Beiträge von Rudolf im Thema „"Alle Dinge sind Nicht-Selbst." - Was ist dann Selbst ?“

    So ist es.


    Schon der engl. Philosoph John Locke im 17.Jh. hat gelehrt, dass die meisten Kontroversen in der Philosophie und anderswo dadurch entstehen und aufrecht erhalten werden, weil die debattierenden Personen abstrakte Begriffe anders verstehen, anders auslegen, ihnen einen etwas anderen konkreten Inhalt geben. Substanz, Gott, Seele, Bewusstsein, Wirklichkeit, usw.

    Und dann streiten sie bis an ihr Lebensende darüber.

    Weil sie sich nicht auf eine gemeinsame genaue Definition ihrer Begriffe einigen.


    Wenn nun im Text ("Die 2 Wirklichkeiten, Prof. Dr. Helmut Tauscher, Uni Wien) steht:

    "Der Buddha hat gelehrt, daß die erscheinende Welt nichtig ist, wertlos .....usw."

    kommt es darauf an was man unter "nichtig" versteht.

    Liest man den ganzen Text (nicht aus dem Kontext gerissen) von einem Autor, so wird es einem vielleicht klar, was er meint, und man könnte dann zustimmen.

    Ich jedenfalls stimme dem Adjektiv "nichtig" auch jetzt schon zu. Nichtig bedeutet für mich nicht "da ist nichts", oder "das ist eigentlich ganz anders", oder "nichts Wirkliches" sondern es ist nicht viel wert, nicht der Mühe wert, die wir und geben, wenn wir etwas "Weltliches" erreichen wollen, was die Weltlinge halt für so toll halten.

    Woher willst du das wissen, dass alles nur dieses geistige Konstrukt ist..?

    Weil ich alles selber konstruiere ;)


    Ich, ich, ich, ....... ich konstruiere: alles andere ist konstruiert, nur Ich nicht. Ich bin vielmehr der Konstrukteur.


    Oder auch nicht.


    Die Madhyamikas sagen, alle Phänomene existieren nur relativ (in Relation zu anderen Phänomenen), d.h. nur in Abhängigkeit von anderen Phänomenen.

    Produkte (alle unbeständigen Phänomene) entstehen in Abhängigkeit von Ursachen und Bedingungen und der Benennung (d.h. Wahrnehmung) durch ein Bewusstsein.

    Dies alles ist abhängiges Entstehen, da ist niemand, der konstruiert. Da ist kein unabhängiges "Ich", das dies alles konstruiert. Die Konstruktion ist ein Prozeß, ein notwendiges Entstehen und Vergehen nach dem Kausalitätsprinzip: "Wenn dieses ist so entsteht jenes". Das Konstruieren ist nichts aktives, sondern etwas passives. Auch wir und unser Leben werden konstruiert: durch unser Karma. Jeder Augenblick unseres Lebens ist die notwendige Kausalfolge aus äußeren und unseren inneren Ursachen und Umständen. Wobei die Bewertungen der Dinge durch unser Bewusstsein und Wissen eine große Rolle spielen. Aber unser Bewusstsein und Wissen sind ebenfalls konstruiert worden aus allen vorhergehenden Ursachen und Einflüssen.


    "Weil ich alles selber konstruiere." ist keine gute Formulierung. "Weil alles Konstruktion ist" ist besser. Und das bedeutet: "Weil alles abhängiges Entstehen ist."


    Befreiung, Nirvana, ist möglich, wenn wir (unser bis hierhin abhängig entstandenes Kontinuum) auf die entsprechenden Ursachen und Umstände treffen, die zur Befreiung führen. Das gilt auch für den Wunsch nach Befreiung.

    Was diese Ursachen und Umstände sind hat der Buddha gelehrt, der ebenfalls seit anfangsloser Zeit in Samsara weilte, unentrinnbar gefangen war in Samsara, eine anfangslose Zeit, und dann eines Tages den Weg zur Befreiung fand, nicht durch Fingerschnippen und nicht durch "Ich konstruiere mir die Befreiung", sondern durch die geeigneten Ursachen und Umstände, die da waren: Indien vor 2500 Jahren, die Brahmanen, dass er Prinz war, dass auch er Meditationslehrer hatte, Askese betrieb, wieder damit aufhörte, dass er intelligent genug war (was karmische Ursachen hatte), und noch vieles mehr....

    So müssen auch wir auf die für uns geeigneten Umstände warten, um die Befreiung erlangen zu können. Wir können sie uns nicht konstruieren. Wir werden zur Befreiung konstruiert.


    Viele Grüße

    Rudolf