Beiträge von Sudhana im Thema „Buddhanatur im Zen ?“

    Die Zersplitterung kommt also nicht daher, weil es um etwas Zusammengesetztes ( einen Kuchen, der aus Zutaten besteht) gehen würde, sondern nur aus den verschiedenen Möglichkeiten dieses Allumfassendes zu verfehlen und selber partikular zu bleiben. Damit würde Buddhnatur zu etwas zutiefst dynamischen, so als würde es den jeweils fehlenden Teil des Puzzle bezeichnen. Das was einen (jeweils) von Befreiung trennt.

    Zum ersten Satz: Ja, sehe ich ähnlich. Zum zweiten: das 'Dynamische' ist lediglich das, was das Fo Xing Lun die "hervortretende Natur" nennt - als Aspekt schlicht prayoga. Dieser Aspekt wiederum verbindet Ursache- und Erfüllungsaspekt, die dessenunungeachtet in Eins zusammenfallen - der Tathāgatha ist sowohl Ursache als auch Erfüllung von prayoga. Tatsächlich kann man 'Buddhanatur' durch Beschreibung / Analyse nur verfehlen, was übrigens auch das Fo Xing Lun sagt, wenn es zu Beginn der Abhandlung die 'zwei Wahrheiten' im Sinne des Madhyamaka erläutert und auf das Thema anwendet. Im Fortgang der Untersuchung versucht sich das Fo Xing Lun dessenungeachtet immer wieder, sich (bzw. den Leser) durch wechselseitige Aufhebung der Perspektiven einem Nichtdualismus zu nähern, der selbst natürlich in Worten unausdrückbar ist.


    Das ist ja auch der Punkt, warum sich Zhaozhou einer Antwort, die bestenfalls eine Annährung und schlimmstenfalls eine Irreführung bewirken könnte, entzieht und stattdessen mit 'Mu' auf die unmittelbare, nicht-diskursive Erfahrung dieser Nichtdualität verweist - in der die Frage sich restlos aufhebt. Das ist der direkte, unmittelbare (dunjiao) Weg des Chan / Zen. Ebenso wie das 'shinjin datsuraku' (bei dem sich Körper und Geist in der 'doppelten Leere' auflösen) im Shikantaza. Die dunjiao-Praxis des Chan / Zen hat nichtsdestotrotz ihren theoretischen Hintergrund, ihre Begründung, in der Buddhanatur-Lehre.

    Was dann erklärt, warum so viele Leute so unterschiedlcihe Antworten, auf nahezu das gleiche Koan bekommen.

    Ja - auch wenn ich das nun nicht als "Antworten" bezeichnen würde. Aber es geht da um Reaktionen, die der jeweiligen Situation - und damit der jeweiligen Position der beteiligten Personen im prayoga-Aspekt - angemessen sind. Da liegt dann auch - nebenbei angemerkt - ein Ansatzpunkt für eine Kritik der Verwendung historischer Präzedenzfälle zur Schulung in einem starren Curriculum.


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    Buddhnatur wird an dieser Stelle also nicht als ein einheitliches Etwas gesehen, sondern als ein Sammelbegriff für das ('Ursache der Erlangbarkeit) was gegeben sein muss, damit Erwachen als Phänomen auftreten kann.

    Das interpretiere ich anders. Es handelt sich nicht nur um etwas Einheitliches, sondern um etwas Allumfassendes, das lediglich aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und beschrieben wird, was dann eben unterschiedliche Aspekte dieses "einheitlichen Etwas" aufzeigt.

    nur noch das "Schieb in den Ofen rein" fehlt, damit etwas hervortritt?

    So in etwa. Was da fehlt, zeigt sich in der Kōan-Übung, der Arbeit mit dem 'Werkzeug' unter Anleitung und Überwachung von jemandem, der weiss, was fehlt. Um einen Versuch zu einer allgemeineren Formulierung aus meiner persönlichen Perspektive heraus zu machen, verweise ich auf ein weiteres Zitat aus dem Fo Xing Lun - das in meiner Signatur. Die "duale Leere von Person und Dingen" ist für mich das, worauf "Mu" verweist bzw. was einen die 'Arbeit' damit erfahren lässt.


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    insofern diese Metaphern auf so etwas Inneres/Eingeschlossenes verweisen entfernt es von dem Zen-Verständnis.

    Wie ich schon geschrieben habe, stellt das Tathāgathagarbhasūtra lediglich so etwas wie einen Ausgangspunkt der Buddhanatur-Doktrin dar. Der Verweis auf garbha als etwas Enthaltenes (garbha = 'Embryo') ist nur ein Aspekt, der neben anderen steht, insbesondere dem des Behälters (garbha = 'Gebärmutter'). Eben dies kommt schon im Begriff garbha zum Ausdruck, der Beides bedeutet, 'Embryo' und 'Gebärmutter'. Im Chinesischen wird garbha entsprechend mit zang übersetzt, das wiederum auf Deutsch (das eine solche Doppeldeutigkeit nicht ermöglicht) je nach Kontext entweder Behälter / Speicher oder Enthaltenes / Gespeichertes wäre.

    Zitat

    Was den Begriff garbha (zang) betrifft, so existieren alle fühlenden Wesen in der Weisheit des Tathāgatagarbha, und daher wird er Schoß (zang) genannt. Da das Wissen von Soheit dem Reich der Soheit entspricht, gibt es unweigerlich kein fühlendes Wesen, das [davon] ausgeschlossen ist. Der Tathāgata umfasst gleichermaßen das Reich der Soheit, und daher wird er 'das Enthaltene' [also 'Embryo', suo zang] genannt. Fühlende Wesen sind der Tathāgatagarbha.

    Fo Xing Lun 796a

    Hinzu kommt in diesem Text noch ein dritter Aspekt, den ich hier nicht weiter ausführe, der des 'Verborgenen'. Neben diesen drei Aspekten der Buddhanatur spricht der Text noch von drei Arten der Buddhanatur. Er geht dabei von drei Ursachen des Erwachens aus, wobei die erste (die 'Ursache der Erlangbarkeit') mit Buddhanatur identifiziert und in drei Arten differenziert wird:

    Zitat

    Die Ursache der Erlangbarkeit ist die Soheit (Tathātā), die sich in der doppelten Leerheit (von Personen und Dingen) offenbart. Wegen dieser Leere, d.h. der Substanzlosigkeit und wechselseitigen Bedingtheit aller Phänomene, können bodhicitta, prayoga usw. bis hin zum dharmakāya am Ende des Pfades 'erlangt' werden. Deswegen wird diese Ursache 'erlangen können' genannt.


    Die prayoga-Ursache wird bodhicitta [etwa: Geist des Erwachens] genannt. Mit diesem Geist kann man die 37 Glieder der Erleuchtung, die zehn Stadien (daśabhūmi) des Bodhisattva, die zehn Vollkommenheiten (pāramitā) und am Ende den dharmakāya erlangen. Dies wird die prayoga-Ursache genannt.


    Die vollständige Erfüllungs-Ursache ist prayoga. Mit diesem prayoga erlangt man vollständige Erfüllung von beidem, Ursache und Frucht [der Buddhanatur]. Mit Erfüllung der Ursache ist tugendhaftes und weises Handeln gemeint. Vollendung der Frucht wird konstituiert durch die drei Tugenden der Weisheit, des Abschneidens von Täuschungen und liebenden Mitgefühls.


    Von diesen drei Ursachen hat die erste als grundlegende Natur nicht-bedingte Soheit, die beiden anderen bedingte Entschlossenheit und bedingtes Handeln.


    In der Ursache der Erlangbarkeit gibt es drei Arten von [Buddha-]Natur: die in sich selbst weilende, die hervortretende Natur und die erlangende Natur. Die Aufzeichnungen sagen, die in sich selbst weilende Natur ist [Buddhanatur] im Stadium der gewöhnlichen Person, die noch nicht mit buddhistischer Praxis begonnen hat; die hervortretende Natur ist [Buddhanatur] im Stadium des buddhistischen Praktizierenden vom ersten Erwachen des Geistes an bis zur Vollendung des Weges; die erlangende Natur ist [Buddhanatur] im Stadium der Person, die den buddhistischen Weg vollendet hat.


    Fo Xing Lun 794a

    Um es noch etwas komplizierter zu machen gibt es da auch noch drei Nicht-Naturen:

    Zitat


    Die drei Nicht-Naturen sind: die ohne-Merkmal-Natur, die ohne-Geburt-Natur und die ohne-Wirklichkeit-Natur. In diesen drei Naturen zusammen erschöpft sich die Tathāgatha-Natur. In welchem Sinn? Zusammen konstituieren sie ihre Essenz.

    Was mit der ohne-Merkmal-Natur gemeint ist, ist die Tatsache, dass alle dharmas ['Dinge'] nur Namen und Worte sind; ihrer Eigennatur fehlen Merkmale und Form. Die ohne-Geburt-Natur bedeutet, dass alle dharmas durch Ursachen und Bedingungen ins Sein treten, sie können sich nicht selbst erzeugen. Da weder sie selbst noch anderes [ihr Entstehen] vollendet, wird es ohne-Geburt-Natur genannt. Die ohne-Wirklichkeit-Natur bedeutet, dass, da allen Dingen das Merkmal der Wirklichkeit fehlt, es [auch] keinen anderen Besitzer von Wirklichkeit gibt, durch den Wirklichkeit erlangt werden kann.

    Fo Xing Lun 794a-b

    Schon das Ratnagotravibhāga, das durch Paramārthas Übersetzung (dieser ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Autor des Fo Xing Lun, als dessen Übersetzer er traditionell gilt) nach China kam, differenziert den Begriff Buddhanatur stark bzw. untersucht ihn unter zehn Aspekten, wobei hier nicht der Ort ist, das tiefer auszuführen:

    Zitat


    Wesen, Ursache, Frucht, Funktion,

    Begabung, Manifestation, Phasen,

    Alldurchdringen der Soheit, Stetige Unveränderlichkeit und Untrennbarkeit der Qualitäten

    sollte man in ihrer Zielrichtung so verstehen, dass
    sie die letztendliche Sphäre beschreiben.

    Nochmals: im China des 9. Jahrhunderts (also zu der Zeit, als Zhaozhou Congshen lehrte) war der Begriff 'Buddhanatur' bzw. Tathāgathagarbha um Etliches komplexer als 500 Jahre davor, als das Tathāgathagarbhasūtra abgefasst wurde und dieser Begriff damit erstmals in den buddhistischen Diskurs eingeführt wurde.


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    Eigentlich ging es darum, aufgrund der Beantwortung des Koans auf die Bedeutung des Worts "Buddhanatur" rückzuschliessen.

    Das kannst Du natürlich und das tust Du ja auch. Man kann auch von Hühneraugen auf die Existenz von UFOs schließen. Ob der Schluss zutreffend oder auch nur in irgendeiner Weise sinnvoll ist, ist eine andere Frage.

    Wäre die Antwort ja, dann entspräche "Buddhanatur" dem Potential, welches das Tathagatagarbha sutra allen Wesen zubilligt

    Ganz so simpel ist es nun auch wieder nicht. Das Tathāgathagarbhasūtra stammt in etwa aus der Mitte des 3. Jahrhunderts und der Begriff Tathāgathagarbha wurde in diesem Text erstmals eingeführt. Der Begriff Tathāgathagarbha / Buddhanatur (佛性, Fo Xing bzw. Busshō) war zu Jōshus Zeiten schon deutlich komplexer. Da sind nicht nur die Buddhanatur-Konzeptionen insbesondere des Śrimālādevīsiṃhanādasūtra und Mahāparinirvāṇasūtra zu berücksichtigen, sondern speziell die mit dem Yogacāra verschmolzenen des Laṅkāvatārasūtra, des Fo Xing Lun und des Dasheng Qixin Lun. Die beiden letzgenannten Texte werden Vasubandhu und Aśvaghoṣa zugeschrieben und sind der Grund dafür, dass beide als indische Patriarchen des Chan / Zen gelten. Das Laṅkāvatārasūtra wiederum wird speziell mit Bodhidharma in Verbindung gebracht; das frühe Chan (vor Huineng) wurde explizit als 'Laṅkāvatāra-Schule' bezeichnet. Wenn man schon über den Begriff Buddhanatur, wie er im Chan / Zen verstanden wird, schwadroniert, dann sollte man speziell diese drei Texte schon kennen oder zumindest Dōgens Shōbōgenzō Busshō, dessen theoretischer Hintergrund sich vor allem im Fo Xing Lun findet. Ein wenig mehr als nur "Potential" steckt da schon dahinter und hinter der Frage des Mönchs auch einiges mehr als nur eine Frage nach dem Tathāgathagarbhasūtra.


    da die Antwort Mu ist, muss etwas anderes gemeint sein.

    Nochmals: 無 (Chin. Wu, Jap. Mu) ist keine Antwort auf die Frage. Hätte Jōshu auf die Frage mit einer Verneinung antworten wollen, hätte er schlicht 不 (Chin. Bu, Jap. Fu) gesagt. Auf Deutsch: Nein.

    Dokusan mit Punk

    Danke - aber nein, danke. Dafür hast du dich schon hinreichend disqualifiziert.

    Es ist keine Antwort möglich weder eine logische noch eine unlogische.

    Nun - Antworten sind immer möglich. Logische, unlogische, richtige, falsche, hilfreiche und nicht hilfreiche. Wobei sich diese sechs Kriterien beliebig kombinieren lassen - so kann beispielsweise auch eine unlogische Antwort richtig und dessenungeachtet trotzdem nicht hilfreich sein. Oder eine logische Antwort falsch und trotzdem hilfreich. Wieauchimmer - jedenfalls ist Mu keine Antwort; genau hier liegt das Missverständnis von Punk s Frage. Mu ist eine Zurückweisung von Frage-und-Antwort. Ein Werkzeug, das Joshu dem Fragenden an die Hand gibt, weil es ihm - im Gegensatz zu einer Antwort - in der Situation, in der er diese Frage stellt, weiterhelfen kann.


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    So etwas kommt dabei heraus, wenn jemand über Kōan schwadroniert, der nicht damit gearbeitet hat und daher auch nicht weiss, wovon er spricht bzw. schreibt. Zum besseren Verständnis für Leute, die dieses Problem haben, eine kleine theoretische Einführung: https://blog.oup.com/2012/04/f…ut-zen-buddhisms-mu-koan/


    Das 'Mu' ist keine Antwort auf die Frage des Mönchs und soll es auch nicht sein. Es ist ein Hinweis, wie man mit dieser Frage umgeht. So viel sei verraten: sie Anderen zu stellen, ist keine sinnvolle Herangehensweise. Wenn man 'Mu' geklärt hat, hat sich auch die Frage erledigt. Was ist an Mumons "Sagst du ja oder nein, so verlierst du deine eigene Buddha-Natur" eigentlich misszuverstehen?


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