Kultur des Unperfekten

  • Streben wir zwanghaft nach Perfektion oder können wir uns auch mit einer Kultur des Unperfekten anfreunden?


    Zitat
    Diesen Schatz entdeckte ich in einem Bambusdickicht -
    Ich wusch die Schale in einer Quelle und besserte sie dann aus.
    Nach der Morgenmeditation gebe ich meinen Haferbrei hinein;
    Am Abend die Suppe oder den Reis.
    Angeschlagen, abgenutzt, verwittert und ungestalt,
    Aber doch von edler Abkunft.

    Meister Ryōkan
  • Tun das nicht schon viele? Das was sich Perfekt erdenken und verabreden lässt ist ja schon beim ersten Tun Unperfekt. Das Perfekte muss angepasst werden doch was hilft das, das Tun macht Unperfekt. Dann kommt das Unperfekt in den Blick und das Wissen das es immer nur das Tun ist das einen Kompromiss erzwingt zwischen perfekt erdacht und Unperfekt getan. Verzweifeln kann ich immer daran das ich kein Perfekt wirklich umsetzen kann. Mein Traum bleibt unvollendet. Nicht das ich nicht alles versuche aber weil ich nicht alle anderen Perfekt und Unperfekt im Griff haben kann muss ich mich entscheiden am Perfekten Gedachtemzu scheitern oder am Unperfekten Tun zu leben. Die Erscheinungen und Phänomene sind so wie sie sind und ich kann mir einbilden das ich alles im Griff hab oder haben werde.

    Doch es bleibt der Abgrund, der mich leben lässt, "Ich weiß es noch nicht." "Ich weiß es jetzt nicht." "Ich weiß es nicht."

    Den Abgrund ohne Gedankenmachen aushalten bis: "Jetzt weiß ich was ich nicht wusste." Kann neu denken und dann tun.

  • Das was sich Perfekt erdenken und verabreden lässt ist ja schon beim ersten Tun Unperfekt.


    :like:



    Zitat

    Während das Ideal bei Mandalas darin besteht, durch ein perfektes symmetrisches Ganzes Vollkommenheit
    darzustellen, lehnt der Zen-Buddhismus ein solches Konzept als Hindernis auf dem Weg zur Erkenntnis
    ab.


    Das ist ein überaus buddh. Thema: Siddharta mit all seinen Motivationsreden zum unablässigem Streben oder auch die Überbetonung der Mediationshaltungen, bis der perfekte "Winkel" steht. Auf der anderen Seite die Akzeptanz und die Erkenntnis der Augenblicke, so wie sie auftauchen, ohne groß einzugreifen.

  • Ist das nicht erwachen? Zu erkennen, dass es gar nicht anders geht?


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Das Verlangen ein Perfektes Mandala herzustellen und bis es keine Verzweiflung durch tun des Unperfekten und dem Wissen das es kein Perfekt gibt macht das Mandala machen ja erst zum Mandala machen. Jahrzehnte der Übung im perfekt tun und nicht glauben wollen das es nur Unperfekt gibt im tun öffnet ja den Abgrund der das Leben ist. Perfekt erdenkbar doch nie perfekt getan.

    Es geht einfach nicht.

    William Turner hat vor Eröffnung einer Ausstellung seiner Bilder mal bis kurz vor dem Öffnen der Türen an einen Bild gemalt er war verzweifelt das er es nicht so hinbekam wie sein Geist es sah. Als ich das gelesen habe kam der Gedanke: Damit kann er auch noch tausende von Jahren weitermachen.

    Es geht nicht!

  • Ich bin mir sicher, das Ryōkan sich nicht den geringsten Gedanken über "perfekt" und "nicht perfekt"gemacht hat.;)

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Kultur ist vom tun her schon unperfekt. Kultur ist all das was nie in der Natur erscheint. Die Natur macht kein Mandala, darum sind sie Kultur die von der Natur in Leben verwandelt wird weil Natur durch Tun lebt und Kultur durch Erdachtes Tun wirkt.

    Die Rettung unserer Kultur ist gerade heute der Gefahr ausgesetzt ganz von der Natur vertan zu werden. Wir haben es nicht mehr in unserer Gewalt die Natur in Kultur zu verwandeln. Kultur muss im Einklang mit Natur sein. Die Kultur wird in jedem Fall dem Tun der Natur unterliegen. Ja die Kultur eröffnet der Natur immer mehr Möglichkeiten zum Tun. Wenn Kultur sich heute nicht radikal zurück nimmt wird es die die Kultur machen können bald nur noch in angemessenerAnzahl geben.

  • Streben wir zwanghaft nach Perfektion oder können wir uns auch mit einer Kultur des Unperfekten anfreunden?


    Zitat

    Ich bin mir sicher, das Ryōkan sich nicht den geringsten Gedanken über "perfekt" und "nicht perfekt"gemacht hat.;)

    Bevor er Ryokan wurde war er nahe dran daran zu zerbrechen. Oder war er vorher garkein Mensch?

  • Was geht nicht anders?

    "mit der Kultur des Unperfekten anfreunden"


    Liebe Grüße, Aravind.

    Warum perfekt? Warum unperfekt? Perfekt oder unperfekt im Vergleich zu was?


    Einfach "Nach der Morgenmeditation gebe ich meinen Haferbrei hinein;
    Am Abend die Suppe oder den Reis.
    Angeschlagen, abgenutzt, verwittert und ungestalt,"


    Was ist denn "Angeschlagen, abgenutzt, verwittert und ungestalt,"?
    Perfekt oder unperfekt?

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Streben wir zwanghaft nach Perfektion oder können wir uns auch mit einer Kultur des Unperfekten anfreunden?


    Eigentlich streben wir zwanghaft eher hin zum Nichtwissen und zum Begehren. Es geht darum, diesen undurchdrungenen Zwang zu durchschauen.




    :earth:

    Einmal editiert, zuletzt von Alephant ()

  • Wir streben zwanghaft nach der vollkommener Verwirklichung unserer Ideen. Nicht erkennen wollend das eine Idee keine Wirklichkeit durch Handlung bekommen kann, das das Erschaffene, durch handeln, nie der perfekten Idee entspricht.

  • Wir streben zwanghaft nach der vollkommener Verwirklichung unserer Ideen.


    Dem möchte ich widersprechen. Viel zu wenig streben wir nach Fehlerlosigkeit, nach Widerspruchslosigkeit und nach Perfektion in den Dingen, die wir kreieren. Viel viel zu wenig.


    Und viel zu sehr nach der Gemütlichkeit, der Bequemlichkeit, und auch nach dem kommunikativen Konsens, nur um eine gerade sehr angenehme zwischenmenschliche Geselligkeit nicht zu gefähren zB.




    :earth:

  • Ha, pops, als ob Du Inperfektion bequem fändest und aushalten könntest! ;) :heart:


    Liebevolle Grüße,

    Aravind.

  • Aravind


    Kann ich leider viel zu gut an mir aushalten. Die anderen wegen meinem Grummel zu schimpfen, davor versuche ich aber, mich zu hüten.



    Einen schönen Tag dir




    :sunny:

  • "mit der Kultur des Unperfekten anfreunden"


    Liebe Grüße, Aravind.

    Warum perfekt? Warum unperfekt? Perfekt oder unperfekt im Vergleich zu was?

    Genau! Darum geht es doch, diese Kategorien sausen zu lassen. Das nach irgendwelchen Kategorien "Unperfekte" als "perfekt" zu erkennen, und umgekehrt.


    Aber, nach nochmal Nachdenken, das ist doch praktisch allen, die hier diskutieren klar, oder? Worüber diskutieren wir hier? (und ist mir die Diskussion zu unperfekt? ;))



    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Aber, nach nochmal Nachdenken, das ist doch praktisch allen, die hier diskutieren klar, oder? Worüber diskutieren wir hier? (und ist mir die Diskussion zu unperfekt? ;) )

    Wir lesen uns halt gerne.:clown:

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Aber, nach nochmal Nachdenken, das ist doch praktisch allen, die hier diskutieren klar, oder? Worüber diskutieren wir hier? (und ist mir die Diskussion zu unperfekt? ;) )

    Wir lesen uns halt gerne.:clown:

    Verdammt, da muss ich mich anschließen! :)(:

  • Wir streben zwanghaft nach der vollkommener Verwirklichung unserer Ideen. Nicht erkennen wollend das eine Idee keine Wirklichkeit durch Handlung bekommen kann, das das Erschaffene, durch handeln, nie der perfekten Idee entspricht.


    Das ist es, genau meine Ansicht!




    Genau! Darum geht es doch, diese Kategorien sausen zu lassen. Das nach irgendwelchen Kategorien "Unperfekte" als "perfekt" zu erkennen, und umgekehrt.


    Aber, nach nochmal Nachdenken, das ist doch praktisch allen, die hier diskutieren klar, oder? Worüber diskutieren wir hier? (und ist mir die Diskussion zu unperfekt? ;) )


    Ich denke nicht, dass es allen hier klar ist. Über was diskutieren wir?


    Wir diskutieren hier über 2 Ansichten, welche auf jeden Fall in buddhistischen Kreisen kursieren und auch dementsprechend gelebt werden. Denn mal ganz plump runtergebrochen: Was ist denn das "Streben nach Erleuchtung"? Doch wohl ein Weg, zur perfekten Situation, nämlich zur Vollkommenen Auslöschung des Leidens. Das ist die klassische Sicht.


    Was innerhalb von Zen passiert ist wieder eine andere Geschichte, aber auch dort kann man klar einen Hang zur Perfektion erkennen, wenn auch oft nicht offensichtlich. Man sagt zwar oft, dass es sich im asiatischen Raum anders verhält, aber was ist z.B. eine Teezeremonie anderers, als einen vorgelegten Ablauf perfekt auszuführen? Alles andere wird dann nachher nachträglich dazugedichtet, die "spirituelle Atmosphäre im Raum" usw.


    Der Kern ist für mich folgender:


    Der Buddha hat uns angehalten, unser menschliches Potential voll auszuschöpfen und unentwegt Richtung Nirvana zu streben.


    Doch was ist, wenn wir erkennen, dass wir es nicht schaffen? Was ist, wenn wir wirklich realitätsnah sind und bleiben und dann sehen, dass wir es wahrscheinlich nicht schaffen werden?


    Oder anders herum: Was ist, wenn wir den Fokus nie verlieren und ständig den Weg weiter gehen? Jagen wir dann nicht einem Ideal hinterher, welches eben Perfektion von uns verlangt? Ist dies erreichbar? So wurde es überliefert. Wieviele Buddhisten auf der Welt werden dieses perfekte Ideal umsetzen können? Wie viele "Befreite" gab es nach Siddharta Gautama? In über 2500 vergangenen Jahren? Gab es mehr als 100?


    Ich denke, es gibt einen großen Unterschied zwischen der Vorstellung des Zen und der klassischen Vorstellung von Erleuchtung und Perfektion. Sie haben die selbe Basis, aber nicht den selben Klang.


    Einfach "Nach der Morgenmeditation gebe ich meinen Haferbrei hinein;
    Am Abend die Suppe oder den Reis.
    Angeschlagen, abgenutzt, verwittert und ungestalt,"


    Was ist denn "Angeschlagen, abgenutzt, verwittert und ungestalt,"?
    Perfekt oder unperfekt?


    Die Adjektive beziehen sich auf einen IST Zustand, der je nach Beobachter anders bewertet wird. So verhält es sich auch mit buddh. Lehrreden und Texten. Nicht jeder findet Zugang zu "3 Pfund Flachs". Vor allem im Westen nicht. Aber doch können wir sagen, dass, die klassische buddh. Lehre nach Buddha, vom Stil her, gut in den Westen passt - ein Weg, eine Methode, ein Ziel. Die Inhalte stehen wieder auf einem anderen Blatt.

  • Der Buddha hat uns angehalten, unser menschliches Potential voll auszuschöpfen und unentwegt Richtung Nirvana zu streben.


    Doch was ist, wenn wir erkennen, dass wir es nicht schaffen? Was ist, wenn wir wirklich realitätsnah sind und bleiben und dann sehen, dass wir es wahrscheinlich nicht schaffen werden?

    dann könnte man schauen, ob Nirvana nicht schon längst erreicht ist und selbst die Frage nach Potential und dessen Ausschöpfung hinter etwas zurück treten kann. Im Zen heißt es ja nicht umsonst, dass es nichts zu erreichen - also nichts zu schaffen gibt. Gerade diese Einsicht ermöglicht es, Potential freizusetzen, aber nicht um Potential auszuschöpfen, sondern es ist einfach Platz, weil er verfügbar wird.

    Die Idee von Nirvana ist ja das beste Mittel um Selbiges in die Ferne zu rücken.

    Zu erkennen, dass man nicht schafft, was man sich vorgestellt hat ist u.U. etwas sehr heilsames, wenn man nicht resigniert, sondern genau an dem Punkt weiter macht.

  • Ja, die Idee ist auch oft, wir gehen von einem perfektem Zustand einfach mal aus und begeben uns in eine Reise in die Wirklichkeit. Ich denke, das kann man mit Worten nicht so fassen, was hinter dem Erfahrungsschatz liegt, da es in die Dinge eingewoben ist und wir nicht unterscheiden können - wir sehen Schraffierungen, nehmen sie wahr, doch die Worte wirken dann so, als ob wir Wasser über ein frisch gemaltes Gemälde schütten - wir vermasseln es.


    Erleuchtung ist ein Wort, ja. Und dann gibt es diese vielzähligen kleinen Erleuchtungen, satoris, oder wie immer man das nennen mag. Wer will einem diese Momente absprechen? Welcher Meister wäre dazu in der Lage? Ich ging den Weg schon immer ohne Meister und Gemeinschaft, weil mir einfach gefühlsmäßig klar ist, dass meine Erfahrung nicht von anderen Menschen erfahren werden kann und darum kann ich mich auch ihrem Urteil nicht unbedingt unterwerfen, es sei denn, ich habe Resonanz dazu, positiv oder negativ. Aber nicht weil jemand vor mir steht und sagt, dass er ein Meister ist und Erleuchtung erfahren hat. Was bedeutet das schon? Als ob ein 3 jähriges Kind keine Erleuchtung erfährt, wenn es das erste mal im Meer planschen gehen kann und mit dem Sand spielt und spürt, wie er zwischen den kleinen Händen zerrinnt.

  • Ich finde, die Zustände und Einsichten sind das Eine, aber die sind bloß punktuelle Hinweise und da bleibt die lebenslange Aufgabe, das mit dem hundsordinären Menschenleben irgendwie zu verbacken. Da sind Leute, die das schon Jahre oder Jahrzehnte länger austüfteln Gold wert. Auch wenn niemand beschreiben kann, was diese Erfahrung eigentlich ist kann man mit Worten und Gesprächen gegenseitig hilfreich sein wenn es darum geht das unaussprechliche lebendig zu machen. Da hat jeder seinen ganz eigenen Erfahrungsschatz. Ein guter Lehrer ist sowieso ebensogut Schüler, weil er weiß, dass im Prinzip nichts existiert, das nicht genau das macht: das Unaussprechliche lebendig werden lassen. Wer oder was sollte da also in irgendeiner erhöhten Position sein? Das Kind im Sand und seine Eltern sind genauso Meister und Schüler wie ein Zen-Promi.

    Wir haben gemeinhin auch kein Problem mit Meistern, sondern wieder nur mit unserem persönlichen Bild von einem Meister. Wir stellen etwas Konstruiertes zwischen uns und den anderen Menschen, der einfach nur so einen Titel bekommen hat. Das ist eigentlich schade. In der christlichen Kontemplation verzichtet man deshalb auf solche Titel. Wenn sich Meister und Schüler begegnen darf es keine vordefinierten Hierarchien geben, sonst kommt kein echter Kontakt zustande. Gute Lehrer und gute Schüler wissen das und diese echten Kontakte kommen zum Glück recht häufig zustande und sind m.E. extrem wichtig.

    Einerseits muss es jeder selbst rausfinden, aber andererseits hat das Ganze auch was von Gemeinschaftsaufgabe.