Beiträge von mukti im Thema „A.IX. 41 Der Abgrund der Entsagung“

    Zunächst mal will der Mensch das Leben genießen. Ohne ein Mindestmaß an Lebensfreude geht überhaupt nichts, wie etwa bei Depression und Apathie. Daher ist auf der unteren Ebene die Erkenntnis bedeutsam: Entsagung steigert den Genuss. Z.B. schmeckt das Essen am Besten wenn man richtig Hunger hat, weshalb man auch sagt, Hunger ist der beste Koch. Verwöhnung mit Genüssen führt zu einer Abstumpfung der Sinne, weil sie eine begrenzte Aufnahmefähigkeit haben. Wer alles jederzeit zur Verfügung hat und maßlos konsumiert, dem wird das Leben schal bis zum Überdruss. So ist unsere Wohlstandsgesellschaft nicht gerade durch unbeschwerte Fröhlichkeit gekennzeichnet, und schon belanglose Sachen lassen Gereiztheit entstehen.
    Vergleicht man die Stimmung in einer belebten Großstadt einer Industrienation mit der in einer abgeschiedenen Siedlung in der sogenannten dritten Welt, wo jeder gerade das hat was er zum Leben braucht, bestätigt sich der Spruch: "Die Zufriedenheit wohnt in den einfachen Hütten" (Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit). Oder Epikur: "Ehrenvoll ist fröhliche Armut" (Seneca, Briefe an Lucilius).


    Obwohl das banal erscheinen mag, ist es leider was Besonderes nur das zu konsumieren, was wirklich zur Erhaltung nötig ist. Nicht weil man dazu gezwungen ist, sondern aus der Einsicht heraus, dass das frei und glücklich macht. Wieviel schwere Lasten würden von der Welt genommen, wenn die Menschheit nur diese simplen Tatsachen beherzigen könnte.

    Wer Dukkha vollständig beenden will, dem bleibt dann auch viel Zeit um sich mit höherer Philosophie zu befassen. Auf einer besseren Grundlage als inmitten von Luxus im Fauteuil am Computer über buddhistische Entsagung zu philosophieren. Aber würde es mir nicht selber an dieser Vernunft mangeln, hätte ich längst 80% meines Besitzes mitsamt dem Laptop weggegeben. So aber reicht die Einsicht nicht aus, um nur über die ersten Schritte hinauszukommen, während ich mir über den Buddhismus im Westen Gedanken mache und mich über die Verfehlungen anderer ereifere.

    Ja. Es ist ein Text, der die ganze Sache (LeidVernichtung) komplett von der Entsagung her bespricht.


    Ich wollte andeuten, dass die Menschen die Entsagung zT schon kennen. Auch die bewusstere Entsagung.

    Entsagung ist kaum jemandem unbekannt, entweder weil man unfreiwillig dazu gezwungen ist oder weil man durch sie etwas bestimmtes erreichen oder erhalten will.

    Ich würde sagen, es wird hier weniger eine Einsicht besprochen, sondern ein Drängen (des Herzens/des Wollens), was auch mittels spezifischer Erwägungen bedingt/verstärkt werden kann.


    Es geht gar nicht so sehr um eine rationale Einschätzung, "dass ein weltliches Leben eigentlich nichts bringt", oder um eine "Weltentsagung". Es geht um Entsagung bedingt entstandener Hervorbringungen, die man als (subtile aber trotzdem mächtige) "Verunreinigungen" empfindet, weil man (oder das Herz) eine Ahnung von einer Sache hat, die mit Gedanken und Begehren und Empfindungen nichts zu tun haben. Nicht das mindeste. So fein und subtil diese Dinge auch sind.

    Wie ich das verstehe und teilweise selber erlebe kann der Gedanke "etwas Gutes ist die Entsagung" entstehen durch die Erkenntnis, dass Dasein untrennbar mit Dukkha verbunden ist. Muss aber nicht zwangsläufig entstehen, viele meinen es gibt viele schöne Sinnesdinge, dafür muss man das Leid halt in Kauf nehmen. "Dafür dass man lebt, muss man sich zwicken lassen" (Wilhelm Busch). Dann gibt es auch kein Motiv und keinen Willen für Entsagung im Sinne von Weltabkehr.


    Anders ist es wenn man zu dem Schluss kommt dass keine Sinnesfreude das Leid rechtfertigt und wenn man vom Leiden endgültig die Schnauze voll hat. Auch wenn man die Sache genauer betrachtet und draufkommt dass es ein ständiges unbefriedigendes Streben gibt, eine dauernde natürliche oder auch übersteigerte Bedürftigkeit als Handlungsantrieb, die nur zeitweise unterbrochen ist durch Glück und Zufriedenheit. Dann erscheint das Leben sinnlos, man bringt sich entweder um oder forscht nach einem Ausweg.


    Erkennt man schließlich den Zusammenhang zwischen Begehren und Dukkha, entsteht zwangsläufig der Gedanke "etwas Gutes ist die Entsagung". Indem aber der begehrliche Drang nach Sinnesdingen dem Drang nach Entsagung entgegensteht, muss das "Übel der Sinnesdinge", Ihre Unzulänglichkeit und Unzuverlässigkeit, vollkommen durchschaut werden, damit das Wollen alleine nach Befreiung streben kann.


    Zitat

    Und in der Folgezeit, Ananda, erkannte und erwog ich oft das Übel der Sinnendinge, und ich empfand und erwirkte den Segen der Entsagung, so daß mein Herz einen Drang fühlte zur Entsagung, dazu neigte, sich darin festigte und darin Befreiung fand, in der Erkenntnis: 'Das ist der Friede!


    Der Segen oder das Glück der Losgelöstheit wird dann erwirkt und empfunden durch die in dieser Lehrrede beschriebenen Vertiefungen, so lange und so weit ausgeübt, bis sie vollkommen und unumkehrbar ist.

    Ich denke, es gibt unterschiedliche Stufen des Begehrens. Die Intensität kann stufenlos variieren von fast nicht mehr auszuhalten bis zu einem normalen Bedürfnis. Unterscheidet da der Buddha?

    Die normalen Bedürfnisse dienen der Erhaltung des Körpers, wie sie für Mönche und Nonnen auf das notwendige Minimum beschränkt sind. Schale, Gewand, Medizin und so. Darüber gibt es Lehrreden wo es um die Intensität des Begehrens geht, wie den übermäßigen Esser, Mittagsmahl-Genießer, Anhaftung an schöne Roben usw.

    Sexualität gilt in der Welt als ein normales Bedürfnis, wird aber vermieden von Mönchen und Nonnen, weil sie zur Erhaltung nicht nötig ist. Darüber gibt es auch Lehrreden. Wenn das Begehren zu groß ist für solche Entsagung, dafür gibt es Haushälter die nur einige Regeln einhalten und dadurch langsam aufsteigen.

    Es ist merkwürdig, dass viele hochintelligente Menschen, sowie auch viele Menschen die furchtbare Leiden erlebt haben, gar nicht auf den Gedanken kommen: 'Etwas Gutes ist die Entsagung! Etwas Gutes ist die Abgeschiedenheit!'

    Begehren ist ja eine starke Bindung. Der Grund hat der Hausner Tapussa ja auch

    gleich benannt:

    »Wir als Hausleute, o ehrwürdiger Ananda, genießen die Sinnendinge, finden an den Sinnendingen Freude, Gefallen und Entzücken. Uns Hausleuten aber, o Ehrwürdiger, die wir die Sinnendinge genießen, an den Sinnendingen Freude, Gefallen und Entzücken finden, uns dünkt die Entsagung gleichsam ein Abgrund.


    Da ist der Gedanke im Hausner Tapussa schon entstanden, dass Entsagung etwas Gutes ist, glaube ich. Sonst hätte er nicht Ananda aufgesucht um darüber zu reden: Entsagung ist gut, aber weil ich an Sinnendingen Freude finde, dünkt sie mir als ein Abgrund. Mönche fühlen dagegen einen Drang zur Entsagung, festigen sie und finden Befreiung darin.


    In unserer modernen Kultur ist Entsagung nicht gerade populär, von Kindheit an wird man mit materialistischen Lehren gefüttert, es gibt keine Vorbilder der Entsagung, ein Mönch auf Almosengang ist allenfalls eine kuriose Randerscheinung.


    Zitat


    Doch auch das unweise Nachdenken, sage ich, hat eine es ernährende Bedingung, nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die Bedingung des unweisen Nachdenkens? »Vertrauenslosigkeit«, hätte man zu antworten.

    Doch auch die Vertrauenslosigkeit, sage ich, hat eine sie ernährende Bedingung, ist nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die Bedingung der Vertrauenslosigkeit? Das Hören falscher Lehren«, hätte man zu antworten. A.X.61-62

    Man macht so etwas wie Entsagung im Leben ja schon immer wieder bewusst. Es gibt viele Menschen, die versuchen ihre Leidenschaften oder Süchte "in Maßen" auszuleben. Das ganze Leben besteht ja mitunter aus: sich zusammenreißen, einem Bedürfnis hier zu entsagen, dafür etwas zu tun, arbeiten zu gehen evtl.

    Schon, aber Entsagung bezieht sich in diesem Sutta anscheinend auf völlige Weltentsagung,. Die Einsicht dass ein weltliches Leben eigentlich nichts bringt, was im letzten Satz gipfelt: 'Unerschütterlich ist die Befreiung meines Geistes. Dies ist meine letzte Geburt. Kein neues Dasein mehr steht mir bevor.'

    Genau, und deswegen hat ein solcher die Sinnendinge


    auch nicht gründlich genug erkannte und erwogen.

    Es ist merkwürdig, dass viele hochintelligente Menschen, sowie auch viele Menschen die furchtbare Leiden erlebt haben, gar nicht auf den Gedanken kommen: 'Etwas Gutes ist die Entsagung! Etwas Gutes ist die Abgeschiedenheit!'

    Es scheint so, als würde so jemand - weil er überall Übel sieht, das Übel der Sinnesdinge gründlich erwägen.


    Aber das ist nicht so. Er haftet an den Sinnesdingen und nur sein Haften an einem Ideal, wie es sein sollte, lässt die tatsächliche Welt als Übel erscheinen. Die ungenügende Realität wird als Übel gesehen, aber daneben beleibt um so mehr ein Ideal "Wie es sein sollte".


    Das erinnert mich an einen Satz von Schopenhauer: "Der Selbstmörder verneint nicht das Leben, sondern die Umstände, unter denen es ihm geworden ist".

    "Verneint nicht das Leben" buddhistisch übersetzt: Will sich nicht von den Sinnesdingen lösen. Ein Griesgram oder gar Selbstmörder ist eben angehaftet an seine Vorstellung von einem angenehmen Leben, das ihm verwehrt ist. Ein solches Dilemma kann aber auch Fragen über den Sinn des Lebens auslösen, was bei näherer Beschäftigung mit Weisheitslehren zu Erkenntnis und Entsagung führen kann. Die Erfahrung von Leid ist ein guter Grund nach einem echten Ausweg zu suchen.

    Also mal von vorne angefangen:


    Zitat

    Und in der Folgezeit, Ananda, erkannte und erwog ich oft das Übel der Sinnendinge, und ich empfand und erwirkte den Segen der Entsagung, so daß mein Herz einen Drang fühlte zur Entsagung, dazu neigte, sich darin festigte und darin Befreiung fand, in der Erkenntnis: 'Das ist der Friede!


    Oft das Übel der Sinnendinge erkennen und erwägen führt also zur Entsagung und Glück. Das Übel der Sinnendinge ist wohl die Begierde danach und die Anhaftung daran. Dass diese Begierde zu Leiden führt erfährt man und bei genauerer Beobachtung und Erwägung erkennt man es. Dem steht entgegen dass man es gar nicht erkennen will, oder das Übel verharmlost, weil die Begierden mitunter sehr stark sind, schwer überwindbar. Deshalb ist eine formale Praxis anbegbracht, die man tagtäglich durchführt, wie auch gerade die Stimmung sein mag. So wie die körperlich notwendigen Verrichtungen, Essen, Zähneputzen usw., ist eine Geistespflege notwendig.