Beiträge von drosterman im Thema „Ist Buddhismus zu nihilistisch für kreative Schöpfung?“

    Danke für diese sehr interessanten Beiträge, die ich alle aufmerksam gelesen habe. Ich sehe es mittlerweile auch so, wie die meisten geschrieben haben. Dass die Art der Praktik und die zugrundeliegende Motivation es zu etwas machen können, was letztlich dem spirituellen Weg eher förderlich sein kann. Für mich ist die Mathematik zunehmend eine spirituelle Praktik. Es ist eine Form der Versenkung ("flow-Zustand"). Teilweise eine Form der Kontemplation. Sowie eine Form der Meditation (meditatives Schreiben). Vielleicht sollte ich erwähnen was mich zu der Frage geführt hat.. Dies war die Biographie des berühmten Mathematikers Alexander Grothendieck. Er hat in der Mathematik große Entdeckungen gemacht und sich praktisch 30 Jahre lang täglich etwa 20 Stunden mit dem Neuaufbau der algebraischen Geometrie beschäftigt. Bis er mit etwa Mitte 40 der Mathematik den Rücken gekehrt hat (meine Vermutung: aus schierer Erschöpfung...), um in einem kleinen Dorf in Frankreich tausende von Seiten von sogenannten "Meditationen" zu verfassen, über Philosphie und Religion und manchmal auch noch Mathematik. Was mir besonders in Erinnerung blieb ist, dass Grothendieck selbst von sich sagte, dass seine aktive Zeit in der Mathematik eine Zeit der "spirituellen Stagnation" darstellte. Auch, wenn Grothendieck sich selbst am Ende nur noch dem Christentum zugewandt hatte, sehe ich in seiner Mathematik und seiner mathematischen Denkweise starke Analogien zum buddhistischen Denken. (Unter anderem das Konzept des Topos ist etwas sehr buddhistisches... ermöglicht es doch die aristotelische Logik gänzlich zu überwinden (Auflösung des Dualismus). Sein "relativer Blickwinkel", d.h. die Methode die "Pfeile", also Beziehungen zwischen mathematischen Objekten als wichtiger anzusehen als die Objekte selbst ist analog zur buddhistischen Auffassung, dass die Substanzhaftigkeit der Dinge nur eine Illusion ist und das einzig Wahrhaftige die Wechselwirkungen zwischen den Dingen sind. Aber ich bin in der Hinsicht noch Laie, also überbewerte ich diese vermeintlichen Analogien vielleicht.).

    void:


    Das hiesse dann konkret, bei der Arbeit so zu arbeiten, dass man nicht das tut, was man "so persönlich will" sondern das was "zu tun ist". Man wird also zu einem "Diener des Werkes". Und zwar zu so einem "Diener des Werkes" der dann auch ohne Murren abtritt, wenn jemand anderer besserer dient. Zusammengefasst vielleicht "Arbeite so, dass es nicht um dich selbst geht, sondern um die Sache". Was ja gut funktioniert, so lange die Sache selbst etwas ist, was anderen hilft.


    Warum ist es wichtig, dass es etwas ist was anderen hilft? Das wurde auch in anderen Beiträgen erwähnt. Spielt die Motivation also eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, ob eine kreative Tätigkeit förderlich oder hinderlich ist für das Erreichen der Erleuchtung?


    Übrigens.. also rein subjektiv ist für mich die Motivation hinter meiner Arbeit ganz und gar nicht, ob es anderen nützt. Die erste Motivation ist wohl, dass ich mich an der Schönheit erfreue (die für mich in meiner Arbeit eine Reflektion der Schönheit der Natur ist), Neugierde und wenn ich ehrlich bin ist ein bisschen Ego auch dabei.


    Danke jedenfalls für die Beiträge. Vieles davon muss ich noch genauer durchdenken, bevor ich darauf eingehen kann.

    Hallo Forum.


    Ich habe versucht im Titel möglichst genau zu schreiben worum es mir geht. Aber die Frage ist zu komplex, um es in einem Satz ausdrücken zu können. Ich möchte gerne ergründen inwiefern es mit der buddhistischen Lehre vereinbar ist, dass ein Mensch mit entsprechender Veranlagung dazu kreativ schöpferisch tätig ist (Künstler, Wissenschaftler, Mathematiker, Schriftsteller etc.). Denn wenn diese Person Buddhist ist, so ist seine Tätigkeit ja etwas in das er nicht stark investiert sein "darf". Denn die ganze meditative, achtsame Praxis ist doch gerade darauf ausgelegt alle Gedanken loszulassen und gehen zu lassen. Der zweite Widerspruch, der sich auftut ist, dass bei vielen kreativen Tätigkeiten eine gewisse Methodologie zugrundeliegt, die auch der buddhistischen Praxis direkt widerspricht. So ist ein Mathematiker drauf bedacht stets Objekte zu definieren und zu untersuchen, die wohldefiniert und wohlunterscheidbar sind. D.h. es werden, wie auch allgemein in der Physik, klare Definitionen getroffen, die oft in gewisser Hinsicht die Realität approximieren sollten. D.h. real existierende Objekte werden abstrahiert in den mathematischen Formalismus und man operiert unter der Grundannahme, dass die beste Erklärung der Welt sich begründet im scharfen Abgrenzen von Objekten, was schon sich aus den Grundgesetzen des logischen Schließens ergibt (Gesetze des Denkens). Dies ist nur ein denkerisches Hilfsmittel, was mit der Realität nicht eins zu eins übereinstimmen kann. Denn die Möglichkeit des scharfen Abgrenzens ist in der Realität nicht gegeben. Die gegenteilige Vorstellung, dass eben auf fundamentaler Ebene "alles eins" ist, ist ja eigentlich auch eine buddhistisch geprägte (und realistische) Vorstellung. Objekte der Wirklichkeit sind so geartet, dass bei tieferer Betrachtung immer Ähnlichkeiten gefunden werden können. Selbst zwischen zwei scheinbar völlig verschiedenen Dingen. Die Gesetze der klassischen, aristotelischen Logik (auf denen die Mathematik und damit fast alle Wissenschaft beruhen) sind: 1. Ein Objekt X hat eine eindeutige Identität, d.h. X = X. 2. Ein Objekt kann existieren und nicht existieren. 3. Tertium non datur: Ein Objekt existiert oder es existiert nicht, eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Dem direkt im Widerspruch steht ein berühmter Ausspruch Buddha's (Tetralemma): 1. Alles ist wirklich. 2. und unwirklich. 3. sowohl wirklich, als auch unwirklich. 4. weder wirklich noch unwirklich. Man kann diesen (klugen) Spruch verallgemeinern: 1. Ein Objekt existiert, 2. und existiert nicht, 3. sowohl existiert und nicht existiert, 4. weder existiert noch nicht existiert. Wer hat Recht? Die meisten (westlichen) Denker würden schlicht sagen Buddha's Aussage ist ein perfektes Beispiel für religiösen Schwachsinn. Aber tatsächlich hat Buddha recht: Stellen wir uns vor wir geben ein ganz klein wenig Zucker in den Kaffee, sodass man es kaum schmeckt. Dann kann man mit fug und recht sagen, dass der Kaffee 1. süß ist, 2. nicht süß ist, 3. sowohl süß, als auch nicht süß ist und 4. weder süß noch nicht süß ist. D.h. Buddha hatte die große Weisheit zu erkennen was die westliche Wissenschaft nicht verstanden hat, dass das Leben nicht nur schwarz und weiß ist, sondern es viele Nuancen und Zwischentöne gibt. Da ich Mathematiker bin, muss ich aber der Mathematik noch die Ehre retten: Man kann Buddha's Tetralemma mit mehrwertiger Logik (einem mathematischen Objekt, dass sich Topos nennt) auch mathematisch formulieren.


    Dennoch sind dies meines Erachtens Widersprüche von buddhistischer Praxis und jedweder Tätigkeit, die einerseits kreativ schöpferisch und andererseits wissenschaftlich / denkend ist. Was ist eure Ansicht dazu? Ist ein Mensch, der einen brennenden Drang in sich verspürt kreativ in seinem Gebiet tätig zu sein und alle seine Zeit durch unbändige Schaffenskraft aufbringt, per se ungeeignet ein Buddhist zu sein bzw. zur Erleuchtung zu gelangen? Gibt es die Möglichkeit Erleuchtung _durch_ kreative Tätigkeit zu erlangen? Ist diese Art der "Erleuchtung" aus Sicht des Buddhismus überhaupt erstrebenswert? Ist es vergleichbar mit der Erleuchtung durch die man durch meditative Praxis und Achtsamkeit gelangt?