Beiträge von Rudolf im Thema „Wiedergeburt und warum diese Welt“

    Das Konzept von Außen und Innen ist jedoch immer ein Modell. Eine Art evolutionäre Arbeitshypothese, um als biologisches Wesen mit vielen Bedürfnissen in einer komplexen Umwelt bestehen zu können. Außen und Innen sind so wie die unsichtbaren Dreiecke, die wir vermeindlich sehen können. Wir erschaffen sie in gewisser Weise. Auf einer relativen Ebene sind sie jedoch völlig richtig und unbedingt notwendig.


    ja, das verstehe ich.

    "Auf einer relativen Ebene sind sie jedoch völlig richtig und unbedingt notwendig." bedeutet dann aber auch, dass "Innen" und "Außen" völlig gleichberechtigt und gleich wichtig sind. Weil sie ja nur in gegenseitiger Abhängigkeit existieren können, so wie kurz und lang und links und rechts.

    Dabei spielt es für das Außen keine Rolle, ob du es mit subjektiven Projektionen überziehst oder nicht: das Außen, so wie es ist, ist halt das Außen.

    Und davon (so wie Außen ist) bist du völlig, ganz und gar, 100 prozentig abhängig. Du bist von Anderen und Anderem abhängig entstanden und bestehst nur abhängig: von der Luft, die du atmest, von der Nahrung, vom Wasser. Selbst deine Gedanken und dein Wissen und deine Sprache usw. hast du von anderen!

    Und deine Gefühle und dein Bewusstsein?


    Zitat

    16. "Ihr Bhikkhus, ein wohlunterrichteter edler Schüler, der die Edlen beachtet und in ihrem Dhamma bewandert und geschult ist, der aufrechte Menschen beachtet und in ihrem Dhamma bewandert und geschult ist, betrachtet materielle Form so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.' Er betrachtet Gefühl so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.' Er betrachtet Wahrnehmung so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.' Er betrachtet Gestaltungen so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.' Er betrachtet das, was gesehen, gehört, empfunden, erfahren, erlebt, gesucht und geistig erwogen wird, so: 'Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.'

    Majjhima Nikāya 22


    Auf der nicht-relativen Ebene, d.h. in der Sicht des Buddha, ist es sogar so: es gibt tatsächlich kein "Inneres" im Sinne von Ich und mein.


    Wie Thích Nhất Hạnh mal prägnant gesagt hat: "Ein Ding besteht aus lauter Sachen, die nicht dieses Ding sind" - dieses gilt auch für uns Lebewesen.

    Wir bestehen also nur aus Anderem. Wo ist denn da etwas "Inneres"?

    Mit diesen Überlegungen (und wohl in der Meditation darüber) kommt man zur Einsicht in die Leerheit des Ich, oder die Leerheit des Innern.

    Zu dieser Einsicht kommt man eher als zur Einsicht in die Leerheit des Äußeren, denn wer weiß was da tatsächlich existiert, eventuell unabhängig von uns?

    Es sind jedenfalls Überlegungen, die weg von der Egozentrik führen. "Ich denke, also bin ich" (alles andere ist zweifelhaft).

    Es war früher schon schwierig, Egozentrik zu überwinden. Aber heutzutage kommen auch noch - o weh - die neumodischen Spiegelneuronen dazu. Die verstärken nochmal die Tendenz zur Egozentrik.


    Wie gesagt kann man auf relativer Ebene allerdings von "mein Inneres" sprechen, insbesondere wenn man Gier, Haß und Verblendung betrachtet und sie eliminieren möchte.

    Aber wie kann man die Gier nach Geld und Besitz z.B. reduzieren, wenn man nicht auf das Äußere, was man anstrebt, schaut, es möglichst objektiv, vorurteilsfrei untersucht, und dessen Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und Leerheit feststellt?

    Okay, sehr gut. Danke.


    Aber nun kommt die "eigene" Innenwelt:

    Der Schlüssel für das Verständnis unserer Mitmenschen und der Welt in der wir leben liegt im Verständnis der Funktionsweise unserer eigenen Innenwelt (die letztlich auch die "Außenwelt" inkludiert).


    Sind dann die tatsächlichen eigenen Innenwelten der anderen Lebewesen nicht die tatsächlichen Außenwelten für uns?


    Deswegen bin ich weiter der Ansicht, dass wir, wenn wir andere Lebewesen leiden sehen, äußere andere Lebewesen leiden sehen (denn ihr Leiden ist ja immer in ihrem Innern).

    Und zweifelhaft bleibt es auch, ob es in Ordnung ist, den Körper der anderen Lebewesen als mein Innerstes zu betrachten und nicht etwa als das Innere der anderen Lebewesen. Im zweiten Fall gäbe es also auch eine Menge andere äußere Materie.

    Der Buddha hat sich mit der Natur des Geistes beschäftigt, wobei er durch die Erkenntniss seiner Funktionsweisen das Leid überwinden wollte. Die Natur des Geistes lässt sich naturgemäß nur durch die Introspektion (Den Blick nach Innen) verwirklichen.

    "nur" durch die Introspektion ist vielleicht ein bisschen übertrieben.

    Man kann auch die Natur der Objekte, die der Geist erkennen kann, in Betracht ziehen, um mehr über den Geist zu erfahren, muss es sogar machen.

    Der Buddha hat im Palikanon ausführlich und immer wieder die Unbeständigkeit aller Dinge gelehrt und im bekannten Satipatthanasutta ist die bei weitem ausführlichste Achtsamkeitsmeditation-Meditation über den Körper.

    Und immerhin ist der Geist, den wir kennen, ganz offenbar abhängig vom materiellen Gehirn.

    Wenn man "nur" den Blick nach innen richtet besteht die Gefahr, dass man die Realität, von der wir auch abhängen, aus dem Blick verliert. Und gar ein Eigenwesen des Geistes sehen und die Entsagung aus dem Sinn verlieren.

    Der Buddha hat das vermieden und auch die Natur der materiellen Dinge erklärt. Um die "Natur" der materiellen Dinge zu verstehen und darüber zu meditieren, muss man nicht unbedingt Atomphysiker sein.

    Warum werden die Menschen eigentlich in eine Welt des Leidens und des Unwohlseins geboren? Ist das eine art Bestrafung oder eine Erbschuld?

    Das Gleichnis von einem Pfeil Getroffenen:

    Zitat

    "Gleichwie etwa, Malunkyaputto, wenn ein Mann von einem Pfeile getroffen wäre, dessen Spitze mit Gift bestrichen wurde, und seine Freunde und Genossen, Verwandte und Vettern bestellten ihm einen heilkundigen Arzt; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, ob es ein Krieger oder ein Priester, ein Bürger oder ein Bauer ist'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, wie er heißt, woher er stammt oder hingehört': er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, ob es ein großer oder ein kleiner oder ein mittlerer Mensch ist'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, ob seine Hautfarbe schwarz oder braun oder gelb ist'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, in welchem Dorf oder welcher Burg oder welcher Stadt er zu Hause ist'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich den Bogen nicht kenne, der mich getroffen hat, ob es der kurze oder der lange gewesen'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich die Sehne nicht kenne, die mich getroffen hat, ob es eine Saite, ein Draht oder eine Flechse, ob es Schnur oder Bast war'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich den Schaft nicht kenne, der mich getroffen hat, ob er aus Rohr oder Binsen ist'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich den Schaft nicht kenne, der mich getroffen hat, mit was für Federn er versehn ist, ob mit Geierfedern oder Reiherfedern, mit Rabenfedern, Pfauenfedern oder Schnepfenfedern'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich den Schaft nicht kenne, der mich getroffen hat, mit was für Leder er umwickelt ist, mit Rindleder oder Büffelleder, mit Hirschleder oder Löwenleder'; er aber spräche:

    'Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich die Spitze nicht kenne, die mich getroffen hat, ob sie gerade oder krumm oder hakenförmig ist, oder ob sie wie ein Kalbzahn oder wie ein Oleanderblatt aussieht':

    nicht genug könnte, Malunkyaputto, dieser Mann erfahren: denn er stürbe hinweg.

    Majjhima Nikaya 63