Beiträge von Doris im Thema „Ziel der Buddhalehre“

    Die ganzen Texte sind nicht Original-Worte des Buddha.
    Original wären Tonaufzeichnungen, also Tonband, Kassette, MP3 usw.


    Was wir haben sind Wiedergaben.
    Die Hörer von damals haben das, was sie gehört haben, memoriert und über Jahrhunderte mündlich weitergegeben.
    Egal wie gut die in ihren Gedächtnisleistungen waren, da haben sich unwillkürlich Fehler hineingeschlichen.
    Als es an das Niederschreiben ging, kamen die Leute von überall her, und überprüften die mündlich überlieferten Texte auf ihre INHALTLICHE Richtigkeit.
    In all der vergangenen Zeit hatte sich die Sprache schon gewandelt. Die Leute kamen aus verschiedenen Regionen zusammen, schon von daher sprachen sie alle etwas anders oder gar viel anders als der historische Buddha. Sie einigten sich auf eine Verkehrssprache.
    Auch haben sich bereits Traditionen, Brauchtum usw. gewandelt, so dass auch in kultureller Hinsicht nicht mehr alles verstehbar war. (Das kennen wir auch, wenn wir z.B. nicht wirklich wissen was bestimmte Sprichwörter bedeuten, oder wir Gerätschaften nicht mehr kennen und ihren Gebrauch nicht mehr einordnen können.)
    Also, schon wieder eine Abweichung von dem, was der historische Buddha sagte.
    Und dann schrieben sie es nieder. Sicher nicht an einem Tag, sondern das wird ein Prozess über viele Jahre gewesen sein.
    Hinzu kommen Auswahlverfahren: Wir können nicht wissen, was da alles unter den Tisch gefallen ist.


    Betrachtet man die Texte, dann ist das sicher keine Umgangssprache, sondern eine literarische Hochsprache. Es gibt dort ganz viele Elemente, die dem Memorieren gedient haben, z.B. die Wiederholungen, die Sätze, die der Beweisführung dienten, die Zahlen, die Wiederholung von Texten in Versform, die Wiederholungen überhaupt.
    Die Sutren sind literarische Texte. Niemand spricht so.


    Allein diese äußeren Merkmal zeigen, dass es keine Originalreden sind. Es sind memorierte Reden. Dazwischen ist sicher auch viel hinzugefügt worden, z.B. zur Veranschaulichung.


    Und dann ist da der individuelle Faktor. Das ist ein Problem, das in jeder sprachlichen Kommunikation auftritt. Es ist sprachlicher Natur, kultureller Natur, indiolektischer Natur. Es hängt vom jeweiligen Verständnis ab. Und vieles mehr.
    Sogar die Verfasser der Texte waren sich dessen bewusst und beginnen ihre Texte damit.


    Trotzdem sind die Texte offensichtlich im Grundgehalt wahrhaftig. Sonst würden noch nach 2400 Jahren die Leute diese in den wesentlichen Aussagen nicht nachvollziehen können.


    Das schrieb ich doch oben. Es gibt viele Dinge, die Menschen davon abhalten. Für manche ist es der Glaube an etwas bestimmtes. Ich möchte nur nicht, dass verallgemeinert wird und Menschen, die nicht an Wiedergeburt glauben, irgendwas abgesprochen wird. Und schon gar nicht möchte ich, dass Menschen mit suizidalen Tendenzen irgendeine Form von Versagen zugeschrieben wird.
    Zu behaupten "Materialisten würden sich eher für Selbstmord entscheiden" entbehrt jeglicher Evidenz.

    Zitat

    Ich denke, dass es Menschen gibt, die Wiedergeburt davor abschreckt vor bestimmten Handlungen oder umgedreht motivieren kann für positive Handlungen.


    Das mag sein. Andere hält der Gedanke, ihr Kind müsse dann alleine aufwachsen, wieder andere irgendwas anderes davon ab, Suizid zu verüben.
    Was mich stört ist die Behauptung, dass jemand der nicht an Wiedergeburt glaubt, eher Suizid begehen würde, und die Behauptung, Suizid sei der "einfachere Weg". Ebenso verwegen finde ich die Annahme, dass man einen "schwierigeren Weg" beschreiten würde, wenn man sich mit dem Dharma beschäftigt. Das hängt auch nicht mit Äußerlichkeiten zusammen wie Klosterleben oder Familienmutter oder ob und welche Religion man hat. Wie intensiv und ernsthaft man praktiziert ist individuell zu betrachten, und es entzieht sich der Bewertung, wenn man nur ein Stück weit bedingtes Entstehen verstanden hat.


    Zitat

    Wenn er langjährige Depressionen hat, dann investiert er da oft eine ganze Menge rein, ob ihm das bewusst ist oder nicht (Gedankenspirale, usw.). Das Wort "Loser" habe ich weder gedacht, noch gesagt. Aber es ist gut, wenn er besser heilsames "investiert". Ich denke gut die Hälfte der Bevölkerung steckte irgendwann schonmal in so einem Tunnel fest.


    Sicher, die zerstörerischen Gedankenkreisläufe zu durchbrechen ist die Rettung. Aber wie kommt man da hin? Indem man an die Wiedergeburt glaubt? Vielleicht hilft das bei Leuten, die damit aufgewachsen sind und für die das felsenfest in ihrem Denken verankert ist. Die anderen sollen sich dazu zwingen?


    Und letztendlich darf man nicht vergessen, dass es verschiede Gründe für Suizid gibt. Es gibt z.B. noch psychische Erkrankungen, die wohl einen sehr hohen Anteil ausmachen. Da ist der Glaube an irgendwas irrelevant.


    Das, was wirklich helfen kann, ist die Zuwendung anderer Menschen. Wärme, Mitgefühl, offene Ohren und ein offenes Herz.

    Spock:
    Doris Rasevic-Benz:

    Ja. Und das ist evolutionär gesehen auch eine wichtige Überlebenstrategie.


    Um gegen solche Tendenzen was zu tun, muss man schon etwas investieren bzw. sich 1. darüber bewusst sein oder werden, dass das "nur" zeitweilige Funktionen sind und wie das so abläuft. 2. Wissen oder (solange es noch nicht wissen ist) glauben, dass man was tun kann und 3. es dann auch umsetzen. Ich denke diese "Arbeit" bzw. den "schwierigen Weg" (sic!) meinte Mukti.


    Das klingt so, als ob jemand, der an Selbstmord denkt, nichts "investieren" würde. Und derjenige, der "nichts investiert", der bringt sich dann halt um.
    Das passt auf einen Investmentbanker, aber nicht auf einen zutiefst verzweifelten Menschen.


    Das soll man gar nicht miteinander vergleichen. Jemand, der sich umbringt, geht nicht den "leichteren" Weg. Er geht den einzigen Weg, der ihm möglich erscheint. Wenn sich jemand mit dem Gedanken an Selbstmord trägt, dann ist er eben kein bequemer Loser.


    Und der Gedanken an Wiedergeburt macht niemanden fleißiger oder schreckt jemanden ab. So was schreckt nur ab, wo ohnehin keine allzu große Gefahr. Sonst sähe die Welt sei Erfindung der Religion friedlicher aus.



    Es ist trotzdem was anderes. Allein schon, weil der Selbstmörder alternativlos ist (aus seiner Sicht natürlich). Wenn es mir aber dreckig geht und ich suche mein Heil in einer Religion, dann habe ich zum einen die Alternative zwischen Leben und Selbstmord, und dann doch ein riesige Auswahl an Religionen usw. Und eigentlich bin ich meilenweit vom Selbstmord entfernt.
    Jemand, der sich umbringen will, hat keine Auswahl, das zählt alles nicht mehr, das ist schal und wertlos geworden. Er wählt nur noch die geeignete Methode aus. Um eine Auswahl zwischen Leben und Tod zu sehen, muss ein Funken Hoffnung da sein, muss eine Kraftquelle aktiv sein, dafür steht man noch nicht nah am Abgrund, man hat einen Blick ins Weite, in die Zukunft, Hoffnung … Dieses fehlt dem Selbstmörder. Daher ist das nicht vergleichbar.
    Begriffe wie "schneller", "einfacher" usw. greifen da nicht mehr.


    Zitat

    Im gewissen Sinne ist es diskursiv so gesehen schon "einfacher", weil es eine Reduktion der Möglichkeiten ist. Quasi eine Vereinfachung auf eine einzige Möglichkeit.


    Um auf Deine Spitzfindigkeit mit einer anderen Spitzfindigkeit zu antworten:Du übersiehst auch die Vielzahl der Möglichkeiten, wie man sich umbringen kann. :grinsen:


    Und was man nicht vergessen sollte bei der Diskussion:
    Ein Zustand, der einen Menschen dazu bringen kann sich umzubringen, ist kein Dauerzustand, kein Charaktermerkmal und nichts Statisches. Es ist eine vorübergehende Phase, die allerdings lang anhalten und sich verheerend auswirken kann. Glauben an Leben nach dem Leben, Partner, Kinder usw. verlieren in solchen Phasen den stabilisierenden Sinn. Das kann dem besten Buddhisten passieren.
    Den "Selbstmörder" gibt es eigentlich nicht. Auch nicht im spitzfindigen Sinne, denn er ist dann schon tot, sobald er es geworden ist.

    mukti:

    Das Ziel der Lehre ist jedenfalls die Beendigung der Leiden, die auch vom Selbstmörder angestrebt wird, ob er nun irgendwas von der Lehre weiß oder nicht. Falls er was weiß darüber, aber der Ansicht ist sein Leben wäre mit dem physischen Tod zu Ende, wird er wohl eher den einfacheren Weg des Selbstmordes wählen.


    Ich denke nicht, dass das jeweils "die Beendigung des Leidens" ist. Das sind schon zwei verschiedene Dinge.
    Und nein, der Selbstmord ist nicht "der einfachere Weg". Es ist der einzige Weg in dieser Situation. Während jemand, der "das Leiden beenden will" indem er einen "spirituellen" Weg geht, eine Alternative hat und sich dieser auch bewusst ist, und wenn es ihm noch so dreckig geht.


    Außerdem kennzeichnet es einen Selbstmörder per definitionem, dass er sich selbst tötet. Während jemand, der keinen Selbstmord begeht, kein Selbstmörder ist.


    Einen guten Flug! :rainbow:


    Mukti schrieb:


    Zitat

    Ich sage wenn das Leben unerträglich ist und man will ein Ende machen dann bringt man sich um, wenn man der Ansicht ist dass man dann nie wieder Leben und leiden muss. Dabei werden auch eventuell trauernde Angehörige in Kauf genommen, sofern vorhanden, wie man sieht. Ist man der Ansicht dass man nach der Vernichtung des Körpers irgendwie weiterleben muss, schreckt man eher vor dem Suizid zurück und sucht nach einer anderen Lösung.


    Ich kann da nicht wiederfinden, dass es da um die Leute gehen soll, die "das Ziel der Lehre" erreichen wollen. Weder semantisch, noch grammatikalisch geht so was aus diesen Sätzen hervor.

    mukti:


    Ich sage wenn das Leben unerträglich ist und man will ein Ende machen dann bringt man sich um, wenn man der Ansicht ist dass man dann nie wieder Leben und leiden muss. Dabei werden auch eventuell trauernde Angehörige in Kauf genommen, sofern vorhanden, wie man sieht. Ist man der Ansicht dass man nach der Vernichtung des Körpers irgendwie weiterleben muss, schreckt man eher vor dem Suizid zurück und sucht nach einer anderen Lösung.


    Das ist sicher nicht so.
    Wenn sich Menschen dazu entscheiden aus dem Leben zu gehen, dann haben sie in der Regel einen Tunnelblick: Sie leiden dermaßen stark, dass sie keinen Ausweg sehen und keine anderen Konsequenzen mehr wahrnehmen können, als dass ihr Leiden enden muss. Wäre es anders, könnte man sich nicht erklären, warum sich Menschen z.B. vor den Zug werfen, die als sehr rücksichtsvoll und empathisch galten. Wenn das Leiden so sehr intensiv erlebt wird, dann beherrscht es alles. Es sind nicht nur rücksichtslose Arschlöcher, die sich umbringen. Eher ist das Gegenteil der Fall.


    Wer an Wiedergeburt glaubt, könnte auch der Meinung sein, dass er in seinem nächsten Leben bessere Karten haben wird und er sich seinen Aufgaben besser stellen könnte. Hätte er nicht viel mehr Grund sich umzubringen, lebt er doch im Glauben, dass er nicht tot sein würde? Das kann Angst völlig aushebeln.


    Aber wie oben geschrieben, solches Kalkül spielt bei Selbstmord keine Rolle.


    Kannst Du jetzt verstehen, warum Deine Behauptungen diffamierend sind? Implizieren sie doch, dass Menschen, die nicht an Wiedergeburt glauben, irgendwie "lebensfaule Säcke" seien, zu bequem um sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen, und rücksichtslos nur an ihr Wohl denken würden.
    Könnte man umgekehrt nicht auch behaupten, dass Leute, die an Wiedergeburt glauben, alles eigentlich nur täten, um es sich im jetzigen und in späteren Leben so angenehm wie möglich zu machen, und dass ihr "Mitgefühl" für Andere eigentlich nur dem eigenen Wohl diene?


    Vielleicht muss man in seinem Leben einfach mal an dieser existenziellen Grenze entlang geschrammt sein, um wirklich verstehen zu können, was in jemandem vorgeht, der sich überlegt, seinem Leben ein Ende zu setzen? Vielleicht muss man erkennen, wenn man sich für das Leben entschieden hat, dass es egal ist, an welchen Strohhalm man sich geklammert hat, sei es der Glaube an eine Wiedergeburt, an ein ewiges Höllendasein, an das, was man den Liebsten antut oder sei es einfach, weil man das Experiment Leben weiterführen wollte? Da sind dann noch Strohhalme da, wie sie aussehen ist egal. Wo kein Strohhalm mehr greifbar ist, greifen auch keine Konzepte mehr. Da kann man nur "Pech" haben und der Versuch sich zu töten missglückt.