Beiträge von xiaojinlong im Thema „Was ist säkularer Buddhismus?“

    Auf der einen Seite haben wir einen Haufen alter Texte und man kann durch geeignete wissenchaftliche Methoden zeigen, aus welchen historischen Schichten die einzelnen Textteile stammen und welche möglicherweise zu Buddha selbst zurückreichen. Man weiß zudem, dass es bis zur Verschriftlichung immerhin eine müdliche Überlieferungstradition gab, so dass davon ausgegangen werden kann, dass mit ihr nicht nur später Entstandenes, sondern auch Buddhawort übertragen wurde.


    Dann gibt es da eine Genealogie, die eine lieare Entwicklung zeigen soll. 'Erfunden'(!) 1.500 Jahre – in einer anderen Kultur (China) als der ursprünglichen – nach dem Ereignis, auf die sie zurückzeigen möchte. Es gibt meines Wissens keinen Hinweis, dass zuvor in Indien auf Übertragungslinien Wert gelegt wurde und damit der Weg der Übertragung in irgendeiner Weise dokumentiert wurde. Deshalb kann man tatsächlich von 'Erfindung' sprechen.

    Das ist als solches natürlich durchaus ein Argument das man aufbringen kann. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass, gerade wenn eine Rede durch so viele Köpfe gegangen ist bevor sie mal niedergeschrieben wurde, sie bereits sehr viele Veränderungen insbesondere an der Wortwahl und Ausdrucksweise erfahren hat. In wiefern es wirklich die Worte Buddha sind ist damit dennoch nicht wirklich nachvollziehbar.


    Ich selbst sehe in den Dharma-Linien Linien der Lehre. Dabei sehe ich bei weitem nicht den Anspruch, dass hier ein Nachweis erbracht werden muss wer wem wann die Hand geschüttelt hat. Es geht darum, dass ein die Dharma-Linie einen Weg aufzeigt und dieser Weg hat eben Abzweigungen und jede Abzweigung hat so ihre Eigenheiten. Jede Abzweigung bringt dabei auch immer neue, eigene, der jeweiligen Zeit entsprechenden (kulturellen) Einflüsse mit. Dogen hat sicher noch kein Teishô per Youtube an seine Schüler gerichtet und wird in seinen Teishô auch nicht Bezug auf die Corona-Lage genommen haben. Dafür war damals vielleicht die Dharma-Linie und die damit einhergehenden Zertifikate auch politisch deutlich wichtiger als sie es heute sind. Eine buddhistische Lehre wurde dort, als Beispiel in den Zen-Traditionen, ja dennoch übertragen. Auch wenn die Dharma-Linien im Nachhinein dazu kamen (aus welchen Gründen auch immer), wieso ist das dann ein Widerspruch zum säkularen Buddhismus?


    Auch wenn seit je her auf etwas aufbauen, so ist das, worauf sie aufbauen ja nicht statisch. Unterschiedliche Lehrer haben über die Jahre hinweg immer wieder ihre Art zu Lehren und auch ihre Worte den jeweiligen Zeiten angepasst - wo fehlt da die Säkularisierung? Wer wortwörtlich an Engel, Dämonen, Zauberei und Voodoo glauben will der wird daran glauben. Wer mit Religion und Glaube Politik machen will um seine eigene Position zu stärken, wird das tun. Aufklärer gab es immer und wird es (so meine Vermutung) auch immer geben.

    Es kann aber näherungsweise durch historisch-kritische Methoden eine Authentizität hier und da angenommen werden.

    Eine näherungsweise Authentizität könnte dann aber doch genauso auch bei den Dharma-Linien der "klassischen" Traditionen angenommen werden - oder was spricht hier in deinen Augen dagegen?


    P.S.: ich finde das ist eine interessante Diskussion.

    Es konnte längst gezeigt werden, dass die Linien eine Erfindung sind. Sie verschwinden irgendwann im Dunkel der Geschichte und weisen nicht auf Buddha hin/ reichen nicht zu ihm zurück

    In wie weit lässt sich überhaupt bei irgendeinem Text wirklich Nachweisen, dass der Text / die Rede / was auch immer bis zu der Person zurückzuführen ist die heutzutage "Buddha Shakyamuni" genannt wird? Mir ist kein wissenschaftlicher, eindeutiger Nachweis bekannt, daher sehe ich das Argument als nicht sonderlich Gewichtig.


    Allerdings ist dieses Argument aus meiner Sicht auch gar nicht notwendig. Der Pali Kanon, wie auch alle möglichen anderen Bücher rund um das Thema Buddhismus sind einfach erst einmal Texte die jede/r für sich selbst Evaluieren muss. Es ist erstmal egal ob der PK von der Crazy Cat Lady aus den Simpsons, Opa Hans oder Buddha ist. Relevant ist ob er mir hilft oder nicht.


    Das was "den" Säkularen Buddhismus ausmacht ist, so ist bisher mein Verständnis, dass man eine andere Basis nutzt. Während die "klassischen" Traditionen sich mit auf die Tradition und das daraus entstehende Verständnis beruft, baut der säkulare Buddhismus auf das aktuelle Verständnis und wissenschaftlichen Grundlagen auf. Dabei wird aber in den meisten Fällen gar nicht von unterschiedlichen Dingen gesprochen, sondern die Dinge werden nur unterschiedlich benannt.

    Ein Problem, dass ich bei "traditionellen Begrifflichkeiten" sehe, ist, dass sie heute erklärungsbedürftig sind, um sie nicht misszuverstehen. Denn sie stammen aus einem anderen Kontext. In diesem war klar, was gemeint ist. Davon kann man im Jetzt nicht mehr ausgehen. Warum die Dinge also nicht vereinfachen, sie in eine heute leicht zugänglichen Sprache übersetzen?

    Ja, das ist definitiv ein Punkt. Eine Antwort von mir wäre da eben die Sache mit dem Bauchgefühl. Wir Menschen haben einen Hang dazu, dass wir Sachen durch unsere eigene Brille sehen. Geprägt durch unsere Interessen, Erziehung, Umfeld usw. haben wir ja unterschiedliche Ausgangspunkte. Wer sich eh für Indien interessiert ist sicher schon das ein oder andere mal bei Yoga hängen geblieben. Wer sich für Japan interessiert sicher mal bei Shintoismus aber auch Zen. Dazu kommt, dass diese traditionellen Begrifflichkeiten einen Reiz ausüben. Man individualisiert sich etwas und grenzt sich ab. Mit voranschreitender Praxis verliert das etwas an Reiz, zum einen weil es eben "normal" wird und zum anderen weil dieses "den Reiz verlieren" ja auch irgendwo Teil der Praxis ist. Daher denke ich auch nicht, dass man so etwas vollständig "normalisieren" kann; diese Unterschiede wird es sicher immer geben. Um wirklich von solchen traditionellen Dingen weg zu kommen müsste nicht nur der Buddhismus sondern auch die Kultur an sich von der Tradition weggehen.


    Um mal eine Analogie zu ziehen kann man sich ja mal Dialekte anschauen. Zwar gibt es Hochdeutsch, es wird genutzt, gelehrt und es ist verbreitet. Aber ein Wohlfühlen kommt gerade auch durch Dialekte und deren Eigenheiten zustande. Man könnte sagen, dass Traditionen die Dialekte des Buddhismus sind.


    Säkularer Buddhismus, der sich explizit von den Traditionen abgrenzt, z.B. durch Wortwahl, aber auch auftreten, ist meiner Meinung nach eine gute Ergänzung, einfach um auch Leute abzuholen die von den traditionellen Dingen vielleicht abgeschreckt werden (sowas soll es ja auch geben). Voraussetzung ist dafür in meinen Augen aber, dass es nicht zu einem "wir sind besser - ihr seid schlechter" Gerangel kommt.


    Ein zweites Problem: Wenn man vor hunderten von Jahren von Geisten, Höllen und Dämonen gesprochen hat, dann hat man in der Regel dies genauso gemeint. Die heutige psychologische Deutung ist bereits das Ergebnis einer Säkularisierung. Das muss mann dann aber auch oft wieder dazu sagen. Denn sonst fangen die Leute unsinnigerweise an, buchstäblich an Geister, Höllen und Dämonen zu glauben. Und dann sind wir tief in einem esoterischen Buddhismus, der nicht weiterhilft.

    Ja, in der Vergangenheit wurde das sicher auch mal so angesehen und für bare Münze genommen. Mittlerweile ist das aber nicht mehr so - eine Säkularisierung hat also hier bereits zumindest in Teilen stattgefunden. Das ist ja was ich in meinen Beitrag weiter oben bereits meinte.

    Bei dem Mystischem und Magischem fängt ja gerade die Schwierigkeit der Unterscheidung an. Viele Begriffe die wir nutzen - im religiösen, philosophischen Bereich erst recht - sind stark von Traditionen und traditionelle / geschichtliche Auslegungen geprägt. Unterschiedliche buddh. Traditionen / Schulen berufen sich letztlich auf dieselbe Lehre, aber bieten unterschiedliche Herangehensweisen und Werkzeuge. Eines dieser Werkzeuge ist die Wortwahl/Sprache/Schrift.


    An dieser Stelle sollte man meiner Meinung nach nicht den Fehler begehen und die Worwahl/Sprache/Schrift als solche zu verdonnern. Ich hab mir schon so manchmal bei Gesprächen mit Leuten aus anderen Richtungen an den Kopf gefasst und gedacht: "Dämonen, Hölle, Geister - was zum Henker?!". Bei den meisten Gesprächspartnern hat sich dann aber im weiteren Gespräch herausgestellt, dass diese Wortwahl primär einfach durch die Tradition bedingt war, aber sich dahinter etwas - für mich - vollkommen nachvollziehbares und absolut nicht mystisches befunden hat. Vor 200 Jahren wäre die Interpretation vielleicht noch anders gewesen, in sofern hat da (wahrscheinlich) eine Säkularisierung stattgefunden unter Beibehaltung gewisser traditioneller Systeme und Wortwahlen.


    Mein Eindruck bei manchen Leuten die Säkularisierung fordern, ist, dass auch erwartet wird, dass traditionelle Begrifflichkeiten und co direkt mit überarbeitet werden. Aber genau das ist nur schwer möglich. Wortwahl und Sprache ist etwas das sich langsam entwickelt und nur bedingt beeinflussen lässt. Auch sehe ich gerade in den unterschiedlichen Ansätzen und Wortwahlen einen großen Vorteil: unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Herangehensweisen - für jeden ist etwas dabei.



    Zaubersprüche gegen die Gewitterfront zu rufen und Rituale durchzuführen, um die Geister, die das Gewitter zu verantworten hätten, zu vertreiben. Dies gelang ihm allem Anschein nach, denn die dunklen Wolken verzogen sich.

    Wer unbedingt daran glauben will, den wird man nur schwer vom Gegenteil überzeugen können.