Beiträge von Arthur1788 im Thema „Nirwana und Brahman“

    accinca:

    Ja, die Idee von Buddhanatur führt zum Anhaften das muß ich
    den Zenisten zugestehen. Ihren Satz man solle den Buddha töten
    wenn man ihn sehe, trifft nämlich tatsächlich auf die Buddhanatur
    zu, die man töten solle, sobald sich eine solche Illusion auch noch
    entfaltet. Führt sie doch nur zum Anhaften bzw. zur Begehrlichkeit.


    Aber spielt die "Buddhanatur" im Zen nicht eine viel größere Rolle als beispielsweise im Theravada?


    Ich hab übrigens grad das Gefühl dass ich umso weniger vom Buddhismus verstehe je mehr ich darüber lese. :grinsen:

    void:


    Mal von deinem Avatar ausgehend:Wenn Buddhismus Schopenhauer ist, der den "Willen zum Leben" kritisch sieht, dann ist der Hinduismus Nietzsche und seiner Bejahung des "Willens zur Macht" näher.


    Interessante Allegorie. ;) Schopenhauer selbst sah die "lebensbejahenden" Religionen eher im Judentum und Islam, die weltabgewandten Religionen im Buddhismus und Hinduismus, das Christentum irgendwo dazwischen. Es gab allerdings damals noch kaum schriftliche Zeugnisse über die östlichen Religionen im Westen.


    Gilt dein Postulat auch für dezidiert asketische Bewegungen im Hinduismus wie Advaita Vedanta?

    Vielen Dank für die Antworten!


    Nachdem ich jetzt selbst noch einmal recherchiert habe denke ich dass Nirwana eher dem "hinduistischen" Moksha verwandt, also Ausdruck eines Zustandes und nicht eines "Dings an sich" ist.


    Was dem Begriff des Brahman im Buddhismus am ehesten zu entsprechen scheint ist die "Leerheit" (bzw, "Buddha-Natur") des Mahayana.


    Zitat

    "Alle Dharmas (Daseinsfaktoren) sind durch Leerheit gekennzeichnet. Sie entstehen nicht, sie werden nicht gehemmt, sind fleckenlos, nicht fleckenlos, nicht fehlerhaft, nicht vollständig.
    Darum gibt es in der Leerheit weder Formen noch Empfindungen, noch Begriffe, noch Strukturen, noch Bewusstseinselemente ; auch nicht Auge, Ohr, Nase, Zunge, Haut und Vernunft ; auch nicht die Wahrnehmung von Form, Ton, Geruch, Geschmack, Gegenstand und Dharma; auch nicht die Grundlage des
    Sehvermögens, bis hin zur Grundlage des Denkens."


    Zitat

    „Dieses ... nennen die Kenner des Brahman das Unvergängliche. Es ist nicht grob, nicht fein; nicht kurz, nicht lang; blutlos, fettlos; schattenlos, finsterlos; windlos, raumlos; ohne Haftung; ohne Tastsinn, ohne Geruchssinn, ohne Geschmackssinn, ohne Gesichtssinn, ohne Gehörsinn; ohne Sprachfähigkeit, ohne Denkfähigkeit; ohne Wärme, ohne Atem, ohne Mund; ohne Name, ohne Geschlecht; nicht alternd, nicht sterbend; bedrohungslos, unsterblich; ohne Raum, ohne Laut; nicht geöffnet, nicht geschlossen; nicht folgend, nicht vorangehend; nicht außen, nicht innen. Nichts langt hin zu ihm, niemand langt hin zu ihm...“

    void:

    Am Anfang war ja der Buddhismus eine Religion der Entsagung und Verneinung. In der man sich eben von dem Sozialen ( Familie, Sippe, Kaste, Staat) wegbewegte.


    Während "Religion" traditionellerweise ja das Soziale und Gemeinsame betont. Die Gesellschaftsordnung wird legitimiert, indem sie in der kosmischen Ordnung verankert wird. Das sich Religion kritisch zur Macht stellt ( wie im frühen Christentum, bei den Propheten, bei Buddha) ist selten und normaler ist es, so eine Reichsideologie zu sein.


    Was ja dann im Christentum unter Konstantin und im Buddhismus unter Ashoka passiert ist.


    War das als Antwort auf meine letzte Frage gedacht? Wenn ja versteh ich sie nicht ganz. :grinsen: Ist damit gemeint, dass die Rückbesinnung auf brahmanische Elemente ein Versuch war, den Buddhismus stärker zu einer Massenbewegung und für die politischen Eliten akzeptabel zu machen? Oder dass man sich die "Buddha-Natur" ausgedacht hat, um auch Laienanhänger zu gewinnen, während zuvor die Erlösung den Ordinierten vorbehalten war?

    void:


    Im Hinduismus gibt es hinter der Täuschung so etwas wie das wahre Wesen der Dinge. Und dieses wahre Wesen ist die Grundlage der ganzen Ordnung der Welt. Währen im Buddhismus sowohl "Wesen" als auch "Grundlage" als auch Ordnung negiert werden. Und nur mehr eine vielfache Bedingtheit übrig bleibt.


    Gilt das auch für die Mahayana-Schulen? Ich habe das Gefühl, dass diese sich beispielsweise mit dem Postulat der "Buddha-Natur" aller Lebewesen wieder stärker der Brahmanen-Lehre angenähert haben.

    void:
    wikibook:

    Der Unterschied zwischen dem Buddhismus und dem Hinduismus in Bezug auf das höchste Ziel besteht darin, dass der Begriff Nirwana die Leerheit (die Ich-Auflösung) und der Begriff Brahman die Einheit (das Einheitsbewusstsein, die Fülle) betont.


    "Leerheit" bedeutet nicht Ich-Auflösung. Die Auflösung von Täuschungen ist ja auch im Hinduismus sehr wichtig. Leerheit bedeutet "Leerheit von inhärenter Existenz' - also die Abwesenheit eines festen Wesenkerns.


    Ist die Erkenntnis der Abwesenheit inhärenter Existenz nicht gleichbedeutend mit der Auflösung der "Ich"-Illusion? Die Idee, dass hinter diesem "Ich" noch ein anderes, ein "wahres" Selbst liegt, scheint mir doch eher im Mahayana als im frühen Buddhismus verbreitet. Da könnte man dann fragen, ob die "Buddhanatur", die ja jedem Lebeswesen innewohnen soll, nicht einfach ein anderes Wort für "Atman" ist.


    Aber zurück zum Thema: Wie könnte man den Unterschied zwischen Brahman und Nirwana auf den Punkt bringen?

    Sind das nur zwei Worte für ein Prinzip? Folgt daraus, dass Buddhismus und Vedanta letztlich ein und dasselbe sind? Oder sind sie fundamental unterschiedliche, gar entgegengesetzte Prinzipien?


    Im Wikibook zu "Buddhismus und Hinduismus im Vergleich" steht:


    Der Unterschied zwischen dem Buddhismus und dem Hinduismus in Bezug auf das höchste Ziel besteht darin, dass der Begriff Nirwana die Leerheit (die Ich-Auflösung) und der Begriff Brahman die Einheit (das Einheitsbewusstsein, die Fülle) betont. In der Erleuchtung existieren beide Wahrnehmungen gleichzeitig. Es sind zwei Seiten derselben Münze. Das ergibt sich bereits aus den Aussagen Buddhas zur Erleuchtung. Der erleuchtete Hindu-Meister Swami Sivananda sagte dasselbe. Manche Menschen müssen sich auf die eine Seite und manche auf die andere Seite der Münze konzentrieren, um in den Zustand der Erleuchtung zu gelangen.


    Quelle: https://de.wikibooks.org/wiki/…d_Hinduismus_im_Vergleich


    Wäre Buddha damit in letzter Konsequenz nicht nur ein weiterer Verkünder der Lehre vom göttlichen Brahman?