Problematisch wird es nur, wenn vor lauter special interests der Sangha zersplittert. In manchen Dojos treffen sich regelmäßig zwischen 10 und 20 Personen. Wenn man diese vergleichsweise kleinen Gruppen noch in unterschiedliche Untergruppen teilen würde, würden manche wahrscheinlich an manchen Tagen alleine sitzen. Insofern ist es eine Frage der Praktikabilität und des Gesamteffekts auf den Sangha, ob derartige Ansätze Sinn machen. Im Zenkloster in Weiterswiller, bei dem ich regelmäßig an Retreats teilnehme, gibt es auch verschiedene Angebote, die unterschiedliche Interessengruppen ansprechen. Die Sesshins aber sind nicht nach solchen Gruppen geteilt. Im gemeinsamen Praktizieren, sofern es sich um Meditation handelt, sollte es vielleicht keine Aufteilung geben, oder?
Ich finde es sehr gut, dass Du den Aspekt des Pragmatismus reinbringst. Wir müssen uns überlegen, was zeitlich und räumlich möglich ist. Und ich würde es auch schade, finden, wenn es zwischen all diesen Gruppen keinen Austausch geben würde.
Der Aspekt mit den Meditationsgruppen ist schwierig. Ich gebe Dir Recht, ich will aber neben den Aspekt des Pragmatismus noch hinzufügen, dass es sich um Angebote handelt, die ja nie verpflichtend sind, sondern für bestimmte Menschen hilfreich sein können:
- Es gibt queere Menschen, die brauchen z.B. keine queere Meditationsgruppe. Sie praktizieren vielleicht in einer Sangha, die sehr inklusiv ist. Sie fühlen sich wohl. Vielleicht haben sie mal Interesse an einem queeren Retreat, vielleicht auch nicht. Es kommt vielleicht vor, dass sie in ihrer Sangha mal ein Treffen für queere Menschen anbieten. Das findest Du z.B. in Berlin, wo eine Sangha alle queere Buddhisten am Abend eines CSD zu einer gemeinsamen Meditation eingeladen hat, weil viele aus anderen Städten nach Berlin kommen, sich die Parade ansahen, und nun gibt es eine gemeinsame Abendmedition für diejenigen, die nach einem stressigen Tag mit lauter Musik meditieren wollen.
- Dann gibt es queere Menschen, die finden hin und wieder eine queere Gruppe gut. Es gibt Menschen, die seit Jahrzehnten meditieren und überrascht waren, dass sie die Meditation in queeren Retreats als Vertiefung der Praxis empfanden.
- Es gibt wiederum Menschen, die mir erzählt haben, dass sie klassische Meditationstechniken als problematisch empfinden. Manche Menschen mit Gender-Dysphorie haben Probleme mit Körper-betonten Meditationen, weil sie Körperlichkeit als problematisch empfinden. Das können Menschen ohne diese Kondition schwer verstehen, denn das geht hin und wieder viel tiefer als die übliche Unzufriedenheit mit unseren Körpern, die ja sehr oberflächlich ist (hier Muskeln zu wenig, da Fett zu viel...) Und manche finden es praktisch mit anderen zu reden, die diese Probleme kennen und wissen, wie mit speziellen Hindernissen in der Meditation umzugehen ist. Da kann ein spezieller Retreat neue Ansätze liefern.
Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen, aber ich höre mal auf, denn es ist klar, was ich meine. Es geht um Angebote, die manche nützlich finden, manche hin und wieder und manche nicht. Deswegen kann ich mit einem Vorwurf von "Separierung" auch nichts anfangen. Diese Angebote sollen ja nicht dazu führen, dass sich die buddhistische Gemeinschaften mit dem Thema Queerness nicht beschäftigt und das an queere Gruppen "auslagert" - ganz im Gegenteil. Ich meine, dass wir alle das Thema Inklusivität Wert legen sollten und man sich Fragen stellen sollte, wo es vielleicht Hindernisse gibt.
🙏