Beiträge von Himmelsbaum im Thema „Die Rolle des Glaubens im Buddhismus“

    (Dies hatte ich vor mehreren Jahren einmal geschrieben. Im Großen und Ganzen passt es noch, aber manches Detail ist Schnee von gestern.)


    Im Buddhismus gehört das Konzept von saddha zum Kernholz der Lehre. Saddha ist elementarer Bestandteil im buddhadhamma und bietet einem den ersten Schritt in die Lehre des Erwachten. Im Deutschen wird saddha meistens mit Vertrauen, aber manchmal auch mit Glauben übersetzt. Auch wenn diese Übersetzungen nicht die vollständige Bedeutung abdecken können, muss man ja irgendwo starten. Buddhaghosa schreibt im Visuddhimagga wie folgt über das Vertrauen:

    Zitat

    „Als ‚Vertrauen‘ (saddha) gilt das, auf Grund dessen man vertraut, oder das, was selber vertraut, oder einfach die bloße Tatsache des Vertrauens. Das Merkmal des Vertrauens besteht darin, daß man auf etwas Vertrauen setzt – oder dazu Zuversicht hat. Sein Wesen besteht darin, daß es läuternd wirkt wie der das Wasser klärende Edelstein, oder daß es vorwärtsdrängt wie bei einer Flutüberkreuzung. Seine Äußerung besteht in Ungetrübtheit oder Hingebung, seine Grundlage in vertrauenerweckenden Anlässen oder in den Gliedern des Stromeintritts, wie Hören des Guten Gesetzes, edlem Umgang, weisem Aufmerken und befolgen der Lehre. Als eine Hand (,die Heilsames ergreift‘), als Reichtum und als Samen (,der gute Früchte hervorbringt‘) hat man das Vertrauen zu betrachten“ (Nyanatiloka 1997, S. 534).


    Die Bedeutung von saddha für den Eintritt in die Lehre findet sich gleich am Anfang von Buddhas Lehrtätigkeit, direkt im Anschluss an seine Erleuchtung. Im Mahavagga des Vinayapitaka wird folgendes Gespräch des Buddha mit dem Brahma Sahampati übermittelt: „Geöffnet sind denen die Türen zur Todlosigkeit, welche hören, schenket Vertrauen“ (Trätow 2000, S. 11). Hier beschreibt der Buddha einen gerichteten Wirkungszusammenhang: wer die Lehre hört, daraufhin Vertrauen/Glauben in die Lehre fasst, dem werden durch die folgende Praxis die Türen zur Todlosigkeit aufgetan. Wer nach dem Hören der Lehre keinen Glauben fasst, der wird eben auch nicht in die Lehre eintreten wollen. Dies wird ja so trefflich in Buddhas Begegnung mit dem Asketen Upaka deutlich:


    Zitat


    „Da sah der Asket Upaka den Erhabenen, der auf dem Weg zwischen Gaya und dem Bodhi Baum war. Ihn sehend sagte er dem Erhabenen folgendes: „Bruder, deine Erscheinung ist klar, rein und hell ist deine Hautfarbe. Unter wem bist du in die Asketenschaft gegangen, oder wer ist dein Lehrer, oder wessen Lehre bekennst du?“

    Nachdem dieses gesagt wurde, sprach der Erhabene den Asketen Upaka mit diesen Versen an: „Ich bin der Allesüberwinder, der Allwissende, an allen Dingen nicht anhaftend... Als dies gesagt wurde, schüttelte der Asket Upaka den Kopf, sagte: „Es könnte sein“, nahm einen Seitenweg und ging fort“ (Trätow 2000, S. 11).


    Weiter wird im Mahavagga beschrieben, was mit einem vertrauenslosen Auszubildenden geschehen soll: „Der Auszubildende, ihr Mönche, der mit fünf Eigenschaften behaftet ist, soll entlassen werden: Wer nicht viel Zuneigung zum Unterweiser hat, wer nicht viel Vertrauen hat, wer nicht viel Ehrfurcht hat, wer keinen Respekt hat, wer keine Fortentwicklung hat. Mit diesen fünf Eigenschaften, ihr Mönche, soll ein Auszubildender entlassen werden“ (Trätow 2000, S. 34-35). Dieser Auszubildende wird aufgrund seines fehlenden Vertrauens entlassen und ihm folgerichtig auch die höhere Ordination upasampada verwehrt.

    Der Ehrwürdige Nagasena nennt auf die Frage des Milinda folgende charakteristischen Merkmale für Vertrauen: die Läuterung und das Vorwärtsstreben. Das Aufsteigen des Vertrauens bringt die geistigen Hemmungen (nivarana) zum Schwinden und der ungehemmte Geist wird klar, lauter und ungetrübt – dies ist die Läuterung. Wenn der sich Übende hört und sieht wie seine Brüder den Eintritt in die Heiligkeit erreichen, so spornt ihn das an, ihnen nachzufolgen – dies ist das Vorwärtsstreben (Milindapanha, zit. nach: Nyanatiloka 1998, S. 59-60).


    So weit ist deutlich geworden, dass Vertrauen sowohl den Eintritt als auch den Fortschritt in der Lehre ermöglicht. Der Buddha hat seine Anhänger mit folgenden Worten in seine Gemeinschaft aufgenommen: ehi passiko – komm und sieh! Auch hier findet sich wieder ein gerichteter Wirkungszusammenhang: erst wer kommt und in die Lehre eintritt, der wird als Ergebnis sehen. Der Buddha hat in seinen Lehrreden mehrmals aufgezeigt, wie Vertrauen den Fortschritt in der Lehre ermöglicht – und erst mit Fortschritt kann man selber sehen.

    Zitat

    „Vertrauen ist das Saatkorn und Askese ist der Regen“ (Sutta-nipata, zit. nach Nyanaponika 1996, S. 46).


    „Wie mag man kreuzen diese Flut … Durch das Vertrauen kreuzt man diese Flut“ (Suttanipata, zit. nach Nyanaponika 1996, S. 65).


    „Ebenso auch, ihr Mönche, nehmen in der Nähe eines von Vertrauen erfüllten Familienoberhauptes die Hausbewohner an drei Dingen zu. An welchen dreien? Sie nehmen zu an Vertrauen, nehmen zu an Sittlichkeit, nehmen zu an Weisheit“ (Anguttara-nikaya, zit. nach Nyanatiloka 1993a, S. 140).


    „Diese fünf Fähigkeiten, ihr Mönche, gibt es. Welche fünf? Die Fähigkeit des Vertrauens, die Fähigkeit der Tatkraft, die Fähigkeit der Achtsamkeit, die Fähigkeit der Einigung, die Fähigkeit der Weisheit“ (Samyutta-nikaya, zit. nach: Hecker 1997f, S. 313).


    „Wer, ihr Mönche, diese fünf Fähigkeiten völlig vollendet hat, ist ein Heiliger. Sind sie schwächer, ist einer ein Nichtwiederkehrer; sind sie noch schwächer, ist einer ein Einmalwiederkehrer, noch schwächer ein Stromeingetretener, noch schwächer ein der Lehre Nachfolgender, noch schwächer ein aus Vertrauen Nachfolgender“ (Samyutta-nikaya, zit. nach: Hecker 1997f, S. 316-317).


    Im letzten Zitat aus dem Samyuttanikaya wird die Wichtigkeit der Entwicklung von Glauben beschrieben. Wie entwickelt sich Glauben im Buddhismus aber weiter? Durch ehi passiko. Der durch Vertrauen in die Lehre eingetretene Übungsbeflissene wird nach und nach die Richtigkeit des

    buddhadhamma anhand eigener Erfahrung verifizieren. Diese eigenen Erfahrungen – also die Entwicklung der Fähigkeit der Weisheit – wiederum stärken seinen Glauben, dass die nächsten Schritte auf Buddhas mittlerem Wege genauso eintreten werden, wie die vorangehenden, die er selbst durch sein Wirken bestätigt hat. Hier zeigt sich jetzt der wechselseitige Wirkungszusammenhang zwischen Glauben und Weisheit. Woran ist die Fähigkeit des Vertrauens – also seine Frucht – zu erkennen? „An den vier Gliedern des Stromeintritts: daran ist die Fähigkeit des Vertrauens zu erkennen“ (Hecker 1997f, S. 314).


    So schließt sich auch der Anfang und das Ende von rechter Ansicht (samma-ditthi). Samma-ditthi gehört innerhalb des Achtpfads zu den Pfadgliedern der Weisheit panna. Weisheit ist jedoch eine Frucht und wird während und am Ende des Weges erworben. Für den Anfänger des Buddha kann dies jedoch noch kein erworbenes Wissen sein. Sondern es ist das anfängliche Vertrauen in die drei Juwelen. So wie es im

    Anguttaranikaya beschrieben ist:


    Zitat

    „Zu unerschütterlichem Vertrauen zum Erleuchteten sollte ihr sie anspornen, sie darin bestärken und festigen … zu unerschütterlichem Vertrauen zur Lehre sollt ihr sie anspornen, sie darin bestärken und festigen … zu unerschütterlichem Vertrauen zur Mönchsgemeinde sollt ihr sie anspornen, sie darin bestärken und festigen“ (Nyanatiloka 1993a, S. 193).


    Wer sich so in Vertrauen übt und gleichzeitig die Pfadglieder kultiviert, der wird die rechte Ansicht in Form von Wissen erwerben. So sind die charakteristischen Eigenschaften eines in den Stromeingetretenen (sotapannassa angani): das unerschütterliche Vertrauen zum Erleuchteten, das unerschütterliche Vertrauen zur Lehre, das unerschütterliche Vertrauen zur Mönchsgemeinde und vollkommene Sittlichkeit. Wie wurde das anfängliche Vertrauen in die drei Juwelen zu einem unerschütterlichen Vertrauen? Durch die Überwindung des Zweifels (vicikiccha) als Frucht des

    sotapanna.


    Als dritter wichtiger Punkt sollte jetzt deutlich geworden sein, dass Glauben und Weisheit sich gegenseitig bedingen und hochschaukeln. Wenn sich Glauben und Weisheit bedingen, dann wird auch deutlich, dass Glauben im Buddhismus kein blinder Glaube ist. So forderte der Buddha, der ja Gegenstand des Glaubens ist, die Übungsbeflissenen in der 47. Lehrrede des Majjhimanikaya dazu auf, sein Wesen und Wirken zu untersuchen. Sollten sie es selbst untersucht und abgewogen haben, so gilt ihr Vertrauen als unerschütterlich und zu Letzt als selbst erkannt.