Zufälligerweise fand ich heute ein Video, das den Titel trägt: So sieht Kirche heute aus.
Was für eine Begeisterung! Was für eine Emotionen! Das für ein Leuchten in den Augen. Wenn ich das mit dem Alltag im Dojo (Meditationshalle im Zen) vergleiche... Schade, dass der Buddhismus nicht in der Lage zu sein scheint, solch ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, schade, dass die buddhistische Praxis selten so viel Spaß zu machen scheint.
Warum schreibe ich das hier? Das Thema ist: Meditation. Wann ist Meditation richtig, wann bin ich auf einem guten Weg... In der Meditation kann etwa passieren, das Menschen anderer Glaubensrichtungen vielleicht Gotteserfahrung nennen – Eine Erfahrung völligen Friedens, wunschlosen Glücks und totaler Geborgenheit. Manche Meditierende beschreiben diese Erfahrung mit dem Begriff der bedingungslosen, unerschöpflichen, universellen Liebe. In jedem Fall ist es eine Erfahrung, die tatsächlich dem Leben ein anderes Vorzeichen zu geben in der Lage ist. Mit dieser Erfahrung gibt es ein "davor" und ein "danach". Diese Erfahrung ist nicht den Heiligen vorbehalten oder begeisterten Christen in der Glaubenstrance. Auch bei uns im Buddhismus gibt es diese Erfahrungen. Es wird nicht viel darüber geredet, weil vielleicht die Befürchtung besteht, man könne sich blamieren, oder andere könnten denken, man würde eine Erleuchtungserfahrung für sich proklamieren, oder man würde nicht die richtigen Worten finden. Mag dem sein wie ihm wolle.
Der Abt des Zenklosters in Weiterswiller, hat dieses Tabu in den letzen Jahren immer mehr aufgebrochen. Und ich glaube, das ist sehr wichtig. Klar, viele Menschen haben derzeit aus unterschiedlichen Motivationen heraus Interesse an der Meditation. Aber letztlich bleiben doch nur wenige dabei. Und weil sie nicht dabei bleiben, bekommen sie auch nie Zugang zu dieser Ebene der Erfahrung, die sehr weit über Entspannung, Leistungssteigerung oder besserer Konzentrationsfähigkeit hinausgeht.
Viele Menschen haben ein tief sitzendes Sehnen nach etwas, das sie nicht benennen können: Nach einer besonderen Intensität der Erfahrung vielleicht, wie nach den Momenten der Freude und Leichtigkeit in der Kindheit, als Wind und Sonne auf der Haut viel realer waren als heute. Die Christen sagen, dies sei die Sehnsucht nach Gott. Aber auch in Buddhisten ist dieses Sehnen nach Auflösung der Grenzen zwischen Ich und Du, zwischen Ich und Welt, nach Verschmelzung und Hingabe vorhanden. Die Meditation ist in der Lage, diesen Schatz im Acker* zu heben.
Wie fühlt sich das an?
Angenommen, ein Mann hat Schulden gemacht; dann unternahm er ein Geschäft, dieses brachte ihm Erfolg, er konnte die Schulden tilgen, und es blieb ihm noch etwas übrig, so daß er seiner Frau Schmuck kaufen kann. Wenn dieser Mann die Vorgänge überdenkt, fühlt er sich froh und leicht. Oder ein Mann war krank, hatte Schmerzen, das Essen schmeckte ihm nicht, und er wurde immer schwächer. Nach einiger Zeit aber genas er, das Essen schmeckte ihm, er kam wieder zu Kräften. Wenn er die Vorgänge überdenkt, fühlt er sich froh und leicht. Oder ein Mann war im Gefängnis; nach einiger Zeit aber wurde er auf freien Fuß gesetzt, ohne daß ihm von seinem Vermögen etwas genommen wurde. Wenn er die Vorgänge überdenkt, fühlt er sich frei und leicht. Oder ein Mann war Sklave, unselbständig, abhängig, ohne Bewegungsfreiheit; nach einiger Zeit aber wurde er freigelassen, wurde selbständig, unabhängig, ein freier Mann, der gehen kann, wohin er will. Wenn er die Vorgänge überdenkt, fühlt er sich froh und leicht. Oder ein reicher Mann kam auf einer Reise in eine unsichere, wilde Gegend; nach einiger Zeit aber kam er sicher und wohlbehalten aus der Wildnis heraus, ohne einen Vermögensverlust erlitten zu haben. Wenn er die Vorgänge überdenkt, fühlt er sich froh und leicht.
Geradeso fühlt sich ein Bhikkhu, solange er die fünf Hemmnisse noch nicht abgetan hat, wie ein Schuldner, wie ein Kranker, wie ein Gefangener, wie ein Sklave, wie ein Mann in einer Wildnis; er fühlt sich aber wie schuldenfrei, wie genesen, wie freigelassen, wie ein freier Mann, wie auf sicherem Grund und Boden, wenn er die fünf Hemmnisse abgetan hat.
Im Buddhismus hört es allerdings mit dieser intensiven Erfahrung der Freude und der Geborgenheit nicht auf. Es ist erst der Anfang. Und selbst dieser Anfang verändert schon das ganze Leben.
Das, was sich jenseits der Tore der Meditation befindet, ist (nicht nur) meiner Ansicht nach das Wertvollste, das einem Menschen begegnen kann. Aber es kostet Mühe und Geduld, dieses Tor zu finden und durch dieses Tor hindurch zu gehen. Und wenn ich nicht weiß, wie ich das Tor finden, und wie ich hindurchgehen soll, kann ich leider auch jahrelang sitzen und warten, und nichts geschieht. Oder ich denke und analysiere und lerne Theorien und elegante Gedankengebäude, und nichts geschieht, weil ich zwar die Landkarte kenne, auf der das Tor verzeichnet ist, aber mich im Wald auf dem Weg dorthin verirre.
Darum ist es letztlich sehr wichtig, die richtige Methode, den richtigen Weg zu finden. Das ist ein Weg der da hinführt, wohin ich nicht kommen wollen kann, weil mein Wille die Schranke komplett verschließt und mich blind macht für das, was sich immer direkt vor meiner Nase befindet. Je mehr ich suche, je mehr ich irgendetwas erreichen oder finden will, desto fester ist das Tor geschlossen, wenn ich es überhaupt finde. Darum ist es so wichtig, alles abzustreifen an Bewertungen, Begehren und Abneigung, das persönliche Wollen, ja, die Person selbst, die ganze Ich-Sucht. Wenn Wollen und Konstruieren und Denken und Monologisieren weniger werden, öffnet sich die Pforte langsam, zuerst nur Ahnungen, Aufblitzen. Wenn die Pforte dann geöffnet ist, findet sich die erste Stufe der Versenkung, die von intensiver Freude (Pali: sukkha und pīti) begleitet ist, eine Freude, wie sie mit nichts vergleichbar ist, was ich sonst kenne. Und das ist nur die erste Stufe. Die zweite Stufe der Versenkung, dessen Grenze ich selten und nur bei langen Retreats erlebt habe, ist von noch tieferer Freude bestimmt. So wenig das im Kontext der buddhistischen Erfahrungsmöglichkeiten auch ist (Es gibt insgesamt 9 Stufen), so einschneidend waren für mich doch schon diese wenigen Erfahrungen.
Die meisten Menschen, die mit der Meditation beginnen, haben keine Vorstellung davon, was für ein unglaubliches Werkzeug sie damit erlernen können, welche Pforte zu Freiheit und Glück damit verbunden ist und hören leider nach ein paar Wochen wieder auf.
Ohne das Studium der Texte, hätte ich nicht gewusst, wo ich suchen soll, ohne die Meditation hätte ich keinen Zugang zur lebendigen Erfahrung gefunden. Ohne den Abt des Klosters in Weiterwiller, der zuweilen die Meditation mit einfachen, tiefen Worten aus Zen und Theravada begleitet, hätte ich das Tor wahscheinlich nie gefunden. Soviel zum Thema der Bedeutung eines Lehrers. Um es nocheinmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Das Tor ist keinesfalls die Erleuchtung, nicht einmal der Garant für Weisheit. Dennoch ist die Meditation ein Weg, diesen Schatz, der sich direkt unter der Oberfläche des oft trüben, banalen und stressigen Alltags befindet, zu entdecken.
*„Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker.“
Diese Freude, dieser Schatz sättigt alles Verlangen, das ich als Mangelwesen ständig mit mir rumschleppe. Und wenn ich mich nicht mehr so sehr als Mangelwesen erlebe, fallen auch Geduld, Freigebigkeit und Mitfreude nicht mehr so schwer. Wenn die Ursachen von Dukkha auch nur temporär in der Meditation etwas nachlassen, erscheinen sukkha und pīti. Das ist zwar noch lange nicht die Befreiung, aber ein guter Grund, in Sachen Meditation bei der Stange zu bleiben.