Beiträge von Sven im Thema „Ein kritischer Blick auf den Achtsamkeitshype“

    ..Wenn man erst definieren muss, was Achtsamkeit bedeuten soll, dann gehört es wahrscheinlich nicht unter "Buddhismus und Wissenschaft".

    Wenn man in der Wissenschaft Alltagssprache verwendet, muss man diese Begriffe natürlich genau definieren.

    Man stelle sich vor zwei Chemiker streiten über die Eigenschaften von Alkohol (Alltagssprache). Einer sagt, es wäre ein hervorragendes Gleitmittel, da er Glycerin (ein Zuckeralkohol) meint und der andere behauptet, dass es doch fettlösend ist und deshalb gleiten eher verhindert, da er Ethanol/Ethylalkohol meint.


    Deshalb liebe ich die Pali-Begriffe im Theravada-Buddhismus, denn dort ist das, was gemeint ist, doch recht genau umrissen.

    Unter Achtsamkeit kann man z. B. auch Gründlichkeit, Umsicht. Sensibilität oder sogar Konzentration verstehen.
    Hier einmal einige Wortfelder für Achtsamkeit:

    ᐅ Achtsamkeit Synonym | Alle Synonyme - Bedeutungen - Ähnliche Wörter


    Wenn es z. B. mehrere Studien zum Thema Achtsamkeit gibt und eine versteht darunter Satipathana und die andere aber Achtsamkeit auf Konzepte (z. B. die A. des Scharfschützen) lassen sich diese nicht mehr vergleichen.

    Ich denke, dass dies gerade auf diesem Gebiet erst einmal eine gemeinsame Sprache, wie es sie fast in allen Wissenschaften gibt, gefunden werden muss, um überhaupt vergleichende Forschung betreiben zu können. Selbst bei einer Einzelstudie muss es meines Erachtens am Anfang eine exakte Definitionen geben, wenn der Alltagsbegriff nicht eindeutig ist.


    Gruß

    Sven

    Hi Hendrik,


    man muss die Dinge natürlich auch definieren, damit man nichts verwechselt. Im Allgemeine würde ich diese Definition annehmen:


    Achtsamkeit

    - macht die Zeit, in der man achtsam war, erinnerbar (Sati = Erinnerung)

    - hat einen höheren Energiebedarf

    - dient u. a. der Gefahrenabwehr, dem Lernen


    Beispiele:
    - Rollschuhlaufen lernen

    - eine befahrene Straße überqueren



    Im Gegensatz dazu gibt es die


    Trance (Autopilot)

    - ist normalerweise nicht erinnerbar

    - hat einen niedrigeren Energiebedarf

    - wird bei Situationen angewandt, die schon gelernt wurden und ungefährlich sind.

    Beispiele:

    - Autofahren bei langen Strecken (Autobahn)

    - Tagträumen

    - Monotone arbeiten erledigen



    Was man dem entnehmen kann, ist, dass beides immer in Bezug auf etwas angewandt wird. Hier wahrscheinlich mit dem Grund der biologischen Effizienz.


    Achtsamkeit als Selbstzweck als Mittelchen für "alles" kommt hier nicht vor. Es ist wahrscheinlich sogar umgekehrt, wenn man einen automatischen Vorgang achtsam betrachtet, läuft dieser nicht unbedingt mehr mit derselben Schnelligkeit und Präzision. Allerdings kann Achtsamkeit einen Fehler im Automatismus korrigieren. Beim Musizieren z. B. werden Stücke langsam und achtsam eingeübt, damit man sie später schnell und automatisch abrufen kann.


    Ich persönlich mag den Theravada-Buddhismus, da hier die Dinge genau benannt werden. Achtsamkeit ist hier kein Selbstzweck, sondern dient der endgültigen Befreiung vom Leiden und Achtsamkeit ist nicht die Achtsamkeit des Scharfschützen, sondern eine Achtsamkeit, die auf eine der vier im Satipatthana-Sutta genanten Grundlagen gerichtet ist.

    Diese Grundlagen sind sogenannte Dhammas (eine Art Bewusstseinsatom). Das heißt keine Achtsamkeit auf zusammengesetzte Konzepte (wie Mensch, Feind, Eltern, Tisch etc.), denn das wäre im Theravada-Sinne falsche Achtsamkeit (z. B. die des Scharfschützen)! Die Achtsamkeit ist auf die Herkunft dieser Konzepte gerichtet, um die darin enthaltenen Dhammas und damit auch automatisch ihre universellen Merkmale zu erkennen. Sie versucht immer tiefer in die Konzepte einzudringen bis man letztendlich bei den Dhammas landet. Dieses Erkennen ermöglicht erst die Ablösung von den Konzepten und das Reifen des Erlösungswunsches und anderer Bedingungen, die dann die Befreiung möglich machen.


    Nebenbeibemerkt, da es im Vortrag vorkam:

    Auch Karuma ("Empathie") etc. sind gut definiert und entsprechen nicht unserem allgemeinen Verständnis, obwohl sich diese falsche Verständnis auch bei den Theravadins eingeschlichen hat. Es ist eine "kalte" Form der Empathie nicht das Gefühl der Empathie, sondern eine Haltung (gehört zum sankhara-khanda), die sich aus den drei anderen Wurzeln nährt (Gierlosigkeit, Hasslosigkeit und Wissen).

    Beste Grüße

    Sven