Beiträge von Karnataka im Thema „Heilsames stärken, Unheilsames in uns zu verringern“

    Hochmut und Stolz


    Ich würde Stolz von Hochmut unterscheiden. Gemeinsam haben Stolz und Hochmut vermutlich, dass sich auch im Stolz die Vorstellung auf die eigene Person und ihr Wirken auf andere richtet.


    Hochmut bedeutet jedoch, andere herabsetzen zu müssen, um das geliebte Selbstbild aufrecht halten zu können, glaube ich. Das tut der Stolz nicht. Er dienst höchstens dazu, eine für den Selbstwert schwierige Situation erträglich zu machen: Zwar bin ich arm, doch habe ich meine Ehre…


    Stolz ist vermutlich eine angeborene Emotion, die kulturübergreifend erkannt wird (auch wenn Neugeborene sie vermutlich noch nicht brauchen). Kulturelle Aspekte bedingen dann, wie Stolz gezeigt wird. Ein Japaner wird vermutlich nicht mit seinem Reichtum prahlen, Trump darf es hingegen sehr ungeniert.


    Wenn ich eigene Stolzgefühle (im Unterschied zu einer selbstbewussten Haltung) mit Skepsis beurteile, dann, weil ich ihn als eine täuschende Emotion erlebe. Wenn ich beispielsweise eine künstlerische Leistung bringe und mich darüber so besoffen-selbstverliebt fühle, dann zeigt sich regelmäßig, dass ich genau diese Leistung etwas später im Gegenteil als gar nicht gelungen empfinde. Warum ist das so? :?


    Klar ist aber, dass nicht alle Menschen Gefühle in der gleichen Weise erleben. Wann, wie lange und mit welcher Intensität erlebt ein individueller Mensch was? Da gibt es (zum Glück) beträchtliche Unterschiede.

    Einmal kann man ganz allgemein feststellen, dass Emotionen und Gedanken nicht fein säuberlich getrennt werden können. Als Gefühl sind sie ja verwoben. Unsere Freiheit betrifft besonders den Anteil des Denkens. Wie du sagst, kann man Gefühle beurteilen.


    Um den Stolz zu beurteilen, muss man vielleicht Stolz als Gefühl und Stolz als Haltung unterscheiden. Der „stolze Indianer“ meint was anderes als das tatsächliche Empfinden von Stolz im Hier und Jetzt.


    Die allermeisten Eltern empfinden in vielen Situationen Stolz für ihr Kind. Hier ist der Stolz ein hilfreiches, notwendiges, gesundes Empfinden, das dem Kind Selbstwert vermittelt, würde ich sagen.


    Ein Talent zu entfalten, das von anderen anerkannt und geschätzt wird, tut sehr gut. Die daraus resultierende Freude ist aber doch bei der Sache. Ich bin dann dafür glücklich, beispielsweise ein guter Fußballer sein zu dürfen und von den Menschen als guter Fußballer geschätzt zu werden. Und natürlich soll man sehr zufrieden sein, wenn es gelingt, dem eigenen Selbstbild zu entsprechen.


    Ich würde davon sehr wohl eine Art Rausch unterscheiden, wo emotionale Wellen aus welchen Gründen auch immer ein starkes Empfinden der Verliebtheit herstellen. Dies würde ich als Täuschung bezeichnen. Dieses Gefühl lässt sich durch Alkohol steigern und durch Inszenierung manipulieren.


    Das Täuschende am Stolz scheint mir, dass er sich nicht unangenehm anfühlt. Man ist daher geneigt, ihn auch positiv zu beurteilen. Daher ist interessant, eine starke Empfindung von Stolz nachträglich zu beurteilen. War sie angemessen oder war sie vielleicht im Gegenteil sogar ganz unpassend?

    Aus meiner Sicht eine sinnvolle "Praxis". Ich vermute, dass man bei Gefühlen oder Stimmungen, die mit Stolz oder Selbstzweifel (aber auch Konkurrenz oder Desinteresse) zu tun haben, oft eher den kognitiven Anteil wahrnimmt und nicht sogleich die emotionale Färbung des Denkens. Oder ist es für euch selbstverständlich, eine bestimmte Empfindung „live“ als Stolz benennen zu können? Daher macht die Auseinandersetzung auch Sinn, finde ich.


    Wenn bei mir so ein orgastisches Gefühl von Stolz hochkommt, bin ich sehr auf der Hut. Es teilt mir viel eher mit, dass da was mit meiner Wahrnehmung nicht stimmt! Dieses Gefühl, im Stolz zu baden, ist der Realität faktisch nie angemessen, so meine Erfahrung. Es unterscheidet sich für mich doch recht klar von einer freudigen Stimmung der Dankbarkeit, wenn ich Anerkennung durch Mitmenschen interpretiere und tatsächlich erlebe.


    Eine weitere Unterscheidung dürfte in der zeitlichen Länge eines Gefühls liegen. Selbstzweifelgefühle oder Hochmutsgefühle können eine „Charakter“-Eigenschaft, eine Stimmung oder bloß ein spontanes Empfinden bezeichnen. Auch der Begriff der "Würde" wäre zu erforschen. Im speziell religiösen Zusammenhang wäre übrigens zudem die Scheinheiligkeit zu diskutieren. Aber vermutlich betrifft diese eher die bewusste Täuschung, um das Ansehen bewahren zu können oder Ansehen zu erlangen.

    Stolz ist mit einer grossen Selbstzufriedenheit verbunden.


    Von daher ist es verführerisch, jemandem der mit sich im Reinen ist und so in sich Frieden gefunden hat, Stolz zu unterstellen. Zum Stolz gehören aber auch viele Negative Sachen wie z.B sich als besonders wertvoll und herausragend zu sehen. Stolz ist ein Defizit an Demut.


    Man kann aber doch ganz mit sich im Reinen sein, ohne deswegen überheblich zu sein.

    Überlegungen zum unangemessenen Stolz:


    Stolz meint ein Gefühl erhöhter Selbstachtung, das hauptsächlich auf die Vorstellung gesellschaftlichen Ansehens gründet. Umgekehrt signalisieren Empfindungen wie Erhaben, Ehrwürdig großes Ansehen für eine Person.


    Auskunft über die tatsächliche Qualität einer erbrachten Leistung gibt der Stolz eher nicht. Dafür ist der Rückblick ohne Stolz hilfreicher. Gegenüber dem Stolz ist also Skepsis angebracht. Dagegen scheinen mir ein gewisser Wunsch nach Anerkennung und die ehrliche Freude über Anerkennung ein sehr gesundes Empfinden und ein äußerst wichtiger Motivationsfaktor, sich besonders zu bemühen.


    Starkes Selbstvertrauen meint das Gefühl, Herausforderungen gewachsen zu sein. Übertriebener Stolz kann aber Selbstüberschätzung und Hochmut meinen. Thomas von Aquin nannte den Stolz angeblich sogar eine Hauptsünde.


    Den unangemessene Stolz könnte man als Kehrseite des übertriebenen Zweifels interpretieren. Beide können eine realistische Wahrnehmung und gelungene Interaktion mit anderen Menschen sehr beeinträchtigen. Im buddhistischen Kontext wären die Fähigkeit zu Beziehungen gegenseitiger Abhängigkeit und das Empfinden höherer Werte zu nennen, die der unangemessene Stolz beeinträchtigt.