Begehren und Ich-Vorstellung (Henne und Ei)


  • Es gibt doch gar kein " Ich" ...egal ob man sich da nun ein Vorstellt oder nicht...
    Eine chemische Substanz, reagiert unter bestimmten Umständen mit einer anderen....ist da Begehren...ist da ein Ich ?


  • Liebe Grüße mukti.


    interessante Gedanken! Ich stimme Dir in der Gedankenkette, ob ein Tier oder ein Baby erleuchtet sein können voll zu.
    Das relativiert dann auch alle volkstümlichen Ideen der besonderen Umstände der Geburt 'unseres' Buddha :grinsen:


    Nach Deiner Interpretation - ab wann (Alter, Entwicklungsstand, Lebensumstände) wäre Erleuchtung denkbar oder möglich?


    Zum Thema des Threads zurück - ab wann beginnt für ein Wesen Begehren oder Ich-Vorstellung? Ab wann beginnt Wesenheit? Warum erinnert mich meine Frage so sehr an katholische uralt Ideen? :lol:


    Mein Problem 8)

  • mukti:

    Daher neige ich dazu ein wahrnehmendes Subjekt bereits als ein Ich zu bezeichnen, wenn es auch nicht als solches gedanklich reflektiert wird, wie etwa bei Tieren oder neugeborenen Menschen. Das passt mir ins anatta-Konzept, denn wenn gar kein Ich da wäre, dann wäre das ja Erleuchtung.


    Erstens gibt es nirgends wo ein Ich und zweites
    hängst den Lebewesen ja die Neigung an ein Ich zu denken,
    sei es bei diesem oder jenem Objekt das dazu vereinnahmt wird.
    Diese Neigung ist bei einem Arahat nicht mehr vorhanden.
    Bei einem der sakkāyaditthi aufgehoben hat ist diese Neigung
    auch noch vorhanden nur er hat die Ansicht von der Existenz eines
    wie auch immer gearteten Ichs nicht mehr.


  • Es gibt kein Ich! Das Wort darf trotzdem genutzt werden



    S.1.25. Der Vollendete - 5. Arahanta Sutta http://www.palikanon.com/samyutta/sam01_30.html#s1_25

    • Offizieller Beitrag
    mukti:

    Kann man nicht auch sagen dass ein Ich da ist sobald ein Subjekt da ist? Wahrnehmung ist eine Reaktion auf ein Objekt, Subjekt-Objekt ist die dualistische Unterscheidung von Ich und etwas das nicht Ich ist. Auch wenn diese Unterscheidung nicht die Folge eines Denkprozesses ist, so ist sie doch bewusst. Anders als bei einer Aktion-Reaktion ohne Bewusstsein, etwa wenn ein Stein von einem anderen angestoßen wird. Da ist kein Subjekt und Objekt, beides sind Objekte.


    Es gibt ganz tiefe körperliche Prozesse der Abstossung wie Fressen und Trinken. Auch bei ganz einsachen Tieren wie einem Regenwurm erzeugen diese Prozesse einen "Eigen"-Bereich. Einen Köper-Innenbereich der sich von dem Aussen unterscheidet, und durch die Prozesse von Fressen und Auscheiden hergestellt wird. Klar ist die Begrenzung des Köpers irgendwie die Grundage für Ich -Gefühl. und wir haben ja auch ein Körpergefühl, mit Hungergefühl oder dem Gefühl für ein volle Blase. Aber trotzdem ist das für mich eher der Baugrund, auf dem dann erst komplexe Ich-Gebäude gebaut werden können. Oder eben auch nicht.


    Ich denke, bei einem Buddha gibt es das alles eben auch. Es gibt Köpergefühl, Hunger Durst. Aber darauf wird kein Gebäude erichtet. Es gibt Subjekthaftes aber keine Ich-Illusion.


    mukti:

    Daher neige ich dazu ein wahrnehmendes Subjekt bereits als ein Ich zu bezeichnen, wenn es auch nicht als solches gedanklich reflektiert wird, wie etwa bei Tieren oder neugeborenen Menschen. Das passt mir ins anatta-Konzept, denn wenn gar kein Ich da wäre, dann wäre das ja Erleuchtung.


    Aber kann man da von einem "Subjekt" sprechen? Ich würde das eher als "die Skadhas" bezeichnen. Die Skadhas haben einen subjekthaften Aspekt weswegen man auf ihrer Basis eine Ich-Ullusion erzeugen kann aber nicht muss.


    Villeicht kann man bei einem Tier hier deswegen von einem Ich sprechen, weil es direkt zum Handeln führt. Das Ich ist ja quasi so eine Istanz der das Handeln zugeschrieben wird. Und wenn Impulse schon hinreichend zum Handeln sind, sind sie die Grundlage der Ich-Illusion. Während sie beim Menschen nur deren Basis sind. Und so wie ein Mensch im Vergleich zu einem Tier frei ist, weil er seinen Trieben nicht mehr direkt ausgelifert ist, sondern da Konzepte zwischengeschalten sind, ist der Befreite auch von seinen menschlichen Verstrickungen frei.

  • fotost:

    Es gibt kein Ich! Das Wort darf trotzdem genutzt werden


    Das kommt darauf an. In dem Zusammenhang das es kein Ich
    gibt wird das Wort ja auch benutzt.

  • fotost:

    Nach Deiner Interpretation - ab wann (Alter, Entwicklungsstand, Lebensumstände) wäre Erleuchtung denkbar oder möglich?


    Das weiß ich nicht so genau, jedenfalls muss es eine geistige Reflexion geben die aus dem rudimentär vorhandenen oder empfundenen Ich eine konkrete Ich-Vorstellung entstehen lässt denke ich. Ohne Fähigkeit zu klarer Selbstreflexion fehlt ja auch die Fähigkeit diese Vorstellung aufzulösen.


    fotost:


    Zum Thema des Threads zurück - ab wann beginnt für ein Wesen Begehren oder Ich-Vorstellung? Ab wann beginnt Wesenheit?


    Mir scheint Begehren beginnt sobald ein bewusstes Wesen da ist, bzw. sobald die Entwicklung eines Körper/Geistes so weit vorangeschritten ist, dass man von einem Wesen sprechen kann. Sogleich verlangt es nach Nahrung, lehnt Schmerz ab usw. Also muss es eine Art von Ich-Bewusstsein geben, ein Empfinden von Dasein, wenn auch noch keine konkrete Vorstellung davon.

  • void:
    mukti:

    Kann man nicht auch sagen dass ein Ich da ist sobald ein Subjekt da ist? Wahrnehmung ist eine Reaktion auf ein Objekt, Subjekt-Objekt ist die dualistische Unterscheidung von Ich und etwas das nicht Ich ist. Auch wenn diese Unterscheidung nicht die Folge eines Denkprozesses ist, so ist sie doch bewusst. Anders als bei einer Aktion-Reaktion ohne Bewusstsein, etwa wenn ein Stein von einem anderen angestoßen wird. Da ist kein Subjekt und Objekt, beides sind Objekte.


    Es gibt ganz tiefe körperliche Prozesse der Abstossung wie Fressen und Trinken. Auch bei ganz einsachen Tieren wie einem Regenwurm erzeugen diese Prozesse einen "Eigen"-Bereich. Einen Köper-Innenbereich der sich von dem Aussen unterscheidet, und durch die Prozesse von Fressen und Auscheiden hergestellt wird. Klar ist die Begrenzung des Köpers irgendwie die Grundage für Ich -Gefühl. und wir haben ja auch ein Körpergefühl, mit Hungergefühl oder dem Gefühl für ein volle Blase. Aber trotzdem ist das für mich eher der Baugrund, auf dem dann erst komplexe Ich-Gebäude gebaut werden können. Oder eben auch nicht.


    Ich denke, bei einem Buddha gibt es das alles eben auch. Es gibt Köpergefühl, Hunger Durst. Aber darauf wird kein Gebäude erichtet. Es gibt Subjekthaftes aber keine Ich-Illusion.


    void:
    mukti:

    Daher neige ich dazu ein wahrnehmendes Subjekt bereits als ein Ich zu bezeichnen, wenn es auch nicht als solches gedanklich reflektiert wird, wie etwa bei Tieren oder neugeborenen Menschen. Das passt mir ins anatta-Konzept, denn wenn gar kein Ich da wäre, dann wäre das ja Erleuchtung.


    Aber kann man da von einem "Subjekt" sprechen? Ich würde das eher als "die Skadhas" bezeichnen. Die Skadhas haben einen subjekthaften Aspekt weswegen man auf ihrer Basis eine Ich-Ullusion erzeugen kann aber nicht muss.


    Villeicht kann man bei einem Tier hier deswegen von einem Ich sprechen, weil es direkt zum Handeln führt. Das Ich ist ja quasi so eine Istanz der das Handeln zugeschrieben wird. Und wenn Impulse schon hinreichend zum Handeln sind, sind sie die Grundlage der Ich-Illusion. Während sie beim Menschen nur deren Basis sind. Und so wie ein Mensch im Vergleich zu einem Tier frei ist, weil er seinen Trieben nicht mehr direkt ausgelifert ist, sondern da Konzepte zwischengeschalten sind, ist der Befreite auch von seinen menschlichen Verstrickungen frei.


    Das ist wohl nur eine Frage der Bezeichnung. Ich denke ein subjekthafter Aspekt kann bereits als Ich bezeichnet werden, weil es damit Unterscheidung gibt in angemehm/unangenehm - ein bewertendes Bewusstein. Das geschieht auch ohne Handlung oder vor der Handlung, die dann daraus entsteht - z.B. das ist essbar, jenes nicht. Wie etwa beim Regenwurm. Bei dem gibt es diesen subjekthaften Aspekt, den es beim Buddha auch gibt. Der Regenwurm macht daraus keine Ich-Vorstellung, der Buddha auch nicht. Was unterscheidert die Beiden dann? Nach meiner Überlegung dieser Selbstbezug, der beim Regenwurm freilich keine konkrete Vorstellung ist, vielleicht eher eine Empfindung. Der hat keine Möglichkeit diese subjektive Empfindung als ein vorübergehendes Phänomen zu erkennen, der Buddha schon, auf Basis einer menschlich-weiterentwickelten Subjektwahrnehmung - zur Empfindung kommt die geistige Vorstellung dazu. Die kann dann auch als Vorstellung erkannt und aufgelöst werden inclusive jeglichen subjektiven Bezugs oder Aspektes.


    Mir scheint das logisch, weil wenn der subjekthafte Aspekt nicht als Ich bezeichnet wird, dann wäre das ja anatta, Bewusstsein ohne Ich, wo dann erleuchtete Regenwürmer dabei rauskommen würden. Aber ich denke noch darüber nach, nix ist fix.

  • mukti:

    Das ist wohl nur eine Frage der Bezeichnung. Ich denke ein subjekthafter Aspekt kann bereits als Ich bezeichnet werden, weil es damit Unterscheidung gibt in angemehm/unangenehm - ein bewertendes Bewusstein. Das geschieht auch ohne Handlung oder vor der Handlung, die dann daraus entsteht - z.B. das ist essbar, jenes nicht. Wie etwa beim Regenwurm. Bei dem gibt es diesen subjekthaften Aspekt, den es beim Buddha auch gibt. Der Regenwurm macht daraus keine Ich-Vorstellung, der Buddha auch nicht. Was unterscheidert die Beiden dann? Nach meiner Überlegung dieser Selbstbezug, der beim Regenwurm freilich keine konkrete Vorstellung ist, vielleicht eher eine Empfindung. Der hat keine Möglichkeit diese subjektive Empfindung als ein vorübergehendes Phänomen zu erkennen, der Buddha schon, auf Basis einer menschlich-weiterentwickelten Subjektwahrnehmung - zur Empfindung kommt die geistige Vorstellung dazu. Die kann dann auch als Vorstellung erkannt und aufgelöst werden inclusive jeglichen subjektiven Bezugs oder Aspektes.


    Mir scheint das logisch, weil wenn der subjekthafte Aspekt nicht als Ich bezeichnet wird, dann wäre das ja anatta, Bewusstsein ohne Ich, wo dann erleuchtete Regenwürmer dabei rauskommen würden. Aber ich denke noch darüber nach, nix ist fix.


    Das Nervensystem des Regenwurms interagiert einfach mit seiner Umwelt und danach handelt der Wurm dann. Ein Mensch kann achtsam beobachten wie sein Nervensystem mit der Umwelt agiert...muss aber nicht zwingend dementsprechend reagieren.

  • Sunu:


    Das Nervensystem des Regenwurms interagiert einfach mit seiner Umwelt und danach handelt der Wurm dann. Ein Mensch kann achtsam beobachten wie sein Nervensystem mit der Umwelt agiert...muss aber nicht zwingend dementsprechend reagieren.


    Also z.B. ein Mensch muss sich keinen Leckerbissen einverleiben, obwohl Begehren da ist. Der Regenwurm frisst ihn normalerweise gleich auf. Ist beim Regenwurm dabei Begehren, was meinst du? Hat er eine Wahrnehmung von etwas Angenehmen, und bewegt sich deshalb darauf zu?

  • Wie beneide ich den Regenwurm ... ;)(: ... oder war's ein Frosch? :?


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • mukti:
    Sunu:


    Das Nervensystem des Regenwurms interagiert einfach mit seiner Umwelt und danach handelt der Wurm dann. Ein Mensch kann achtsam beobachten wie sein Nervensystem mit der Umwelt agiert...muss aber nicht zwingend dementsprechend reagieren.


    Also z.B. ein Mensch muss sich keinen Leckerbissen einverleiben, obwohl Begehren da ist. Der Regenwurm frisst ihn normalerweise gleich auf. Ist beim Regenwurm dabei Begehren, was meinst du? Hat er eine Wahrnehmung von etwas Angenehmen, und bewegt sich deshalb darauf zu?


    Angenehm ist halt eine Bezeichnung woran konkrete Vorstellungen hängen, was ich als Mensch dabei empfinde... Ich weiß nicht was ein Regenwurm empfindet, aber man kann ja beobachten, dass da eine Philie und Phobie ist, durch die bedingt er sich erst selbst erhält. Selbsterhaltungstriebe eben. D.h. auch, dass eine konkrete Idee von einem Selbst beim Objekt anscheinend gar nicht vorhanden sein muss, damit das als Selbsterhaltungstrieb bezeichnete, wirken kann.

    Einmal editiert, zuletzt von Sunu ()

  • Die Frage ist für mich, ob dieses "Programm" des Wurms wirklich etwas mit irgendeiner Form von Bewusstsein zu tun hat. Eine Pflanze reckt sich auch in Richtung Licht und reagiert auf andere Reize, aber das sind einfach programmatische Reaktionsschemata ohne irgendwelche "Vorlieben" oder "Abneigungen" im eigentlichen Sinne. Das Nervensystem eines Wurms, oder Insekts, oder einer Spinne, ist gar nicht komplex genug, um mehr als in der DNA einprogrammierte Schemata abzuspulen in Reaktion auf sensorische Reize. Die auch noch extrem begrenzt sind. Hitze, Kälte, Vibration? Das war es schon fast...

  • Nach der Lehre im Pk gibt es ja diese sechs Arten von Bewusstsein: Seh-. Hör-, Riech-, Tast- und Geistbewusstein. Ich denke sobald es Sinneswahrnehmung gibt, gibt es auch das entsprechende Bewusstsein dazu. Nach dem Abhidhamma treten Bewusstsein und Wahrnehmung immer zusammen auf, soweit ich weiß.
    Wenn ein Regenwurm also irgendeine Art von Sinneswahrnehmung hat, müsste die auch bewusst sein. Ich glaube er hat zumindest einen Tastsinn, wahrscheinlich auch Geruchssinn.

  • Wie gesagt, ich glaube ausser Hitze, Kälte und Vibration ist da nichts an sensorischen Fähigkeiten bei einem Regenwurm. Nichtmal bei Hitze und Kälte bin ich mir sicher, denn was nutzt ihnen die Info? Sie können ja doch nichts tun. Ich würde die Wahrnehmung der Vibration auch nicht als "Tastsinn" bezeichnen, sie brauchen halt die Information über Regen, damit sie schnell an die Oberfläche können um nicht zu ertrinken. Riechsinn vllt. um "Nahrung" von "Nicht Nahrung" zu unterscheiden, wobei ich da auch nicht sicher bin. Vllt. nehmen sie auch einfach alles auf und filtern dann im Darm raus, was sie brauchen.


    Und was ist dann mit den sensorischen Qualitäten einer Pflanze? Sie können i.d.R. Hitze und Kälte, Licht und Dunkelheit wahrnehmen, reagieren sogar mit Molekülen in der Luft darauf, wenn sie "angegriffen" werden z.B. durch Feuer und kommunizieren mit ihren Artgenossen auf diese Weise. Bewusstsein?


    Oder, wenn man in all diesen Fällen von Bewusstsein ausgeht, müsste man Bewusstsein vllt. besser als etwas definieren, das nicht zwangsläufig mit einer Ich-Vorstellung einher geht?


    Oder da ist sowas wie ein "morphogenetisches Feld" das Bewusstsein hat, an dem alle Organismen der gleichen Art teilhaben, ohne dass es ein einzelnes Bewusstsein in dem Sinne geben muss?

  • kilaya:

    Wie gesagt, ich glaube ausser Hitze, Kälte und Vibration ist da nichts an sensorischen Fähigkeiten bei einem Regenwurm.


    Nicht das es jetzt buddhistisch darauf ankommen würde, aber
    Regen bzw. Erdwürmer anbelangt scheint dir was entgangen zu sein.
    Sonst wüßtest du, das diese zumindest auch unheimlich
    Lichtempfindlich sind und an ihrem Verhalten kann man eindeutig
    erkennen das sie auch Angst und Panik haben können. Darum
    handelt es sich um empfindungsfähige Wesen. Und Geschmackssinn
    haben sie natürlich auch.

  • Soviel Gedanken mache ich mir nicht. Ich gehe sowohl mit Pflanzen als auch mit Tieren, egal wie klein sie sind, achtsam um.

  • Untersuchungen haben gezeigt, dass Regenwürmer sehr differenziert Reize aufnehmen und darauf reagieren können. Bekannt und untersucht ist u.a., dass sie auf Erschütterungen des Untergrundes reagieren, diese also als taktilen Reiz wahrnehmen. Auch besitzen sie eine Art Geschmackssinn, der recht gut entwickelt ist, was übrigens schon Charles Darwin herausgefunden hatte. So können sie z.B. auf chemischem Weg bei Blättern die Lamina (den flächigen Teil des Blattes) vom Stiel und bei Kiefernnadeln das basale Drittel vom Rest der Nadel unterscheiden - beides bevorzugen sie als Nahrung. Auch bevorzugen sie gerbstoffarme Blätter (z.B. Pappel, Schwarzerle, Esche oder Ulme) gegenüber gerbstoffhaltigeren (z.B. Eiche oder Buchen).


    Über ihre Haut registrieren sie auch den Säurehaushalt des Bodens (verschiedene Arten bevorzugen Böden mit unterschiedlichen pH-Werten). Die Haut ist auch lichtempfindlich; das dient der Orientierung (also der Ausrichtung ihrer ortsveränderenden Bewegungen) und auch dem Schutz vor zu hoher UV-Strahlung. Der empfindlichste Teil der Haut ist dabei die des Prostomiums, d.h. des ersten Körpersegments am "Kopfende", das noch vor dem Mund liegt. Über die Sinneszellen des Prostomiums wird auch der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens wahrgenommen. Feuchtigkeit und pH-Wert des Bodens ist für die Aufbereitung der Nahrung wichtig, die sie in ihren Wohnröhren vor dem Verzehr kompostieren - die Nahrung wird an die Wand des oberen Teils der Wohnröhre geklebt und mit Kot überschichtet, was den vorverdauenden Mikroorganismen (die dann mit verzehrt werden) ideale Lebensbedingungen bietet. Da Regenwürmer schlechte Futterverwerter sind, dient ihr Kot wiederum als Nahrung für verschiedene Bodenorganismen. In ihren Wohnröhren leben ca. 40% der stickstoffbindenden Mikroorganismen des Bodens, ihr Kot ist daher stickstoffhaltig und somit auch eine wichtige Nahrungsquelle für die Pflanzen ihrer Habitate.


    Jedes Körpersegment des Regenwurms verfügt über ein Ganglienpaar, die zusammen sein Nervensystem bilden. Dabei sind vor allen Oberschlund- und Unterschlundganglion von Bedeutung. Das Oberschlundganglion ist das Sinneszentrum; es stellt gewissermaßen die Schnittstelle zwischen Außenbedingungen und den durch sie veranlassten Bewegungen des Regenwurms dar. Die Bewegungen selbst werden vom Unterschlundganglion gesteuert, das über zwei Nervenstränge (die sog. Schlundkonnektive) direkt mit dem Oberschlundganglion verbunden ist.


    Nach der buddhistischen Lehre von den sechs gati sind Tiere nicht in der Lage, ihre eigene Lage zu reflektieren, was eine wesentliche Funktion des vijñānaskandha ist. Eine rudimentäre Vorstufe davon besitzen allerdings selbst Regenwürmer - sie sind fähig zu assoziieren und damit zu lernen. Experimente mit der Art Lumbriculus variegatus haben gezeigt, dass diese Tiere erlernen, abweichend von ihrem natürlichen Verhalten wahlweise Licht oder Dunkelheit zu meiden, wenn man sie durch Strafreize entsprechend motiviert. Experimente mit einer anderen Art (Lumbricus terrestris) haben gezeigt, dass diese an Blättern, die fixiert sind und die sie daher nicht in eine Wohnröhre ziehen können, nach 10 - 15 Minuten dauerhaft das Interesse verlieren - das heisst, sie registrieren diese Blätter als nicht verwertbar und wenden sich anderen Blättern zu. Auch konnte man diese Art dazu trainieren, bestimmte Röhren zu benutzen und andere zu vermeiden. Das lässt neben Assoziationsfähigkeit auch auf ein rudimentäres Gedächtnis schließen.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

    • Offizieller Beitrag
    kilaya:

    Oder, wenn man in all diesen Fällen von Bewusstsein ausgeht, müsste man Bewusstsein vllt. besser als etwas definieren, das nicht zwangsläufig mit einer Ich-Vorstellung einher geht?


    Für mich ist es so, dass es eine halb-köperliche Grundlage der Ich-Vorstellung gibt. So ein einfaches Wesen ist ja ein Bündel von Zuständen die durch das Verhalten im "grünen Bereich" gehalten werden muss. Sudhana hat ja einige dieser Zustände aufgezählt. Je nach Situation darf es nicht zu trocken und nicht zu feucht sein, nicht zu Hell und nicht zu dunkel, der ph Wert muss stimmen usw. Das Verhalten muss auf all diesen Ebenen die Balance zu wahren.


    Und bei komplexeren Tieren ist es so, dass "dieses Balance wahren" ebenfalls komplex wird. Und z.B Gefühlszustände dazukommen. Und bei noch höheren Tieren ist es so, dass diese Indizien für Objekte zusammenreimen können. Und wenn man sich Vorstellungen über andere machen kann und schliesslich sich Vorstellungen darüber macht, was für Vorstellungen sich die anderen von einem selbst machen, ist man bei einem Ich-Konzept im eigentlichen Sinn.


    Für den Buddhismus ist das alles nicht so relevant, weil dieser sich ja ausschliesslich an Menschen richtet. Aber ich denke, dass unser "Anhaften am Selbst" eine unendlich raffinierte Variante des Blancehaltens des Regenwurm ist, der in eine vergänglichen Welt durch Suchen und Meiden seine Form aufrecht erhält. Wobei sich da natürlich um die blanke Lebenstrieb des Wurmes immer komplexere Schichten gelegt haben. Das rationale Ich legt sich über ein Ich der Gefühl und dieses über ein Ich der Empfindungen. Und ganz weit drinnen also z.B in ohnmächtigen Schmerz oder ohnächtigen Hunger sind wir dem Regenwurm nicht so unähnlich.

  • Sherab Yönten:

    Soviel Gedanken mache ich mir nicht. Ich gehe sowohl mit Pflanzen als auch mit Tieren, egal wie klein sie sind, achtsam um.


    Vernünftig!

  • void:

    Und ganz weit drinnen also z.B in ohnmächtigen Schmerz oder ohnächtigen Hunger sind wir dem Regenwurm nicht so unähnlich.


    Das was alle Lebewesen gemeinsam haben, ist, dass das Produkt des Zusammenwirkens ihrer Bestandteile, sie selbst sind. Oder .. Das Produkt der Lebewesen ist exakt die Organisation, durch die sie sich ( wenn es die umgebenen Bedingungen erlauben) organisieren.
    Wo das gegeben ist, könnte man durchaus von einem vorhandenen Bewusstsein sprechen. Wobei das ja auch nur ein leerer Begriff ist.

    • Offizieller Beitrag
    Sunu:

    Das was alle Lebewesen gemeinsam haben, ist, dass das Produkt des Zusammenwirkens ihrer Bestandteile, sie selbst sind. Oder .. Das Produkt der Lebewesen ist exakt die Organisation, durch die sie sich ( wenn es die umgebenen Bedingungen erlauben) organisieren.
    Wo das gegeben ist, könnte man durchaus von einem vorhandenen Bewusstsein sprechen. Wobei das ja auch nur ein leerer Begriff ist.


    Also ich glaube, dass das Bewusstsein (Vijnanas) durchaus ein definierter Begriffe ist.


      Die grundlegenden fünf Vijnanas stehen für die fünf Ströme der Sinnesorgane (Perzeptionen), also die durch die Sinnesströme entstehenden Wahrnehmungen...Es bezeichnet die Art und das Ausmaß unseres Bewusstwerdens der Phänomene, wie sie sich in den sechs Erfahrungsströmen manifestieren.
      Vijnanas


    Es gibt also die Sinnesströme Āyatana ( Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper) und die von ihnen erzeugten Wahrnehmungen. Und da gibt es dann so Unterschiede, was aus dem Strom rauspurzelt so ist. So hat man z.B beim Frosch rausgefunden, dass das sehen und das Fangen einen Insektes mit der Zunge sehr einfach neuronal verdrahtes ist. Aus dem Gesehenen muss also kein Bewussteein werden, weil es direkt in Bewegung geht.


    Während es in anderen Fällen so sein, kann, dass z.B ein Fisch sein Sichtfeld druchgeht, und er dabei seinen Aufmerksamkeit auf verschiedene Ergebnisse von Sinneswarnehmung lenken kann. In so einer indirekten Situation gibt es dann also so etwas wie "Bewusstseinsobjekte". So wie es im Englischen den Unterschied zwischen "listen" und "hear" gibt weil man ja viele Sachen höhren kann ohne ihnen die Aufmerksamkeit zu schenken. Für mich hat "Bewusstsein" also mit fokusierter Aufmerksamkeit zu tun.

  • Danke für die Wissenserweiterung und Korrektur meiner Vermutungen :):like:


    Trotz der Ausführungen finde ich es immer noch willkürlich, wo die Grenze gezogen wird zwischen einer "programmatischen Intelligenz" und einem empfindsamen Wesen. Auch ein Computerprogramm kann sein Verhalten anhand von Bedingungen anpassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass dahinter ein bewusstes Wesen steckt, das Entscheidungen trifft. Das Vermeiden unerwünschter ("lebensbedrohlicher") Zustände und Suchen erwünschter (lebenerhaltender) Umstände kann Teil des Programms sein. Genauso kann es bei dem Regenwurm oder Insekten usw. auch sein.


    Dass ich mit allen Wesen und der Natur achtsam umgehe, egal welche Art von Bewusstsein ich bei ihnen vermute, habe ich ja an anderer Stelle auch schon betont.

  • kilaya:

    Und was ist dann mit den sensorischen Qualitäten einer Pflanze? Sie können i.d.R. Hitze und Kälte, Licht und Dunkelheit wahrnehmen, reagieren sogar mit Molekülen in der Luft darauf, wenn sie "angegriffen" werden z.B. durch Feuer und kommunizieren mit ihren Artgenossen auf diese Weise. Bewusstsein?


    Oder, wenn man in all diesen Fällen von Bewusstsein ausgeht, müsste man Bewusstsein vllt. besser als etwas definieren, das nicht zwangsläufig mit einer Ich-Vorstellung einher geht?


    Oder da ist sowas wie ein "morphogenetisches Feld" das Bewusstsein hat, an dem alle Organismen der gleichen Art teilhaben, ohne dass es ein einzelnes Bewusstsein in dem Sinne geben muss?


    Mir stellt sich da die Frage ob Pflanzen Sinnesorgane haben die Wahrnehmung und Bewusstsein ermöglichen. Bei Tieren ist das offensichtlich, selbst bei Regenwürmern wie Sudhana es näher ausgeführt hat.
    Reaktionen schließen nicht zwangsläufig Wahrnehmung mit ein, etwa wenn Eisen durch Feuer rotglühend wird, hat es dabei keine Wahrnehmung. Bei Pflanzen zeigen sich die genannten Reaktionen, oder z.B. auch wenn sich eine Blüte bei Kälte schließt usw. Aber strukturerhaltende Kräfte zeigen sich bei allen Organismen, ohne direkte Wahrnehmung, wie auch im menschlichen Körper die Abwehrkräfte, Wundheilung etc. was alles ohne direkte Wahrnehmung und bewusstem Handeln funktioniert.
    Ob also Pflanzen überhaupt die organische Möglichkeit zu einer Wahrnehmung haben ist schwer feststellbar, weil sich der ganze Aufbau stark vom Tierischen und Menschlichen unterscheidet, und keine für die Wahrnehmung bekannten Nerven da sind. Wissenschaftlich ist das umstritten: https://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenneurobiologie


    Ebenso rätselhaft sind die Ursachen zur Strukturbildung und Erhaltung, was die Frage aufwirft ob da eine bewusste Intelligenz dahintersteht, wie man sie einem Gott, einem allumfassenden Geist und dergleichen zugeschrieben hat. Aber wie Sherab Yönten sagt, ist auf jeden Fall achtsamer Umgang mit Allem angebracht. Wobei ich bei Tieren ungleich vorsichtiger bin als bei Pflanzen, da ich bei ihnen kein, oder nur höchstens ein sehr rudimentäres Bewusstsein vermute.

  • Dann steht man schnell vor der Frage: wenn Schädlinge die Zimmerpflanzen zerstören, rette ich dann eine Pflanze oder lasse tausende Schädlinge leben? Mit dem Argument, dass Insekten ein Bewusstsein haben, die Pflanzen aber nicht, wäre das ja reine Anhaftung, die Pflanze zu retten. Sehr pragmatisch ist das aber nicht, weil man dann u.Umst. ohne Grün in der Wohnung leben müsste.


    Da hilft es mir persönlich, mich weniger mit hochphilosophischen und willkürlichen Unterscheidungen zu befassen, sondern pragmatisch vorzugehen. Wie beim Wissen, dass für jedes Brot auf dem Acker so viele Tiere (Insekten, Spinnen, Vögel, kleine Nagetiere, Igel bis hin zu Kaninchen und größeren Säugetieren) sterben, dass man praktisch auch gleich Fleisch essen könnte.


    Dass es durch geschlossene Kreisläufe in horizontaler Landwirtschaft bald ohne das Töten geht ist da sicherlich zu begrüssen. In dem Sinne habe ich z.B. auch irgendwann alle meine Zimmerpflanzen, sogar die Kakteen, erfolgreich auf Tongranulat umgestellt, seitdem habe ich Ruhe vor den meisten Schädlingen.


    Solange die Meinung, welche Art von Bewusstsein ein Wesen hat, einen positiven Einfluss auf das Verhalten hat, bin ich dafür die willkürliche Grenze ganz weit unten zu ziehen. Wenn die Achtung vor der Natur und ihre Balancen ohnehin gross ist, aber das Mitgefühl so stark, dass pragmatischer Umgang mit der Welt für einen Laien erschwert wird, dann halte ich es für weise, die Grenze weiter oben zu ziehen und z.B. Insekten eher in Richtung Pflanzen einzuordnen.