Beiträge von Myoho im Thema „Die Grenze“

    Antwort Teil 2:

    Tendai, Ekayana, Nichiren....


    Aus der Sicht der Schulen und Traditionen, welche sich exklusiv auf das Lotos-Sutra berufen ist die Grenze eigentlich sehr klar. Den sowohl Saicho (Dengyo Daishi) als auch Nichiren Daishonin folgen in ihren Ansichten der Doktrin von Tiantai Zhiyi und der damit verbundenen Einteilung der Sutras (Vergleich hierzu: Nichirens Gosho Nr. 187 - Diagramm of the Five Periode of the Buddha's Lifetime Teachings). Dabei muss man generell auch das als Einführung zum Lotos-Sutra geltende Sutra "der unermesslich Bedeutungen" berücksichtigen. Hier tätigt Buddha Shakyamuni die Aussage, das er in den vergangenen Jahren seiner bisherigen Lehrzeit die Wahrheit noch nicht offenbart hat und dies nun mit dem verkünden des Lotos-Sutra tun wird. Er deutet dadurch auch an, dass alle vorangegangenen Sutras vorläufige und hilfreiche Mittel waren um die Wesen mit ihren verschiedenen Neigungen und Tendenzen auf die im Lotos-Sutra verkündete Wahrheit vorzubereiten.


    Ekayana aus der Sicht von Tiantai, Saicho und Nichiren bedeutet also nicht, wie so oft behauptet, dass alle Lehren gleich sind und es egal ist was man praktiziert, sondern dass das Ekayana, das Eine Fahrzeug, das Lotos-Sutra ist in dem Buddha Shakyamuni den Kern seiner Lehren offenbart. Es handelt sich ursprünglich also nicht um die so oft gepriesene synkretische Einstellung. Anmerken möchte ich noch zwei historische Begebenheiten dazu: Sowohl Taintai in China als auch Saicho in Japan stellten sich mit ihrem Konzept des Ekayana einer öffentlichen Debatte mit den Vertretern aller anderen damals ansässigen buddhistischen Traditionen auf Anregung des jeweiligen Kaisers/Herrschers. Beide gewannen die Debatte haushoch und dies ist auch schriftlich in den historischen Annalen der beiden Länder festgehalten.


    Neben Saicho (Dengyo Daishi) gründete auch der Mönch Kukai (Kobo Daishi) eine neue, auf dem Mahavairochana-Sutra aufbauende Schule des esoterischen, also Vajrayana-Buddhismus und gewann damit schnell Anerkennung bei den Herrschenden seiner Zeit, versprach er doch durch esoterische Rituale Regen und Frieden für das Land zu bringen. Kukai selbst schrieb dabei in einer seiner Abhandlungen sehr herablassend über das Lotos-Sutra als ein "Konstrukt kindischer Ansichten" (eigene, sinngemäße Wiedergabe von mir, ich werde versuchen das Original-Zitat nachzureichen). Bei der Tendai-Schule, welche sich natürlich ebenfalls der herrschenden Klasse anbiedern wollte kam es durch den dritten Hauptpriester Ennin (auch als Jikaku bekannt) zu maßgeblichen Abweichung der ehemals von Saicho Gelehrten Doktrin. Ennin entwickelte die Ansicht, dass das Lotos- und das Mahavairochana-Sutra ebenbürtig sein was den Kern betrifft, jedoch das Mahavairochana-Sutra dem Lotos-Sutra überlegen ist was die Praxis betrifft, denn nur das Mahavairochana-Sutra beschreibt auch Mudras und Mantras. Ennin war damit maßgeblich an der Entwicklung des Tendai-Mikkyo (dem Tendai-Vajrayana, auch als Taimitsu bekannt) beteiligt als Gegengewicht zum Shingon-Mikkyo (auch Tomitsu genannt).


    Nichiren Daishonin (genauso wie Dogen Zenji, Honen Shonin und Shinran Shonin) erhielten also alle die Tendai-Mikkyo Ausbildung welche sich bereits weit von der ursprünglichen Doktrin von Saicho und Tiantai entfernt hatte.


    Nichiren Daishonins ursprüngliches Ansinnen war es daher wohl, die Tendai-Doktrin wieder zu ihren ursprünglichen Aussagen zurück zu bringen. Doch im Laufe seiner Studien und seiner Ausübung erwachte er selbst zu der im Lotos-Sutra offenbarten Wahrheit (darum wird er in der Nichiren-Shoshu und der SGI als der "Buddha von Kuonganjo" bezeichnet) und begann daufhin selber das mystische Gesetz zu verbreiten (mystisch in diesem Sinne bedeutet, dass es nicht sofort erkennbar, nicht augenscheinlich oder direkt offensichtlich, also esoterisch im Gegensatz zu exoterisch ist).


    Ist das Lotos-Sutra und die von Nichiren Daishonin gelehrte Praxis nun dem Mahayana oder Vajrayana zugehörig und wo wäre hier die Grenze?


    Der bzw. die von Nichiren Daishonin eingeschriebenen Gohonzon sind in jedem Fall ein Mandala, welches die "Zeremonie in der Luft" darstellt und was im Lotos-Sutra mit dem 11. Kapitel "Das Erscheinen des Juwelenstupa" beginnt und mit dem 22. Kapitel "Das Anvertrauen" endet. Und Nichiren Daishonin umschreibt seine Ansichten dazu in vielen seiner Gosho unter anderem mit Aussagen wie "Suchen sie niemals den Gohonzon außerhalb von sich selbst" oder "das mystische Gesetz findet sich nur im Fleisch Sterblicher" u.v.m.


    Bei der Geisteshaltung wird gesagt, den Geist auf dem dritten Schriftzeichen von "Nam Myoho Renge Kyo" einsgerichtet ("one-pointed") zu halten und die innere Motivation für das Verwirklichen von "Kosen-Rufu" (alles Wesen zur Buddhaschaft zu führen) zu entwickeln, was im Umkehrschluss wieder die Verwirklichung der eigenen Buddhaschaft vorraussetzt.


    Das Daimoku könnte man von der Art der Ausübung mit einem Mantra vergleichen, wobei Nichiren Daishonin diesem Ansatz in seinen Gosho ganz deutlich widerspricht. Es ist mehr der direkte Ausdruck des Buddhazustandes an sich.


    Die Handhaltung bzw. die gefalteten Hände mit der auf spezielle Art und Weise gehaltenen Juzu/Mala darin könnte man mit einer Mudra vergleichen. Denn hier spiegeln die Hände das Konzept der Zehn Welten wieder und die Nichiren-Juzu ist in ihrer besonderen Art unter anderem ein Symbol für die "Zeremonie in der Luft" und dient nicht zum zählen.


    Somit hätten wir alle Elemente einer Vajrayana-Praxis zusammen und auch das Konzept des Tendai-/Shingon-Mikkyo von "Sanmitsu", der Einheit von Gedanke, Wort und Tat.


    Eine letztendliche Grenze wird hier also wohl kaum feststellbar sein (:. Auch wenn da Lotos-Sutra als Mahayana-Sutra gilt und sich Tiantai Zhiyi nie auf esoterische Rituale bezog (es gab zu seiner Zeit keine Vajrayana-Lehren in China und sein Schüler Miaole schrieb später einen Kommentar zu Tiantai's Hauptwerk worin er dann auch die esoterischen Lehren widerlegte), so denke ich, dass Nichiren Daishonin davon beeinflusst war und einige Elemente in seine Ausübung mit einbezogen hat. Für ihn galt jedoch der Grundsatz, das seine Lehre für alle anwendbar und im Alltagsleben umsetzbar und realisierbar ist. Also keine Einweihungen in irgendwelche Geheimnisse, kein erlesener Zirkel von Auserwählten und keine Übungen die nur wenigen Vorbehalten sind. Leider wurde dieser Grundsatz nach seinem Tod bereits von einigen seiner Schülern ignoriert und heute sieht man die Folgen unter anderem darin, dass manche Gosho des Daishonin nicht anerkannt werden, weil sie nicht, wie damals unter der gebildeten Elite üblich, in chinesischer Sprache verfasst wurden oder in der "Aragyo-Praxis" der Nichiren-Shu, einer dreimonatigen Zurückziehung in der die Teilnehmer "esoterische und geheime" Rituale erlernen und die dem normalen "Laien" nicht zugänglich sind.


    Zitat

    Während sowohl im Amidabuddhismus als auch bei Nichiren "hingebende Verehrung" Im Zentrum steht, ist es doch im Vajrayana eher eine "Hingabe hin zur Vereinigung"?

    Es geht im Nichiren-Buddhismus nicht um hingebende Verehrung, auch wenn das manche vielleicht so sehen mögen. Josei Toda (der zweite Präsident der SGI) sagte einmal dazu, das reine Verehrung und blinder Glaube so sinnlos sei, wie wenn man in einen Topf etwas kaltes Wasser und Reis schüttet und dann zum Gohonzon betet der Reis möge doch gekocht werden. Damit der Reis wirklich gekocht wird bedarf es eben, das wir aktiv etwas tun, in diesem Fall den Herd einzuschalten und zusehen, das der Reis nicht anbrennt wenn er das Wasser aufgenommen hat. Und laut Richard Causton beinhaltet das japanische Wort für Glaube (eng. "faith") auch die Bedeutung von "Handlung".


    Der Gohonzon ist ein Spiegel unseres Geistes und dieser muss ganz aktiv jeden Tag poliert werden.:grinsen:


    Ich bitte um Entschuldigung wenn es etwas viel Text geworden ist und manches davon vielleicht nicht ganz den Kern des Ausgangsposts trifft, aber mir war es wichtig auch einige Punkte klarzustellen.


    Mit vielen Grüßen

    _()_

    Myoho

    Antwort Teil 1:


    Tibetischer Buddhismus

    Aus tibetisch-buddhistischer Sicht (und hier beziehe ich mich auf Belehrungen welche ich im Umfeld der Karma-Kagyü-Tradition erhielt) gibt es die Ansicht der drei Fahrzeuge als eine Art Stufenweg. Hinayana als Ausgangspunkt wo der Suchende beginnt sich selbst zu hinterfragen, über die kostbare menschliche Existenz, die vier edlen Wahrheiten usw. reflektiert und versucht einen klaren Geist durch Shamatha-Meditation zu entwickeln. Mahayana öffnet dann den Geist des Praktizierenden zu einer weiteren und altruistisch geprägten Perspektive wo die Befreiung der anderen Wesen Priorität vor der eigenen Befreiung haben. Die Entwicklung von relativen und absoluten Bodhicitta (wobei absolutes Bodhicitta hier auch gleichbedeutend mit der Realisierung von Shunyata einhergeht) bilden hier den Kern. Vajrayana beinhaltet dann nochmals besondere Methoden um gewisse Prozesse beim entwickeln von Bodhicitta zu beschleunigen und um den Praktizierenden zu vollständiger Erleuchtung zu führen.


    Sharmar Rinpoche und auch Trungpa Rinpoche beharrten jedoch darauf, dass eine Vajrayana-Praxis ohne die vorhergehenden Prozesse des Hinayana und Mahayana und ohne ein klares Verständnis und Wissen von Shunyata völlig nutzlos sei und das ganze dann eher zu einem Egotrip wird. Und natürlich spielt hier dann auch die Lehrer-Schüler-Beziehung eine sehr wichtige Rolle.


    Sicherlich gibt es andere Ausführungen und Ebenen der Belehrungen dazu, aber wie anfangs gesagt...so habe ich es gelehrt bekommen und hier in meinen eigenen Worten stark vereinfacht und verkürzt wieder gegeben.


    Antwort Teil 2:

    Tendai, Ekayana, Nichiren....

    folgt in Kürze:)


    Viele Grüße

    _()_

    Myoho