Beiträge von fotost im Thema „Buddhismus, eine echte Religion?“

    Athos:

    ...
    Wenn dem so ist, dann seit mir bitte nicht böse aber dann hat der Buddhismus m. E. nicht wirklich eine Antwort anzubieten auf die begründete menschliche Angst vor dem Tod. Er ist dann, wie alle anderen Religionen auch, nur ein schönes Instrument zur Erhaltung des gesellschaftlichen Friedens.


    Es sieht für mich so aus, als ob Du nach Gewissheit strebst.


    Woher dann die Furcht vor dem Einzigen, das für uns alle gewiß ist?

    Athos:

    Aber es ist doch so, und da wiederhole ich mich, wenn mir eine Religion nichts anzubieten hat, außer dem Nichts, dass ich ja im Zweifel ohnehin erhalte, wo ist da der Nutzen? Wenn man sagt, alles ist Illusion, dann könnte ich mich doch als schlimmster Egoist aller Zeiten gebärden und ich hätte wenigstens den Nutzen aus der fürchterlichen Art sich zu verhalten.


    Ja, leider machen das viel zu viele :(


    Athos:

    Wenn der Buddhismus sagt, dass ich im schlimmsten Fall wiedergeboren werde, mich aber nicht daran erinnern kann, wo ist dann der Stachel, der zu konformem verhalten mahnt?


    Gibt es nicht im Buddhismus (jedenfalls so wie ich es sehe). Die Vorstellung einer übernatürlichen ausgleichenden Gerechtigkeit fehlt falls man die ausführlichen Höllenbeschreibungen nicht als Tatsachenbeschreibung betrachtet.
    Wenn in den Texten von Gerechtigkeit gesprochen wird ist damit (historisch zu verstehen) meist gerechtes Handeln oder Urteilen eines Königs oder so zu sehen. Auf heutige Situationen übertragen etwa die Pflicht des Staates für Gerechtigkeit zu sorgen. Straftäter zu verfolgen und zu bestrafen, soziale Missstände auszugleichen etc.


    Innerhalb dieser Grenzen ist das Verhalten nur durch erworbene Ethik geregelt und kann schiefgehen. Das Zusammensein mit anderen kann Leiden bedeuten. Leben ist mit Leiden verbunden.


    Athos:

    Versteht mich bitte nicht falsch aber wo ist da die Notwendigkeit einer religiösen Bindung? Es gibt keine Hilfe, es gibt keine Hoffnung, alles endet mit dem Tod?


    Das ist falsch. Wir wissen, daß vor uns Menschen gelebt haben, die jetzt tot sind. Buddha und ungefähr 60-70 Milliarden andere. Für sie war der Tod das Ende, deshalb hat es kein absolutes Ende gegeben. Irgendwer hat das Internet gebaut und wir beide können uns heute darüber austauschen. Es geht weiter und weiter..


    Auch nach meinem Tod und Deinem. Ich habe die Hoffnung, daß auch Menschen in 100 Jahren eine bewohnbare Erde finden werden, auch wenn einige gerade alles tun, um das zu verhindern... :roll:


    Ich sehe keine Notwendigkeit einer religiösen Bindung.


    Athos:

    Dass ich mich ordentlich benehmen muss, weiss ich ohnehin, also, wo ist da der buddhistische Sinn?


    Sinn hat sprachlich immer etwas mit Denken, Fühlen, Erleben einer bewußten Einheit zu tun. Die Idee, daß es so etwas wie einen absoluten Sinn gibt ist nur ein theistischer Trick, der sich tief in unsere Sprache eingenistet hat. Da gibt es irgendetwas, das irgendwo 'Sinn' versteckt hat, den man wie in einer Schnitzeljagd 'finden' muß :grinsen:


    Ist wohl nicht ganz so, sonst hätten wir nicht Tausende verschiedenste Religionen, deren Anhänger sich auch schon mal gern gegenseitig umbringen.


    Sinn kann man (meiner Meinung nach) nicht finden oder vermitteln, auch keinen buddhistischen - den muß man selbst geben. Und da bin ich noch nicht mal sicher, ob das immer die ganz große Sache sein muß oder ob der 'Sinn' im Leben eines Kleinkindes nicht ein völlig anderer sein kann als der im Leben später als Elternteil, Berufstätiger oder Rentner.

    Sôhei:
    fotost:

    Was wäre für so jemanden ein guter Grund sich mit der Lehre zu beschäftigen? Ich finde, der beste Grund wäre die Erfahrung, daß mit Hilfe der Lehre und buddhistischer Praxis Leiden überwunden werden kann. Endgültig überwunden werden kann, hier und jetzt. Ist doch was :D


    Aha, zum Beispiel?


    (Okay, ist jetzt sehr kurz und provokativ gefragt - aber dahinter steht durchaus echtes Interesse. Einen solchen Anspruch würde ich gerne besser verstehen: Welche/s Leiden kann/können hier und jetzt endgültig überwunden werden? Und wer hat diese Erfahrung gemacht der sich dahingehend äußert? Wie soll man das überhaupt mit Gewissheit sagen können? So finde ich das schon ziemlich Heilsversprechungsmäßig - halt eine echte Religion ;) )


    Kein Problem. ich sehe es nicht als Provokation und selbst wenn, ich mag freundliche Provokation (provocare - hervorrufen), das kann doch auch zu neuem Verständnis führen.


    Ich vermute, Du kennst die klassischen Antworten auf Deine Frage so gut wie ich.



    http://www.palikanon.com/vinaya/mahavagga/mv01_01_01-06.htm MV.I.01 - Bodhikathā - Die Erwachung


    Wer hat diese Erfahrung gemacht? Ich würde mich nie als erwacht oder erleuchtet bezeichnen, aber bitte - wenn Du ein Beispiel brauchst biete ich mich an :D Ich leide heute weniger als letztes Jahr und dramatisch weniger als in meinen vor-buddhistischen Zeiten.


    Beweisen in Sinne einer (natur)wissenschaftlichen Aussage kann ich dies natürlich nicht. Ich könnte auch nicht 'beweisen', daß dies für jeden anderen exakt gleich gilt. Ich kann nur die historische Gedankenführung des Buddha als widerspruchsfrei erkennen und den logischen Konsequenzen folgen. In diesem Sinne wäre Buddhismus dann eher eine Philosophie. Die Wirkung erfahren kann man letztlich nur durch Übung. Das gilt aber auch für die meisten anderen Elemente im Leben, die wir ohne Nachdenken hinnehmen.


    Wenn Du diesen Zusammenhang Religion nennen möchtest, ich hätte kein Problem damit.
    Wenn Du ohne Buddhismus frei bist von allem Leiden und einigermaßen zuversichtlich bist, daß das so bleibt - genieße dein Leben und verschwende keine Zeit mit irgendwelchen Lehren :grinsen:

    Liebe Grüße Athos und willkommen im Forum,


    ich empfinde Deine Frage(n) absolut nicht als trollend - vorangestellt ;)


    Die Frage, was Buddhismus jetzt eigentlich ist, Philosophie, Religion, allgemeine Verhaltenslehre oder was auch immer füllt Reihen in Bibliotheken. Am Ende läuft es dabei für mich immer sehr darauf hinaus, was der einzelne Betrachter sich genau unter 'Philosophie, Religion, allgemeine Verhaltenslehre oder was auch immer' vorstellt und weniger auf eine absolute Antwort.


    Ich bin säkularer Buddhist, was vermutlich am nahesten bei Verhaltenslehre angesiedelt sein dürfte, sehe aber natürlich die Momente im Buddhismus, die meist mit Religion assoziiert werden. Etwa - die Betonung der Gemeinde (Sangha, Buddha, Dharma), die umfangreichen Schriften zum Mönchswesen, Riten.......


    Wenn Du keinen Buddha brauchst um Dich anständig zu verhalten (etwa im Sinne der Silas) - super, nebenbei, das hab' ich auch nicht, bevor ich Buddhist wurde.


    Was wäre für so jemanden ein guter Grund sich mit der Lehre zu beschäftigen? Ich finde, der beste Grund wäre die Erfahrung, daß mit Hilfe der Lehre und buddhistischer Praxis Leiden überwunden werden kann. Endgültig überwunden werden kann, hier und jetzt. Ist doch was :D




    PS.: nicht jeder liest diesen Bereich. Wir haben einen Extra Teil 'Mitglieder stellen sich vor'. Das ist natürlich nicht Pflicht, wird aber von den meisten hier vermutlich gelesen.