"Geistesforschung ist unmittelbarste Praxis; ihr Ziel ist kein anderes, als das Wirken in den Griff zu bekommen. Versuchen wir zunächst einmal selbst, das Aktionsfeld des Wirkens, unsere Wirklichkeit also, etwas genauer zu bestimmen.
Wie erleben wir Wirken? Auf zweierlei Weise: als Erfahrung und als Verhalten. Erfahrung und Verhalten sind grundlegende Funktionen unseres Daseins. Erfahrung entsteht ohne unser Zutun, sie strömt aus der Umwelt gleichsam in uns hinein, wir erleben sie passiv.
Verhalten dagegen kehrt die Wirkensrichtung um; hier sind wir selbst Aktionsquelle und wirken auf die Umwelt ein.
Die Frage ist nur: Welcher Zusammenhang besteht zwischen unserer Erfahrung und unserem Verhalten? Erschöpft sich in diesen beiden Funktionen unsere Wirklichkeit? Kritische Beobachtung lehrt: Zwischen Erfahrung und Verhalten vermittelt ein prüfendes und wertendes Element, welches wir mit Erkennen bezeichnen wollen. Je nach Erkenntnisvermögen werden gleiche Eindrücke unterschiedlich gedeutet und geben zu abweichendem Verhalten Anlaß Erkenntnis prägt die Erfahrung und läßt eine bestimmte Situation in diesem oder jenem Licht erscheinen.
Und wie wir die Welt sehen, so reagieren wir auf sie. Dieses "Wie" ist von ausschlaggebender Bedeutung. Es entscheidet darüber, ob wir die Welt als harmonisch geordnetes Ganzes schauen und im Einklang mit ihr leben können, oder ob wir in ein wirres Chaos blicken und entsprechend schwachsinnig reagieren.
Wir können dies leicht durch Beobachtung an uns selbst feststellen, weil unser Erkenntnisvermögen Schwankungen unterworfen ist. Es gibt Momente geistiger Klarheit, in welcher wir viele Faktoren unserer Wirklichkeit zu einer geordneten Übersicht verbinden können; dann sind wir von Freude durchdrungen und unser Handeln ist von spontaner Sicherheit und Gutheil.
Dann wieder trüben Gier, Haß, Unruhe, Schlaffheit oder Zweifel unseren Blick, wir sehen die Dinge verzerrt, fühlen uns unsicher und elend und machen alles falsch. Verstehen oder Mißverstehen entscheiden mehr über unser Daseinsbefinden als die Dinge und Vorgänge, mit denen wir gerade konfrontiert sind.
Mangelndes Erkenntnisvermögen nennt der Buddha Unwissenheit (avijja). Unwissenheit stört unsere Erfahrung, und gestörte Erfahrung bewirkt gestörtes Verhalten. Gestörtes Verhalten aber macht die Situation noch komplizierter, schafft neue Verwicklungen, neue Verwirrungen, neue Unsicherheit..."
Sri Gnanawimala Maha Thero