Ein Koan, das auch tatsächlich im Zen Anwendung findet, bleibt doch trotzdem dem Zen zugehörig und Kafka nicht, wenn ich da Parallelen finde, void.
Dein einleitender Satz hat mich jetzt gerade daran erinnert, dass ich es als Kind nicht gut haben konnte, wenn sich die Speisen auf dem Teller vermischten. Alles musste einzeln für sich liegen. Kartoffeln, Gemüse, Fleisch. Es war "schrecklich" für mich, dass die Soße vom Fleisch zum Gemüse floss.
Ich denke, dass ist nicht der Punkt. So wie es Koans nach dem Muster "Wenn du X tust, schlage ich dich! Wenn du X tust, schlage ich dich. Was tust du!" kann man sich auch die Geschichte von der Maus als etwas vorstellen, was man als Koan verwenden kann: "Maus! Wenn du nach links läufst, läufst du in die Falle! Wenn du nicht nach links läuft, frißt dich die Katze! Wohin läufst du!" vorstellen. Wenn Kafka seine Geschichte als Koan intendiert hätte, hätte er sie vielleicht so formuliert.
Der Punkt ist: Er hat das nicht. Eine Fledermaus ist kein mißglückter Vogel und ein Pinguin kein mißglückter Fisch. Es ist etwas anderes, etwas was vielleicht seine eigene Geschichte hat. Die Maus weiss das die Falle ihr Schicksal ist, sie zögert aber ihr Schicksal anzunehmen, sie schrickt aber davor zurück. Mich erinnert dass an Hiob:
Eines Tages spricht der Teufel Gott und sagt, das Hiob ihm nur diene, weil Gott ihn beschützt. Würde Gott ihn nicht mehr beschützen, so würde Hiob aufhören, ihm zu dienen. Gott ist sich sicher, dass Hiob ihm auch sonst dienen würde, darum erlaubt er dem Teufel, Hiob zu prüfen.
Der Teufel tut Hiob viele schlimme Dinge an: Er sorgt dafür, das sein Vieh gestohlen wird, seine Diener sterben, ihn schlimme Schmerzen plagen und sogar, dass seine Familie durch einen Einsturz des Hauses umkommt.
Der größte Teil des Buches Hiob besteht aus Gesprächen von Hiob mit Freunden häufig klagt er über sein Leid und die Freunde machen ihm Vorwürfe: Wenn er leiden muss, muss das bedeuten, dass er selbst etwas Schlechtes getan hat. Hiob zweifelt, verliert aber nicht seinen Glauben und will Gott trotzdem weiter dienen. Diese Gespräche erinnern an Gedanken und Sorgen, die Menschen häufig haben, wenn sie einen schweren Verlust beklagen.
Eines Tages erscheint Gott bei Hiob. Er bedankt sich, dass er ihm trotz allem treu geblieben ist. Als Belohnung segnet Gott ihn und schenkt ihm eine langes, glückliches Leben.
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Auch Hiob blickt auf eine "Falle": Auf tote Diener, gestohlenes Vieh, Schmerzen, Einsturz, den Verlust seiner Kinder. Aber weil er trotz all dem sein Vertrauen in Gottes Wege nicht verliert und offenen Herzens in die Falle geht, erwischt ihn der Teufel nicht. Während die Maus bei Kafka, weil sie nicht gottesfürchtig vertraut, Opfer der Katze wird.
Falle und Katze sind hier nicht symmetrisch!
Für mich ist es ein Reichtum, dass es unterschiedliche spirituelle Ansätze gibt. Und ich sehe es als problematisch an, wenn man im einem eine verkorkste Version andere sieht. Wenn man in "Dukkha" ein mißglücktes Konzept von "Erbsünde" sieht oder eben aus einer geglückten Geschichte aus der chassidischen Tradition einen seltsamen Koan macht.