Beiträge von Ichbinderichbin im Thema „Was ist säkularer Buddhismus?“

    Ich denke, dass Praxis ein sehr essenzieller Teil der Lehre ist. Scholastik wird uns nicht befreien, jedoch die Unterweisungen als Anleitung zu Praxis. Und da dies seit sehr langer Zeit in Traditionen kultiviert wird, vertraue ich lieber in Lehrer aus diesen Linien, als auf selbsternannte Lehrer und Scholastiker.


    Deine argumentativen Ausweichmanöver sind interessant. Warum fällt es Dir so schwer, Deine Haltung zu dem, was Du glaubst, gegebenfalls zu korrigieren, wenn es gute Gründe dafür gibt?


    Ich konnte zeigen: Dharma-Linien sind weitesgehend erfunden. Du so: Trozdem ist es wichtig sich an Meister zu halten, die entsprechend autorisiert sind. Mhm? Das scheint ein wichtiger Teil Deines Glaubens zu sein. Ich will Dir nicht zu Nahe treten. Mir ist es im Grunde egal, was andere glauben. Ich finde diese Beharlichkeit nur bemerkenswert, mit der Du eine Überzeugung verteidigst, die eigentlich wiederlegt ist. Die angebliche Autorisierung Deiner Lehrer ist in Wirklichkeit gar nicht vorhanden.


    Wir sind doch Buddhisten und haben uns auf die Fahne geschrieben, zu üben, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Fangen wir doch damit an. Und um die Kurve zum Eingangsthema wieder zu kriegen: Darum ist ein säkularer Buddhismus wichtig und hilfreich. Er lässt den ganzen alten traditionellen Kram nicht ungeprüft gelten, sondern schaut genauer hin.

    Eine näherungsweise Authentizität könnte dann aber doch genauso auch bei den Dharma-Linien der "klassischen" Traditionen angenommen werden - oder was spricht hier in deinen Augen dagegen?


    Ich denke, dass man das nicht vergleichen kann.


    Auf der einen Seite haben wir einen Haufen alter Texte und man kann durch geeignete wissenchaftliche Methoden zeigen, aus welchen historischen Schichten die einzelnen Textteile stammen und welche möglicherweise zu Buddha selbst zurückreichen. Man weiß zudem, dass es bis zur Verschriftlichung immerhin eine müdliche Überlieferungstradition gab, so dass davon ausgegangen werden kann, dass mit ihr nicht nur später Entstandenes, sondern auch Buddhawort übertragen wurde.


    Dann gibt es da eine Genealogie, die eine lieare Entwicklung zeigen soll. 'Erfunden'(!) 1.500 Jahre – in einer anderen Kultur (China) als der ursprünglichen – nach dem Ereignis, auf die sie zurückzeigen möchte. Es gibt meines Wissens keinen Hinweis, dass zuvor in Indien auf Übertragungslinien Wert gelegt wurde und damit der Weg der Übertragung in irgendeiner Weise dokumentiert wurde. Deshalb kann man tatsächlich von 'Erfindung' sprechen.


    Man kann daher, meine ich, nicht von einer näherungsweise Authentizität der Dharma-Linien sprechen.


    ...und dennoch hat Sakyamuni seinen Nachfolger bestimmt. Eine Geste, ein Lächeln hat das tiefe Verständnis der Lehre bezeugt.


    Denn nur weil man der Lehre zuhört und einen Teil versteht, bedeutet das nicht, dass man weder a) die Einsicht des Buddha realisiert, noch b) wirklich Lehren kann. Hätte Sakyamuni damals die Blume nicht an Mahakasyapa, sondern an Fritz Fischer weitergegeben, hätte dieser durch sein mangelndes Verständnis die Lehre verfälscht. Und das obwohl er oberflächlich vielleicht das richtige vermittelt hätte (wie z.B. keine Ziegen zu opfern..)


    Es tut mir leid, Horin, es weist alles darauf hin, dass dieser Gründungsmythos auch erst nachträglich geschaffen worden, um die besondere Lehrinterpretation des Zen, Praxis statt Scholastik, zu rechtfertigen.

    In wie weit lässt sich überhaupt bei irgendeinem Text wirklich Nachweisen, dass der Text / die Rede / was auch immer bis zu der Person zurückzuführen ist die heutzutage "Buddha Shakyamuni" genannt wird? Mir ist kein wissenschaftlicher, eindeutiger Nachweis bekannt, daher sehe ich das Argument als nicht sonderlich Gewichtig.


    So ist es. Es kann aber näherungsweise durch historisch-kritische Methoden eine Authentizität hier und da angenommen werden.



    Das was "den" Säkularen Buddhismus ausmacht ist, so ist bisher mein Verständnis, dass man eine andere Basis nutzt. Während die "klassischen" Traditionen sich mit auf die Tradition und das daraus entstehende Verständnis beruft, baut der säkulare Buddhismus auf das aktuelle Verständnis und wissenschaftlichen Grundlagen auf. Dabei wird aber in den meisten Fällen gar nicht von unterschiedlichen Dingen gesprochen, sondern die Dinge werden nur unterschiedlich benannt.Über den letzten Satz muss ich erst noch nachdenken.

    Über den letzten Satz muss ich erst noch nachdenken. Ich bin mir da nicht sicher.

    ...

    Es konnte längst gezeigt werden, dass die Linien eine Erfindung sind. Sie verschwinden irgendwann im Dunkel der Geschichte und weisen nicht auf Buddha hin/ reichen nicht zu ihm zurück

    Dieser Aussage kann ich nicht zustimmen. Es gibt Liniendokumente, welche die Dharma-Nachfolgen bezeugen. "Es könnte längst gezeigt werden..." mit dieser Aussage erwarte ich einen Beleg


    U.a.: Dumoulin: Geschichte des Zen-Buddhismus, Band 1, Seite 16ff: Es gibt fünf unterschiedliche 'erste' Chroniken. Die älteste wurde etwa 1.000 n.u.Z in China erstellt, nachträglich also 1.500 Jahre Dharma-Lehrlinie zusammengebastelt. Die Übertragungslinien sind ein Mythos, geschichtlich höchst fragwürdig und hatten u.a. den Zweck nachträglich Institutionen/Machtpositionen zu rechtfertigen. Die einzelnen Chroniken unterscheiden sich auch und für die Zeit nach den ersten Chroniken gibt es ebenso riesige Lücken.

    Das Wort "säkular" passt nicht gut, weil es so viel Konnotationen hat. Wenn man den Buddhismus säkular nennt, dann klingt es so, als hätte man damals schon ganz moderne Vorstellungen von Trennung zwischen Religion und Staat gehabt. Was man ja nicht hatte.


    Auch der Begriff "mataphysisch" ist ja gerade für vormoderne Gesellschaften schwer brauchbar.


    Du tust, was Du selbst kritisierst: Vergangenes aus heutiger Sicht beschreiben.


    Oftmals repäsentiert etwas - was uns sehr esoterisch vorkommt - einfach nur den Stand des medizinischen und biologischen Wissens. Das ein Baum einen "Baumgeist" hat, heißt manchmal einfach nur das er belebt ist - was man sich nicht anderes als eine in ihm lebende Lebenskraft vorstellen kann.


    Den Ausgangspunkt eines säkularen Budhismus sehe ich darin, den "Baumgeist" so zu interpretieren, wie Du es tust: metaphorisch. Anderes lässt sich psychologisch deuten. Säkularer Buddhismus grenzt sich gegenüber der historischen Deutung ab: Da ist der Baumgeist tatsächlich Baumgeist, ein Wesen.


    Das immer wieder auf den Begriff "säkular" als weltlich und damit unpassend abgehoben wird, ist nun auch schon erschöpfend diskutiert worden. Nochmal: Im einleitenden Essay werden dann auch andere Begriffe eingeführt: "naturalistisch" und "kritisch", ein naturalistischer Buddhismus.

    Meine Aussage zum Thema ist und bleibt folgende:


    Die Lehre Buddhas, wie sie unter anderem im PK vermittelt wird ist bereits durch und durch säkular. Es braucht hier keine neue Lehre, die sich säkularer Buddhismus nennt, wenn man sich auf die ursprüngliche Lehre, die im Kern des Palikanons überliefert wurde bezieht.


    Der folgende Text stammt zwar nicht aus dem Palikanon. Es ist Sekundärliteratur, die sich jedoch nahe am Palikanon bewegt und sich auf ihn bezieht.


    Da wird nicht meraphysisches, nichts phantastisches, keine persönliche Wiedergeburt, ewige Existenz, Seele, Bardo, Magie, Wunder, Adibuddhas, Verdienste, persönliches Karma und dergleichen gelehrt.


    Dann liest Du den PK selektiv. Hier findet sich an jeder Ecke Methaphysisches, Wunder, Geister und Dämonen, Wiedergeburtsvorstellungen die so gar nicht säkular sind etc.

    Was ist denn ganz konkret "der sakuläre Buddhismus"?

    Einen Versuch, die zu klären, findest Du in dem eingangs verlinkten artikel:

    Was ist säkularer Buddhismus? - ursachewirkung.at


    Für mich wird es schwierig, sobald selbsternannte Lehrer anfangen Buddhismus zu lehren, an dieser Stelle bevorzuge ich ganz klar die Autorisierung (Dharma-Übertragung) innerhalb einer Linie. Klar, dies ist auch kein ultimativer Garant, dennoch sichert dies mMn die authentische Lehre der Ahnen zurück bis Buddha Sakyamuni

    Es konnte längst gezeigt werden, dass die Linien eine Erfindung sind. Sie verschwinden irgendwann im Dunkel der Geschichte und weisen nicht auf Buddha hin/ reichen nicht zu ihm zurück

    Dabei wäre die Lehre gar nicht interpretationsbedürftig, wenn man selbständig denkt.


    Denkst Du das wirklich? Man muss nur einige 2.500 Jahre alte antike Dokumente lesen, und kann ohne historische Kenntnisse oder anderes Know-how das, was ursprüglich geimeint war, ohne weiteres verstehen? Du irrst Dich vollkommen. Allein, dass hier sehr unterschiedlich Sprachsystem vorliegen, macht solch ein Vorhaben unmöglich. Hast Du Pali-Kenntnisse? Hast Du Dich überhaupt jemals wissenschaftlich mit antiken Texten beschäftigt? Wenn Du einfach nur Neumann zur Hand nimmst (oder Schmidt) und Du erwartest, dass Du verstehst, wirst Du scheitern.


    Zu der Frage des Konzepts: Deine Art, sich dem Dharma zu nähern, ist ein Konzept unter vielen. Auch wenn Du das nicht wahrhaben willst und Du denkst, es gäbe diese eine Wahrheit: "Das steht doch da." So wie Du, denken viele über ihre Tradition: "Das ist authentischer Buddhismus". Das ist Mumpitz, bei allem Respekt, höchst naiv.


    Allein die Tatsache, dass das, was im Palikanon steht, überhaupt nicht sicher als authentisches Buddhawort sicher identifiziert werden kann, sondern bereits das Destilat einer Jahrhunderte währenden Geschichte der Interpretation der Ursprungslehre darstellt, dürfte hier Beweis genug sein, dass Du irrst.


    Der Pali-Kanon ist das, was die Leute nach mehreren Jahrhunderten dachten, was Buddha wohl gemeint habe. Das ist, als würden wir erst heute aus den vielen Geschichten, die über Martin Luther kursieren, eine Biografie niederschreiben. Was denkst Du, wie authentisch wäre die noch? Wieviel Mythos würde sie enthalten?

    Wenn man nun einem neuen Ableger, ob er sich nun säkularer Buddhismus oder wie auch immer nennen mag hinterherläuft, anhaftet, Hoffnungen hegt wird man erneut scheitern.


    Säkularer Buddhismus ist kein "neuer Ableger", sondern die aktuelle Interpretation einer antiken Erlösungslehre. Alle buddhistischen Traditionen waren dies in ihrer Zeit. Weshalb die implizite Warnung, man solle diesem "neuen Ableger" nicht hinterherlaufen, in Leere geht. Der Hinweis, man selbst würde keiner Schule oder keinem Lehrer folgen, ist selbst ein Konzept, an dem angehaftet wird. So einfach ist das alles also nicht, lieber Bakram. ;)

    Ich denke, der Begriff säkular, weltlich ist problematisch. Zumal ja Buddha selbst dem Weltling eher als Gegenbild benutzte.


    Deshalb wird in dem einleitend verlinkten Essay auch zu Anfang geklärt, in welchem Sinn „säkular“ benutzt wird: „ein bestimmtes Zeitalter betreffend“ und zwar das jetzige. Weshalb am Ende auch (treffendere) Synonyme eingeführt werden: u.a. naturalistisch.


    Dann ist aus meiner Sicht problematisch, eine vorwiegend rationale Lehre zu postulieren, weil der Mensch nunmal kein besonders stark rationales Wesen ist.


    Der beschriebene säkulare Buddhismus ist nicht rational, sondern - wie gesagt - naturalistisch.


    Und ansonsten ist die Frage, wieweit man das Konzept eines magischen Denkens fasst. Konsequent fällt da auch ein Großteil des Mahayana-Stuffs drunter: Speicherbewusstsein, die 3 (oder 4) Kayas, Buddhanatur, Amida, Gohonzon, Mantren etc


    Das sehe ich bei einigen der genannten Beispiel anders. Warum Mantren funktionieren, lässt sich naturwissenschaftlich erklären, Buddhanatur ist ein ein schlüssiges philosophische Konzept. Speicherbewusstsein ist nur da magisch, wo man Erkenntnisse aus Psychologie und Naturwissenschaft ignoriert.

    Mein Eindruck bei manchen Leuten die Säkularisierung fordern, ist, dass auch erwartet wird, dass traditionelle Begrifflichkeiten und co direkt mit überarbeitet werden. Aber genau das ist nur schwer möglich. Wortwahl und Sprache ist etwas das sich langsam entwickelt und nur bedingt beeinflussen lässt. Auch sehe ich gerade in den unterschiedlichen Ansätzen und Wortwahlen einen großen Vorteil: unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Herangehensweisen - für jeden ist etwas dabei.


    Ein Problem, dass ich bei "traditionellen Begrifflichkeiten" sehe, ist, dass sie heute erklärungsbedürftig sind, um sie nicht misszuverstehen. Denn sie stammen aus einem anderen Kontext. In diesem war klar, was gemeint ist. Davon kann man im Jetzt nicht mehr ausgehen. Warum die Dinge also nicht vereinfachen, sie in eine heute leicht zugänglichen Sprache übersetzen?


    Ein zweites Problem: Wenn man vor hunderten von Jahren von Geisten, Höllen und Dämonen gesprochen hat, dann hat man in der Regel dies genauso gemeint. Die heutige psychologische Deutung ist bereits das Ergebnis einer Säkularisierung. Das muss mann dann aber auch oft wieder dazu sagen. Denn sonst fangen die Leute unsinnigerweise an, buchstäblich an Geister, Höllen und Dämonen zu glauben. Und dann sind wir tief in einem esoterischen Buddhismus, der nicht weiterhilft.

    Die Ablehnung einer Wiedergeburtsvorstellung ist ja keine Erfindung säkularer Buddhisten:


    „Wir beenden diesen Vortrag mit der Feststellung, dass wenn Ihr anatta wirklich und wahrhaftig versteht, Ihr selbst entdecken werdet, dass es keine Wiedergeburt und keine Reinkarnation gibt. Damit ist diese Angelegenheit abgeschlossen.“

    Ajahn Buddhadasa


    „Frage: ‚Es heißt, wir sollten unser Leben und Sterben nicht bedauern, denn es gebe einen raschen Weg, sich von Leben und Tod zu befreien. Man müsse nur die Wahrheit erkennen, dass die Essenz unseres Geistes ewig sei. Das bedeutet, dass dieser physische Körper, der geboren wird, unausweichlich dem Tod entgegengehe, aber diese Geist-Essenz niemals sterben würde. Wenn wir einmal erkannt hätten, dass diese von Geburt und Tod nicht abhängige Geist-Essenz in unserem eigenen Körper wohne, könnten wir sie als unser ursprüngliches Wesen betrachten. So sei der Körper nur eine Form, die vorübergeht: Hier stürbe sie, dort würde sie geboren, niemals beständig. Der Geist jedoch sei ewig (…).‘ Antwort: ‚Was Ihr gerade formuliert habt, ist niemals Buddhas Lehre (…). Nach dieser Lehre, die nicht zum Buddha-Dharma gehört, gibt es in unserem Körper einen wissenden Geist. (…) Wenn dieser Körper stirbt, streift der Geist die Haut ab und wird in einer anderen Welt wieder geboren; wenn deshalb hier der Geist auch zu sterben scheint, lebt er dort weiter, daher nennen wir ihn unsterblich und ewig. Dies ist die Sicht eines Menschen außerhalb des Buddha-Weges.‘“

    Dogen Zenji, „Shobogenzo“, Kapitel 1


    Wir sind heute lediglich in der Lage, Phänomene besser als in der Antike oder im Mittelalter zu verstehen und zu erklären, weshalb wir nicht mehr auf Spekulationen angewiesen sind. Diese Spekulationen kommen oft als Weisheit, gar als Wissen verwirklichter Meister, daher. Tatsächlich tappt man da im Dunkeln herum und rät herum.