Beiträge von xxx im Thema „Das „nicht“-Paradoxon in den Koan des Chan/Zen Buddhismus oder es ist nicht ein Ding“

    Es gibt Dinge die lassen sich besser zwischen den Zeilen sagen als in logischen Abhandlungen und Traktaten.


    Da jeder Mensch andere Informationen zwischen den Zeilen liest, ist diese Art von Kommunikation etwas "schwammig" unklar.

    Je nach psychischer Verfassung, Lebenserfahrung und Stimmungslage nimmt jeder Mensch Informationen selektiv auf.


    Die "richtige" Interpretation eines Koans (d.h. das "richtige" Lesen zwischen den Zeilen) erfordert eine entsprechende psychisch/spirituelle Erfahrung. Ein Koan wird nämlich erst verstanden, wenn die angesprochene Situation selber schon erlebt wurde; sei es in der Meditation oder im alltäglichen Leben.


    Deshalb wird im Zen empfohlen ein Koan nicht allein im stillen Kämmerlein zu interpretieren sondern gemeinsam zu besprechen, etwa im Rahmen eines Dokusans. Dabei soll der Zenmeister den Fortschritt seine Schülers erkennen können.


    Vergleichbare Kommunikationsmuster kennen wir in der Kunst, der Poesie oder der Musik.

    Ich denke wir können gar nicht anders, als den Moment immer als Ganzes wahrzunehmen, aber die Plugins drängen sich in den Vordergrund und erwecken den Anschein, dass der von ihnen gewählte Ausschnitt das Einzige wäre, das gerade zählt.

    Unsere Wahrnehmung ist also von vorne herein in jedem Moment schon klar und wird dann nur künstlich manipuliert.

    Wir dürfen die Dinge hier nicht vermischen. Meine Antwort bezog sich auf das Verständnis der "paradoxen" Koan.

    Wahrnehmung spielt hier nur eine untergeordnete Rolle.


    Dies ist nun ein anderes Thema:


    In reiner Wahrnehmung zu verhaften scheint mir ein Rückschritt zu sein, eine Art intellektueller Nihilismus. Der Mensch zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass er die Fähigkeit hat "reine" Wahrnehmung zu verarbeiten, zielgerichtet zu handeln und sich weiterzuentwickeln.


    dukha zu beenden wird durch sich entwickeln bedingt, sich entwickeln wird durch lernen bedingt, lernen durch üben, üben durch sich anstrengen, sich anstrengen durch sich aufraffen, sich aufraffen durch dukkha, dukkha wird durch erkennen bedingt und erkennen schliesslich durch wahrnehmen.


    Oder anders herum:


    Wahrnehmen bedingt erkennen, erkennen bedingt dukkha, dukkha bedingt sich aufraffen, sich aufraffen bedingt sich anstrengen, sich anstrengen bedingt üben, üben bedingt lernen, lernen bedingt entwickeln, entwickeln bedingt dukkha ein Ende setzen.


    Wer nun von Beginn an beschliesst in klarer Wahrnehmung zu verharren, wird diese Kette niemals auflösen.

    Wenn er seine geistige Starre einmal verlässt, wird er seinen Trieben, Gefühlen, Verblendungen weiterhin ausgeliefert sein.

    Das ist mal wieder eine interessante Diskussion.


    Wer in der zweidimensionalen Welt der Logik bleibt, wer in der seriellen Verarbeitung sprachlichen Denkens verharrt wir unweigerlich in der Falle gefangen sein.


    Ein Entkommen aus diesem zweidimensionalen Kreis serieller "sprachlicher Verarbeitung" ( seriell = ein Eindruck nach dem anderen oder ein Wort nach dem anderen wird verarbeitet) ist nur durch eine Erweiterung des Verstands/Geists/Bewusstseins möglich: Weg von der seriellen Bearbeitung hin zu einer parallelen Verarbeitung (parallel = mehrere/alle Eindrücke oder Wörter auf einmal verarbeiten).


    Erst wer ein solcher Geist/Verstand/Bewusstsein erschafft erkennt die torlose Schranke.


    Ein Beispiel

    Zitat

    Flachland. Aus p.Watzlawick: Wie wirklich ist die Wirklichkeit


    Flachland ist die Erzählung eines Bewohners einer zweidimensionalen Welt; also einer Wirklichkeit, die nur Länge und Breite, aber keine Höhe kennt; einer Welt, die flach wie ein Bogen Papier und von Linien, Dreiecken, Quadraten, Kreisen usw. bevölkert ist. Diese können sich frei auf, oder besser gesagt, in dieser Oberfläche bewegen, doch sind sie wie Schatten unfähig, sich über sie zu erheben oder unter sie abzusinken. Es braucht nicht betont zu werden, daß sie sich dieser Beschränkung unbewußt sind, denn die Idee einer dritten Dimension, der Höhe, ist für sie unvorstellbar.

    Der Erzähler dieser Geschichte hat ein ihn völlig überwältigendes Erlebnis, dem ein sonderbarer Traum vorausgeht. In seinem Traume findet er sich plötzlich in einer eindimensionalen Welt, deren Bewohner entweder Striche oder Punkte sind, die sich alle auf ein und derselben Linie vor- oder rückwärts bewegen. Diesen Strich nennen sie ihre Welt, und für die Bewohner von Strichland ist die Idee, sich auch nach rechts oder links, statt nur nach vorne oder rückwärts zu bewegen, vollkommen unvorstellbar. Vergeblich versucht unser Träumer also, dem längsten Strich in Strichland (ihrem Monarchen) die Wirklichkeit von Flachland verständlich zu machen. Der König hält ihn für geistesgestört, und angesichts solch hartnäckiger Borniertheit verliert der Träumer schließlich die Geduld: Wozu noch mehr Worte verschwenden? Wisse, daß ich die Vollendung deines unvollständigen Selbsts bin. Du bist eine Linie, aber ich bin eine Linie von Linien, in meinem Lande ein Quadrat genannt: Und selbst ich, obwohl dir unendlich überlegen, gelte wenig im Vergleich zu den großen Edlen von Flachland, von wo ich, in der Hoffnung, deine Unwissenheit zu erleuchten, gekommen bin.

    Auf diese wahnwitzigen Behauptungen hin stürzen sich der König und alle seine strich- und punktförmigen Untertanen auf das Quadrat, das aber durch das Läuten der Frühstücksglocke in die flachländische Wirklichkeit zurückgeholt wird.

    Im Laufe des Tages tritt ein weiteres ärgerliches Ereignis ein. Das Quadrat gibt seinem kleinen Enkel, einem Sechseck, Unterricht in den Grundbegriffen der Arithmetik und ihrer Anwendung auf die Geometrie. Es zeigt ihm, wie die Zahl der Quadratzoll eines Quadrats einfach dadurch berechnet werden kann, daß man die Seitenlänge in Zoll zu ihrer zweiten Potenz erhebt: Das kleine Sechseck überlegte sich dies eine Weile und sagte dann: »Du hast mich aber auch gelehrt, Zahlen zur dritten Potenz zu erheben: Ich nehme an, 3 hoch 3 muß eine geometrische Bedeutung haben; was bedeutet es?« »Nichts, gar nichts«, antwortete ich, »wenigstens nicht in der Geometrie; denn die Geometrie hat nur zwei Dimensionen.« Und dann zeigte ich dem Jungen, wie ein Punkt, der sich um drei Zoll verschiebt, eine Linie von drei Zoll erzeugt, die sich durch die Zahl 3 ausdrücken läßt; und wie eine Linie von drei Zoll, die sich drei Zoll weit parallel zu sich selbst verschiebt, ein Quadrat von drei Zoll Seitenlänge ergibt, das durch 3 hoch 2 ausgedrückt werden kann. Worauf mein Enkel wiederum auf seinen früheren Einwand zurückkam, indem er mich unterbrach und ausrief: »Nun denn, wenn ein Punkt durch die Bewegung von drei Zoll eine Linie von drei Zoll erzeugt, die durch 3 dargestellt wird; und wenn eine grade Linie von drei Zoll, die sich parallel zu sich selbst verschiebt, ein Quadrat von drei Zoll Seitenlänge ergibt, dargestellt durch 3hoch 2; so muß ein Quadrat von drei Zoll Seitenlänge, das sich irgendwie parallel zu sich selbst bewegt (obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie), etwas ergeben (obwohl ich mir nicht vorstellen kann, was), das in jeder Richtung drei Zoll mißt – und das muß durch 3hoch 3 dargestellt sein.«

    »Geh zu Bett«, sagte ich, etwas über seine Unterbrechung verärgert, »wenn du weniger Unsinn sprächest, hättest du mehr Vernunft.« Und so wiederholt das Quadrat, ohne sich von seinem eigenen Traume eines Besseren belehren zu lassen, denselben Irrtum, von dem er den König von Strichland zu befreien versucht hatte. Im Laufe des Abends aber will ihm das Geschwätz seines Enkelkindes nicht aus dem Kopf gehen, und schließlich ruft es laut aus: »Der Junge ist ein Dummkopf, sage ich; 3hoch 3 kann keine Entsprechung in der Geometrie haben.« Plötzlich aber hört er eine Stimme: »Der Junge ist kein Dummkopf; und 3hoch 3 hat eine offensichtliche geometrische Bedeutung.« Es ist die Stimme eines sonderbaren Besuchers, der aus Raumland gekommen zu sein behauptet – einer unvorstellbaren Welt, in der die Dinge drei Dimensionen haben. Und ähnlich, wie das Quadrat selbst sich in seinem Traume bemüht hatte, versucht nun der Besucher, ihm die Augen dafür zu öffnen, wie eine dreidimensionale Wirklichkeit beschaffen und wie beschränkt Flachland im Vergleich zu ihr ist. Und genauso, wie das Quadrat selbst sich dem König von Strichland als Linie von Linien vorstellte, definiert sich der Besucher als Kreis von Kreisen, der in seinem Heimatland eine Kugel genannt wird. Dies aber kann das Quadrat natürlich nicht fassen, denn es sieht seinen Besucher als Kreis – allerdings als einen Kreis mit sehr befremdlichen, unerklärlichen Eigenschaften: Er wächst und nimmt wieder ab, schrumpft gelegentlich zu einem Punkt oder verschwindet völlig. Mit großer Geduld erklärt ihm die Kugel, daß an all dem nichts Merkwürdiges ist: Sie ist eine unendliche Zahl von Kreisen, deren Durchmesser von einem Punkt bis zu dreizehn Zoll steigt und die aufeinandergelegt sind. Wenn sie sich also durch die zweidimensionale Wirklichkeit von Flachland bewegt, ist sie für einen Flachländer zunächst unsichtbar, erscheint dann als Punkt, sobald sie die Fläche von Flachland berührt, wird dann zu einem Kreis mit stetig wachsendem Durchmesser, bis ihr Durchmesser wieder abzunehmen beginnt und sie schließlich ganz verschwindet (Abbildung 14). Dies erkläre auch die überraschende Tatsache, daß die Kugel das Haus des Quadrats trotz der verschlossenen Türen betreten konnte. Die Kugel betrat es natürlich von oben, doch die Idee »von oben« ist dem Denken des Quadrats so fremd, daß es sie nicht fassen kann und sich daher weigert, sie zu glauben. Schließlich sieht die Kugel keinen anderen Ausweg, als dem Quadrat, indem sie es nach Raumland mitnimmt, eine Erfahrung zu vermitteln, die wir heute ein transzendentales Erlebnis nennen würden:

    Ein unbeschreibliches Grauen packte mich. Da war Finsternis; dann eine schwindelerregende, schreckliche Sicht, die nichts mit Sehen zu tun hatte; ich sah eine Linie, die keine Linie war; Raum, der kein Raum war: ich war ich selbst und nicht ich selbst. Als ich meiner Stimme wieder mächtig war, schrie ich in Todesangst: »Dies ist entweder Wahnsinn, oder es ist die Hölle.« »Es ist weder das eine noch das andere«, antwortete die ruhige Stimme der Kugel, »es ist Wissen; es sind drei Dimensionen: öffne deine Augen wieder und versuche, ruhig zu blicken.« Von diesem mystischen Augenblicke an nehmen die Ereignisse einen tragikomischen Verlauf. Trunken durch das überwältigende Erlebnis des Eintretens in eine völlig neue Wirklichkeit, möchte das Quadrat nun die Geheimnisse immer höherer Welten erforschen, der Reiche von vier, fünf und sechs Dimensionen. Doch die Kugel will nichts von diesem Unsinn wissen: »Ein solches Land gibt es nicht. Die bloße Idee ist völlig undenkbar.« Da das Quadrat aber nicht aufhören will, darauf zu bestehen, schleudert es die erzürnte Kugel schließlich in die Enge von Flachland zurück.

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