Beiträge von Schmu im Thema „Relative und absolute bzw. letztendliche Wahrheit“

    Durch Weisheit entsteht Güte und Wohlwollen, letztendlich Mitgefühl.

    Und da gibt es keine Unterscheidungen mehr zwischen relativer und absoluter Wahrheit.

    Jedenfalls empfinde ich das so.

    _()_

    Das ist gut ausgedrückt für mich.


    Das ganze Konzept "Relative Wahrheit - Absolute Wahrheit" mag für den einen hilfreich sein, für den anderen weniger.


    Wenn am Ende Weisheit (mit Güte, Mitgefühl...) steht, wen interessiert es dann noch, ob dieses Konzept dabei geholfen hat, mich dort hin zu führen, oder nicht.

    Igor07


    Das Leidhafte liegt im Festhalten, denke ich. Wir halten ja etwas fest, wo "gar kein Griff zum Festhalten" dran ist. Das zu erkennen und seinzulassen, ist eine enorme Befreiung, würde ich sagen.


    Und natürlich ist es sehr schmerzhaft, ständig Dinge festzuhalten, die vergänglich sind. Der Schmerz ist vorprogrammiert. Wir tun das sozusagen gegen besseres Wissen. Bzw. offenbar blenden wir dieses Wissen (der Vergänglichkeit) immer wieder aus. Wir haben die Augen "lieber" etwas geschlossen.

    Um die Diskussion auf den Boden zu holen: Was ist denn für euch absolut wahr und was ist relativ wahr ?

    Relativ wahr ist für mich, dass ich "etwas" bin, das eine Art Anfangspunkt hat, den wir "Geburt" nennen, und eine Art Endpunkt, den wir "Tod" nennen.


    Absolut wahr ist für mich, dass das eine verdammt eingeschränkte Sicht ist. Alleine schon, weil ständig etwas Verändertes geboren wird und stirbt, und ich das die ganze Zeit mit demselben Wort bezeichne: Ich.

    Damit erschaffe ich die Illusion von etwas Fassbarem / Substanziellem, das sich in Wahrheit in ununterbrochener Transformation befindet.

    Das, was Alexander Berzin hier sagt:


    Zitat

    Aber es erfordert sehr, sehr lange Übung, sich mit der Realität vertraut zu machen und die geistigen Blockaden zu durchbrechen. Dafür gibt es die Meditation.


    ... halte ich für sehr wichtig.


    Ohne Meditation ist das nicht machbar. Wer keinen großen Wert auf Meditation / Zazen usw. legt, braucht sich mit "letztendlicher Wahrheit" nicht großartig zu beschäftigen. Das ist dann nicht so wichtig. Sich dem alleine durch Lesen und intellektuelles Verstehen zu widmen, kann nur bis zu einem gewissen Punkt reichen.

    Nur die Kombination mit Meditation macht letztendlich wirklich Sinn. Das liegt daran, dass der Geist selber Teil der relativen Wahrheit ist. Ein Geist, der nicht zur Ruhe kommt und still wird (soweit das möglich ist), bleibt in der relativen Wahrheit "hängen". Das ist nicht weiter schlimm. Nur wird diesem Geist "letztendliche Wahrheit" wie "heiliges Geschwafel" vorkommen.

    Wäre das ein Buddha für dich, dessen Worten du vertrauen könntest? Für mich wäre das eher eine Witzfigur.


    Nein das stimmt nicht.


    Mitleid kommt mir gegenüber einem Menschen auf, der es dem einen so, und dem nächsten aber so erklärt.

    Wichtig ist nur, dass es keine Widersprüche erzeugt, wenn ich unterschiedlichen Menschen gegenüber unterschiedliche Worte verwende.


    Dass Buddha verschiedene Ausdrucksweisen verwendete, ist ein Zeichen großer Klugheit. Das nennt sich heute Empathievermögen und emotionale Intelligenz.


    Sudhana war schon ganz zu Anfang dieses Threads differenzierter darauf eingegangen, dass Buddha sich nicht immer völlig identisch, sondern einfühlend je nach Zusammenhang und Situation geäußert hat:

    Trotzdem ist diese Wahrheit nicht völlig unkommunizierbar. Was sich kommunizieren lässt, sind dṛṣṭi: Ansichten. Ansichten basieren immer auf einer Perspektive (einer Subjekt-Objekt-Beziehung) und diese Perspektive wiederum ist die Relation des Ansehenden auf etwas Angesehenes. Diese Relation lässt sich sprachlich ausdrücken - und wenn das 'Angesehene' die Wahrheit, paramārthasatya, ist, dann haben wir im Ausdruck eine relative Wahrheit, saṃvṛtisatya. Wenn.


    Festzuhalten ist, dass in beiden Traditionen beide Wahrheiten nicht als widersprüchlich angesehen werden - aber zu beachten ist bei relativen Wahrheiten eben die Relation. Wobei ein nicht unwichtiger Teil dieser Relation das Eingehen auf den Empfänger der relativen Wahrheit ist. Übrigens ist das auch der Grund, warum zur Einleitung einer Sutte standardmäßig die Einführung in die Situation gehört, in der sie gesprochen wurde. Insbesondere die soziale Funktion und damit der Verständnishorizont des oder der Belehrten (Bhikkus, Brahmanen, Adlige, Kaufleute, Jäger, Holzfäller usw. usf.) ist für die Gestaltung der 'Botschaft' von Belang - was dem Leser oder Hörer Hier und Jetzt (idR kein Bhikku, Brahmane, Adliger ...) auch ein gewisses Einfühlungsvermögen abfordert. Genau da liegt die Fallgrube des Fundamentalismus. Diese Notwendigkeit der 'Gestaltung' ist übrigens auch der Ansatz, aus dem im Saddharma Puṇḍarīka Sūtra das didaktische Konzept der 'geschickten Mittel' (upāyakauśalya) entwickelt wurde.

    "Absolute Wahrheit" entzieht sich weitgehend dem Denken und der Sprache.

    Unser Denken ist viel zu komplex und dualistisch dafür.


    Das Verstehen mit Hilfe des Denkens wird (besonders im Westen) völlig überbewertet. So entstehen dann unsere philosophischen Richtungen. Das sind alles jeweils Überbetonungen einzelner Aspekte. Nette geistige Spielereien, die mal mehr, mal weniger das Ganze aus den Augen verlieren.


    Relative und absolute Wahrheit fließt schlussendlich auch wieder zusammen. Was nicht heißen soll, dass diese Trennung nicht hilfreich sein kann.

    Ja, das meine ich, die Wirkungen.


    Alles wirkt gegenseitig aufeinander. Wirkungen enden nicht, bloß weil der Wirkung-Auslösende stirbt.

    Es gäbe kein kollektives Gedächtnis ohne diese Wirkungen.

    Das ist nicht so ! Meine Festplatte ist ganz privat, sie ist persönlich. Da speichert niemand anderes etwas ab, da hackt sich niemand ein, die gehört nur zu mir. Was ich bin und werde bestimmt die Festplatte.

    Das sage ich ja auch gar nicht, dass da irgendwer außer dir irgendwelche Rechte oder irgendeinen Zugang hat.


    Worauf ich hinaus will, ist die immer selbe Frage: Was ist denn dieses "Ich", von dem du redest, als sei es eine in sich abgeschlossene Angelegenheit mit einer ebenso ganz für sich stehenden Festplatte?

    Es gibt so etwas wie eine Festplatte, die kann nur ich abrufen und sie wird mit dem Tod unwiederbringlich gelöscht.

    Eine Überlegung:

    Diese Festplatte legst du in deinem Leben an. Du legst sie nicht alleine an, denn die Art wie du sie anlegst, welche Daten du darauf speicherst, hängt außerdem von anderen Menschen in deinem Leben ab. Viele Daten sind durch Wechselwirkung / Interaktion mit anderen entstanden.

    Manche sehr feinen Informationen stehen sogar in einem Zusammenhang mit Phänomenen / Ereignissen, als du noch gar nicht da warst.


    Du sagst, sie wird unwiederbringlich gelöscht. Gilt das für alle Daten? Was ist mit den Daten auf deiner Festplatte, die wiederum die Daten anderer (zum Beispiel deiner Kinder) beeinflusst und mitgeformt haben? Ist es korrekt zu sagen: Die habe ich "geschaffen" und wenn ich tot bin, sind die "gelöscht"?