Beiträge von void im Thema „Graduelles Training (aus: "Buddhas Lehre von der Wiedergeburt")“

    mukti:
    void:

    Ich versteh nicht genau, worin du ihm da widersprichst.

    Zwischen Erfahrung und Hypothese sehe ich einen Unterschied und halte mich auch nicht für erleuchtet. Ist aber nicht wichtig.


    "Hypothese" hat sowas Philosphisches. So Grundanahmen aus denen man dann wieder anderes folgern kann, aus dem man dann so Sudoku-mässig zum nächsten kommt. Während Buddhismus ja was sehr praktisches und konkretes ist und man deswegen eher praktische Handlungsanweisungen braucht, an denen man sich entlanghangelt. Wozu ja eben auch Regeln und Traditionen dienen können.

    mukti:

    Da war wohl auch ein Missverständnis im Spiel, aber man muss ja nicht erleuchtet sein um zu erfahren wie es ohne Regeln geht. Wenn ich keine Sittenregeln einhalte behindert das die Achtsamkeit und Meditation, das ist eine Erfahrung. Vielleicht macht hier jemand andere Erfahrungen, aber das reine Theoretisieren über den Weg interessiert mich zur Zeit halt wenig.


    Aber Hedin hat doch gar nicht komisch theoretisiert. Seine Hypothese ist ja folgendes:


    hedin02:

    Ist der Punkt erreicht, an dem Unwissenheit vollständig geschwunden und als Folge, im selben Maße Weisheit „erwacht“ ist, macht es einen spontanen „Klick“ und der Betroffene sieht die Welt, u.z. „dauerhaft mit anderen Augen………


    Vorher, also auf dem Weg zu dem Punkt, an dem es „Klick“ macht, kann schon mal ein sporadischer Durchblick die Unwissenheit durchdringen.

    Mancher derjenigen, der solche sporadischen Durchblicke erlebt, glaubt dann all zu oft, sein „Selbst“ sei nun erwacht. Er ignoriert dabei, dass nicht sein „Selbst“ erwacht sondern lediglich die Weisheit sporadisch zur Entfaltung gekommen ist.


    Im Prinzip warnt er ja davor, dass man spontanten Einblicken zu viel Gewicht beimessen soll, also Einsichten überbewerten soll. Ich versteh nicht genau, worin du ihm da widersprichst.

    mukti:

    Ach so, wenn es um Hypothesen geht dann nehme ich hier nicht weiter teil. Dachte es geht um praktisch erfahrbare Tatsachen.


    Eine Hypothese ist ja nur etwas, dessen Gültigkeit man selber noch nicht erfahren hat. Viele Buddhisten leben z.B mit der Hypothese "Buddha hatte recht". Wenn Hedin seine Aussagen als Hypothesen bezeichnet, dann ist das also eine gewisse Bescheidenheit dahinter. Er setzt das was er sagt in Anführungstriche.


    Und im Bezug auf Befreiung ist der einzige der keine "Arbeitshypothese" (Buddha hat recht, der Palikanon hat recht, mein Lehrer hat recht) jemand der Befreiung schon erreicht hat. Von daher erklärt sich Hedins Satz:


    hedin2:

    Gehörst du etwa auch zu den "Möchtegern" erwachten?


    Ich denke, das du den Begriff der Hypothese ganz anders gebraucht, und er bei dir so etwas wie Spekulation oder weltfremdes gerede ohne Erfahrungshintergrung bedeutet.

    Frieden-und-Freude:

    Es gibt da übrigens noch eine andere Sutta, die expliziter darstellt, dass Tugendübung und Sinneszügelung im mostastischen Training tatsächlich zeitlich vor der Schulung in Samadhi angesiedelt ist.


    Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Tugend, Entsagung und Sammlung. Bei der Einübung von Tugend ist es wichtig, auftretenden Impulsen nicht einfach nachzugeben sondern die Situation auszuhalten. Dies bedeutet sowohl Achtsamkeit als eben auch Sammlung. Das Gegenteil eines gesammelten Geist ist ein Affengeist der bald nach diesen und bald nach jenem greift und deswegen auch nicht besonders tugendam sein kann. Ruhig verweilen zu können beinhaltet Achtsamkeit und ist ein Bestandteil von Entsagung und Tugend. Der edle achtfache Pfad ist aus einem Guß.


    Von daher sehe ich in den von dir vorgestellten Sutten nicht so sehr die Tendenz, das auseinanderzureissen sondern eine Richtung vom "Groben zum Feinen".

      „Treu dieser heiligen Tugendsatzung, treu dieser heiligen Sinnenzügelung, treu dieser heiligen klaren Einsicht, treu dieser heiligen Zufriedenheit sucht er einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht."


    Das heisst für dich, dass erstmal Tugend, Sinneszügelung und Zufriedenheit kommen und dies die Grundlage für das Pflegen der Einsicht ist. Wir sollten die Meditation also ersteinmal sein lassen und vorher so langeweiligen biedere Tugenden pflegen und die Sinnestore bewachen gehen.

    Frieden-und-Freude:

    Die Übung von Tugenden und Sinneszügelung steht dabei am Anfang des "Lehrplans".Und erst unter der Voraussetzung, dass die Tugenden ausreichend begründet sind, kann mit Erfolgsaussicht auf dem Weg weiter gegangen werden. (Wie gesagt: Ich gehe davon aus, dass man nicht "perfekt" sein muss in der Einübung der Tugenden, um voranzuschreiten, aber die Formulierungen gehen durchaus in die Richtung, dass man "erfüllt" sein muss mit Tugend, also darin schon gute Fortschritte gemacht haben muss.)


    Der edle achtfache Pfad gibt es also eine Art "Batchelor" in dem es um Tugend und Entsagung geht. Und erst wenn man in diesen Grundlagen Sicher ist, kann man zum drauf aufbauenden "Master" weitergehen?

    Aravind:

    Beides deckt sich mit meinem Verständnis und meiner Erfahrung. Der Pfad ist keine Autobahn mit Ausfahrten, Zwischenzielen und Entfernungsangaben. Sondern mein eigener Trampelpfad, der sich je nach Konditionierung, Lehrern, Begegnungen, Erfahrungen und Praxis entwickelt.


    Also wenn man sich das als so eine Bergtour vorstellt, dann gilt erstmal, dass Gipfel im allgemeinen höher als Täler und von daher ist einem Pfad der aufwärts führt mehr zu vertrauen als einem der abwärts führt. Und natürlich ist es so, dass wenn man oben angekommen ist, man natürlich immer auf einen Pfad von unten nach oben zurückblicken, der einen dort hingebracht hat.


    Diese beiden Einsichten können einen verleiten, sich einen einfach geformten Berg vorzustellen, wo es auf der einen Seite immer hinauf und auf der anderen Seite immer hinunter geht. Wenn der Pfad graduell ist, wie von "Friede und Freude" angedacht, steht man immer irgendwo in der Mitte und kann von da aus nach oben. Einfach immer in Richtung gehen, wo es sich gut anfühlt und das Leben reicher, tiefer, friedvoller und freudvoller wird.


    Ich denke das ist eine Vereinfachung. Ist das Terrain unübersichlich, kann ja alles mögliche mögliche passieren: Es kann immer stetig aufwärts gehen und man landet auf einem Nebengipfel ( Land der glucksenden Götter ), wo man sich verstiegen hat, und wieder zurück muss. Oder es kann sein, dass man an einer Stelle abwärts muss um ein dunkles Tal zu überqueren.

    Frieden-und-Freude:

    Kurz gefasst: Die Praxis besteht in einer schrittweisen Ausbildung spezifischer Fähigkeiten, mit dem Ziel, auf diesem Weg Gier, Hass und Verblendung allmählich zu überwinden.
    (Positiv ausgedrückt: Die Früchte dieser Praxis sind eine Zunahme von heilsamen Geisteszuständen.)


    Das wird üblicherweise als "graduelles Training" bezeichnet.)


    Bei einer einzigen Fähigkeit ( sagen wir Sprachenlernen) ist es wirklich so ist, das man sie sich graduell aneignet. Will man bei der VHS eine Sprache lernen, wird man auf ein bestimmtes Leistungsniveau eingestuft wird, so das man den für einen selbst richtigen Kurs findet.


    Graduell bedeutet, dass Stufe 5 auf 4 folgt und man nicht von Stufe 1 zu 8 springt oder von 8 zu 2.

    Im Bezug auf das Verblednungen ist es so, dass diese nicht in eine klare Ordnung zu bringen sind. Du kannst alle möglichen spirituellen Fähigkeiten hoch entwickelt haben und eine einzige Verblendung kann zum Verhängnis werden (A) . Umgekehrt kann man scheinbar spirituell sehr weit hinten liegen und ein Umschwung oder eine Erkettnis kann alles ändern (B)


    Dies ist mit dem graduellen Fortschreiten beim Sprachenlernen nicht vergleichbar. Es wäre so als würde ein einziges Wort bewirken, dass du 1000 andere verstehst oder vergisst. Weil es im Bezug auf die Befreiung sozusagen das schwächste Glied ist, das einen hindert, ist der Buddhaweg generell nicht graduell zu nennen (auch wenn sich das bei einzelnen Leute sich temporär so äußern kann: Viele fangen bei 1 an und gehen von da aus weiter).


    Als Beispiel für Fall A taugt Buddha Shakyamunis Cousins Devadatta. Er galt als ein Super-Mönch, der im Bezug auf Askese, Konzentration und übernatürliche Kräfte (Siddhi) anderen Mönche weit überragte. In einem Stufensystem würde man ihn bei den Fortgeschrittenen der Fortgeschrittenen einordnen. Allerdings brachten ihn sein Asketenstolz und sein Ehrgeiz dazu, sich gegen Buddha zu wenden und die Sangha zu spalten. Er befand sich also in einigen Punkten auf höchten Niveau und auf anderen auf nierdigsten, was die Idee einer eieheitlichen Skala auf der man graduell fortschreitet ad absurdum führt.


    Als Beispiel für Fall B taugt Angulimala, der als passionierter durchgeknallter Massenmörder buchstäblich der Verworfenste der Verworfenen war - jmand den man - wenn man Befreiung als einen linearen Pfad ansieht- extrem weit vom Ziel entfernt einordnen würde. Und dann reicht ein Moment der Umkehr, wo die Illusion abfällt um ihn zu ändern. So wie in relativ kurzer Zeit Angulimala vom Massenmörder zum Arhat wurde, wurde stieg Devadatta vom Top-Mönch zu Buddhas grossem Gegenspieler ab.