Beiträge von Sudhana im Thema „Dauerhaftes Karma durch Gelübde“

    Schließt du "recht alberne magische Handlung[en]" für den japanischen Soto kategorisch aus?

    Nein. Insbesondere im Zusammenhang mit dem "funeral buddhism" (ich nenne da beispielhaft nur das postume Ordinieren von Verstorbenen) gibt es einige merkwürdige Dinge - wobei es die nicht nur im Zen (aber eben auch), sondern allgemein im japanischen Buddhismus gibt. Was ein spezifisch japanisches Problem ist (und auch in Japan selbst scharf kritisiert wird). Das sind Dinge, die auch nicht "exportfähig", also zur Akkulturation geeignet sind; Japan unterscheidet sich in dieser Beziehung nicht groß von anderen Kulturen mit traditionellem 'real existierendem' Buddhismus. Aus westlicher (bzw. um nicht zu verallgemeinern: aus meiner) Sicht ist das durchaus verzichtbarer kultureller Ballast. In der Beziehung hat die westliche Kultur selbst hinreichend mehr oder weniger Überflüssiges anzubieten.


    Zum Thema "funeral buddhism" diese lesenswerte Bachelorarbeit: ba thesis nika efanova.pdf


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    Die OT-Abschweifung scheint ja erledigt zu sein - falls nicht, wäre vielleicht die Auslagerung in einen Thread zum Thema sammā vācā / samyagvāc sinnvoll. Es scheint ja unterschiedliche Auffassungen zu geben, was Rechte Rede ist und was nicht - und warum.


    Aber zurück zum Thema.


    Das ist doch jetzt Kritik an Riggs, da habe ich doch nichts mit zu tun. Und ich sehe auch nicht, inwieweit meine Zusammenfassung polemisch ist. Natürlich ist sie verkürzt, ist ja eine Zusammenfassung fürs Buddhaland. Es ist auch klar erkenntlich, was meine Interpretation ist. Beginnt mit: Meine Einschätzung.


    Falls meine Zusammenfassung falsch ist, okay. Kann man darüber reden, aber polemisch ist es wohl nur, weil jemand anderes mit deinen Backformen spielt, oder? _()_

    Das ist auch Kritik an Riggs, den ich ansonsten (wie auch Dich) durchaus schätze. Ich übersehe dabei nicht, dass man an einen relativ kurzen Essay in einem Sammelband nicht dieselben Ansprüche hinsichtlich Methodik stellen kann wie an eine religionswissenschaftliche Arbeit. Allerdings sollte man sich dann auch bei so schmaler Argumentationsbasis solch apodiktischer Behauptungen, wie sie Riggs z.T. aufstellt, enthalten und sie stattdessen mit Vorbehalt als das kennzeichnen, was sie sind: persönliche Deutungen und allenfalls schwach belegte Thesen.


    Deine Zusammenfassung wiederum ist nicht falsch, aber selektiv und in dieser Selektion liegt die Polemik - sie erweckt ja den Eindruck, als sei jukai im Sōtō generell ein rein formaler, quasi magischer Akt ("ceremonial transformation") ohne irgendwelche Konsequenzen hinsichtlich der Lebenspraxis der jukai-Empfänger. Da ist Riggs denn doch deutlich differenzierter - deswegen verwies ich darauf, dass Riggs hinsichtlich dieser Auffassung (die ich, um es zu wiederholen, als unzureichend belegt bzw. Missdeutung empfinde) als einer im japanischen mainstream üblichen spricht. Wobei "mainstream" impliziert, dass es im Sōtō - auch im japanischen - da auch andere Auffassungen gibt. Die diesem von Riggs postuliertem japanischen mainstream kontrastierend gegenübergestellte Auffassung des amerikanischen Sōtō-mainstream fällt Deiner Selektion gänzlich zum Opfer - fast wäre ich versucht zusagen, Du unterschlägst sie. Das ist es, was mit "polemisch verkürzt" von mir gemeint war. Denn eine gewisse Tendenz scheint mir Deine Zusammenfassung schon zu haben, die über Riggs implizite Kritik deutlich hinaus geht. Ist Riggs Kritik gegen das Sōtō-'Establishment' in Japan gerichtet, so wird bei Dir daraus eine generelle Kritik am Sōtō - Zen. Jedenfalls habe ich es so wahrgenommen.


    Eine ergänzende Anmerkung noch zu "mainstream". Dazu ist zu sagen, dass es im Sōtō-Zen keine hierarchische Autorität hinsichtlich der gelehrten Doktrin gibt - der Abt des Eiheiji ist kein Papst, dessen ex cathedra verkündete Lehrmeinung für die Sōtōshū verbindlich ist. Dasselbe gilt für den Abt des Sōjiji, des zweiten Haupttempels der Sōtōshū. Wer seine Ausbildung als Oshō (Lehrer / Priester) abgeschlossen hat, hat nicht nur Lehrberechtigung, er hat auch Lehrfreiheit. D.h. es liegt ausschließlich in seinem Ermessen, wie er den Dharma an seine Schüler weitergibt - wenn er denn welche hat.


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    Dass auch immer alles darin ausarten muss dass Leute sich gegenseitig persönlich angegriffen fühlen.

    Hmmm ... Das hier, ausdrücklich an mich adressiert:

    Sudhana

    Beurteilen und über Andere hier Dritte,Herrn Zimmerling urteilen kommt der falschen Rede nach.


    Da Du nicht um Deine Meinung angesprochen wurdest entspricht Dein negatives Geschreibe dazu der Lästerung.Auch Bestandteil der falschen Rede.


    Der Hinweis der ‚Angeblichen Vorsicht‘ entspricht der trennenden Rede, ebenso als Bestandteil der falschen Rede.

    Bewusstsein geht anders!

    siehst Du also nicht als persönlichen Angriff? Nicht, dass mich das nun groß jucken würde; der Anlass zu meiner Replik darauf war weniger der Angriff als der auffällige Mangel an Selbstreflektion dabei. Nochmal gesteigert in der Antwort auf diese Replik, was mich veranlasste, etwas deutlicher zu werden. Kein 'Gegenangriff' sondern eine gutgemeinte wenn auch unerbetene Hilfestellung.


    Ob SGM durch das hier zitierte nun Herrn Zimmerling persönlich angegriffen sah und damit womöglich sich selbst, kann nur er/sie selbst beurteilen. Oder traust Du Dir das tatsächlich zu? Ich zumindest kann da allenfalls Vermutungen anstellen.


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    Dich zitieren, lieber sudhana.

    Liebe(r) SGM - das ist, um es diplomatisch auszudrücken, eindeutig eine unrichtige Tatsachenbehauptung.

    Zitat

    Da hat einer das Lügen verworfen, vom Lügen steht er ab. Die Wahrheit spricht er, ist der Wahrheit ergeben, an der Wahrheit hält er fest, ist vertrauenswürdig, betrügt die Menschen nicht.

    A.X.176

    Die Wahrheit ist, dass ich zu dem Video von Herrn Zimmerling folgendes geschrieben habe (um mal tatsächlich zu zitieren) - und nicht mehr:

    Zitat

    Nun ja - es bringt, glaube ich, wenig, hier Herrn Zimmerlings Sichtweise zu diskutieren. Das würde sie nicht ändern. Wenn man geneigt ist, sie zu übernehmen, gelten die üblichen Vorsichtsmaßnahmen.

    Die Wahrheit ist, dass ich Herrn Zimmerlings Sichtweisen in einigen Punkten nicht teile, wie da sicherlich deutlich wurde. Die Wahrheit ist, dass ich über Herrn Zimmerling nicht urteile, allenfalls über das, was er sagt. Die Wahrheit ist, dass ich in meiner Rede oder Schreibe hier nicht einmal dies getan habe, weil ich es nicht für sinnvoll halte. Anders wäre dies womöglich in einem direkten Gespräch mit Herrn Zimmerling - ich diskutiere lieber mit Menschen als über sie. Die Wahrheit ist, dass nicht einmal Buddha selbst irgendwelche Probleme damit hatte, Sichtweisen, die er als falsch beurteilte, deutlich zurückzuweisen und zu kritisieren. Was die "üblichen Vorsichtsmaßnahmen" angeht, so habe ich darauf verzichtet, sie anzuführen. Aber man kann diese problemlos z.B. im Kalamer Sutta nachlesen.


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    Himmelsbaum : offen gesagt empfinde ich Deine Darstellung von Riggs Essay als polemisch verkürzt. Leider wird auch nicht so recht deutlich, was Riggs Interpretation ist und was Deine.

    Die gegenwärtige Ritualform und Interpretation des Gelübdenehmens (jukai) gehen lediglich auf die Mitte des Tokugawa-Shogunats (1603–1868) zurück. Zuvor wurden sie über einhundert Jahre intensiv diskutiert und schlussendlich gewann eine radikale Interpretation: das Nehmen der Gelübde birgt die Erleuchtung selbst in sich. Damit ist das Gelübdenehmen im Soto Zen Ausdruck des Endziels der Praxis anstatt ihr Anfang (S. 189).

    Ein wenig komplexer ist es schon. Zentral in Riggs Essay ist ja die Rolle der Zen-Reformer, insbesondere von Manzan Dōhaku (1635-1715) und Menzan Zuihō (1683–1769) hinsichtlich einer 'Rückbesinnung' auf Dōgen - und dies in einem Umfeld, das durch den Impuls der in Japan neu installierten Ōbaku-shū geprägt war. Hinsichtlich jukai folgte der mainstream im Sōtō - so zumindest Riggs - vor allem der eher konservativen (und, wie Riggs zeigt, problematischen) Interpretation Banjin Dōtans (1698 - 1775), insbesondere hinsichtlich der Einheit von Zen und Gelübden (zenkai itchi).


    Das merkwürdige, von Dir angeführte Zitat verdient etwas mehr Kontext. Zunächst ist das keine Aussage eines Sōtō - Lehrers (allenfalls eine indirekte, also kein wörtliches Zitat), sondern sie stammt vom Autor selbst und ist eine mE (mangels angeführter Belege) nicht ohne weiteres nachvollziehbare Interpretation: "Following the interpretation of Banjin, the precepts are not something to be carefully followed [Anmerkung: kein Beleg, kein Zitat Banjins, keine Fußnote o.ä. stützt diese Aussage]. Instead of considering how to observe the precepts in one's everyday life, one somehow keeps them without keeping them. I will skip over ... Instead I turn to ..." - Die Anfänge der auf die merkwürdige Aussage folgenden Sätze, um zu verdeutlichen, dass Riggs diesen kryptischen Satz nicht weiter erläutert und auch nicht belegt, dass eben dies gängige Auffassung im Sōtō - Zen sei. Das soll stattdessen seine Schilderung des Ablaufs einer modernen "Zen Precepts Assembly" im Eiheiji leisten. Für mich nicht nachvollziehbar. Zitat über diverse Kurzvorträge des 104-jährigen Abtes, die so vorgestellt werden:

    "He gave short talks of up to ten minutes in the dharma hall, usually speaking to the ordinands about the meaning of what they were doing, teaching that Zen and the precepts are one and the same and that to receive the precepts is to become a buddha." Für mich würde daraus zunächst einmal gerade das Gegenteil folgen - nämlich "the precepts are something to be carefully followed." Ich komme später darauf zurück.


    Zu der merkwürdigen Sache mit dem shōzai muryō: das Papier ist Teil einer speziellen Reuezeremonie (sangeshiki), in der der Ordinand all sein "uralt verstricktes karma" offenlegt und bekennt - gemeinsam in der Gruppe mit der Reueformel (zu diesem sangemon wie auch allgemein zu sange kann man hier im Archiv fündig werden) aber auch in Form eines kurzen, persönlichen Einzelbekenntnisses jedes Ordinanden, anlässlich dessen dem Leiter der Ordinationszeremonie das shōzai muryō überreicht wird. Das ist natürlich nur die 'Außenseite' des inneren Vorbereitungs- und Reinigungsprozesses der Ordinanden vor dem Empfang der Gelübde. Dieses shōzai muryō wird übrigens nicht verbrannt (das wäre eine recht alberne magische Handlung), sondern vielmehr das Register der Ordinanden, die künftig keine Ordinanden mehr, sondern Ordinierte sind. Lies es nach: "The register containing the names of the ordinands is burned before the abbot in a brazier, and the abbot tells the ordinands, that their transgressions have been entrusted to him and that he warrants, with his full authority, that those transgressions have been consumed in the fire."


    Hier wäre nun tatsächlich etwas Interpretation zum Verständnis hilfreich gewesen: es ist natürlich nicht der Akt der Verbrennung des Namensregisters, der das vergangene Karma auflöst. Er symbolisiert lediglich die rückhaltlose Aufgabe des vergangenen Lebens, das einen Neuanfang ermöglicht. Die Auflösung vergangenen Karmas geschieht vielmehr zum Einen durch das rückhaltlose und vollstandige Bekennen und Bereuen (wie schon erwähnt ist der konkrete Kontext hier sangeshiki) und zum Anderen durch den Empfang der Gelübde.


    Das oben angeführte Zitat ("one somehow keeps them without keeping them") fällt nun als indirektes Zitat am folgenden Tag unmittelbar nach der eigentlichen Ordination: "When all have been anointed, the abbot recites the precepts, and after each group [Anmerkung: 3 + 3 +10 Gelübde] the ordinands recite together "I will preserve them well". At the end of this part the abbot tells the ordinands that from now on, they begin again, living as a buddha, and that somehow they will keep the precepts even if they do not keep them." Der letzte Satz ist wohl kaum Teil des eigentlichen Ritus, was für mich das "somehow" ziemlich deutlich macht. Das wäre, wie wenn der Priester beim christlichen Abendmahl sagen würde "irgendwie ist das der wahre Leib unseres Herrn" ...


    Es hätte dem Essay gut getan, wenn Riggs, der ja an der Zeremonie teilnahm, mit dem Abt gesprochen hätte, wie dieses "somehow" zu verstehen ist. Oder wenn er - "this ceremony clearly follows the line of thought that flows from Banjin's teaching" - speziell diesen "thought" mit einem Zitat Banjins belegt hätte, der ihn verdeutlicht. Nicht, dass das nun völlig unverständlich wäre - aber ein paar Jahre Zazen braucht es wohl schon dazu ...


    Interessant, dass Riggs am Ende dieses Abschnitts ausdrücklich auf diesen Punkt aufmerksam macht: "Although the manual that was distributed to everyone at the beginning clearly says that to receive the precepts is to become a disciple of the Buddha, the ordinands themselves have become Buddhas." Da wäre es doch wünschenswert gewesen zu erfahren, wie sich beispielsweise der Abt zu diesem offensichtlichen Widerspruch (oder Missverständnis?) äußert. Und schließlich zum letzten Satz dieses Abschnitts: "They go forth in a new life, unburdened either by their past transgressions or the concern of trying to live up to a new standard." - da wären einige Aussagen der neu Ordinierten von Interesse, ob sie denn das selbst auch so sehen.


    So viel zum Sōtō - "mainstream", wie ihn Riggs interpretiert. Man sollte nicht verschweigen, dass Riggs dies anschließend mit der Schilderung von "North American Sōtō Zen Precept Assemblies" kontrastiert. Pars pro toto in der Linie von Suzuki Shunryū (1905 - 1971), der nun sicherlich nicht dem japanischen Sōtō - "mainstream" zuzurechnen ist, wie auch Sawaki Kōdō (1880 - 1965) nicht. Dafür stehen diese beiden exemplarisch für einen westlichen Sōtō - "mainstream", der sich gerade in der hier zur Diskussion stehenden Frage nicht durch westliche Synkretismen auszeichnet, sondern durch explizite Bezugnahme auf Dōgen und die o.g. Tokugawa-Reformer. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen (das Posting ist schon lang genug) sondern nur noch ein abschließendes Zitat anfügen: "this community has come to see the precepts as an aid to deepening one's commitment and expressing one's intention to follow a more Buddhist style of life. In this aspect the style of this American Sōtō group is much closer to the practice advocated by Menzan and other, more mainstream thinkers of the Tokugawa. The belief that we are already Buddha is acknowledged in the beginning of the ceremony with the phrase "In faith that we are Buddha we enter Buddha's Way", but the focus is on the meaning of the precepts and on how to follow them."

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    Nun ja - es bringt, glaube ich, wenig, hier Herrn Zimmerlings Sichtweise zu diskutieren. Das würde sie nicht ändern. Wenn man geneigt ist, sie zu übernehmen, gelten die üblichen Vorsichtsmaßnahmen.


    Zu karmischem Verdienst gibt es unterschiedliche Auffassungen. Insbesondere hinsichtlich der Frage, ob sich so etwas sammeln oder ansammeln lässt und dies dann zum Erwachen führt. Die im Zen vertretene Auffassung wurde vielleicht im kürzlichen Bodhidharma-Thread im Zen-Unterforum ein wenig sichtbar. Davon abgesehen spielen zumindest im Zen die Gelübde (kai) eine Rolle, die hier noch nicht angesprochen wurde: es ist ein Schritt auf dem Weg der Zufluchtnahme zu den Triratna - und zwar ein formaler. Der formale Aspekt dieser Verpflichtungen zeigt auf, dass es ganz wesentlich nicht nur um eine Selbstverpflichtung, sondern um eine Verpflichtung gegenüber dem Nicht-Selbst geht. Also um einen Akt sozialer Interaktion, dessen Sinn letzlich in der Aufhebung der Unterscheidung von Selbst und Nicht-Selbst liegt. Darin erfüllt sich das Verdienst der Zufluchtnahme. Genau dies macht die Gelübde zu Bodhisattva-Gelübden. Dass dieser Akt in einer bestimmten, öffentlich sichtbaren Form vollzogen und bezeugt wird, zeigt, dass es hier vor allem um das dritte Zufluchtsobjekt geht - Sangha. Dōgen nennt dies "in die Reihen treten".


    Ein "Verdienst" (kudoku) für den Empfangenden ist dies nicht. Auch, wenn es natürlich eine karmische Konsequenz ist. Zur im Zen geübten Form dieses Empfangens gehört daher auch die Widmung (ekō) des durch das soziale Ritual erzeugten Verdienstes - denen, denen es gebührt. Dem Begründer der Lehre und denen, die sie durch die Zeiten und Länder für den Empfänger der Gelübde übertragen haben.


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