einschüchtern zu lassen, von Stimmen wie: "Das ist unzeitgemäß", "Ewiggestriger", "was für ein Reaktionär", "na dann geh doch zu den Samurai".
Ich höre solche Sätze ständig. Das Ding ist aber: Ich praktiziere. Jeden Tag. Nicht nur 1x die Woche wenn ich in ein Zentrum gehe. Das soll jetzt keine Selbstbeweihräucherung sein, denn ich bin sicher, hier gibt es eine Vielzahl, die viel mehr investieren als ich.
Was ich damit nur sagen möchte: Die Tradition hat mir klar gemacht, dass es Dinge gibt, die man unangetastet lassen sollte. Unbedingte Annahme ist das Schlüsselwort, auch wenn man mit harten Bandagen angefasst wird.
Ich selbst wurde z.B, im Kampfsportkontext, von meinem Meister 2x vor versammelter Mannschaft gedemütigt. Einmal mit mehreren Backpfeifen und einmal wurd ich K.O. geschlagen. Mein Meister war bekannt dafür, dass er öfter einmal austickt. Gut, soviel zur persönlichen Story.
Jetzt stellte sich natürlich für mich die Frage, ob ich empört das Dojo verlasse, oder ob ich bleibe. Heutzutage würde man wahrscheinlich sofort Randale auf Facebook machen - damals gab es das noch nicht. Natürlich war ich auch schockiert und verärgert. Ich schlief eine Nacht darüber. Dann hab ich mir gedacht: "Ok, du hast gestern richtig eingesteckt und die Leute drum herum haben dich ausgelacht. Wenn du jetzt nicht mehr hingehst, dann bleibst du eine Lachnummer. Aber noch schlimmer: Du lernst deine Kampfkunst nicht weiter"
Also ging ich wieder hin. Der Meister nickte mir zu. Seitdem war nie wieder so etwas vorgefallen und ich wurde gut trainiert und auch zu seinem Geburtstag eingeladen. In das Kämpferteam kam ich auch, obwohl ich erst 1 Jahr trainiert hatte.
Das sind halt so Erfahrungen, die mich und meine Sicht der Dinge prägten. Manchmal wird man mit harten Bandagen angefasst und es kann rauh zugehen. Bei uns im Dojo waren auch die Mädels taff - und sie waren gute Kämpferinnen. Aber all das nur, weil sie zurücksteckten. Nicht aus Schwäche, sondern aus Stärke. Mal ein blaues Auge, mal ein Rippenbruch. Aber all dies formt den Charakter. Wäre ich damals nicht mehr hingegangen - ich hätte es wahrscheinlich heute bereut. Denn solch eine Einstellung behält man bei, wenn man sie sich in solchen Situationen erworben hat. So hab ich das erfahren.