Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?

  • Es geht doch darum das es Bedürfnisse gibt die nicht eliminiert werden können. Der Versuch das zu tun nennt man Askese. Da ist es egal welches grundlegende Bedürfnis betroffen ist. Das andere Extrem ist Bedürfnisse so zu steigern das sich Süchte bilden.


    Buddha sagt doch ganz klar wie das zu lösen ist das Ent-Askese und die Entsüchtigung. Das Erkennen des mittleren Weges. Etwas so einfaches das es nur sehr schwer erkannt werden kann.


    Nicht ergreifen. Nicht festhalten an beiden Extremen. Erkennen wann ich festhalte. Nicht loslassen sondern vorbei gehen-lassen oder vorbei gehen. Es ist der Wille der eine Absicht in Festhalten wollen verwandelt. Die Grundbedürfnisse werden transformiert und zu etwas gemacht das ich nicht will, Askese oder zu etwas das ich haben will, Süchte.


    Die Bedürfnisse aller fühlenden Wesen so lassen wie sie erscheinen. Ihre Absichten erfüllen ohne sie mit Askese oder Sucht zu transformieren, in das Persönliche. Der Mensch ist ein fühlendes Wesen. Der Mensch der glaubt Person, Ich, zu sein ist ein aus den fühlenden Wesen transformiertes Wesen das überzeugt ist das es sich unterscheidet vom fühlenden Wesen. Die Person erhebt sich, muss sich erheben, über das nur fühlende Wesen. Nicht die Grundbedürfnisse müssen transformiert werden, sonder das sie als Person transformiert wurden. Der Satz Buddhas: Das ist nicht mein, das ist nicht mein Ich, das ist nicht mein Selbst. hat hier seine volle Wirkung. Es ist nicht die Person die fühlt sondern der Mensch, die Persönlichkeit be-deutet was sie jetzt fühlt und was sie nicht fühlt, ganz nach seiner Persönlichkeit, aber eben nicht als Mensch. Ziel ist Mensch zu sein der genau erkennt welche Person jetzt gebraucht wird.


    Wenn aus allen zehn Richtungen der Wind kommt bin ich die Mitte. Der Mensch ist die Mitte der aus allen Richtungen kommenden Persönlichkeit.

  • Die Person erhebt sich, muss sich erheben, über das nur fühlende Wesen. Nicht die Grundbedürfnisse müssen transformiert werden, sonder das sie als Person transformiert wurden. Der Satz Buddhas: Das ist nicht mein, das ist nicht mein Ich, das ist nicht mein Selbst. hat hier seine volle Wirkung.

    :like:


    Vorbei-gehen-lassen würde ich allerdings als praktische Umsetzung des Los-Lassens verstehen (auf das Zugreifen verzichten), ich kann da keinen Widerspruch erkennen.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Ellviral hat es sehr schön gesagt. Es geht ja nicht darum, dass kein Bedürfnis mehr aufsteigt. Das wäre wohl unmenschlich. Aber es erkennen, ihm zunicken und dann die Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten bzw. nicht an diesem Bedürfnis anhaften. Um nichts anderes geht es. Buddha sagt immer wieder, dass die Anhaftungen und Begierden vernichtet werden. Ob er damit meint, dass man das Aufsteigen jedes Mal erkennt und halt nicht daran anhaftet oder dass sie irgendwann gar nicht mehr auftreten, weiß ich nicht. Ich vermute aber eher Letzteres. Im eigenen Erleben sehe ich, dass Begierden, denen ich nicht mehr nachgebe, schwächer werden. Seltener auftreten. Und ich bin sehr weit davon entfernt, spirituell fortgeschritten zu sein.

  • Im eigenen Erleben sehe ich, dass Begierden, denen ich nicht mehr nachgebe, schwächer werden. Seltener auftreten. Und ich bin sehr weit davon entfernt, spirituell fortgeschritten zu sein.

    Ja, das kann ich bestätigen (auch den letzten Satz :) ).


    Bei Sexualität, Wut und Schokolade glaube ich nicht an ein vollständiges Verlöschen des Auftretens der Begierde.


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Das Bedürfnis, Atem zu holen, ist ein sinnliches Bedürfnis, das ganz offensichtlich durch keine spirituelle Praxis "überwunden" werden kann.

    Wenn ein Mensch keine Luft mehr bekommt, reagiert er mit Panikgefühlen.

    Das ist eine automatische Reaktion des Körpers - und das wird auch bei den von Dir erwähnten 150 Arahants, die leider allenfalls noch in Form von Reliquien aus mehreren Jahrhunderten zirkulieren, der Fall gewesen sein.


    Es gibt also sinnliche Bedürfnisse, die sich durch spirituelle Praxis "überwinden" lassen und andere sinnliche Bedürfnisse, die sich nicht überwinden lassen.

    Nein. Das Bedürfnis nach Atemluft ist nicht das, was man unter "Verlangen nach Sinnlichkeit" ( kāma-taṇhā ) versteht. Genausowenig wie das Bedürfnis nach Nahrung, Schlaf, ausreichender Wärme, nicht übermäßiger Hitze usw. Das sind indisponible Grundbedürfnisse, deren Nichterfüllung definitv mit Krankheit und Tod einhergeht,


    Es geht aber aber nur um die Überwindung von kāma-taṇhā:

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

    • Offizieller Beitrag

    Im Prinzip ist doch das "Zärtliche" einfach das Zarte - also das Achtsame und Rücksichtsvoll, das das Gegenteil des Groben und Rücksichtslosen ist.


    Von daher hält doch der Buddhismus zu Zärtlichkeit und Anmut selbst in den banalsten Bewegungen an.


    Vielleicht ist es so, dass je weniger Zärtlichkeit man in sich trägt man desto abhängiger davon ist, das von wo anders zu bekommen.

  • Die relevante These besteht darin, dass es sinnliche Bedürfnisse gibt, die durch eine spirituelle Praxis (welcher Art auch immer) nicht (oder nicht vollständig) "überwunden" werden können.

    Im Grunde sollte diese These ebenfalls nicht überraschen. Der gesunde Menschenverstand zeigt ja schon, dass sie stimmt: Das Bedürfnis, Atem zu holen, ist ein sinnliches Bedürfnis, das ganz offensichtlich durch keine spirituelle Praxis "überwunden" werden kann. Wenn ein Mensch keine Luft mehr bekommt, reagiert er mit Panikgefühlen.

    Du kannst ja an einer naive Wissenschaft glauben soviel du willst aber

    in der Buddhalehre gilt das nicht. Weder Atmen noch Essen gilt in der

    Lehre des Buddha notwendig auch als Sinnengenuß. Die Atmung und

    Herzschlag kann in der 4. Vertiefung durch die große Beruhigung

    zum Stillstand kommen. Das ein gewöhnlicher Mensch der keine Luft

    mehr bekommt in Verzweiflung und Panik geraten kann ist nichts besonderes.

    Allerdings wird das ein fortgeschrittener Mönch der durch äußere Umstände,

    ohne in Vertiefung zu verweilen keine Luft mehr zum Atmen bekommt

    nicht passieren.

    Er gerät nicht in Verzweiflung und Panik und er klagt und jammert nicht.

    Und wenn er merkt, dies ist der letzte Augenblick in diesem Leben, dann

    bleibt er sich auch dann klar bewußt und bleibt unberührt von solchen

    Wahrnehmungen. Leider haben deine "Wissenschaftler solche Leute

    nicht gekannt. Das bedeutet aber nichts für einen der emotional und geistig

    abgelöst und gleichmütig verweilt. Auch wenn du das nicht zu glauben vermagst.

  • Ich möchte auch noch einmal meine Auffassung zu dem Begriff "Anhaftung" darlegen und zu der Idee, Sex - oder allgemein Genuss - sei doch unproblematisch, wenn er ohne "Anhaftung" daherkommt bzw. vollführt wird.


    Zunächst halte ich die Übersetzung "Anhaftung" für upādāna für nicht sonderlich glücklich, aber wenn ich eine Übersetzung vorschlagen sollte, die in jedem Zusammenhang stimmig ist, dann fällt mir das auch schwer. Die am ehesten allgemein verwendbare Formel scheint mir in dem hier diskutierten Kontext "Ergreifen & Festhalten" zu sein. Dann liest sich die Definition von upādāna wie folgt:

    Insofern ist jede Art von Sex bereits ein "Sich-Einlassen-auf und Teilnehmen an sinnlichen Vergnügen", also ( kāma- )upādānaṃ. Falls es sich dabei nicht um ein Vergnügen handelt, sondern um ein Pflichtprogramm (wie zum Beispiel Ellviral es beschrieben hat), dann ist das ja unmittelbar Dukkha. Falls es sich dabei um ein Vergnügen handelt, dann führt es früher oder später zu Dukkha (Achtung: "Wiedergeburt" inkludiert, also keine überzeugende Argumentation für zum Beispiel Sôhei):

    "... Bedingt durch Sich-Einlassen-auf und Teilnehmen an sinnlichen Vergnügen ist Werden ( bhava ); bedingt durch Werden ist Geburt; bedingt durch Geburt entstehen Altern und Tod, Sorge, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung. So ist der Ursprung dieser ganzen Masse von Dukkha."

    Nun könnte man sagen, es würde ja genügen upādānaṃ zu überwinden, also das Ergreifen & Festhalten zu unterlassen, während das Verlangen doch bestehen könnte. Aber das wäre dann ja unmittelbar Dukkha:

    "Und was, Freunde, ist die Edle Wahrheit von Dukkha? Geburt ist Dukkha; Altern ist Dukkha; Tod ist Dukkha; Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung sind Dukkha; nicht bekommen, was man sich wünscht, ist Dukkha; kurz, die fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird, sind Dukkha."

    Es hilft also nichts, das Verlangen ist zu überwinden, um quasi wunschlos glücklich werden:

    Mit dem Ursprung von Verlangen ( tanha ) ist der Ursprung des Ergreifens & Festhaltens.

    Mit dem Aufhören von Verlangen ( tanha ) ist das Aufhören des Ergreifens & Festhaltens.

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Anscheinend möchtest Du sagen, dass jedes Zitat "aus dem Zusammenhang gerissen" ist.

    Üblicherweise wird davon nur dann gesprochen, wenn jemand sinnentstellend zitiert - und so wird der Ausdruck "aus dem Zusammenhang gerissen" üblicherweise verstanden.

    Bei einem sinnentstellten Zitat würde ich von einem sinnentstellten Zitat sprechen.


    : Ich bin sehr offen dafür, wenn Du andere Studien kennst oder nachprüfbare Informationen hast, die auf das Gegenteil hinweisen.

    Das können wir nur an uns selbst beobachten.

    Ich kann an mir beobachten, dass es keine Schwierigkeiten bereitet, sich von der Sexualität zu enthalten.

    Du kannst an Dir nicht beobachten, dass dies möglich ist.

    Was machen wir nun daraus? In einigen Beiträgen zuvor schrieb ich deshalb, dass der Mensch sich beobachten muss und dann feststellen kann,wo er steht. Zwänge,egal in welche Richtung, funktionieren nicht, weil jeder Mensch anders durch seine Natur beherrscht wird.


    Denn manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen. Wer es erfassen kann, der erfasse es.


    Beispielsweise wäre für mich interessant: Gibt es überhaupt eine buddhistische Tradition, von der genügend Erfahrung vorliegt, um verlässlich sagen zu können, dass die praktizierenden Mönche auf "wohlmeinenden Körperkontakt" komplett verzichten?

    Das kann ich Dir nur sagen. Ich kann lediglich aus einer nichtbuddhistischen Position und Erfahrung heraus feststellen, dass es keinen Grund gibt, Zölibat und Enthaltsamkeit als ein unerreichbares Hexenwerk zu brandmarken. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass sich an der Sexualität wirklich zeigt, wo man steht.

  • Ich mag das Wort loslassen nicht. Denn es geht eigentlich nicht darum etwas los zulassen sondern zu erkennen wann ich zugreife und festhalten will. Das loslassen ist dann genau richtig, denn wie soll ich das Festgehaltene frei geben wenn nicht mit loslassen. Ich bin mit Deiner Sicht, verwende aus Meinung andere Worte.

  • ch mag das Wort loslassen nicht. Denn es geht eigentlich nicht darum etwas los zulassen sondern zu erkennen wann ich zugreife und festhalten will. Das loslassen ist dann genau richtig, denn wie soll ich das Festgehaltene frei geben wenn nicht mit loslassen. Ich bin mit Deiner Sicht, verwende aus Meinung andere Worte.


    Vielleicht lässt sich Loslassen auf zwei Weisen betrachten:

    Das Loslassen von den Dingen, die man in Besitz genommen hat. Das ist wahrscheinlich der Startpunkt, wenn man sich auf die Reise begibt. So wie man erst einmal sich von allerlei Besitz trennen muss, wenn man Platz in seiner Wohnung haben möchte.

    Später geht es dann darum, sich von den Identifikationsmustern zu lösen, die zur Anhaftung und zur Sammlung von Eigentum führten. Denn dem Ansammeln liegt ja etwas zugrunde, was uns überhaupt erst anhaften lässt.

    Vielleicht verläuft das auch auf verschiedenen Ebenen: Man haftet dem Gedanken des Loslassens an, um diesen zu verwirklichen. Das ist aber auch wieder ein geistiges Konzept, das wir uns aneignen. Man kann es sich (aus einer Einsicht heraus), aneignen (müssen), um Weitergehen zu können.

    Später sollte aber der Effekt so viel Erfüllung bringen, dass wir auch nicht mehr an diesem Konzept anhaften müssen, sondern die Dinge vorbeiziehen lassen, weil wir nicht mehr das Bedürfnis haben, uns diese aneignen zu müssen. So wie in einem Sushi-Restaurant am Band zu sitzen und nicht zuzugreifen: Wir werden uns selbst genug.

    Man macht kleine Schritte: man überwindet die Materie durch eine geistige Bindung. Und nach der geistigen Bindung orientiert man sich auf die Transzendenz, die hinter dem materiellen und geistigen liegt.

  • Bei mir wurde es zur vollkommenen Bewusstheit mit 10. Mein einer Bruder war 2 der zweite 6. Wir lebten damals in eine "Armenbarke, Gemeindehaus" und gehörten dadurch zu den Asozialen(NS-jargon). ein Spruch meiner Mutter: Wir leben wie Asoziale doch müssen wir uns nicht so benehmen.

    Mein Leiden war damals das das ich nichts wirklich als meins bezeichnen konnte weil meine Brüder, wenn sie es mir weggenommen hatten es ihnen von meiner Mutter zugesprochen wurde oder ich wurde ermahnt doch zu teilen während die Brüder beschützt wurden in ihrem Besitz, also nicht teilen mussten. Ich war übrigens das Kind das meiner Mutter ihr ganzes Leben verdorben hatte. Der ungewollte uneheliche Balg.


    Ich bekam von einem, kurze Zeit später verstorbenem, Mann (Ersatzopa), einen Metalbaukasten Weiterleitungshinweis der sehr groß war und ganz aus Holz ein wunderbares Spielzeug für mich, mit sehr vielen unterschiedlichen Teilen. Mit dem Geschenk erfüllte mir dieser Mensch einen Traum den ich garnicht kannte. Der gehörte einzig mir sogar geschützt durch meine Mutter.


    Dann haben wir eine richtige Wohnung gefunden und es ging ans Umziehen. Ich beschütze meinen Kasten. Als alles ausgeräumt war habe ich den hinter dem Schornstein versteckt. Ganz bewusst nicht mitgenommen sondern für ein Kind zurückgelassen das ihn vielleicht wieter beschützt. Das Risiko das er nicht gefunden wird oder von jemanden anderen zerstört wurde war mir lieber als das er meinen Brüdern gehört. Denn mir war klar das ich in der Neuen Wohnung wieder nichts für mich halten kann was sich auch als Wahrheit herausstellte. doch mit diesem bewussten Akt konnte mich Besitz nicht mehr gefangen nehmen. Das ist nicht mein, es gehört mir nur auf Zeit. Wie Bekleidung irgendwann ist sie nicht mehr meine.

  • Mit dem Thema hat es in dem Sinn zu tun das sich diese Wahrheit durch mein ganzen Leben zog immer wenn ich etwas wollend in Besitz nehmen wollte, als Mein glauben wollte, sah ich den Versteckten Stabilbaukasten. Ich konnte nichts mehr als Mein bezeichnen ohne den Faktor "auf Zeit" außer Acht zu lassen. Sexuelle Handlungen meinerseits war immer auf Zeit. Wenn jemand versuchte mich als seinen Besitz zu integrieren kam es sicher zum Bruch. Kein Mensch kann jemals irgendwas wirklich auf Ewig besitzen.

    Jetzt wird mir gerade klar das da die Unfähigkeit liegt zu einer Gruppe zu gehören. Es ist nicht so das ich nicht zu vielen Gruppen gehöre doch wenn sie mich als Ding der Gruppe integrieren wollen gehe ich. Ich folge meiner Meinung nur so lange bis ich sie als Besitzt, Mein Wissen, Meine Wahrheit erkenne.

  • Ich kann lediglich aus einer nichtbuddhistischen Position und Erfahrung heraus feststellen, dass es keinen Grund gibt, Zölibat und Enthaltsamkeit als ein unerreichbares Hexenwerk zu brandmarken. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass sich an der Sexualität wirklich zeigt, wo man steht.

    Du möchtest behaupten, dass die "Überwindung" der Sexualität ein wesentliches Kriterium für spirituellen Fortschritt ist?


    Da Du vor einem christlichen Hintergrund argumentierst, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass die christliche Sexualmoral im Laufe der Jahrhunderte wenig Gutes gestiftet, dafür aber bei unzähligen Generationen verheerenden seelischen Schaden angerichtet hat.

    Als Klassiker zu diesem Thema kann ich Dir Karlheinz Deschners "Das Kreuz mit der Kirche. Eine Sexualgeschichte des Christentums" empfehlen.


    Damit möchte ich keineswegs ausschließen, dass es auch viele Christen gegeben hat und gibt, die einen Verzicht auf Sexualität als befreiend erleben und bei denen das ein Teil ihres spirituellen Fortschritts ist.

    Leider sind die negativen Folgen der repressiven christlichen Sexualmoral sehr umfangreich und erschreckend. Das beginnt bei weit verbreiteter Heuchelei (viele Klöster waren regelrechte Bordelle) und endet bei den unzähligen Missbrauchsfällen bis zur Gegenwart, die sehr häufig durch die Kirche vertuscht wurden.


    Die repressive Sexualmoral ist dabei ein Teil dieses Sumpfes an moralischer Korruption.

    Bekannt ist auch das Phänomen, dass eine repressive Sexualmoral einhergeht mit einer Zunahme von Feindseligkeit und regelrechtem Sadismus. Die eigenen Triebimpulse von sexuell "enthaltsamen" Männern werden beispielsweise auf Frauen projiziert. Die Frau wird dadurch zur Hexe, zur bösen Verführerin, mit dem Teufel im Bunde.


    Was hat das jetzt mit dem Buddhismus zu tun?

    Sexualität wird im Buddhismus ja nicht als etwas Böses verteufelt, sondern nur als ein Hindernis auf dem Weg zur Befreiung betrachtet, das es zu überwinden gilt. Insofern gibt es Unterschiede zur christlichen Sexualmoral.

    Dennoch sind die Parallelen sehr auffällig: Die Unterdrückung der Frauen gerade im Theravada ist ganz offensichtlich. Mönche gehören dabei oft zu den reaktionärsten Befürwortern dieser Unterdrückung.

    Die Frau ist als Dienerin und Unterstützerin des Klosters willkommen, ihr wird dafür eine "gute Wiedergeburt" versprochen, darüber hinaus bleibt ihr aber echte Partizipation verwehrt. Wenn überhaupt Frauen-Ordination zugelassen wird, sind die Nonnen systematisch benachteiligt und müssen oft unter miserablen Bedingungen leben.

    Der feindselige Sexismus mancher Mönche erinnert dabei doch sehr an das Christentum, bei dem die repressive Sexualmoral zu Projektionen und zur Verteufelung der Frau als Verführerin des "keuschen" Mannes geführt hat.


    Kurz gesagt: Bei vielen Menschen (vor allem Männern) führt Enthaltsamkeit zu einer Zunahme von Aggression, Feindseligkeit und Intoleranz.

    Das ist nicht im Sinne der Buddha-Lehre, kann aber die Konsequenz sein.


    Deshalb sollte man "spirituellen Fortschritt" besser an dem Wachstum von Gleichmut, Mitgefühl und Einsicht messen.

    Wenn im Zuge der Enthaltsamkeit feindselige Reaktionen und Aversionen zunehmen, möchte ich nicht von einem spirituellen Wachstum sprechen, eher von dem Gegenteil.

  • Deshalb sollte man "spirituellen Fortschritt" besser an dem Wachstum von Gleichmut, Mitgefühl und Einsicht messen.

    Wenn im Zuge der Enthaltsamkeit feindselige Reaktionen und Aversionen zunehmen, möchte ich nicht von einem spirituellen Wachstum sprechen, eher von dem Gegenteil.

    Das sehe ich auch so. Sexualität zu unterdrücken ist erst mal vor allem ein Willensakt. Im Gleichmut gegenüber den Trieben, ohne sie zu unterdrücken, zeigt sich der Fortschritt (u.a.).


    Das ist natürlich eine klassische orthodoxe Idee: Man greift sich das Thema raus, das für die meisten Menschen am schwierigsten zu verändern ist, und behauptet, der Fortschritt in Bezug auf alles andere wäre Kinderkram.

    Wo stehe ich da selbst: Ich würde sagen, eher abseits. :) Die Überwindung von Sexualität und romantischen Beziehungen steht noch nicht mal auf meiner spirituellen Todo-Liste.


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Vielen Dank für Dein kritisches Argument!


    Es scheint allerdings ein ungültiges Argument zu sein, da es auf einer begrifflichen Kategorisierung beruht, die ich ja gerade in Frage stelle.

    (Man nennt das "petitio principii".)



    Meine Argumentation war: Es gibt eine große Anzahl sinnlicher Bedürfnisse. Manche davon können durch spirituelle Praxis "überwunden" werden, andere nicht - und daneben gibt es sinnliche Bedürfnisse, die offenbar eine Mittelstellung einnehmen, die also durch Übungen verändert, aber i.d.R. nicht vollständig eliminiert werden können.

    Wenn in den Lehrreden nun ausschließlich eine bestimmte Kategorie von Sinnlichkeit per Definition exklusiv als "Verlangen nach Sinnlichkeit" bestimmt wird, besagt das nichts in der Sache. Definitionen entscheiden keine Sachfragen.

  • Lieber Accinca, dass bei der Jhana-Praxis "Atmung und Herzschlag zum Stillstand kommen können", ist ein Anekdötchen, das manche Lehrer erzählen. Dem solltest Du keinen Glauben schenken.


    Oder möchtest Du auch glauben, dass Du durch die Jhana-Praxis übernatürliche Fähigkeiten erwerben kannst?

    Zitat

    magische Kräfte und Fähigkeiten wie Gedankenlesen, das Wetter beeinflussen, übers Wasser gehen, sich durch die Lüfte oder Felsen bewegen, Krankheiten spontan heilen, Unverwundbarkeit oder Tote zum Leben erwecken

    Siddhi – Wikipedia


    Ja, einige solcher Fähigkeiten werden im Pali-Kanon als Ergebnis der Jhana-Praxis aufgeführt.

    Möchtest Du alles glauben, was dort geschrieben steht?

    Bist Du bereit, zumindest in Erwägung zu ziehen, dass solche Aussagen Übertreibungen sind oder einfach nur Aberglauben?


    Und warum regt es Dich so auf, wenn jemand kritische Fragen stellt und Argumente vorbringt?

    Wäre es da nicht sinnvoll, den Gleichmut, den Du predigst, auch zu praktizieren?

  • Was in fortgeschrittenen Stufen der spirituellen (oder einfach geistigen) Entwicklung möglich ist, darüber können wir alle nur spekulieren. Da sind alle Ansichten möglich. Es gibt sehr viele Erfahrungsberichte - nicht nur buddhistische - von Personen mit erstaunlichen Fähigkeiten. Dies in Bausch und Bogen als falsch oder Betrügereien abzutun ist übrigens auch unwissenschaftlich.


    Ich kann nur aus meiner Perspektive sprechen. Alles, aber auch alles, was ich bislang mit meiner unvollkommenen und mangelhaften Praxis nach der Lehre des Buddha erlebt habe, hat die Worte des Buddha bestätigt. Jede einzelne Erfahrung. Da war nie was Übernatürliches, nur ganz einfache Sachen - etwa im Hinblick auf Wut, auf Begierden und anderes. Ganz Alltägliches,

    Ob der Buddha sich in vielen Dingen geirrt hat oder ob im Palikanon vieles steht, was der Buddha nicht meinte, kann ich nicht beurteilen. Aber meine Erfahrung, dass sich Buddhas Worte in meinem Leben bestätigen, wenn ich nach seinen Anweisungen verfahre, lässt in mir doch die Vermutung hochkommen, er könnte auch mit weiterführenden Aussagen recht haben.


    Ich schließe daher nicht aus, dass es besondere Fähigkeiten gibt. Aber wie gesagt - das ist Spekulation und ist ja eigentlich auch nicht Thema dieses Threads. Betonen möchte ich aber nochmals, dass sich Deine "kritischen Argumente" auf wissenschaftliche Studien stützen, die etwas ganz anderes untersucht haben, als in diesem Thread ursprünglich diskutiert werden sollten. Sie helfen daher nicht weiter.

    Wäre es möglich, den Buddha - oder jemand anderen Verwirklichten - wissenschaftlich zu untersuchen, wäre das was Anderes.


    Ich glaube, Anccinas "naive Wissenschaft" bezieht sich genau darauf - sie untersucht den dualen, materialistischen Geist und macht da enorme Fortschritte. Ob es darüber hinaus für den menschlichen Geist möglich ist, spirituell über den dualen Geist "hinauszugehen", ist bislang nicht wissenschaftlich bewiesen oder widerlegt.

    Das muss man wohl selbst herausfinden, ganz ohne Wikipedia :D

  • Was in fortgeschrittenen Stufen der spirituellen (oder einfach geistigen) Entwicklung möglich ist, darüber können wir alle nur spekulieren. Da sind alle Ansichten möglich. Es gibt sehr viele Erfahrungsberichte - nicht nur buddhistische - von Personen mit erstaunlichen Fähigkeiten. Dies in Bausch und Bogen als falsch oder Betrügereien abzutun ist übrigens auch unwissenschaftlich.

    Das hast du richtig erkannt. Alles nur Spekulationen und Geschichten. Das ist überhaupt nicht unwissenschaftlich, sondern eine Tatsache. Der der behauptet, trägt die Beweislast und nicht umgekehrt.


    Ich kann nur aus meiner Perspektive sprechen. Alles, aber auch alles, was ich bislang mit meiner unvollkommenen und mangelhaften Praxis nach der Lehre des Buddha erlebt habe, hat die Worte des Buddha bestätigt. Jede einzelne Erfahrung. Da war nie was Übernatürliches, nur ganz einfache Sachen - etwa im Hinblick auf Wut, auf Begierden und anderes. Ganz Alltägliches,

    Ja, der Buddha hat eine geniale Lehre niedergeschrieben. Ganz alltäglich, alltags tauglich, praktisch. Und sehr heilsam.


    Ob der Buddha sich in vielen Dingen geirrt hat oder ob im Palikanon vieles steht, was der Buddha nicht meinte, kann ich nicht beurteilen. Aber meine Erfahrung, dass sich Buddhas Worte in meinem Leben bestätigen, wenn ich nach seinen Anweisungen verfahre, lässt in mir doch die Vermutung hochkommen, er könnte auch mit weiterführenden Aussagen recht haben.

    Hier schreibst du wieder nur von Vermutungen.



    Ich glaube, Anccinas "naive Wissenschaft" bezieht sich genau darauf - sie untersucht den dualen, materialistischen Geist und macht da enorme Fortschritte. Ob es darüber hinaus für den menschlichen Geist möglich ist, spirituell über den dualen Geist "hinauszugehen", ist bislang nicht wissenschaftlich bewiesen oder widerlegt.

    Das muss man wohl selbst herausfinden, ganz ohne Wikipedia

    Wie gesagt, der der behauptet trägt die Beweislast. Ansonsten kommen wir wieder zurück zu den Geschichten und Spekulationen.

    :buddha: Es geht immer darum, sich in die Unannehmlichkeiten des Lebens hineinzulehnen und sich diese ganz genau anzuschauen. :buddha:

  • PhenDe: Drum schreibe ich bei Vermutungen und ja auch "Vermutung." Und Beweislast gibt's nicht, weil ich nichts beweisen will ;) Darum ja auch der Hinweis, dass es mit dem Thread wenig zu tun hat und ich nicht weiß, warum Frieden-und-Freude plötzlich Aberglaube und Übernatürliches einbringt.


    Kurz: Ich weiß nicht, was Du mir konkret sagen willst, Lucky.

    • Offizieller Beitrag

    Da die Diskussion inzwischen wieder sehr emotional verläuft, möchte ich mich darauf beschränken, erneut auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zu verweisen:


    Zitat

    Neuere Forschungen haben ergeben, dass wir ausreichenden und wohlmeinenden Körperkontakt brauchen, um zentrale Körperfunktionen wie beispielsweise unseren Wärmehaushalt, unser Immunsystem und Herz-/Kreislaufsystem zu regulieren. (Juhan, Bauer u. a.)

    Körperkontakt – Wikipedia

    Ich kann für diesen Satz überhaupt keine Quelle finden. Ich denke es ist gut erforscht, wie wichtig der enge Köperkontakt zwischen Säugling und Bezugsperson für die Gesundheit eines Babies ist. Es ist ja wohl gut erforscht, dass Babies ohne engen Köperkontakt geradezu verkümmern können aber auch anfälliger für Krankheiten sind. Aber wo wird denn belegt, dass das nicht nur für kleine Kinder gilt?


    Gibt es wirklich jemanden der behaupteten, Erwachsene bräuchten Körperkontakt um Wärmehaushalt, Immunsystem und Kreislauf zu regulieren. ich wäre für Quelle jeneseits der wiki dankbar.

  • Ich kann für diesen Satz überhaupt keine Quelle finden. Ich denke es ist gut erforscht, wie wichtig der enge Köperkontakt zwischen Säugling und Bezugsperson für die Gesundheit eines Babies ist. Es ist ja wohl gut erforscht, dass Babies ohne engen Köperkontakt geradezu verkümmern können aber auch anfälliger für Krankheiten sind. Aber wo wird denn belegt, dass das nicht nur für kleine Kinder gilt?


    Gibt es wirklich jemanden der behaupteten, Erwachsene bräuchten Körperkontakt um Wärmehaushalt, Immunsystem und Kreislauf zu regulieren. ich wäre für Quelle jeneseits der wiki dankbar.

    In Hinsicht auf Körperkontakt ist, wie du sagst, gut erforscht, dass Babys, die viel am Körper der Mutter getragen werden, kürzer schreien, das
    Schreien bis zur sechsten Woche nicht zunimmt, dass sie abends weniger schreien und länger zufrieden wach sind. Dies wurde aufgrund des Vergleichs mit Säuglingen in anderen Kulturen entdeckt.


    Körperkontakt scheint mir doch eine Form besonderer Intimität. Die Bedeutung intimer Beziehungen für Erwachsene ist jedenfalls gut belegt. Eheleute leiden durchschnittlich seltener unter Erkrankungen des Herzens, entwickeln stärkere Abwehrkräfte und genesen schneller nach Operationen. Hab leider keine Quelle dazu.

  • Es ist ja wohl gut erforscht, dass Babies ohne engen Köperkontakt geradezu verkümmern können aber auch anfälliger für Krankheiten sind. Aber wo wird denn belegt, dass das nicht nur für kleine Kinder gilt?

    Hier Berichte über Studien, dass auch Erwachsene ohne Körperkontakt anfälliger für Krankheiten sind:


    Hugs Help Protect Against Stress and Infection, Say Carnegie Mellon Researchers - News - Carnegie Mellon University


    USATODAY.com - Study: Hugs warm the heart, and may protect it



    Hier ein ZEIT-Artikel dazu:

    "Eine "chronische Berührungsarmut" diagnostiziert Uwe Hartmann, Professor für Sexualmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Fakten bestätigen seinen Eindruck: Der Anteil der Singlehaushalte ist in Deutschland inzwischen auf 41 Prozent angestiegen, Paare führen oft Fernbeziehungen. Und selbst wenn ein geliebter Mensch in der Nähe lebt, ist das noch lange kein Garant für Zärtlichkeiten. In den ersten fünf Jahren einer Partnerschaft wird der Sex deutlich seltener, bleibt dann aber im Mittel über 20 bis 25 Jahre hinweg stabil. Im Alltag indessen berühren Paare einander immer seltener, je länger sie zusammenleben. Viele umarmen den Partner nur noch alle paar Tage, wenn überhaupt. Das zeigen Untersuchungen.

    Zugleich ist die Sehnsucht nach Berührungen bei vielen groß. In Umfragen wirken die Deutschen geradezu liebeshungrig. Fragt man sie, was sie glücklich macht, sagen die meisten an erster Stelle, noch vor dem Zusammensein mit Freunden und Familie, Musik oder einem Spaziergang durch die Natur: eine Umarmung. Jede zweite Frau und jeder dritte Mann sehnt sich sogar mehr nach Kuscheln als nach Sex mit dem Partner.

    Instinktiv spüren wir offenbar, wie gut uns das Geschmuse tut – oder tun würde. Bei Umarmungen schüttet der Körper das Hormon Oxytocin aus, das gegen Stress wirkt. Der Blutdruck sinkt, das Stresshormon Cortisol wird vermindert, Ängste und Schmerzen verblassen. Regelmäßige Umarmungen könnten sogar das Immunsystem stärken und weniger anfällig für Erkältungsviren machen: Psychologen der Carnegie Mellon University in Pittsburgh befragten Probanden nach ihren sozialen Kontakten und infizierten sie dann gemeinerweise mit Erkältungsviren. Die Teilnehmer, die oft in den Arm genommen worden waren, bekamen seltener einen Schnupfen als andere."

    Körperkontakt: Fass mich an | ZEIT ONLINE


    Wie soll man das nun bewerten?

    Es gibt offenbar tatsächlich eine Korrelation zwischen einem Mangel an zärtlichen Berührungen und höherer Krankheitsanfälligkeit und Stress bei Erwachsenen.


    Ob das auch für fortgeschrittene Praktizierende gilt, war ja der Streitpunkt der Diskussion.

    Ich glaube nicht, dass es dazu eine Studie gibt. Dass in den Traditionen, in denen ich bislang praktiziert habe, zärtliche Berührungen oder wohlmeinender Körperkontakt (wie auch immer man das formulieren will) eine Rolle spielen, hatte ich erwähnt.

  • Körperkontakt scheint mir doch eine Form besonderer Intimität. Die Bedeutung intimer Beziehungen für Erwachsene ist jedenfalls gut belegt. Eheleute leiden durchschnittlich seltener unter Erkrankungen des Herzens, entwickeln stärkere Abwehrkräfte und genesen schneller nach Operationen. Hab leider keine Quelle dazu.


    Das betrifft leider überwiegend Männer. Frauen hingegen leben länger und gesünder ohne Mann. Der Ehemann profitiert vor allem von der Fürsorge seiner Frau, denn Frauen leben bekanntermaßen gesünder und bewusster mit ihrem Körper. Im umgekehrten Fall - Fürsorge für die Frau - ist das leider eher nicht so. Ausnahmen gibt es natürlich.

    Auch sind Frauen eher diejenigen, die liebevollen Körperkontakt pflegen, während Männer das üblicherweise gleich als Aufforderung zum Sex verstehen.

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)