Beiträge von accinca im Thema „Begehren und Ich-Vorstellung (Henne und Ei)“

    void:

    Wenn ich im buddhitischen Kontext "Begehren" höre, denke ich immer an "Lobha". Und das würde ich als vor dem Denken sehen.


    Das würde ich auch so sehen. Die Triebkräfte sind mir rudimentärer.
    Natürlich gibt es, wie im deutschen auch, verschiedene Begriffe
    für Begehren, Wünschen, Verlangen, Ergreifen, Anhaften usw. usw

    mukti:

    Ohne Ich-Vorstellung ist zwar das Gefühl, aber nicht das Begehren denke ich.


    Das sehe ich anders. Aber wo du es schon ansprichst, tatsächlich
    gibt es zwei Arten von Begehren. Ein gefühlsmäßiges und ein
    geistiges, auf Grund von Überlegungen und der bewußten Produktion
    von Vorstellungen erzeugtes.
    Ich sprach allerdings vom gefühlten Begehren. Ein solche Begehren
    ist ja ein Mangelgefühl. Das Gefühl etwas zu brauchen, von dem man
    vielleicht nicht einmal weiß was es denn konkret ist. Dazu braucht
    es keine Vorstellung eines Ich das was brauchen würde. Da ist nur Verlangen.

    mukti:

    Muss nicht jemand da sein, der etwas begehrt?


    Nein, es ist ja keine da. Zu keinem Zeitpunkt.
    Allerdings entwickelt das Begehren in der Reflektion die
    verblendete Vorstellung von einem Ich mit einem angeblich
    freien Willen. Aber ehrlich gesagt, danach kann lange
    gesucht werden ohne was zu finden. Sind eben alles virtuelle
    Vorstellungen mit Gefühle.

    kilaya:

    Wie gesagt, ich glaube ausser Hitze, Kälte und Vibration ist da nichts an sensorischen Fähigkeiten bei einem Regenwurm.


    Nicht das es jetzt buddhistisch darauf ankommen würde, aber
    Regen bzw. Erdwürmer anbelangt scheint dir was entgangen zu sein.
    Sonst wüßtest du, das diese zumindest auch unheimlich
    Lichtempfindlich sind und an ihrem Verhalten kann man eindeutig
    erkennen das sie auch Angst und Panik haben können. Darum
    handelt es sich um empfindungsfähige Wesen. Und Geschmackssinn
    haben sie natürlich auch.

    mukti:

    Daher neige ich dazu ein wahrnehmendes Subjekt bereits als ein Ich zu bezeichnen, wenn es auch nicht als solches gedanklich reflektiert wird, wie etwa bei Tieren oder neugeborenen Menschen. Das passt mir ins anatta-Konzept, denn wenn gar kein Ich da wäre, dann wäre das ja Erleuchtung.


    Erstens gibt es nirgends wo ein Ich und zweites
    hängst den Lebewesen ja die Neigung an ein Ich zu denken,
    sei es bei diesem oder jenem Objekt das dazu vereinnahmt wird.
    Diese Neigung ist bei einem Arahat nicht mehr vorhanden.
    Bei einem der sakkāyaditthi aufgehoben hat ist diese Neigung
    auch noch vorhanden nur er hat die Ansicht von der Existenz eines
    wie auch immer gearteten Ichs nicht mehr.

    kal:

    Nein es hat nicht der Buddha gelehrt, dennoch ist das Aufdecken der Illusion des Ichs damit möglich.


    Ich glaube das nicht und warum sollte man auch einer
    Lehre folgen die der Buddha nicht gelehrt hat und
    das aus guten Gründen. Warum sollte man einer solchen
    schlechten Lehre folgen? Außerdem : Wer bin ich, führt
    doch nicht zu, es gibt gar kein wer, keinen nirgends.
    Oder leer von einem wer und ich ist das gesamte Sein und Schein.

    kal:

    Es funktioniert wunderbar: Frage: Wem erscheinen diese Worte? - Gedankliche Antwort: Mir. - Frage: Wer bin ich? / Wer ist "Mir". ...


    Der Buddha hat das nicht gelehrt.
    Wer bin ich, setzt ja schon voraus das ich bin.
    Bin ich oder bin ich nicht?
    Wo bin ich, Wie bin ich,
    wann bin ich, wie werde ich künftig sei usw, usw.
    entsprechen nicht der Lehre.

    mukti:

    Es gibt auch Praktiken um die Sache von der Ich-Vorstellung her anzugehen, indem man sich so lange fragt 'wer bin ich?' bis klar wird dass kein Ich ausfindig zu machen ist. Dann gibt es auch kein Begehren mehr. Allerdings kenne ich das nur aus dem Vedanta.


    Ja das habe ich schon gehört und es funktioniert nicht
    weil die Frage schon von falschen Voraussetzungen ausgeht.
    Außerdem ist der Zusammenhang mit dem Begehren nicht da.
    Besonders nicht nach höherem Sein.

    mukti:

    Grundsätzlich bedingen Ich-Vorstellung und Begehren einander denke ich.


    Grundsätzlich schließe ich das auch nicht aus aber
    erstens unterscheide ich noch einmal zwischen einer
    Ich-Vorstellung die eine intellektuelle Ansicht ist
    und einer Ich-Empfindung mit mehr emotionalen Hintergrund.
    Diese Ich-Empfindung ist natürlich mit dem Stromeintritt
    noch nicht weg. Dazu fehlt die emotionale Distanzierung.
    Woraus ich aber hinaus wollte war mehr, wie sollte die
    Sichtweise sein die zu Erkennen der Ich-Vorstellung führt.
    Und an dem Punkt sage ich durch Begehren ist die Ich-Vorstellung bedingt.
    Deswegen ist es einen falsche Sicht und Empfindung zugleich.
    Durch Sein-Wollen und Haben-Wollen eben, und zwar immer wieder neu.
    Und aus diesem Grund steht das Begehren der klaren Sicht im Wege.

    mukti:

    Demnach kann ich nicht verstehen, wie Begehren unabhängig von irgendeiner Art Ich-Vorstellung entstehen könnte, geschweige denn dass ich diese Vorgänge tatsächlich durchschauen würde.


    Die Ich-Vorstellung entsteht natürlich aus Begehren
    und dementsprechendes Anhaften. Außerdem gibt es Begehren
    in zweifacher Hinsicht. Einmal aktiv und einmal potenziell
    oder unbewußt, woraus sich neue Ich-Vorstellungen bilden können
    aus denen sich neue zusätzliche Begierden bilden können.

    mukti:

    Du siehst das so, dass Begehren nicht immer wieder neu entspringt sondern kontinuierlich besteht, und daraus entsteht dann einmal eine Ich-Vorstellung und einmal nicht?


    Das Begehren oder die Triebe der Sinne sind auch
    Eigenschaften und Fähigkeiten (indriya) die ihrer
    Eigenschaften gemäß laufen. Dazu braucht es nicht
    unbedingt eine Ich-Vorstellung. Eine solche kann
    sich aber daraus entwickeln und tut es beim normalen
    Menschen ja auch.
    Das Problem bei der Ich-Vorstellung ist ja das sie über
    das Begehren noch hinaus geht und noch höhere Ansprüche
    stellt. Wie z.B. das Begehrte gehöre diesem Ich oder sei
    sein wahrer Kern und stellt sich damit vor dem Begehren
    und beschützt es als sein und Eigen. Mit einer solchen
    Ich-Vorstellung läßt sich das Begehren natürlich nicht
    mehr völlig aufheben und bildet daher ein Problem das
    eine Fessel darstellt die zu überwinden ist. Diese Fessel
    hebt der Stromeingetretene zwar auf, aber da das Begehren
    noch weiter besteht hat er die fünf niederzerrenden Fesseln
    noch nicht überwunden.