Beiträge von Dharma Buddy im Thema „LGTB+ und Buddhismus“

    Problematisch wird es nur, wenn vor lauter special interests der Sangha zersplittert. In manchen Dojos treffen sich regelmäßig zwischen 10 und 20 Personen. Wenn man diese vergleichsweise kleinen Gruppen noch in unterschiedliche Untergruppen teilen würde, würden manche wahrscheinlich an manchen Tagen alleine sitzen. Insofern ist es eine Frage der Praktikabilität und des Gesamteffekts auf den Sangha, ob derartige Ansätze Sinn machen. Im Zenkloster in Weiterswiller, bei dem ich regelmäßig an Retreats teilnehme, gibt es auch verschiedene Angebote, die unterschiedliche Interessengruppen ansprechen. Die Sesshins aber sind nicht nach solchen Gruppen geteilt. Im gemeinsamen Praktizieren, sofern es sich um Meditation handelt, sollte es vielleicht keine Aufteilung geben, oder?

    Ich finde es sehr gut, dass Du den Aspekt des Pragmatismus reinbringst. Wir müssen uns überlegen, was zeitlich und räumlich möglich ist. Und ich würde es auch schade, finden, wenn es zwischen all diesen Gruppen keinen Austausch geben würde.

    Der Aspekt mit den Meditationsgruppen ist schwierig. Ich gebe Dir Recht, ich will aber neben den Aspekt des Pragmatismus noch hinzufügen, dass es sich um Angebote handelt, die ja nie verpflichtend sind, sondern für bestimmte Menschen hilfreich sein können:

    • Es gibt queere Menschen, die brauchen z.B. keine queere Meditationsgruppe. Sie praktizieren vielleicht in einer Sangha, die sehr inklusiv ist. Sie fühlen sich wohl. Vielleicht haben sie mal Interesse an einem queeren Retreat, vielleicht auch nicht. Es kommt vielleicht vor, dass sie in ihrer Sangha mal ein Treffen für queere Menschen anbieten. Das findest Du z.B. in Berlin, wo eine Sangha alle queere Buddhisten am Abend eines CSD zu einer gemeinsamen Meditation eingeladen hat, weil viele aus anderen Städten nach Berlin kommen, sich die Parade ansahen, und nun gibt es eine gemeinsame Abendmedition für diejenigen, die nach einem stressigen Tag mit lauter Musik meditieren wollen.
    • Dann gibt es queere Menschen, die finden hin und wieder eine queere Gruppe gut. Es gibt Menschen, die seit Jahrzehnten meditieren und überrascht waren, dass sie die Meditation in queeren Retreats als Vertiefung der Praxis empfanden.
    • Es gibt wiederum Menschen, die mir erzählt haben, dass sie klassische Meditationstechniken als problematisch empfinden. Manche Menschen mit Gender-Dysphorie haben Probleme mit Körper-betonten Meditationen, weil sie Körperlichkeit als problematisch empfinden. Das können Menschen ohne diese Kondition schwer verstehen, denn das geht hin und wieder viel tiefer als die übliche Unzufriedenheit mit unseren Körpern, die ja sehr oberflächlich ist (hier Muskeln zu wenig, da Fett zu viel...) Und manche finden es praktisch mit anderen zu reden, die diese Probleme kennen und wissen, wie mit speziellen Hindernissen in der Meditation umzugehen ist. Da kann ein spezieller Retreat neue Ansätze liefern.

    Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen, aber ich höre mal auf, denn es ist klar, was ich meine. Es geht um Angebote, die manche nützlich finden, manche hin und wieder und manche nicht. Deswegen kann ich mit einem Vorwurf von "Separierung" auch nichts anfangen. Diese Angebote sollen ja nicht dazu führen, dass sich die buddhistische Gemeinschaften mit dem Thema Queerness nicht beschäftigt und das an queere Gruppen "auslagert" - ganz im Gegenteil. Ich meine, dass wir alle das Thema Inklusivität Wert legen sollten und man sich Fragen stellen sollte, wo es vielleicht Hindernisse gibt.

    🙏

    Die erste Frage war "Are you homosexual?" Yes/No...


    Well...ich oute mich mal... ja... Als ich dann weitergelesen habe, stand dort "Ausschließlich heterosexuelle Männer mit ethisch reinem Lebenswandel können in unserer Sekte ordiniert werden". Also, das hatte sich erledigt. Nun, heute weiß ich mehr und auch dass die Dhammakaya-Schule nicht nur auf diesem Gebiet nicht so ganz sauber ist. Sie wird ja deswegen sowohl in Thailand, als auch im Ausland stark kritisiert.

    Danke für dieses Bericht. Du sprichst hier ein Thema an, das sehr wichtig ist und bisher ausgespart wurde, und das sind Ordinationsverbote. Diese gibt es vor allem im Theravada aber auch in einigen chinesischen Richtungen. Das läuft dann so ab: Bei der Ordination wird gefragt: "Bist Du ein Pandaka?" und es wird erwartet, dass alle gemeinsam wie aus der Pistole geschossen "Nein!" antworten.

    Es ist aber nicht immer so, dass die Richtungen das offen gesagt. Ich habe mal mit einen Forscher gesprochen, der ein Experiment machte. Er schrieb einen Brief an eine Organisation und stellte u.a. diese Frage. Der Briefkopf war der einer westlichen Universität - und er bekam als Antwort, dass sie selbstverständlich nichts gegen queere Menschen haben und diese ordinieren dürfen. Dann gab er den Brief einer asiatischen Forschungsassistentin, die diesen Brief unter ihrem Namen verschickte - und da war die Antwort das komplette Gegenteil: "Natürlich dürfen Pandakas nicht ordinieren."

    Ich war perplex und fragte, wie sich das mit "rechter Rede" verträgt. Seine Antwort war, dass es in Asien kulturell bedingt hin und wieder ein anderes Verständnis von rechter Rede gebe. Diese finde nämlich immer in einem sozialen Kontext statt und unterliegt vielen Regeln z.B. gesellschaftlichen Positionen von Fragendem und Antwortendem und ebenso dem Bedürfnis, andere nicht vor dem Kopf zu stoßen. So wolle man Menschen aus einer anderen Kultur nicht vor den Kopf stoßen sondern will verbindende Elemente betonen. Als er dann mein völlig ratloses Gesicht sah, war die Antwort, dass in Asien Kommunikation ein hochkomplexes Thema sei und Aspekte enthalte, die uns oft fremd seien.

    🙏

    Wenn es eine queere Gruppe geben sollte, warum dann nicht auch eine für Farbige, für alleinerziehende Mütter oder Väter, für Hochbegabte, für Rentner, für Studierende, für Arbeitslose, für ehemalige (und aktive) Alkoholiker, Drogenabhängige, Rollstuhlfahrer, Professoren, Künstler, reiche Menschen, arme Menschen u.s.w. ? Jede dieser Gruppen hat ein spezielles Dukkha-Profil und könnte so auf die jeweiligen milieuspezifischen Probleme und Herausforderungen zugeschnitten den Dharma praktizieren. Wäre das ein Ziel?


    ...im Grunde, warum nicht?


    Ich fände es schade, weil gerade durch die Vielfalt an Menschen in Dojos und Tempeln sehr viele unterschiedliche Blickwinkel auf den Dharma und die Wirklichkeit zusammenkommen. Austausch und Erfahrung des Anderen finde ich besser als Separierung.


    Du sprichst zwei unterschiedliche Themen, die man meiner Ansicht trennen muss.

    Das erste ist ein Sangha-Leben. Wenn Du Dir asiatische Gruppen z.B. aus dem chinesischen Raum anguckst, wirst Du feststellen, dass es dort immense soziale Aktivitäten gibt: Es gibt Jugendgruppen, Kalligraphie-Gruppen, Frauengruppen usw. Und in der Women's Dharma Talk Gruppe wollen sich eben nur Frauen austauschen. Und ja, es gibt tatsächlich auch Gruppen für Studierende. Warum nicht? Wenn jemand eine Gruppe gründen will, wird das als Bereicherung angesehen. Im chinesischen Buddhismus spricht man von den 84.000 Dharma-Toren. Das ist ein sehr synkretistischer Ansatz. Für viele reicht es, die Precepts zu nehmen, sich vegetarisch zu ernähren, einen Tempel zu unterstützen und sie haben eine (oft an Guan Yin) angelehnte Praxis. Die anderen besuchen Chan-Retreats und wieder andere engagieren sich und leisten einen Beitrag zum Tempel-Leben, empfangen Besucher:innen oder kochen, andere schließen sich den vielen Gruppen an oder gründen selbst eine usw.

    Das zweite Thema ist das Thema "Special Interest Sanghas". Hast Du Dich mal damit beschäftigt? In den USA gründete sich mit den Dharma Punx als Gruppe für Menschen mit schwerem Karma: Drogenerfahrungen und all den verbundenen Problemen wie z.B. Beschaffungskriminalität, Straßengangs usw. Sie orientieren am Theravada, bieten aber auch sehr effektive Programme für Süchtige an. Sie sind auch authentisch, da viele genau dieselben Erfahrungen gemacht haben.

    Das zugrundeliegende Konzept ist etwas, was ich "Einigkeit in Vielfalt" nennen würde und ja auch dem entspricht, was es im westlichen sowieso gibt.

    Es gibt aber noch einen anderen Aspekt und das ist tatsächlich das Bedürfnis des Austausch. Special Interest Sanghas sind oft auch Richtungs- und Traditionsübergreifend. Ich kenne sehr viele, die das gerade schätzen und es spannend finden, sich mit Menschen, die ganz andere buddhistische Praxis haben, auszutauschen. Dabei stellen viele fest, dass es bei allen Unterschieden der Buddhismen auch viele Gemeinsamkeiten gibt, aber eben nur die Schwerpunkte und Sichtweisen anders gesetzt werden.

    🙏

    So, so. Weil die beiden Label "Mann" und "Frau" also zu eingrenzend sind, ist es sinnvoll, einfach noch ein paar neue zu erfinden? Gerade die Label, die Vorstellungen und Kategorien sind es doch, die uns eingrenzen, unfrei machen und determinieren. Lies mal "Sexualität und Wahrheit" von Michel Foucault.

    Es geht nicht um "Erfindung" sondern es geht um die Realität. In dem Heft schreiben 4 Menschen, die sich als nicht-binär identifizieren. Das sind Menschen mit Jahrzehnte-langer Meditationserfahrung und ich gehe davon aus, dass sie Aspekte von Geschlechtlichkeit und Körper sehr gründlich reflektieren.

    Wir verstehen das Phänomen der sog. Gender-Dysphorie nicht gut. Die Wissenschaft dachte, alle Menschen, die dieses erfahren seien transgender und so wurde die Transition empfohlen, die rechtlich nur als "große Lösung" möglich war: Totaloperation, Zwangsscheidung, Zwangssterilisierung. Das ist zwar verfassungswidrig aber das Gesetz gibt es immer noch, auch wenn seit 2011 nicht mehr so verfahren wird. Ich kenne mich mit Foucault nicht gut aus, aber ich glaube, er würde das so interpretieren: "Die Gesellschaft hat ein binären Bild von Mann und Frau und zur Wiederherstellung der gesellschaftlichen Normalität werden die Betroffenen vor eine unmenschliche Wahl gestellt. Entweder sie müssen ihren Zustand weiter ertragen oder sie müssen die Autonomie über ihren Körper aufgeben und sich einem Kontrollregime unterziehen. Die Sterilisierung ist eine der radikalsten Maßnahme, aber nur eine. Sie dürfen nicht entscheiden, welche Operationen sie vornehmen und welche nicht. Und die Änderung des Personenstandsregisters erfolgt nach gesetzlich vorgeschrieben Operationen - nicht davor und nicht auf Probe und nur zur Wiederherstellung der binären Kategorie."

    Das ist wirklich ein Problem. Wieso lässt man nicht Änderung des Personenstandsregisters zu und die Menschen selbst entscheiden, welche Operationen sie angehen. Und die binäre Sichtweise und die Sicht auf "transgender" als "Korrektur" in die binäre Normalität ist auch deswegen schlimm, weil es Menschen gibt, die Gender Dysphorie erfahren und für die die Transition der falsche Weg wäre. Das Label "nicht-binär" ist für sie entscheident. Es ist ihre Kondition mit der sie leben müssen. Es geht hier nicht um Erfindungen sondern menschliche Konditionen, die ihr Dukkha und eine Gesellschaft, die teilweise unmenschlich damit umgeht. Für diese Betroffenen ist die Selbsterkenntnis kein "Label", sondern extrem wichtig, zumal sie teilweise von Psychologen zur fragwürdigen Entscheidungen gedrängt werden, was mit dem falschen Verständnis von Gender-Dysphorie zusammenhängt.

    Das war übrigens mit den Intersexuellen genauso. Die wurden bei der Geburt zwangsoperiert und nicht wenige verstarben - was eine der dunkelsten Geschichten der Medizin ist.

    Deswegen würde ich Dich bitten, nicht von "Erfindungen" zu sprechen. Es geht um Menschen, besondere menschliche Konditionen und Dukkha und den Wert er Erkenntnis. Und sie erzählen ihre Geschichten in dem Heft.


    🙏

    Vielen Dank für das, was Du schreibst. Und ich sehe die Punkte genau wie Du. Und genauso wie Du ist die kritische Auseinandersetzung mit Identitäten teil meiner Praxis - auch einiger schwuler Identitätskonstruktionen, die ich unheilsam für mich finde.


    Das hat mit dem Label "Ehemann" nichts zu tun, sondern damit, mit einem anderen Menschen in eine Beziehung zu treten, bei der die sogenannte "Identität" vor dem In-Beziehung-Sein in den Hintergrund tritt. Sich also immer wieder wieder neu in der Beziehung mit dem anderen verändern lassen.

    Das ist richtig. Es setzt aber voraus, dass man bereit ist, sich auf eine Beziehung erst einmal einzulassen und das sich für sich als wichtig und relevant betrachtet. Und ich muss feststellen, dass viele meiner Bekannten das nicht sind, was sie selber beklagen. Das hat viele Gründe und ein Grund der etwas älteren Generation ist, dass sie in Zeiten aufwuchsen, in denen die Gesellschaft ihnen einredete, Schwule dürfen so etwas wie eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft nicht besitzen und sie wollen und können es auch nicht, da sie "von Natur aus" ja ziemlich wahllos in der Wahl ihrer Sexualpartner sind. Bei vielen erwuchs ein Trotz gegen die Normen der Gesellschaft und viele versuchen auszubrechen aus den starren Normen. Es gibt z.B. sog. aromantische Menschen, für die die klassischen Modelle mit all ihrer Idealisierung von Liebe und Verbundenheit tatsächlich nichts taugen. Aber es gibt auch andere, die in stabilen Beziehungen ihren Weg gefunden haben - ihn aber erst finden mussten. Diese werden erzählen, dass der Akt der Vermählung, dieses seltsame Ritual, das wir eingehen wohlwissend, dass das, was wir anstreben, vergänglich ist, für sie eine immense Bedeutung hatte. Ich kenne sogar Menschen, wo die buddhistische Segnung sehr wichtig war und auch für den Partner, der nicht buddhistisch ist, und einen wichtigen Punkt im Leben darstellte, der neue Perspektiven eröffnete. Wie das genau funktionierte, verstehe ich auch nicht. Ich glaube aber, dass buddhistische Sichtweisen auf solche Dinge sehr wichtig ist, weil sie neue Perspektiven eröffnen weil sie realistisch sind und die Verbindung nicht zum Sakrament überhöhen. Von dem, was ich gehört habe, steckt in den Segnungen und damit verbundenen Ritualen z.B. in Korea, Taiwan oder Japan viel Weisheit. Und ich habe noch nie mitbekommen, dass der Sunim dann dem Ehemann zuwinkert: "Bloss nicht anhaften - auch die Identität als Ehemann ist eine Illusion". Nein, das ist es nicht. Es die konventionelle Realität mit all ihren Problemen und Kompromissen, in der wir tief mit unserem Karma stecken.

    Dieser seltsame Ring war und ist für viele ein Zeichen eines Gelübdes und einer neue Lebensphase, von der man zuerst nicht weiss, was sie nun bringt - aber es ist ein sichtbares Zeichen, dass man nun zu den "Verheirateten" gehört - auch eine Form von Identität. Unverständnis kam in den wenigen Fällen eher aus heterosexueller Seite, die scherzhaft Tolkien: "Ein Ring ihn zu knechten, ins Dunkel zu werfen und ewig zu binden." Aber ihnen war auch klar, dass die Schwulen nicht vorhaben, spießige Rollenmodelle der 50er Jahre zu konservieren.

    🙏

    Ich habe mir nun alle Beiträge durchgelesen und ich möchte eine Frage in die Runde stellen, die mich wirklich interessiert: Wieso werden queere buddhistische Gruppen beurteilt (und sogar kritisiert), während niemand das bei einer Frauengruppe machen würde?

    Und mich interessieren jetzt nicht die Argumente und Urteile, die hier in diesem oder auch anderen Threads zu dem Thema stehen, sondern die Intention dahinter. Das können auch Befürchtungen und Ängste sein. Ich weiß, dass dieses Forum kein geschützter Raum ist. Ich weiß auch, dass dies kein geschützter Raum ist sondern dass es in diesem Forum hin und wieder Diskussionen gibt, wo ideologische Positionen polemisch aufeinandertreffen. Ich hoffe, dass dies nicht der Fall sein wird, sondern dass wir uns auf unsere Praxis besinnen und sie nutzen, tief in uns zu schauen. Und ich möchte diese Intentionen auch nicht kommentieren. Und mir geht es nicht um rationale Argumente, es ist mir klar, dass Gruppen von Frauen haben im Buddhismus eine Tradition haben, aber auch wenn in den letzten Jahren Frauen z.B. einen rein weiblichen Retreat machen, sich in Organisationen wie BuddhistWomen oder Sakyadhita organisieren, wird das selbstverständlich akzeptiert. Wo ist der Unterschied? Wieso wird das eine gelassen in Kauf genommen und dem anderen teilweise abgesprochen, etwas mit Buddhismus zu tun zu haben?

    Und um die Spannung zu erhöhen, will ich sagen, dass diese Frage zwei Vorgeschichten hat, die teilweise etliche Jahre zurückliegen. Diese sind sehr interessant und ich in meiner Naivität nie ernst genommen habe. Wenn es interessiert, werde ich diese im Anschluss posten, denn sie sind sehr erstaunlich.

    🙏

    Die Identifikation mit einem Label (ich bin der und der, ich gehöre zu dieser oder jener Gruppe, ich bin anders als die anderen) ist ebenfalls Ausdruck von Dukkha.

    Die "Identifikation mit einem Label" ist keine Frage von Lifestyle sondern für die meisten queeren Menschen das Ergebnis eines oft schmerzhaften Prozesses der Selbstakzeptanz. Es ist sogar die Voraussetzung für eine Lebensgestaltung, von Liebe und Partnerschaften. Ich glaube, Du wirst in dem Heft einige Artikel finden, die sich damit beschäftigen.

    Ich persönlich halte es für völlig unrealistisch zu glauben, wir Menschen seien frei von Identitäten oder könnten sich davon befreien. Das würde ja im Endeffekt auch bedeuten, große Teile unserer Kultur zu transzendieren. Wir uns vielleicht als "aufgeklärt", "demokratisch", "Buddhist:in", "hetero", "schwul", "Ehemann", "Vater" usw. Eine Identität z.B. als "Ehemann" bedeutet, sich zu einer Beziehung zu bekennen, Verantwortung zu übernehmen, das Leben auf eine langfristige Beziehung zu zweit auszurichten. Dafür steht "Ja, ich will" und "Von nun sind sie.."


    Aber ist das eine Form von Leid? Leid beginnt doch, wenn sich Menschen verändern und auseinanderleben, wenn man Single und Ehemann zugleich sein will oder man eigentlich ein monastisches Leben anstrebt usw. Ja, Identitäten sind immer problematisch, deswegen sollte man nicht an ihnen haften. Ich sehe auch hier einen mittleren Weg, der sie nicht leugnet (oder glaubt sie überwinden zu können) aber auch nicht an ihnen haftet.

    Das ist auch der Grund, warum das Bild des Regenbogens genutzt wird: Es steht von einem Kontinuum statt Polaritäten. Und das Wort "queer" steht in der Community auch dafür, sich nicht in Schubladen nicht stecken lassen zu wollen. Sie sind nützlich, aber sie passen in den meisten Fällen nicht.

    Wir können aber nicht auf die Label verzichten. In dem Heft schreiben vier Menschen, die sich als nicht-binär definieren, u.a. ein Monastic. Was würde denn passieren, wenn wir auf die Label verzichten? Gerade dieser Aspekt wird unsichtbar. Zurück bleiben nur die Kategorien unser Kultur, die christlich geprägt ist: "Gott schuf den Menschen als Mann und Frau". Für alles andere hat unsere Kultur noch nicht mal Begriffe. Selbst das Wort Homosexualität wurde vor 200 im angelsächsischen Raum erfunden und übernommen, weil wir nichts hatten. Das ist auch die Antwort auf die Frage, was denn eigentlich Norm ist. Es sind ziemlich genau die Dinge, für die wir in unserer Kultur Begriffe haben. Das Heft geht ziemlich gut darauf ein, was in dieser Kultur bekannt ist, etwas bekannt und weitgehend unbekannt. Streichst man Worte, macht man Dinge unsichtbar. Ist das nicht auch eine Form von Verblendung?

    Zitat

    Aber vielleicht gibt es auch noch viele Formen der Diskriminierung, die ich nicht wahrnehme, so dass die öffentliche Demonstration einer von der Norm (welche eigentlich?) abweichenden sexuellen Orientierung oder Identität in Deutschland noch notwendig ist. Kannst Du dazu was sagen?


    Vor ein paar Jahren hätte ich gesagt, dass es queeren Menschen gut geht, wenn sie in einer größeren Stadt leben, schwul oder lesbisch sind, weiß, und mindestens der Mittelschicht angehören. Heute sehe ich das anders. Alle paar Tage liest Du von massiver Gewalt. In den Großstädten werden queere Menschen jedes Wochenende zusammengeschlagen. Wenn Du z.B. als Transgender durch Frankfurt gehst, ist es wahrscheinlich, dass Du auf der Zeil zusammengeschlagen wird. Wenn Du Glück hast, wird Dir nur hinterhergeschrien: "Dich mach ich kalt". Das gesellschaftliche Klima ist rauer geworden. Ich kenne sehr viele Männer- und Frauenpaare, die sich nicht mehr trauen, Hand in Hand durch die Straße zu gehen.

    Es sind die vielen kleinen Reaktionen, deren Verletzungspotenzial uns selbst nicht bewusst ist, die wir aufdecken müssen, damit wir es ändern können.

    Oder z.B. die oft wiederholte Darstellung in den Medien: z.B. Homos in der Regel als etwas durchgeknallte, reichlich bunte Vögel darzustellen.. So was prägt sich einfach ein und führt zur entsprechenden Bewertungen.

    Danke für den Zuspruch.

    Die Idee, zusammen mit anderen queeren Menschen zu praktizieren, entstand ja 2018 nach einer Meditationskurs. 2019 fanden sich dann einige zusammen, die den Gedanken weiter trugen und im Februar 2020 startete das erste Treffen vor einem bundesweiten Einzelmitgliedertreffen der DBU. Und an dem ganzen Projekt sind ja so viele Menschen beteiligt. Und ich glaube, dass allen, die Teil dieser Graswurzelbewegung sind und diese Unterstützen, Dank gebührt. Und das werde ich allen ausrichten.

    Das, was Du schreibst, ist ein sehr wichtiger Punkt. Es sind die vielen kleinen Dinge, mit denen Menschen anderen Menschen das Gefühl geben, nicht dazu zu gehören. Aus "anders sein" wird der "das Andere" - und das ist ein großer Unterschied. Im Englischen ist das deutlicher, denn das heißt es "being different" und "the other". Und das machen wir ständig, wenn wir z.B. die dunkelhäutige Kellnerin, die in Deutschland geboren ist, fragen: "Wo kommst Du denn her?" Und wenn sie sagt "Ich lebe hier" dann kommt die Frage "Wo kommst Du denn eigentlich her?" Das ist harmlos, aber wenn man so etwas ständig, Tag für Tag, hört, dann hat es eine Wirkung.

    Meiner Ansicht ist das Problem, dass wir alle, selbstverständlich mich eingeschlossen, Vorurteile, Vorbehalte haben und verletzten gegenüber anderen handeln. Die Dinge, die Teil unserer kulturellen Prägung sind. Und diese umgibt uns wie die Luft: sie ist unsichtbar aber wir atmen sie mit jedem Atemzug. Wir reproduzieren diese Dinge unseren Handlungen, in unserer Sprache, die für Vieles ja noch nicht mal Worte hat. Und deswegen sehen queere buddhistische Gruppen sich nicht als "die anderen", sondern eher als einen Teil eines engagierten Buddhismus, den es um das Bilden inklusiver Gemeinschaften geht. Das hat Alan Lessik vom Zen Center San Francisco beschrieben. Nicht zu diskriminieren ist ein Teil der Gelübde für Viele - und sie praktizieren das auch im Leben. Ich finde diese Menschen so eindrucksvoll und es zeigt auch, dass die Praxis wirkt.


    Und ich wollte auch Ken aus dem Zen Center San Francisco zu Wort kommen lassen. Für mich waren die Zennies, die zur Zeiten der AIDS-Katastrophe die Hospiz-Bewegung in den Staaten gründeten, immer Helden, die an vorderster Front kämpfen, als das große Sterben begann, die Angst vor Krankheit die Gesellschaft erfasste, Menschen ausgegrenzt wurden. Aber es blieb ja nicht bei ihnen. Was mich so gefreut hat, war, dass auch so viele Dharmalehrende aus Deutschland Beiträge schrieben. Das sind die wirklichen Menschen, die die wichtigen Beiträge geliefert haben. Und ihnen möchte ich danken.

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    Ein buddhistisches Thema wäre dies, wenn es in der Sangha Diskriminierung gäbe - aufgrund welcher Merkmale auch immer. Darüber muss und soll man einen Diskurs führen, Sangha ist inklusiv und wo sie das nicht ist, trägt sie ihren Na,men zu Unrecht. Aber Diskriminierung 'queerer' Menschen nehme zumindest ich nicht als ein Problem insbesondere westlicher buddhistischer Gemeinschaften wahr - und eben dies wird, soweit ich bislang gesehen habe, in dem Heft auch gar nicht thematisiert. Falls doch, bitte ich Ichbinderichbin um einen Hinweis. Jedenfalls - eine Aufteilung in eine Cis - Sangha und eine LBSTQIA+ - Sangha (womöglich eine L-Sangha, B-Sangha, S-Sangha ...) scheint mir ein besonders ungeeigneter Ansatz. Die Werbung für 'queere' buddhistische Gemeinschaften (Sanghen) in dem Heft löst bei mir nur Kopfschütteln aus ...


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    Leider gibt es diese und einiges findet sich im Heft und zwar in den Artikeln "Würdigung statt Diskriminierung" sowie "Sichere Räume schaffen". Und es gibt weltweit noch viel drastischere Beispiele: Bhante Akaliko erhielt z.B. Todesdrohungen, wie er auf Sutta Central schrieb.

    Warum ist dies nicht bekannt? Eine Mehrheit wird niemals die Probleme mariginalisierter Gruppen wahrnehmen, weil sie die Lebenswelten nicht kennt. Das können sie nur selbst und sie werden nur Ernst genommen, wenn sie sich als Gruppe äußern. Das war aber schon immer so: Für Themen wie Nonnenordination muss es ja auch erst Konferenzen von Sakyadhita geben. Und genau das Thema gibt es bei der Ordination queerer Menschen: Im Theravada wird oft teilweise abgelehnt, da man queere Menschen als "Pandaka" identifiziert.


    Aber ist es allein deswegen ein buddhistisches Thema? Die queeren Sanghas haben sich nie primär gegründet, weil Menschen Diskriminierung erfuhren, sondern weil sie mit Menschen mit ähnlichen Lebenssituationen (lass es mich ruhig ähnliches Karma nennen), zusammen praktizieren wollen. Das ist gar nicht mal so etwas Besonderes. Niemand käme auf den Gedanken, die Junge Buddhistische Union, eine Frauengruppe oder was auch immer zu hinterfragen. Bei queeren Gruppen ist das aber die erste Reaktion, die genauso sicher kommt wie das "Namo Tassa" im Theravada.

    Was bedeutet nun "ähnliche Lebenssituationen"? Queere Menschen haben oftmals andere Lebenswelten. Sie haben oft keine Kinder (das Recht zur Adoption gibt es erst seit Kurzem), viele sind einsam manche haben mit der Familie gebrochen usw. Aus diesem Grund gibt es in der queeren Community oft Wahlfamilien. Und hier geht es um spirituelle Freundschaften. Ich staune immer noch darüber, wie sich in dieser schlimmen Zeit der Pandemie queere Menschen online gefunden haben, immer noch gemeinsam praktizieren, Freundschaften entstanden und sich gegenseitig unterstützen. Dies führte zu vielen Aktivitäten wie das Sonderheft, der IQBC, der Gründung von Meditationsgruppen und bald hoffentlich auch einem bundesweiten Treffen. Es geht um ein lebendiges Sanghaleben. Die wichtigsten Themen sind meiner Erfahrung Anwendung des Dharma im Alltag und Engagement - z.B. in sozialen Projekten der queeren Community aber auch allgemein.

    Aber wieso funktionieren die spirituellen Freundschaften eigentlich? Es ist eben so, dass Menschen in ähnlichen Situationen besser zusammen finden, weil sie einfacher Verbindungen spüren. Deswegen gehen meiner Ansicht viele Asiat:innen in asiatische Sanghas, deswegen bilden sich auch Frauengruppen usw. Hier gibt es noch einen Grund und das sind geschützte Räume. Ich will mal zwei Beispiele nennen. Wenn ein nicht-binärer Mensch kommt und bittet, dass das Pronomen "dey" benutzt werden soll, dann schüttelt niemand den Kopf, startet niemand eine Diskussion um "Gendersprache" oder "Identitätspolitik". Wir machen das einfach aus Respekt. Ein anderes Beispiel: Jemand ist intersexuell und sagt, dass er deswegen kommt, weil er nicht ausgefragt wird und sich nicht rechtfertigen muss. In der Sangha, die er sonst besucht, kommen, wenn er das erwähnt, die nächsten 20 Minuten totale Quatschaussagen ("Das ist ja praktisch, dann brauchst Du ja keinen Partner zum Kinderkriegen") oder sehr intime und als unangenehm empfundene Fragen über seinen Körper. In einem sicheren Raum passiert so etwas nicht - es wird niemand ausgefragt, in Frage gestellt und auch nicht der Kopf geschüttelt. Das heißt jetzt nicht, dass in Sanghatreffen über diese Dinge gesprochen wird, aber manche Menschen schätzen es einfach, in einem Raum zu sein, wo dies möglich ist.

    Das größte Missverständnis, dass ich immer wieder erlebe, ist die Befürchtung, es käme zu einer Aufspaltung der buddhistischen Sangha. Es ist immer als ein Angebot für spezielle Menschen. Unter denen gibt sehr viele, die weiter in ihren Sanghas praktizieren und es toll finden, einmal im Monat mit anderen queeren Menschen zu praktizieren. Es gibt wiederum andere, die in ihren Sanghas schlechte Erfahrungen gemacht haben mit Diskriminierung und sich freuen, eine Gruppe gefunden zu haben, in der nicht über sie geurteilt wird. Und dann gibt es wieder andere, die so zum Buddhismus gekommen sind und sehr dankbar sind, dass sie Anschluss gefunden haben und denen wir helfen, eine Richtung zu finden, die ihnen zusagen könnte.

    Interessanterweise war das dem Rat der DBU klar, weswegen er die Regenbogensangha immer unterstützt hat. Er sieht es als eine Bereicherung für Menschen in speziellen Lebenswelten. Ebenso ist es auch eine Chance, dass sich Menschen artikulieren, die sonst nicht vernommen werden. Und es war immer klar, dass sich die Regenbogensangha als Teil der buddhistischen Gemeinschaft sieht und nicht für sich im eigenen Saft köcheln will, sondern sich artikulieren will. Und ich freue mich, dass neben dem Rat der DBU, den Einzelmitgliederversammlungen es so viele Organisationen gibt, die die "Buchstabensanghas" willkommen heißen.


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