Beiträge von Doris im Thema „Wo fängt Mitgefühl an?“

    Zitat


    In einem Gespräch kamen heute sehr viele "negative" Gefühle in mir hoch. Bisher bin ich damit recht hart umgegangen.

    Heute habe ich mir aber gesagt; "Ich habe das Recht, mich so zu fühlen, denn ich bin verletzt worden."

    Ich habe diese Gefühle in mir aufkommen lassen und mir dann gesagt, dass es mir einfach nicht gut tut, mit viel Rücksicht und Güte zu mir selbst. Ich habe diese Gefühle nicht wie sonst harsch beiseite geschoben, mit dem Wissen, dass es ungut ist, sich so zu fühlen, und siehe da: sie verzogen sich ohne viel Aufwand.



    Alles darf sein und hat seinen Platz, liebe Tara. Das ist Teil des Wunders des Lebens.

    Ich erlebe das so:

    Es gibt keine "negativen" Gefühle. Sie alle sind sinnvoll und haben ihren Platz. Wichtig ist, wie ich mit ihnen umgehe, welche Handlungen ich daraus folgen lasse, nicht ob sie irgendwie "erlaubt" sind. Dieses Stehenlassen ist das Nicht-werten, auch ein Aspekt vom "Abstehen-von".
    Das Mitgefühl ergibt sich aus dem Wissen, dass da Leid ist. Ärger, Zorn, Wut, Neid, Angst usw. – alles Leiden. Ein zorniger Mensch ist nicht böse, er leidet. Und da das jedem so geht, ist es auch logisch, dass es uns auch so ergeht. Also kann ich auch Mitgefühl mit mir selbst haben. Mitgefühl ermöglicht es mir, loszulassen und einen anderen Blick auf die Dinge zu bekommen. Daraus ergibt sich letztendlich, dass ich von schlechten Gewohnheiten eher ablassen kann. Denn alles, was verurteilt wird, wird an eine Kette gelegt, die mich daran bindet, weil eine Emotion mit einer weiteren verknüpft wird, und dann noch einer und noch einer …

    Mit geht es so, wenn ich nicht über eine Emotion urteile, sondern sie annehme, entsteht ein kleiner Raum, in dem ich wieder Platz finde. Ich kann diese Emotion dann betrachten und mich fragen, woher sie kommt, ob es einen Sinn macht ihr nachzugehen, ist etwas im Argen, das einer Änderung bedarf … oder kann ich sie einfach laufen lassen.

    Natürlich habe ich manchmal auch sehr heftiges Leid, sehr unangenehme Emotionen, die ein wenig mehr Aufmerksamkeit benötigen. Dann tröste ich mich selbst, ob das jetzt viel Zorn ist, viel Schmerz oder etwas anderes. Ich mir dann erst mal Mutter. Nie, nie wird sich meine gute Mutter in mir über eine meiner Emotionen ärgern, mich deshalb verurteilen. Sie ist mir stets eine tröstenden, behütende, liebevolle Mutter.

    Ich weiß also, da ist in mir etwas, dem ich immer vertrauen kann. Man kann das auch in einem Gebet zu Gott finden oder wenn man dann Zuflucht zum Buddha nimmt oder zu seinem Lehrer oder auch seinem Hund. Das sind nur exkorporierte innere Mütter.


    Man kann das wirklich lernen, sich selbst beibringen. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.

    Mitgefühl ist angeboren, ein Teil aller Wesen.

    Wo Mitgefühl fehlt, da fehlt gerade der Bezug dazu, dass das Gegenüber ein Wesen ist, es wird als Gegenstand betrachtet.

    Deshalb wenden Menschen immer eine bestimmte Technik an, bevor sie anderen Wesen Schaden zufügen wollen: Sie entmenschlichen sie, sie machen sie zu Dingen. Deshalb ist die Sprache auch so wichtig, denn sie entscheidet, ob etwas Ding oder Wesen ist.


    Meine Beweise?
    Die unzähligen Beispiele von Tieren, die anderen Tieren, nicht nur den Artgenossen, helfen, sie retten, sie adoptieren, Freundschaften schließen, beweisen das. Und der Mensch als Tier tut genau dasselbe. Also: Sobald ein Wesen als Wesen erkannt wird und gerade kein essentieller Hunger oder eine existenzielle Gefahr besteht, ist da Mitgefühl.

    Wenn Kinder Tiere quälen, dann weil ihnen das Bewusstsein fehlt, dass es sich um Wesen handelt.

    Ich gehe auch von meiner eigenen Erfahrung aus. Als ich noch sehr klein war, trampelte ich eines Tages in einer Ameisenstraße herum. Ich fand es lustig, das sich Bewegende auf dem Boden zu treffen. Plötzlich erkannte ich, dass es sich um lebendige Wesen handelte und hörte sofort damit auf. Ich halte das für eine angeborene Verhaltensweise, diese Achtung vor dem Lebendigen. Kein Tier auf dieser Erde tötet aus Jux und Dollerei.

    Wer mir nicht glaubt, dem empfehle ich die Seite The Dodo auf FB. Dort kann man unzählige Beispiele finden, wie Tiere mit Tieren unter den oben genannten Voraussetzungen umgehen. Und Menschen auch, angefangen bei den Kleinsten.
    Die Wissenschaft kann das untermauern, spätestens seit der Entdeckung der Spiegelneuronen.
    Die Verhaltensforschung findet Kooperation und Hilfsbereitschaft bei Kindern schon im vorsprachlichen Alter. Das sind keine erlernten, sondern offensichtlich angeborene Verhaltensweise, die dann durch Interaktion trainiert und ausgefeilt werden.

    Ich denke automatisch zuerst an die Anderen.

    Auf die Idee, das mir das passieren könnte, komme ich gar nicht.

    Erst wenn ich merke, es fehlt mir gerade das Verständnis für so eine Situation, dann stelle ich mir vor, wie das wäre, wenn ich in der Lage wäre. Das hilft mir dabei mich einzufühlen.


    Wie das mit der Sauerstoffmaske ist, weiß ich nicht. Aber ich kenne andere lebensbedrohliche Situationen.

    Da ist auch meine erste Sorge: Wie geht es den Anderen? Während eines Motorradunfalls beispielsweise, galt meine Sorge meinem Partner und Fahrer, dem ich während des endlos erscheinenden Schlitterns auf die Schulter klopfte, um ihm zu signalisieren, dass ich ok bin. Der Schock kam erst danach, als wir den Unfall überlebt hatten.

    Während eines wirklich gefährlichen Fluges, bei dem wir mit dem Leben schon abgeschlossen hatten, dachte ich daran, meine Schwester zu trösten – und sie hatte dieselben Sorgen um mich.


    Da bin ich so klar (ich vermute, das ist ein Notfallprogramm im Gehirn), dass die Sorge um mich automatisiert ist, aber gedanklich die Anderen im Vordergrund sind.


    Ich hatte in früheren Jahren aber auch schon Paniksituationen. Das ist dann wieder was ganz anderes. Panik und Angst sind unterschiedliche Dinge.