Beiträge von void im Thema „Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?“

    Es passt hier vollkommen. Denn genau das ist das Problem. Dass hier eine sehr schwer zu kontrollierende GrundBegehrung des Menschen in eine "buddhistische Praxis" integriert wird. Es ist einer der stärksten Begehrungen schlechthin.

    Die Denkweise ist die, dass wenn etwas so mächtig ist, es auch etwas sein kann, was man nutzen kann, indem man die Energie umlenkt. So wie man einen Brand eindämmen kann, indem man Gegenfeuer legt. Auch hier klingt ja die Idee Feuer mit Feuer bekämpfen zu können erst einmal unglaubwürdig und "verwegen".


    So ist die Idee Sexualität als Mittel zur Befreiung zu nutzten auch sehr verwegen. Man versucht den Tiger zu reiten statt ihn mühsam zu besänftigen.

    Ich glaube es kommt sehr darauf an, an welchem Punkt man genau steht. Jamand hat Entsagung mal als ein Schwimmen gegen den Strom bezeichnet. Wo es einerseits gut ist, nicht mitgerissen zu werden, wo man aber auch nicht seine eigenen Kräfte überschätzen sollte und zu schnell schwimmen sollte, weil man sonst erlahmt. Wa die richtige Geschwindigkeit ist, hängt ganz stark von einem selbst ab.


    Und da kann es ja wirklich sein, dass jemand sich für einen grossen Asketen hält und sich jegliche Freude versagt, aber dann nur unglücklich ist, weil er in Wirklichkeit enorm daran haftet. Ich denke für viele ist es besser, ein guter Haushälter zu sein als ein schlechter Mönch, der sein Gelübte nicht halten kann. Aber nur weil für uns slber, die Vorstellung auf Sex und Spaziergänge zu verzichten verdrießlich ist, muss das ja für andere nicht unbedingt gelten.


    Von daher zeigt deine Unterscheidung in positive "sinnlichen Vergnügen" und negative "sinnliche Vergnügen" eher an, was für normale Leute gilt. Während ich happy bin, wenn ich 3 Studen die Woche laufe und es meiner Fitness gut tut, während es für einen Profiläufer ein Fiasko, so wenig zu läufen. Es ist doch ganz normal, dass es das ganz unterschiedliche Niveaus gibt.


    Wenn wir von der ersten Liste an sinnlichem Vergnügen den letzten Punkt streichen:

    Bist Du dann immer noch der Auffassung, dass jeder Wunsch nach solchen sinnlichen Vergnügen gemäß der Buddhalehre eliminiert werden soll oder nur eine eventuell vorhandene Gier danach?


    Kurzum: Glaubst Du allen Ernstes, dass ein "Befreiter" keinerlei Präferenz mehr hat, auf einem Spaziergang die schöne Natur zu bewundern, statt z.B. auf seine eigenen Füße zu schauen?

    Im Deutschen bedeutet Gier ein unmäßiges, maßloses Verlangen.Im buddhitischen Kontext wird das Wort Gier häufig zur Übersetzung von lobha verwendet. Wobei lobha jede Art von Begehren bezeichnet. Alles wo man wünscht, das es da wäre und unglücklich wird, wenn man auf es verzichten muss. Also auch ganz normale Freuden.


    Wer nicht am verdursten ist, giert nicht nach Wasser, aber je näher man sich dem Verdursten nähert, desto mehr nähert sich das ganz "normale Bedürfnis" der Sucht des Junkies an. Gerade wenn man mit sehr alten Leuten zu tun hat, die zu viele für uns "ganz normalen Freuden" nicht mehr fähig sind merkt man, was da für eine tiefe Sehnsucht dahintersteckt. "Einmal wieder sehen können! Einmal wieder wandern können! Einmal wieder Speisen schmecken können". Wenn man im Alterheim rumfragen würde, welche Untaten jemand begehen würde, um im Autausch dafür seine Jugend zurückzuerhalten wäre, kann ich mir vorstellen, dass die Ergebnisse verstörend wären.

    Da die Diskussion inzwischen wieder sehr emotional verläuft, möchte ich mich darauf beschränken, erneut auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zu verweisen:


    Zitat

    Neuere Forschungen haben ergeben, dass wir ausreichenden und wohlmeinenden Körperkontakt brauchen, um zentrale Körperfunktionen wie beispielsweise unseren Wärmehaushalt, unser Immunsystem und Herz-/Kreislaufsystem zu regulieren. (Juhan, Bauer u. a.)

    Körperkontakt – Wikipedia

    Ich kann für diesen Satz überhaupt keine Quelle finden. Ich denke es ist gut erforscht, wie wichtig der enge Köperkontakt zwischen Säugling und Bezugsperson für die Gesundheit eines Babies ist. Es ist ja wohl gut erforscht, dass Babies ohne engen Köperkontakt geradezu verkümmern können aber auch anfälliger für Krankheiten sind. Aber wo wird denn belegt, dass das nicht nur für kleine Kinder gilt?


    Gibt es wirklich jemanden der behaupteten, Erwachsene bräuchten Körperkontakt um Wärmehaushalt, Immunsystem und Kreislauf zu regulieren. ich wäre für Quelle jeneseits der wiki dankbar.

    Im Prinzip ist doch das "Zärtliche" einfach das Zarte - also das Achtsame und Rücksichtsvoll, das das Gegenteil des Groben und Rücksichtslosen ist.


    Von daher hält doch der Buddhismus zu Zärtlichkeit und Anmut selbst in den banalsten Bewegungen an.


    Vielleicht ist es so, dass je weniger Zärtlichkeit man in sich trägt man desto abhängiger davon ist, das von wo anders zu bekommen.

    Das kann ich aus eigener Anschaung bestätigen. In Indien gibt es ganz ohne christlichen Einfluss eine puritanische und unglaublich verklemmte Einstellung zu Körperlichkeit und Sexualität. Ohne Aufforderung darf man einer Frau nicht mal die Hand geben.


    Gibt es irgendwelche Hinweise, dass das vor 2500 Jahren anders war?


    Liebe Grüße, Aravind.

    Zu Buddhas Zeiten waren Frauen bestimmt nicht gleichberechtigt, aber sie besassen wohl noch viele Rechte, die ihnen erst später aberkannt wurden.


    In ancient India, women occupied a very important position, in fact a superior position to, men. It is a culture whose only words for strength and power are feminine -"Shakti'' means "power'' and "strength.'' All male power comes from the feminine. Literary evidence suggests that kings and towns were destroyed because a single woman was wronged by the state. For example, Valmiki's Ramayana teaches us that Ravana and his entire clan was wiped out because he abducted Sita. Veda Vyasa's Mahabharatha teaches us that all the Kauravas were killed because they humiliated Draupadi in public. Elango Adigal's Sillapathigaram teaches us Madurai, the capital of the Pandyas was burnt because Pandyan Nedunchezhiyan mistakenly killed her husband on theft charges.

    In Vedic times women and men were equal as far as education and religion was concerned. Women participated in the public sacrifices alongside men. One text mentions a female rishi Visvara. Some Vedic hymns, are attributed to women such as Apala, the daughter of Atri, Ghosa, the daughter of Kaksivant or Indrani, the wife of Indra. Apparently in early Vedic times women also received the sacred thread and could study the Vedas. The Haritasmrti mentions a class of women called brahmavadinis who remained unmarried and spent their lives in study and ritual. Panini's distinction between arcarya (a lady teacher) and acaryani (a teacher's wife), and upadhyaya (a woman preceptor) and upadhyayani ( a preceptor's wife) indicates that women at that time could not only be students but also teachers of sacred lore. He mentions the names of several noteworthy women scholars of the past such as Kathi, Kalapi, and Bahvici. The Upanishads refer to several women philosophers, who disputed with their male colleagues such as Vacaknavi, who challenged Yajnavalkya. The Rig Veda also refers to women engaged in warfare. One queen Bispala is mentioned, and even as late a witness as Megasthenes (fifth century B.C. E.) mentions heavily armed women guards protecting Chandragupta's palace.


    Es ist interessant , das im Gegensatz zu heute, wo ja sexuelle Befreiung und Feminismus zusammen gedacht werden, es in vielen Zeiten genau anders rum war. Sexualität war für die Frauen mit der Festlegung auf eine bestimmte Rolle (Lustobjekt, Mutter, Gattin, Braut) verbunden und Gleichberechtigung gab es eher dort wo man asketisch auf Sexualität verzichtete.


    Auch bei uns gab es ja bis 1918 noch den Lehrerinnenzölibat , in dem sich ausdrückte das Frauen damals als Lehrerinnen einen Beruf ausüben durften, dies aber bedeutete, dass sie gefälligst auf Heirat, Kinder und Sex zu verzichten hatten.

    Nein, das würde mich sogar wundern, wenn dies in den Lehrreden gewürdigt und gewertschätzt würde, und zwar aus mehreren Gründen.


    Zum einen überschätzt Du den Metta-Aspekt. Genaugenommen ist die Zuneigung, die viele in einer erotischen Beziehung zueinander stehenden miteinander verbindet, gar nicht so sehr Metta. Denn Metta ist dadurch ausgezeichnet, dass es keinen Unterschied macht:

    Die Zuneigung zweier Liebender ist aber aufeinander bezogen, schließt Dritte normalerweise aus in der Intensität, es geht eben um den

    significant other.

    Ein wenig OT: Lange Zeit sah man das Hormon "Oxytocin" als ein Kuschelhormon weil es eben besonders in Momenten der Innigen Verbundenheit freigesetzt. Bei Mutter und Kind die miteinander schmusen, aber eben auch bei Liebenden. Es reduziert von Stress, dämpft Aggressivität und fördert Empathie und Vertrauen. Nach diesen Ergebnissen sah man das Hormon als so eine Verköperung von "Love und Peace" was einen so zum Blumenkind macht. Von daher war man überascht, als man feststellte, dass Oxytocin auch eine andere Seite hat:

    Neuere Experimente lassen sogar eine antisoziale Schattenseite des Kuschelhormons vermuten. So fanden israelische Psychologen eine oxytocinbedingte Verstärkung unschöner Emotionen wie Neid und Schadenfreude. Andere Studien legen nahe, dass sich die prosozialen Wirkungen des Stoffs nur unter vertrauten Gruppenmitgliedern zeigen, Fremde dagegen umso stärker ausgegrenzt werden.

    Und das ist denke ich kein Zufall, sondern es liegt in der natur der Sache, dass "Inniglichkeit" gleichzeitig eine aushgließende Wirkung hat.


    Ich will damit die Diskussion nicht vom Buddhismus zum thema Hormone und Wissenschaft wegführen, sondern bringe das nur, weil es eine Bestätigung der buddhitischen Sicht ist, in der ja ebenfalls die Schattenseiten der "partnerschaftlichen Inninglichkeit" betont werden

    .

    Im Prinzip ist doch der Unterschied zwischen Laien und Ordinierte graduell. Es ist eine Frage dessen, auf wie viel man verzichtet und welche Gelübte man einhält. Und da gibt es bestimmt auch einen Platz für Leute, die auf vieles verzichten, aber nicht auf Sexualität. In Japan gibt es ja z.B Zen-Priester und auch verheiratete Äbte. Aber wenn ich von einem "Theravada-Mönch" höre dann ist der ja nach der "Schule der Alten" und von daher würde ich da erwarten, dass der gemäß der Tradition an die Vinaya Regeln des Thervada lebt. Wobei ich denke dass es auch in Theravada Ländern Leute gibt, die weite Jahre ihres Lebens in Klöstern leben, aber wenn sie nicht dort leben eine Beziehung haben. Die würden halt eben nicht als Ordinierte im Sinne des Vinaya des Theravada gelten.

    Ja. Und Fesseln in der damaligen Zeit meinte wirklich Fesseln: Ein sehr kurze Lebenserwartung, Versorgerpflichten für Partner und Kinder, starke gesellschaftliche Kontrolle.

    Die 1-zu-1-Übertragung des damaligen indisch geprägten Haushälterbegriffs in einer Agrargesellschaft auf das heutige anonyme Großstadtleben (oft als Single oder in Kleinstfamilien) funktioniert mMn nicht ohne weiteres.

    Ich habe gelesen, daß der Begriff "Haushälter" im vedischen Verständnis vor allen einen Lebensabschnitt bezeichnet.

    "Haushälter" bedeutet also nicht einfach Laie sondern, daß die Verantwortung für Familie und Lebensunterhalt von anderen auf den Schultern ruht:

    Ein brāhmana durchläuft während seines Lebens im allgemeinen vier Stadien. Das erste Stadium wird brahmacarya (Schülerstand) genannt, das zweite grhastha(Haushälterstand), das dritte vānaprastha (Leben in Zurückgezogenheit) und das vierte sannyāsa (völlige Loslösung von weltlicher Bindung). Das dritte Stadium beginnt, wenn die Kinder erwachsen sind und die ersten Enkel heranwachsen.

    Ich denke, da Sexualität und Kinderkriegen damals noch eng verbunden waren, war jegliche Sexualität potentiell mit großer Verantwortung für werdendes Leben verbunden.

    Das störende ist ja nicht die Sinnlichkeit selber sondern das Verlangen danach. Und ich hatte es so verstanden, dass innerer Friede bedeutet, das Verlangen zur Ruhe kommt. Wobei ich nicht weiss, ob dieser Gegensatz zwischen "Frieden und nicht Frieden" wirklich so besteht. Vom Meditieren her weiss ich, dass man auch sehr im Frieden sein kann, ohne dass das so toral, die Abwesenheit von Schmerzen oder Gedanken bedeuten müsste. Aber wie ist das bei vollständiger Befreiung?

    Ihre Reaktion darauf war: "Was soll das denn: Sex macht doch Spaß!"


    Das man miteinander schläft ist selber eigentlich selten ein Problem - es macht Spaß, intensiviert die Beziehung und macht meist alle Beteiligten. glücklich.


    Der Hauptgrund dafür, dass Sexulität im Buddhismus so negativ gesehen wird ist der, daß es im Buddhismus darum geht, unabhängig von den Umständen glücklich zu sein. Wobei da dann besonders angenehme Umstände eine Herausforderung sind. Wenn man jemanden egal wann und wo befragt, was er denn gerade lieber täte, als das was er gerade tut, ist "Geschlechtverkehr haben" eine sehr wahrscheinliche Antwort. Eben weil Sex Spaß macht, ist es das Paradebeispiel für "Was würdest du lieber machen als das hier"- also für Begierde.


    Heroin soll auch sehr glücklich und entspannt machen. Es führt also ebenfalls zu einem schönen Zustand. Aber jeder vernünftige Menschen fällt ein, dass man dann dafür, wenn man das Zeugs nicht hat um so angespannter und unglücklicher ist. Ist es bei der Sexaulität vielleicht auch so? Ist es auch so, dass das Licht einen Schatten wirft?


    Ich möchte echt nicht auf Sexualität verzichten, aber wenn ich so zurückdenke, dann war ich so als Kind (vor der Sexualität) nicht wirklich unglücklicher. Irgendwie war die Welt damals bunter, und man hat sich mehr mit Regenwürmern und Baumhäusern beschäftigt. und wenn mich da jemand gefragt hätt was ich lieber hätte als den jetzigen Augenblick, dann hätte es keine Standardantwort gegeben. Ich habe mich schon mal gefragt, inweiweit das Aufkommen der Sxualität in der Pubertät mit dem Verschwinden von Buntheit und Unbeschwertheit zusammenhängt. Ist an dem gestelzten Ausdruck "Seine Unschuld verlieren" am Ende was dran und die Tatsache, dass man sich dann auf einmal für Genitalien und so interessiert, hängt mit einer Abstumpfung in anderen Bereichen zusammen. Sexualität ist ja für viele Erwachene der einzige Bereiche, wo sie sinnlich und verspielt sein dürfen.