Wenn mir etwas besonders gut gelingt, dann empfinde ich große Freude und bin tierisch stolz auf mich. Das ist in Ordnung und muss ich überhaupt nicht infrage stellen.
Realitätsfern wäre es, solche Leistungen immer von mir zu erwarten, die Leistungen anderer nicht ebenso würdigen zu können, mich für "Fehler" oder "Versagen" zu bestrafen, auf andere herabzusehen, andere auf unangemessene Weise zu kritisieren, wenn sie Fehler machen, mein Wissen nicht zu teilen … und letztlich nicht erkennen zu vermögen, dass alles mit allem zusammenhängt und ich niemals etwas ganz alleine und nur durch mich alleine schaffe. Alles ist gemeinsame Anstrengung. Ich ruhe auf den Schultern anderer.
Ich hüte mich also nicht vor meinen Empfindungen, die spontan hervorbrechen und immer am richtigen Platz sind, sondern vor den daraus resultierenden Schlüssen, die ich womöglich ziehe. Der Unterschied ist z.B.: "Das habe ich super gemacht!" und "Ich bin die allerbeste!"*
* Wobei das letzte auch relativ ist, denn wenn ich einen weltweiten Wettbewerb gewinne, dann bin ich in der Tat die Allerbeste. Aber kein Problem, wenn ich das zum einen auf diese bestimmte Tätigkeit beziehe und zum anderen mir dessen bewusst bin, dass das nicht immer so sein wird, und ich in anderen Dingen nicht so gut bin. Kurz: Bodenständigkeit bewahren kann.
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Einmal kann man ganz allgemein feststellen, dass Emotionen und Gedanken nicht fein säuberlich getrennt werden können. Als Gefühl sind sie ja verwoben. Unsere Freiheit betrifft besonders den Anteil des Denkens. Wie du sagst, kann man Gefühle beurteilen.
Um den Stolz zu beurteilen, muss man vielleicht Stolz als Gefühl und Stolz als Haltung unterscheiden. Der „stolze Indianer“ meint was anderes als das tatsächliche Empfinden von Stolz im Hier und Jetzt.
Die allermeisten Eltern empfinden in vielen Situationen Stolz für ihr Kind. Hier ist der Stolz ein hilfreiches, notwendiges, gesundes Empfinden, das dem Kind Selbstwert vermittelt, würde ich sagen.
Ein Talent zu entfalten, das von anderen anerkannt und geschätzt wird, tut sehr gut. Die daraus resultierende Freude ist aber doch bei der Sache. Ich bin dann dafür glücklich, beispielsweise ein guter Fußballer sein zu dürfen und von den Menschen als guter Fußballer geschätzt zu werden. Und natürlich soll man sehr zufrieden sein, wenn es gelingt, dem eigenen Selbstbild zu entsprechen.
Ich würde davon sehr wohl eine Art Rausch unterscheiden, wo emotionale Wellen aus welchen Gründen auch immer ein starkes Empfinden der Verliebtheit herstellen. Dies würde ich als Täuschung bezeichnen. Dieses Gefühl lässt sich durch Alkohol steigern und durch Inszenierung manipulieren.
Das Täuschende am Stolz scheint mir, dass er sich nicht unangenehm anfühlt. Man ist daher geneigt, ihn auch positiv zu beurteilen. Daher ist interessant, eine starke Empfindung von Stolz nachträglich zu beurteilen. War sie angemessen oder war sie vielleicht im Gegenteil sogar ganz unpassend?