Beiträge von ARYA DHARMA im Thema „Kultur des Unperfekten“

    Das Lernen aus Büchern hat man "unter Kontrolle" und das ist m.E. nicht immer gut.


    Das stimmt ja, eine direkte Konfrontation kann dann nicht stattfinden.


    Aber Ikkyu kritisiert ja gerade eine Ausrichtung zum Perfektionismus?!

    Vor einem Zen-Hintergrund?

    (da bin.ich noch nicht schlau draus geworden)


    "Kritisieren" ist das falsche Wort, ich stelle nur fest, dass es sich so verhält in manchen buddh. Kreisen. Das ist keine Kritik, sondern wenn sich jemand in dem Maße verhält, meine ich, geht er konform mit den Reden Buddhas, die eben das Streben ohne Unterlass sehr hervorheben. Wenn man dazu noch die Tugendregeln, den 8gliedrigen Pfad usw. nimmt, dann denke ich schon, dass es da eher auf die Seite von "Perfektionismus" bei den Übenden umschlägt, als auf die andere Seite, die ja Zen mehr betont, wenn auch nicht ausschließlich.


    Das kann man ja auch hier im Forum gut beachten, wenn es um "Fleisch essen" oder "Rauchen" oder "Alkohol" geht. Beide Argumentationen kann ich nachvollziehen.

    Ich verstehe noch nicht, wie Du darauf kommst, dass der Weg zur perfektem Situation einen perfekten Weg voraussetzt.


    Von einem "perfektem Weg" hab ich nicht gesprochen. Ich schrieb:


    Zitat

    Was ist denn das "Streben nach Erleuchtung"? Doch wohl ein Weg, zur perfekten Situation, nämlich zur Vollkommenen Auslöschung des Leidens. Das ist die klassische Sicht.


    Also ein, natürlich fehlbarer Weg, der aber irgendwo ankommen möchte.


    Mein Lehrer würde sagen: "So what? Relax a little bit"und lächeln. Wo ist das Problem?


    Nun, das Problem ist, dass dies nur ein temporärer Vorschlag ist, der situationsbedingt vielleicht nützlich ist...auf lange Sicht gesehen jedoch nicht.



    Ist es so, dass Du den Weg als sehr anstrengend empfindest? Deine Wortwahl deutet für mich in diese Richtung ("perfektes Ideal", "hinterherjagen", "Fokus nie verlieren").


    Ja das ist in der Tat so - der Weg ist für mich sehr anstrengend, da ich viel Energie hineingebe und auch ehrlich gesagt nicht weiß, wie es anders funktionieren sollte. Vielleicht hast du ja da Vorschläge?




    Dann verstehe ich Deinen Konflikt, da hätte ich schon mal gar keine Lust zu.


    Nun, es ist weniger ein Konflikt - mehr eine Einsicht.


    Falls ich dich richtig verstehe, übst du Vipassana, was ja gar nicht mal weit weg ist vom Zen. Das wäre mehr dann so die Richtung "im Unperfektem heimisch fühlen". Das kann ich auch bewerkstelligen, nur nicht eben als Lebenseinstellung - dafür macht mir auch die Praxis und das Studieren einfach noch zu viel Spass.


    Ich denke auch, ist meine persönliche Meinung, dass es alleine mit Gleichmut und Achtsamkeit nicht getan ist. Auch im Daoismus strebt man immer zu einem "perfektem Menschen", auch wenn das offensichtlich nicht der Fall ist, wenn man rein nur Laotse usw. liest. Man merkt halt mit der Zeit, dass sich das Handeln und das Verstehen verbessern, wenn man an der Praxis dran bleibt. Das ist für mich wichtig, damit auch andere profitieren können.

    Was nicht heißt, dass irgendwas an meinem Leben "perfekt" ist.


    Das hätte im Kontext ja nur auf Nirvana bezogen einen Sinn - Nirvana ist perfekt, die Lebensumstände können es nie sein.

    Die Praxis soll angenehm sein, am Anfang, in der Mitte, und am Schluss. Für angenehm gibt es in dem Zusammenhang sicher viele Synonyme.


    Nur was machst du, wenn du auf einmal merkst, dass die dir so angenehme Praxis, auf einmal unangenehm wird?


    Ich denke nicht, dass der Buddha das gesagt hat, denn eigtl. zeigt die Praxis, dass es sich eher umgekehrt verhält - die Praxis ist sehr unangenehm, ich denke nur mal zurück an meine ersten Meditationssitzungen, wo mir danach alles weh getan hat. Das gehört dazu, oder auch mal ein paar schlaflose Nächte, weil dir ein Koan einfach nicht mehr aus dem Kopft geht und du dich wie ein Pit Bull darin verbeißt. Gibt sicherlich angenehmeres - doch zu welchem Preis?

    Ja, das stimmt in der Tat. Manche suchen Devotion. Was ist schlimm daran, wenn diese Leute mitfühlender, offener und hilfsbereiter sind als du z.B.?


    Und woran machst du das jetzt fest, dass diese Menschen mitfühlender, offener und hilfsbereiter als ich sind?




    Der heutige Mensch hat nicht mehr die Voraussetzungen als Waldasket zu leben. Er ist viel zu anfällig mit all seinen Wehwehchen


    Du vielleicht. Aber natürlich gibt es nach wie vor noch Waldasketen, auch wenn du das nicht glauben willst.



    Es ging mir aber mehr darum, zu betonen, dass keiner wirklich um das Alleinsein herumkommt, will er seine Praxis perfektionieren, wo wir wieder beim Thema wären. Tibetaner gehen in Höhlen auf Klausur, Zen Mönche gehen auf Wanderschaft, moderne Buddhisten ziehen sich im Zimmer zurück. Ein Rückzug, wie auch immer der aussehen mag, halte ich für absolut erforderlich. Wer ständig in Gruppen ist und "betreut wird", der könnte nachlässig werden oder die Lehre schleifen lassen, gerade weil er in Gemeinschaft ist. Dass man in Gemeinschaften und von Lehrern lernen kann, bezweifele ich ja gar nicht. Man sollte sich nur nicht darauf ausruhen und ab und zu auch mal Abstand gewinnen - ganz alleine bleiben.

    So verstehe ich jedenfalls das, was Du geschrieben hast.


    Hallo,


    ja da hast du ein wenig zu viel hineininterpretiert. Es ist nicht so, dass ich Lehrern/Meistern per se ablehnend gegenüber sehe:


    Ich ging den Weg schon immer ohne Meister und Gemeinschaft, weil mir einfach gefühlsmäßig klar ist, dass meine Erfahrung nicht von anderen Menschen erfahren werden kann und darum kann ich mich auch ihrem Urteil nicht unbedingt unterwerfen, es sei denn, ich habe Resonanz dazu, positiv oder negativ


    Ich habe ja selbst gelernt und lerne immer noch von verschiedenen Lehrern und Meistern nur eben nicht persönlich. Dadurch beahlte ich jedoch die Freiheit, auch einige Dinge zu verwerfen.

    Wer oder was sollte da also in irgendeiner erhöhten Position sein?


    Na der Lehrer. Warum? Weil er sich eben Lehrer/Meister schimpft und auch so auftritt, sich so gibt, so lebt.


    Wir haben gemeinhin auch kein Problem mit Meistern, sondern wieder nur mit unserem persönlichen Bild von einem Meister. Wir stellen etwas Konstruiertes zwischen uns und den anderen Menschen, der einfach nur so einen Titel bekommen hat.


    Das hat mit unserem persönlichen Bild nicht viel zu tun. Wenn zu mir jemand kommt und meint, ich muss das so und so machen, weil er es mir eben so sagt, weil er ein Meister ist, dann hab ich damit kein Problem, ich projiziere da nicht groß irgendwas hinein - sondern dreh mich einfach um und gehe weiter oder gehe einmal in die Hocke und stehe wieder auf.


    "Einfach nur so" hat ja niemand einen Titel bekommen. Entweder hat er ihn sich erworben, oder er entstammt aus einer Linie, oder er schreibt sich den Titel einfach selbst zu, so wie Osho sich einfach selbst als Gott benannt hat. Das ist eben alles Marketing und Marktplatz. Doch ich bestreite natürlich nicht, das es Menschen gibt, die sich gerne unterwerfen und einen Meister wollen, weil sie denken, von ihm bekämen sie das Wissen, welches die Normalos nicht bekommen - dann entstehen wieder Eingeweihte, Anfänger und fortgeschrittene Schüler und man ist da wieder voll drin in den Hierarchien.


    Der ständige Reiz des Kollektiv, der Zwang, "irgendwo dazu zu gehören", ist der Motor des ganzen Spiels. Der klassische Waldasket, ob real oder als Bildnis verstanden, ist nur noch eine ferne Mythe aus vergangenen Tagen. Heutzutage ist man irgendwo eingebunden und fühlt sich wohl, weil man sich dann gegenseitig unter die Arme greifen kann oder so was in der Art. Doch das ist lediglich Bequemlichkeit und eine Folge von Angst.


    Hier an dieser Stelle werde ich jetzt für die meisten wahrscheinlich sehr unverständig, aber im Endeffekt ist es so, dass dir kein Mensch unter die Arme greifen kann, noch nicht mal Buddha selbst. Denn diese "spirituellen Freunde" entstammen ja aus dem eigenen Geist und geben diejenige Hilfe, die wir uns selbst zuschreiben. Könnten wir auf diesen Umweg verzichten und alles abschneiden, fallen wir automatisch in den eigenen Geist und die Barrieren, die wir durch Meister und Gemeinschaften aufbauen, werden aufgebrochen. Denn die Optionen und Wirkungskräfte, die wir den anderen geben, lähmen unser Potential ja selbst. Dann hören wir Geschichten und werden in Techniken und Mantras unterwiesen, zu denen wir überhaupt keinen Bezug haben - die Meister jedoch schon, darum lehren sie sie ja. Diese Übernahme gleicht einem Selbstverrat, weil wir nur noch funktionieren nach Meisters schlauer Worte, ohne dass wir real bei uns bleiben und einfach nur schauen und dem nachfühlen, was wir gerade machen.

    Ja, die Idee ist auch oft, wir gehen von einem perfektem Zustand einfach mal aus und begeben uns in eine Reise in die Wirklichkeit. Ich denke, das kann man mit Worten nicht so fassen, was hinter dem Erfahrungsschatz liegt, da es in die Dinge eingewoben ist und wir nicht unterscheiden können - wir sehen Schraffierungen, nehmen sie wahr, doch die Worte wirken dann so, als ob wir Wasser über ein frisch gemaltes Gemälde schütten - wir vermasseln es.


    Erleuchtung ist ein Wort, ja. Und dann gibt es diese vielzähligen kleinen Erleuchtungen, satoris, oder wie immer man das nennen mag. Wer will einem diese Momente absprechen? Welcher Meister wäre dazu in der Lage? Ich ging den Weg schon immer ohne Meister und Gemeinschaft, weil mir einfach gefühlsmäßig klar ist, dass meine Erfahrung nicht von anderen Menschen erfahren werden kann und darum kann ich mich auch ihrem Urteil nicht unbedingt unterwerfen, es sei denn, ich habe Resonanz dazu, positiv oder negativ. Aber nicht weil jemand vor mir steht und sagt, dass er ein Meister ist und Erleuchtung erfahren hat. Was bedeutet das schon? Als ob ein 3 jähriges Kind keine Erleuchtung erfährt, wenn es das erste mal im Meer planschen gehen kann und mit dem Sand spielt und spürt, wie er zwischen den kleinen Händen zerrinnt.

    Wir streben zwanghaft nach der vollkommener Verwirklichung unserer Ideen. Nicht erkennen wollend das eine Idee keine Wirklichkeit durch Handlung bekommen kann, das das Erschaffene, durch handeln, nie der perfekten Idee entspricht.


    Das ist es, genau meine Ansicht!




    Genau! Darum geht es doch, diese Kategorien sausen zu lassen. Das nach irgendwelchen Kategorien "Unperfekte" als "perfekt" zu erkennen, und umgekehrt.


    Aber, nach nochmal Nachdenken, das ist doch praktisch allen, die hier diskutieren klar, oder? Worüber diskutieren wir hier? (und ist mir die Diskussion zu unperfekt? ;) )


    Ich denke nicht, dass es allen hier klar ist. Über was diskutieren wir?


    Wir diskutieren hier über 2 Ansichten, welche auf jeden Fall in buddhistischen Kreisen kursieren und auch dementsprechend gelebt werden. Denn mal ganz plump runtergebrochen: Was ist denn das "Streben nach Erleuchtung"? Doch wohl ein Weg, zur perfekten Situation, nämlich zur Vollkommenen Auslöschung des Leidens. Das ist die klassische Sicht.


    Was innerhalb von Zen passiert ist wieder eine andere Geschichte, aber auch dort kann man klar einen Hang zur Perfektion erkennen, wenn auch oft nicht offensichtlich. Man sagt zwar oft, dass es sich im asiatischen Raum anders verhält, aber was ist z.B. eine Teezeremonie anderers, als einen vorgelegten Ablauf perfekt auszuführen? Alles andere wird dann nachher nachträglich dazugedichtet, die "spirituelle Atmosphäre im Raum" usw.


    Der Kern ist für mich folgender:


    Der Buddha hat uns angehalten, unser menschliches Potential voll auszuschöpfen und unentwegt Richtung Nirvana zu streben.


    Doch was ist, wenn wir erkennen, dass wir es nicht schaffen? Was ist, wenn wir wirklich realitätsnah sind und bleiben und dann sehen, dass wir es wahrscheinlich nicht schaffen werden?


    Oder anders herum: Was ist, wenn wir den Fokus nie verlieren und ständig den Weg weiter gehen? Jagen wir dann nicht einem Ideal hinterher, welches eben Perfektion von uns verlangt? Ist dies erreichbar? So wurde es überliefert. Wieviele Buddhisten auf der Welt werden dieses perfekte Ideal umsetzen können? Wie viele "Befreite" gab es nach Siddharta Gautama? In über 2500 vergangenen Jahren? Gab es mehr als 100?


    Ich denke, es gibt einen großen Unterschied zwischen der Vorstellung des Zen und der klassischen Vorstellung von Erleuchtung und Perfektion. Sie haben die selbe Basis, aber nicht den selben Klang.


    Einfach "Nach der Morgenmeditation gebe ich meinen Haferbrei hinein;
    Am Abend die Suppe oder den Reis.
    Angeschlagen, abgenutzt, verwittert und ungestalt,"


    Was ist denn "Angeschlagen, abgenutzt, verwittert und ungestalt,"?
    Perfekt oder unperfekt?


    Die Adjektive beziehen sich auf einen IST Zustand, der je nach Beobachter anders bewertet wird. So verhält es sich auch mit buddh. Lehrreden und Texten. Nicht jeder findet Zugang zu "3 Pfund Flachs". Vor allem im Westen nicht. Aber doch können wir sagen, dass, die klassische buddh. Lehre nach Buddha, vom Stil her, gut in den Westen passt - ein Weg, eine Methode, ein Ziel. Die Inhalte stehen wieder auf einem anderen Blatt.

    Das was sich Perfekt erdenken und verabreden lässt ist ja schon beim ersten Tun Unperfekt.


    :like:



    Zitat

    Während das Ideal bei Mandalas darin besteht, durch ein perfektes symmetrisches Ganzes Vollkommenheit
    darzustellen, lehnt der Zen-Buddhismus ein solches Konzept als Hindernis auf dem Weg zur Erkenntnis
    ab.


    Das ist ein überaus buddh. Thema: Siddharta mit all seinen Motivationsreden zum unablässigem Streben oder auch die Überbetonung der Mediationshaltungen, bis der perfekte "Winkel" steht. Auf der anderen Seite die Akzeptanz und die Erkenntnis der Augenblicke, so wie sie auftauchen, ohne groß einzugreifen.

    Streben wir zwanghaft nach Perfektion oder können wir uns auch mit einer Kultur des Unperfekten anfreunden?


    Zitat
    Diesen Schatz entdeckte ich in einem Bambusdickicht -
    Ich wusch die Schale in einer Quelle und besserte sie dann aus.
    Nach der Morgenmeditation gebe ich meinen Haferbrei hinein;
    Am Abend die Suppe oder den Reis.
    Angeschlagen, abgenutzt, verwittert und ungestalt,
    Aber doch von edler Abkunft.

    Meister Ryōkan