insofern diese Metaphern auf so etwas Inneres/Eingeschlossenes verweisen entfernt es von dem Zen-Verständnis.
Wie ich schon geschrieben habe, stellt das Tathāgathagarbhasūtra lediglich so etwas wie einen Ausgangspunkt der Buddhanatur-Doktrin dar. Der Verweis auf garbha als etwas Enthaltenes (garbha = 'Embryo') ist nur ein Aspekt, der neben anderen steht, insbesondere dem des Behälters (garbha = 'Gebärmutter'). Eben dies kommt schon im Begriff garbha zum Ausdruck, der Beides bedeutet, 'Embryo' und 'Gebärmutter'. Im Chinesischen wird garbha entsprechend mit zang übersetzt, das wiederum auf Deutsch (das eine solche Doppeldeutigkeit nicht ermöglicht) je nach Kontext entweder Behälter / Speicher oder Enthaltenes / Gespeichertes wäre.
Zitat Was
den Begriff garbha (zang) betrifft, so existieren alle fühlenden Wesen in der
Weisheit des Tathāgatagarbha, und daher wird er Schoß (zang) genannt. Da
das Wissen von Soheit dem Reich der Soheit entspricht, gibt es unweigerlich
kein fühlendes Wesen, das [davon] ausgeschlossen ist. Der Tathāgata umfasst
gleichermaßen das Reich der Soheit, und daher wird er 'das Enthaltene' [also
'Embryo', suo zang] genannt. Fühlende Wesen sind der Tathāgatagarbha.
Fo Xing Lun
796a
Hinzu kommt in diesem Text noch ein dritter Aspekt, den ich hier nicht weiter ausführe, der des 'Verborgenen'. Neben diesen drei Aspekten der Buddhanatur spricht der Text noch von drei Arten der Buddhanatur. Er geht dabei von drei Ursachen des Erwachens aus, wobei die erste (die 'Ursache der Erlangbarkeit') mit Buddhanatur identifiziert und in drei Arten differenziert wird:
Zitat Die Ursache der Erlangbarkeit ist die Soheit (Tathātā), die sich in der
doppelten Leerheit (von Personen und Dingen) offenbart. Wegen dieser Leere,
d.h. der Substanzlosigkeit und wechselseitigen Bedingtheit aller Phänomene,
können bodhicitta, prayoga usw. bis hin zum dharmakāya am Ende des Pfades
'erlangt' werden. Deswegen wird diese Ursache 'erlangen können' genannt.
Die prayoga-Ursache wird
bodhicitta [etwa: Geist des Erwachens] genannt. Mit diesem Geist kann man die
37 Glieder der Erleuchtung, die zehn Stadien (daśabhūmi) des Bodhisattva, die
zehn Vollkommenheiten (pāramitā) und am Ende den dharmakāya erlangen. Dies wird
die prayoga-Ursache genannt.
Die vollständige Erfüllungs-Ursache ist prayoga. Mit diesem prayoga
erlangt man vollständige Erfüllung von beidem, Ursache und Frucht [der
Buddhanatur]. Mit Erfüllung der Ursache ist tugendhaftes und weises Handeln
gemeint. Vollendung der Frucht wird konstituiert durch die drei Tugenden der
Weisheit, des Abschneidens von Täuschungen und liebenden Mitgefühls.
Von diesen drei Ursachen hat die erste als grundlegende Natur
nicht-bedingte Soheit, die beiden anderen bedingte Entschlossenheit und
bedingtes Handeln.
In der Ursache der Erlangbarkeit
gibt es drei Arten von [Buddha-]Natur: die in sich selbst weilende, die
hervortretende Natur und die erlangende Natur. Die Aufzeichnungen sagen, die in
sich selbst weilende Natur ist [Buddhanatur] im Stadium der gewöhnlichen
Person, die noch nicht mit buddhistischer Praxis begonnen hat; die
hervortretende Natur ist [Buddhanatur] im Stadium des buddhistischen
Praktizierenden vom ersten Erwachen des Geistes an bis zur Vollendung des
Weges; die erlangende Natur ist [Buddhanatur] im Stadium der Person, die den
buddhistischen Weg vollendet hat.
Fo Xing Lun 794a
Um es noch etwas komplizierter zu machen gibt es da auch noch drei Nicht-Naturen:
Zitat
Die drei Nicht-Naturen sind: die ohne-Merkmal-Natur, die ohne-Geburt-Natur
und die ohne-Wirklichkeit-Natur. In diesen drei Naturen zusammen erschöpft sich
die Tathāgatha-Natur.
In welchem Sinn? Zusammen konstituieren sie ihre Essenz.
Was mit der ohne-Merkmal-Natur gemeint ist, ist die Tatsache, dass
alle dharmas ['Dinge'] nur Namen und Worte sind; ihrer Eigennatur fehlen Merkmale und Form. Die
ohne-Geburt-Natur bedeutet, dass alle dharmas durch Ursachen und Bedingungen
ins Sein treten, sie können sich nicht selbst erzeugen. Da weder sie selbst
noch anderes [ihr Entstehen] vollendet, wird es ohne-Geburt-Natur genannt. Die
ohne-Wirklichkeit-Natur bedeutet, dass, da allen Dingen das Merkmal der
Wirklichkeit fehlt, es [auch] keinen anderen Besitzer von Wirklichkeit gibt, durch
den Wirklichkeit erlangt werden kann.
Fo Xing Lun 794a-b
Schon das Ratnagotravibhāga, das durch Paramārthas Übersetzung (dieser ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Autor des Fo Xing Lun, als dessen Übersetzer er traditionell gilt) nach China kam, differenziert den Begriff Buddhanatur stark bzw. untersucht ihn unter zehn Aspekten, wobei hier nicht der Ort ist, das tiefer auszuführen:
Zitat
Wesen,
Ursache, Frucht, Funktion,
Begabung,
Manifestation, Phasen,
Alldurchdringen
der Soheit, Stetige Unveränderlichkeit und Untrennbarkeit der Qualitäten
sollte man in ihrer Zielrichtung so verstehen, dass
sie die letztendliche Sphäre beschreiben.
Nochmals: im China des 9. Jahrhunderts (also zu der Zeit, als Zhaozhou Congshen lehrte) war der Begriff 'Buddhanatur' bzw. Tathāgathagarbha um Etliches komplexer als 500 Jahre davor, als das Tathāgathagarbhasūtra abgefasst wurde und dieser Begriff damit erstmals in den buddhistischen Diskurs eingeführt wurde.
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