Beiträge von void im Thema „Doch alles Eins!?“

    Im Palikanon werden ja diverse Vertiefungszustände genannt.


    Das Blöde ist jetzt, dass sich jeder dieser Zustande als eine großartige mystische Erfahrung sehen lässt, die sich als "alles ist eins" anfühlen kann. Nehmen wir mal Nummer 6:


    6. viññānañcāyatana:


    Durch völlige Überwindung des Raumunendlichkeitsgebietes aber gewinnt er in der Vorstellung 'Unendlich ist das Bewußtsein' das Bewußtseinsunendlichkeitsgebiet

    Unendlichkeit des Raumes und des Bewusstseins können sich ohne weiteres als Nicht-Dualität anfühlen. Wenn das Bewusstsein unendlich ist, was sollte ihm da verschlossen sein, von was ist es getrennt, was soll da noch weiter zu erreichen sein? So eine Erfahrung kanneute dazu bringen, sich unglaublich erleuchtet fühlen und anfangen Junger um sich zu scharen.


    Aber es ist eben etwas, über das man hinausgehen kann. Gautama Skyamuni erreichte unter seinem Lehrer Āḷāra Kālāma den Vertiefunszustand "ākiñcaññāyatana":


    7. ākiñcaññāyatana


    »Durch völlige Überwindung des Bewußtseinsunendlichkeitsgebietes aber gewinnt er in der Vorstellung 'Nichts ist da' das Nichtsheitgebiet

    Dies ist ja noch viel nichtdualer als die andere Nicht-Dualität und Āḷāra Kālāma war ja wegen seiner hohen spirituellen Errungenschaften weithin bekannt. Was könnte es für eine größere Einheit geben als eine die das Nichts mit einschließt? Wie selbstverständlich muß es sein, dies für das Ende der Fahnenstange zu halten. Man hätte sich vorstellen können, dass Shakyamuni der Nachfolger seinen Lehrers geworden hatte und diese "Nicht-Dualität" als das gemeinsame Ziel - das Rom zu dem allen Straßen führen - ausgerufen hatte.


    Aber nur weil viel Straßen zusammenlaufen, kann man sich ja durchaus noch am Gardasee befinden.


    Und so zog Shakyamuni weiter zum Lehrer Uddaka Rāmaputta unter dem er die Vertiefungsstufe nevasaññānāsaññāyatana erreichte:


    8. nevasañña-n'āsaññāyatana


    »Durch völlige Überwindung des Nichtsheitgebietes aber gewinnt er das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung und verweilt darin.«

    Auch dies klingt jetzt nach einer Nicht-Dualitat wie man sie sich nicht besser vorstellen kann. Auch hier kann man Rom vermuten und sich am Ziel wähnen. Aber Shakyamuni zog weiter.


    Von daher ist der Begriff der "Nicht-Dualitat" und seine integrierende Wirkung trügerisch.

    Nur ! aus der Warte der absoluten Wahrheit. ( endgültigen Wahrheit). Und die ist immer da! Das sagt doch Zen sehr klar und besonders deutlich. Wie keine andere Richtung.

    Ich denke, es ist ein großer Unterschied wenn Platoniker von ewigen Wahrheiten reden oder wenn Nagaarjuna von der "entgültige Wahrheit" redet.


    Von daher ist es nicht sinnvoll - auch wenn beides fast gleich klingt - das gleichzusetzen oder auch nur einander nahezurücken.


    Das ist wie wenn jemand sagt: "Marlboro-Raucher, Camel-Raucher, Nicht-Raucher, Lucky-Strike-Raucher - wir sind doch alle Raucher!" und man erst so ein paar Denksekunden braucht, bis man checkt dass da was nicht stimmt!


    Wenn ein Platoniker von der ewigen Wahrheit hinter den Dingen redet, dann glaubt er jenseits des vergänglichen Hier und Jetzt an eine ewige Welt des Logos und des Festgefügten. Er stellt sich da so eine göttliche Ordnung vor, mit ewig gezirkelten Planetenbahnen, zeitlosen Gesetzten und festen Strukturen. Alles so aus Blei gegossen und in Spiritus ( Geist) eingelegt. Er ist damit das glatte Gegenteil von griechischen Philosophen wie Heraklit,

    der mit seinem "alles Fließt" die Welt als was Dynamisches sah.


    Wenn Leute wie Nagaarjuna von einer "entgültige Wirklichkeit" reden, dann meinen sie damit, dass alles ich-Los, leer, vergänglich ist. Er ist damit nah bei Heraklit und sehr weit von Plato.


    Im Herzsutra rezitiert man "mu genkai. naishi mu ishikikai" - "Weder die sichtbare Welt noch die Welt der Vorstellung"


    Und Platon halt genau so eine "i-shiki-kai"- Eine Welt der "göttlichen Ideen" für den wahren Jakob. Unsere entgültige Wahrheit ist dass diese seine letzgültige Wahrheit eben eine Illusion ist.

    Ich verstehe den Thread so, dass er nicht so sehr um Einheit der Religionen im Allgemeinen geht, und auch nicht so sehr um mystisches Einstein sondern die Frage eher speziell um die als "philosophia perennis" bezeichnete Denkschule geht.

    Der US-amerikanische Autor Ken Wilber hat „die sieben wichtigsten Übereinstimmungen der immerwährenden Philosophie aller Zeiten, der allermeisten Kulturen, spirituellen Lehren, Philosophen und Länder“, folgendermaßen zusammengefasst[13]:

    1. Der spirituelle GEIST (Gott, die höchste Wirklichkeit, die absolute Seinsheit, die Quelle, das Eine, Brahman, Dharmakaya, Kether, Dao, Allah, Shiva, Jahweh, Aton, Manitu …) existiert.
    2. GEIST muss innen gesucht werden.
    3. Die meisten von uns erkennen diesen GEIST nicht, weil sie in einer Welt der Sünde, Trennung und Dualität leben, in einem Zustand der Gefallenheit und Illusion.
    4. Es gibt einen Ausweg aus Sünde und Illusion, einen Pfad zur Befreiung.
    5. Wenn wir diesem Pfad bis ans Ende folgen, finden wir Wiedergeburt oder Erleuchtung, eine direkte Erfahrung des inneren GEISTES, eine letzte Befreiung.
    6. Diese letzte Befreiung bedeutet das Ende von Sünde und Leiden.
    7. Sie mündet in mitfühlendes und erbarmendes Handeln für alle Lebewesen.

    Strukturell ( Leide, Ursache des Leidens, Überwindung des Leidens ) könnte man das ja fast als eine überkonfesionelle Abstraktion der vier edlen Wahrheiten sehen.


    Und ich denke es ist deswegen so allgemeingültig, weil der Weg zur Überwindung der verkorksten menschlichen Natur sich ja auf diese beziehen muss. An Anhaften, an die nicht Erfüllung unserer Wünsche usw.


    Und weil dass so ist,kann es ja jederzeit von jemanden der sich intensiv mit der menschlichen Natur beschäftigt hat, entdeckt werden. So wie es ja im auch im Buddhismus Einzel-Erwachte gibt.


    Die Idee der "philosophia perennis" das dieses geheimme Wissen als eine Ur-Relugiib von einem metaphysischen Wesen geoffenbahrt würde und dann in das über Jahrtausrende per mystischer Stiller Post weitergeraunt wurde, halte ich für zweifelhaft. Es ist für mich nicht nur unwahrscheinlich sondern auch unnötig.


    Wenn man einen Brunnen graben will dann sind ja womöglich mehrere Stelle gut dazu geeignet zum Grundwasser zu gelangen. Es macht aber deswegen nicht Sinn sich zwrspargeln und an mehreren Stellen gleichzeitig zu buddeln oder den verschütteten urigsten aller Urbrunnen suchen zu gehen.


    Außerdem kommt es mir bedenklich vor, wenn sich jemand im Besitz der unwandelbaren Urwahrheit sieht - als Erbe archaischer Weisheit.


    Vom Buddhismus aus gesehen, Wahrheit viel damit zu tun hat sich von äußerem und inneren Besitz frei zu machen, ist die Idee des "Besitz von Wahrheit" problematisch. weil es leicht zu Dunkel führen kann. Da gibt es dann die Eingeweihten die sich Nietzsche mässig als verkannte Philosoph im Davis des ewigen Geist wähnen und von dort aus auf oberflächlichen, modernen Menschen herabschauen.


    Wenn Wilbers Punkt 2 stimmt, dass Geist innen gesucht wird, hat ja jeder potentiell schon alles was er braucht und man kann dieses ganze Geraume von unwandelbaren Urweisheit lassen.

    Weil ja das Problem insgesamt so die verkorkste Natur des Menschen ist, ist es ja klar dass die Methoden die dem entgegenwirken sich ähndeln werden. Gegen Hass hilft Nicht-Hass, gegen Gier Entsagung usw. Von daher ist es nicht verwunderlich da Ähnlichkeiten zu finden.


    Andererseits haben viele religiöse Praktiken und Konzepte Methodencharakter. Nur weil es vielleicht zwei Methoden gibt mit denen man das gleiche bewirken kann, bedeutet das nicht, das hinter beiden eine verborgene Meta-Methode steckt. Oder dass das Beste in der Mitte steckt oder dass die eine Methode nicht besser geeignet sein könnte als die andere.


    Den Begriff ( "philosophia perennis") prägte der italienische Bischof Augustinus Steuchus, Vertreter eines christlichen Platonismus, mit seinem Buch De perenni philosophia libri X (Lyon, 1540): „So wie es einen Ursprung aller Dinge gibt, so muss es auch immer und bei allen Menschen eine und dieselbe Wissenschaft von diesem Ursprung gegeben haben: Das sagen uns die Vernunft und die Urkunden vieler Völker und Lehren“.[2] Nach Steuco wurde die Philosophie von Gott bereits Adam in vollkommener Gestalt anvertraut und wurde seitdem – nicht ohne Verluste – durch die Jahrhunderte tradiert.

    Von daher ist das was da gelehrt wird nicht universell - ein aztekischer oder chinesische Philosoph hätte da arge Probleme - sondern meist so eine esoterische Form des Neoplatonismus. Die Idee ewiger, unveränderlicher Wahrheiten geht häufig damit einher, dass man auch dazu geneigt ist an gegebene soziale Ordnungen zu glauben: Wo die Herren herrschen, die Sklaven dienen und die Frau dem Mann Untertan ist und ein Gott die Sonne ans Firmament gesetzt hat um uns Licht zu geben - was ja sehr langlebige, sozusagen "ewige" Vorurteile sind. Das macht sie aber auch nicht wahrer.