Beiträge von void im Thema „Begehren und Ich-Vorstellung (Henne und Ei)“

    accinca:
    jianwang:

    Jedes Begehren entsteht im Denken.
    Ohne Denken gibt es kein Begehren.


    Na und? Kann man natürlich auch andersherum sehen:
    Ohne Begehren gäbe es kein Denken von Geburt an.


    Ich glaube, da muss man jetzt wirklich übelegen, was man mit Begehren meint.


    • Buddhitisch Taṇhā - den Daseinsdurst
    • Buddhitisch Lobha - Anhaftende Geisteshaltung / Begierde
    • Deutsch "Begehren"


    Letzteres definiert sich als "den seelischen Antrieb zur Behebung eines subjektiven Mangelerlebens mit einem damit verbundenen Aneignungswunsch eines Gegenstandes oder Zustandes, welcher geeignet erscheint, diesen Mangel zu beheben."


    Das heisst es ist damit ein Wunsch vebunden, und das wünschen ist ja dem Vorstellen und damit dem Denken verwand.


    Wenn ich im buddhitischen Kontext "Begehren" höre, denke ich immer an "Lobha". Und das würde ich als vor dem Denken sehen.

    mukti:

    Bewusstsein ist sozusagen die oberste Instanz des Geistes. Es hat keine andere Funktion als zu beobachten was die Wahrnehmung ihm zuträgt. die Wahrnehmung ist gefärbt von Denken, Fühlen und Wollen und nimmt wahr was diese drei aus den Sinneseindrücken machen. Dazu gehört bereits die Ich-Vorstellung.



    Das Bewusstsein als "oberste Instanz des Geistes" zu sehen klingt nach der klassischen Homunkulus-Threorie:


      Neben Descartes ist die Erkenntnistheorie John Lockes ein klassisches Beispiel für eine Homunkulustheorie. Nach Locke muss jede Idee im Bewusstsein nochmals wahrgenommen werden. Wiesing kommentiert: „So wie auch schon in der Camera obscura jemand stehen muss, um die Bilder an der Wand sehen zu können, so muss auch im Bewusstseinszimmer ein Betrachter der Ideen unterstellt werden, ein Homunkulus, der sich die Repräsentationen im Geist anschaut.


    Ich glaube in der buddhitischen Philosophie wird Bewusstsein ncht als oberste Instanz gesehen und es kommt kein Homunkulus vor. Außer dort, wo man Shunyata quasi selber so was von einem "tranzendeten Geist" und "reines Bewusstsein" sieht.

    Sunu:

    Hinzu kommt noch das das Wort Bewusstsein in unserem Kulturkreis wiederum anders definiert ist, als das was mit Bewusstsein im Palikanon übersetzt wird. Im Wort Bewusstsein steckt ja schon das Wort Wissen...das Verbindet man dann schnell mit Denken usw. ...Man kann darunter aber auch schon einen Strom verstehen, der durch eine Anregung aus der Umwelt, an den Rezeptoren eines Lebewesens entsteht, welcher als internes Kommunikationssignal weitergeleitet wird ...und also weitere spezifische Reaktionen in einem Lebewesen hervorruft.


    Ja, da hast du recht. In usnerem Kulturkreis wird "Bewusstsein" ja sehr vom Menschen her als "Selbstkonzept" gesehen.


    Aber nochmal zu "Viññāṇa". Hier wird gesagt:



      Viññāṇa is used in the ordinary sense of ‘sense consciousness’:


      jihvayā hi rasān vijānāti || BrhUp_3,2.4 ||


      For one knows tastes through the tongue.


    Es ist also genau an dem Punkt in dem Sinnesinformation in etwas "Gewusstes" - also in Wissen- umschlägt. Ich sehe das nicht sehr weit weg von dem deutschen Wort "Bewusstsein" entfernt. Und die Beziehung zum Denken geht ja in die andere Richtung: Sobald es etwas "Gewusstes" gibt, wird Denken erst möglich. Bewußtsein ist die Grundlage des Denkens - das qausi das Umgehen mit Wissen ist.


    Buddhitisch würde man sagen, dass sich das Sinnesorgan "Denken" auf die Ergebnisse der anderen Sinne bezieht und mit dem "Gewussten" hantieren und es verknüpfen kann.


    Zitat

    Was da, o Bruder, an Gefühl, Wahrnehmung und Bewußtsein besteht, diese Dinge sind verbunden, nicht unverbunden, und nicht kann man diese Dinge einzeln voneinander trennen und ihre Verschiedenheit zeigen. Denn was man, o Bruder, fühlt, das nimmt man wahr, und was man wahrnimmt, dessen ist man sich bewußt.« (M.43).


    Ich lese diese Stelle nicht so, daß man das nicht theoretisch (also auf einer Abbidharma Ebene) trennen kann, sondern nur, dass das in der Erfahrung nicht geht. Weil man da trivialerweise ja nur von Sachen wissen kann, die man wissen kann. Und einem Unbewusstes erst dadurch bewusst wird, dass es eben zu Bewusstem wird.


    Die Unterbewusste Situation ist die des Reflexes, wo man nur mehr fesstellen kann, das man gehadelt hat.

    Sunu:

    Das was alle Lebewesen gemeinsam haben, ist, dass das Produkt des Zusammenwirkens ihrer Bestandteile, sie selbst sind. Oder .. Das Produkt der Lebewesen ist exakt die Organisation, durch die sie sich ( wenn es die umgebenen Bedingungen erlauben) organisieren.
    Wo das gegeben ist, könnte man durchaus von einem vorhandenen Bewusstsein sprechen. Wobei das ja auch nur ein leerer Begriff ist.


    Also ich glaube, dass das Bewusstsein (Vijnanas) durchaus ein definierter Begriffe ist.


      Die grundlegenden fünf Vijnanas stehen für die fünf Ströme der Sinnesorgane (Perzeptionen), also die durch die Sinnesströme entstehenden Wahrnehmungen...Es bezeichnet die Art und das Ausmaß unseres Bewusstwerdens der Phänomene, wie sie sich in den sechs Erfahrungsströmen manifestieren.
      Vijnanas


    Es gibt also die Sinnesströme Āyatana ( Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper) und die von ihnen erzeugten Wahrnehmungen. Und da gibt es dann so Unterschiede, was aus dem Strom rauspurzelt so ist. So hat man z.B beim Frosch rausgefunden, dass das sehen und das Fangen einen Insektes mit der Zunge sehr einfach neuronal verdrahtes ist. Aus dem Gesehenen muss also kein Bewussteein werden, weil es direkt in Bewegung geht.


    Während es in anderen Fällen so sein, kann, dass z.B ein Fisch sein Sichtfeld druchgeht, und er dabei seinen Aufmerksamkeit auf verschiedene Ergebnisse von Sinneswarnehmung lenken kann. In so einer indirekten Situation gibt es dann also so etwas wie "Bewusstseinsobjekte". So wie es im Englischen den Unterschied zwischen "listen" und "hear" gibt weil man ja viele Sachen höhren kann ohne ihnen die Aufmerksamkeit zu schenken. Für mich hat "Bewusstsein" also mit fokusierter Aufmerksamkeit zu tun.

    kilaya:

    Oder, wenn man in all diesen Fällen von Bewusstsein ausgeht, müsste man Bewusstsein vllt. besser als etwas definieren, das nicht zwangsläufig mit einer Ich-Vorstellung einher geht?


    Für mich ist es so, dass es eine halb-köperliche Grundlage der Ich-Vorstellung gibt. So ein einfaches Wesen ist ja ein Bündel von Zuständen die durch das Verhalten im "grünen Bereich" gehalten werden muss. Sudhana hat ja einige dieser Zustände aufgezählt. Je nach Situation darf es nicht zu trocken und nicht zu feucht sein, nicht zu Hell und nicht zu dunkel, der ph Wert muss stimmen usw. Das Verhalten muss auf all diesen Ebenen die Balance zu wahren.


    Und bei komplexeren Tieren ist es so, dass "dieses Balance wahren" ebenfalls komplex wird. Und z.B Gefühlszustände dazukommen. Und bei noch höheren Tieren ist es so, dass diese Indizien für Objekte zusammenreimen können. Und wenn man sich Vorstellungen über andere machen kann und schliesslich sich Vorstellungen darüber macht, was für Vorstellungen sich die anderen von einem selbst machen, ist man bei einem Ich-Konzept im eigentlichen Sinn.


    Für den Buddhismus ist das alles nicht so relevant, weil dieser sich ja ausschliesslich an Menschen richtet. Aber ich denke, dass unser "Anhaften am Selbst" eine unendlich raffinierte Variante des Blancehaltens des Regenwurm ist, der in eine vergänglichen Welt durch Suchen und Meiden seine Form aufrecht erhält. Wobei sich da natürlich um die blanke Lebenstrieb des Wurmes immer komplexere Schichten gelegt haben. Das rationale Ich legt sich über ein Ich der Gefühl und dieses über ein Ich der Empfindungen. Und ganz weit drinnen also z.B in ohnmächtigen Schmerz oder ohnächtigen Hunger sind wir dem Regenwurm nicht so unähnlich.

    mukti:

    Kann man nicht auch sagen dass ein Ich da ist sobald ein Subjekt da ist? Wahrnehmung ist eine Reaktion auf ein Objekt, Subjekt-Objekt ist die dualistische Unterscheidung von Ich und etwas das nicht Ich ist. Auch wenn diese Unterscheidung nicht die Folge eines Denkprozesses ist, so ist sie doch bewusst. Anders als bei einer Aktion-Reaktion ohne Bewusstsein, etwa wenn ein Stein von einem anderen angestoßen wird. Da ist kein Subjekt und Objekt, beides sind Objekte.


    Es gibt ganz tiefe körperliche Prozesse der Abstossung wie Fressen und Trinken. Auch bei ganz einsachen Tieren wie einem Regenwurm erzeugen diese Prozesse einen "Eigen"-Bereich. Einen Köper-Innenbereich der sich von dem Aussen unterscheidet, und durch die Prozesse von Fressen und Auscheiden hergestellt wird. Klar ist die Begrenzung des Köpers irgendwie die Grundage für Ich -Gefühl. und wir haben ja auch ein Körpergefühl, mit Hungergefühl oder dem Gefühl für ein volle Blase. Aber trotzdem ist das für mich eher der Baugrund, auf dem dann erst komplexe Ich-Gebäude gebaut werden können. Oder eben auch nicht.


    Ich denke, bei einem Buddha gibt es das alles eben auch. Es gibt Köpergefühl, Hunger Durst. Aber darauf wird kein Gebäude erichtet. Es gibt Subjekthaftes aber keine Ich-Illusion.


    mukti:

    Daher neige ich dazu ein wahrnehmendes Subjekt bereits als ein Ich zu bezeichnen, wenn es auch nicht als solches gedanklich reflektiert wird, wie etwa bei Tieren oder neugeborenen Menschen. Das passt mir ins anatta-Konzept, denn wenn gar kein Ich da wäre, dann wäre das ja Erleuchtung.


    Aber kann man da von einem "Subjekt" sprechen? Ich würde das eher als "die Skadhas" bezeichnen. Die Skadhas haben einen subjekthaften Aspekt weswegen man auf ihrer Basis eine Ich-Ullusion erzeugen kann aber nicht muss.


    Villeicht kann man bei einem Tier hier deswegen von einem Ich sprechen, weil es direkt zum Handeln führt. Das Ich ist ja quasi so eine Istanz der das Handeln zugeschrieben wird. Und wenn Impulse schon hinreichend zum Handeln sind, sind sie die Grundlage der Ich-Illusion. Während sie beim Menschen nur deren Basis sind. Und so wie ein Mensch im Vergleich zu einem Tier frei ist, weil er seinen Trieben nicht mehr direkt ausgelifert ist, sondern da Konzepte zwischengeschalten sind, ist der Befreite auch von seinen menschlichen Verstrickungen frei.

    mukti:

    Du siehst das so, dass Begehren nicht immer wieder neu entspringt sondern kontinuierlich besteht, und daraus entsteht dann einmal eine Ich-Vorstellung und einmal nicht?
    Meine Überlegung ist, dass es eine Ich-Vorstellung geben müsste, damit Begehren entstehen kann. Warum sollte es sonst Begehren geben, wenn es nicht einer Ich-Vorstellung dienlich ist? Muss nicht jemand da sein, der etwas begehrt? Z.B. ein Stein begehrt nichts, nur ein Lebewesen.
    Aber es muss auch Begehren geben, damit eine Ich-Vorstellung entstehen kann. Daher denke ich, Begehren und Ich-Vorstellung bzw. Unwissenheit bedingen einander, es ist nicht eines als Erstes dagewesen.


    Abidharma mässig habe ich es so in Erinnerung, dass gleichzeitig mit jeder Verblendung ein Objekt der Verblendung und ein Subjekt der Verblendung enstehen. Mit Abneigung entsteht "Objekt der Abneigung" und "Subjekt der Abneigung" und eine Aktion. Wobei dieser "Subjekt der Abneigung" selber noch kein Ich-Konzept ist, sondern eher ein primitiver Baustein dazu. Weil es eben auch blinde und unterbewusste Abneigung gibt, gerade bei einfachen Tieren würde ich so eine instinktive Abneigung und dessen Subjekt am Werke sehen.


    Während solche "Subjekt-Broken"( irgendwo muss es da ein korrekteres Wort geben!!) auf der Ebene der Sinensorgane enstehen ("ein Riecher", "ein Seher", "ein Fühler") hat die Integration zu einem Ich-Konzept für mich hauptsächlich mit dem Sinnesorgan "Denken" zu tun. Ich würde an dieser Stelle auch den Unterschied zwischen dem sehen, was Buddha den ersten und den zweiten Pfeil nannte.


    Gegen die Sinnesorgane und die von ihnen erzugten "Subjekt-Brocken" kann man nichts gross tun. Schmerzen treten auf und mit ihnen ein "Schmerzen-Fühlender", "Sehen" tritt auf und mit ihnen ein "Sehender" oder mit Begehren ein "Begehrender". Aber darauf basierend gibt es die Freheit, inwieweit aus diesen Broken ein Ich geformt wird, oder ob sie einfach aufreteten und verschwinden ohne zu Dukkha zu werden.