Beiträge von Himmelsbaum im Thema „Zur Notwendigkeit des Überweltlichen“


    Wichtiger noch ist das richtige Gehen in die richtige Richtung. Und da sind Worte gar nicht so verkehrt. Man kann mit Worten die Erfahrung, egal welche, nur ungenügend ausdrücken und nie so, dass ein anderer diese Erfahrung genau so erfährt, ohne sie gemacht zu haben. Das gilt aber nicht nur fürs Erwachen, sondern fängt schon beim Tee trinken und Farben sehen an. Meine Erfahrung und die Interpretation davon ist geprägt durch meine Geistfärbung.


    Also auch wenn es schwierig ist, positiv über Nibbana zu sprechen, ist Sprache dann doch nicht so nutzlos, dass man gar nichts brauchbares darüber sagen kann. Nibbana ist nicht Leiden. Dies ist eine Nibbana-Aussage, die den alten Texten nach, korrekt ist. Nibbana ist nicht Bewusstsein ist ebenso korrekt. Hier haben wir also korrekte Aussage über Nibbana an denen man sich orientieren kann und so hilft Sprache nicht nur einfach zu gehen, sondern auch anzukommen, wo man ankommen will.


    Das waren jetzt noch meine Gedanken zum Abend. _()_

    „Es gibt, ihr Mönche, ein nicht Geborenes, nicht Gewordenes, nicht Geschaffenes, nicht Gestaltetes. Wenn es, ihr Mönche, dieses nicht Geborene, nicht Gewordene, nicht Geschaffene, nicht Gestaltete nicht gäbe, dann wäre hier ein Entrinnen aus dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Gestalteten nicht zu erkennen. Weil es nun aber, ihr Mönche, ein nicht Geborenes, nicht Gewordenes, nicht Geschaffenes, nicht Gestaltetes gibt, darum läßt sich ein Entrinnen aus dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Gestalteten erkennen.“


    Dieser Text aus dem Udana findet sich auch in Itivuttaka 43. Dort geht es weiter mit:


    „Das Geborene, Gewordene, Entstandene, Geschaffene, Gestaltete, Unbeständige, aus Alter und Tod Gebildete, das Nest des Siechtums, das Gebrechliche, aus dem Strom der Nahrung Entsprungene: es reicht nicht hin, um daran Wohlgefallen zu finden. Der Ausweg aus ihm ist der Friede, das dem Sinnen Unzugängliche, Beständige, die ungeborene, unentstandene Stätte, frei von Kummer und Leidenschaft, die Aufhebung der Leidenserscheinungen, das selige Zurruhekommen der Prozesse*.“


    "Das selige Zurruhekommen der Prozesse" ist saṅkhārūpasamo sukho”ti, was auch übersetzt werden kann mit Zurruhekommen des Gestalteten (saṅkhāra).

    Im Paramatthamañjūsā, Dhammapālas Kommentar zum Visuddhimagga heißt es:


    A Study in Paramatthamañjūsā:

    Supramundane (lokuttarā) is so called because it is above the world, and it has gone beyond the world, as it is not included in the world. {Cha 2001 #5043D: 44}


    Alles, was die Welt ist, ist Leiden. Das Weltübersteigende ist, was dauerhaft und daher ohne Leid ist. Bechert schreibt daher für mich folgerichtig:

    Der Buddhismus: Geschichte und Gegenwart:

    Die Lehre des Buddha … ist ihrer ursprünglichen Zielsetzung nach keine Lehre für die Gestaltung des Lebens in der Welt, sondern eine Lehre zur Erlösung, also zur Befreiung aus der Welt. {Bechert 2000 #2261D: 9–10}


    Dieser Befreiung aus der Welt ist man sich mit dem Stromeintritt gewiss. Der Stromeintritt ist das erste Sehen von Nibbāna:


    Right View and the Scheme of the Four Truths in Early Buddhism:

    the first direct experience of Nirvāṇa which marks the attainment of stream-entry. {Anālayo 2011 #970D: 12}


    Ähnlich bei Nyānaponika:


    Sutta-Nipāta:

    „Dem Erkenntnis eignet“ (dassanena sampanno) bezieht sich auf die vom Strom-Ergriffenen ‚durch Erkenntnis aufzugebenden Dinge‘ (dassanena pahātabbā dhamma), d. h. die ersten drei ‚Fesseln‘. Hierzu siehe Majjhima-Nik. 2. Rede, und die folgende Kommentarstelle dazu: „Warum wird der Pfad des Stromeintritts als dassana (Erkennen oder Erblicken) bezeichnet? Weil er das erste ‚Erblicken‘ des Nibbāna bietet.“ {Nyānaponika 1996 #6D: 258}


    Bodhi kommentiert MN 2 in gleicher Weise:


    The Middle Length Discourses of the Buddha:

    The word “seeing” (dassana) here refers to the first of the four supramundane paths — the path of stream-entry (sotāttimagga) — so designated because it offers the first glimpse of Nibbāna. The higher three paths are called the paths of development (bhāvanā) because they develop the vision of Nibbāna to the point at which all defilements are eradicated. {Ñāṇamoli 2009 #121D: 1169}


    Das Erblicken‘ des Nibbāna wird auch als Dhamma-Auge bezeichnet:

    Sotāpatti:

    With the arising of this ‘eye of the Dhamma’, which corresponds to the first vision of Nibbāna, the noble disciple has seen the Dhamma {Anālayo #973D: 142}


    Nachdem Sehen folgt mit den folgenden überweltlichen Pfad- und Fruchtmomenten die Entfaltung, siehe Buddhaghosa:


    Visuddhimagga:

    Im ersten Pfadmomente aber gilt das Schauen des Nirwahns als (überweltliche) Verwirklichung (lokuttara-sacchikiriyā) durch ‚Erkennen‘ (dassana), in den übrigen Pfadmomenten als Verwirklichung durch ‚Entfaltung‘ (bhāvanā). Diese zweifache Verwirklichung ist hier gemeint. Daher ist die Verwirklichung des Nirwahns durch ‚Erkennen‘ und durch ‚Entfaltung‘ als die Funktion dieser Pfaderkenntnis aufzufassen. {Buddhaghosa 2014 #77D: 836–837}


    Dhammapālas Paramatthamañjūsā führt dies weiter aus:


    Zitat

    It is called dassana (seeing) because of seeing nibbāna first... Thus it is called the plane of seeing (dassanabhūmi) referring to the first path. As the remaining three paths arise through development in the state which is seen through the first path, something new is not seen. Therefore it is ‘development’ and ‘plane’ in the sense already stated. Thus it is called the plane of development (bhāvanābhūmi). There it is stated that understanding is twofold as dassanabhūmi and bhāvanābhūmi. {Cha 2001 #5043D: 44}


    Und im Sarada-sutta heißt es:


    ebenso auch, ihr Mönche, wird der edle Jünger, wenn ihm das ungetrübte, unbefleckte Auge der Wahrheit [dhammacakkhuṁ] aufgeht, mit dem Aufgehen der Erkenntnis [dassanuppādā] von drei Fesseln befreit: dem Persönlichkeitsglauben, der Zweifelsucht, dem Hängen an Regeln und Riten.

    Beim Überweltlichen sind wir im Bereich, wo Sprache immer schwieriger wird. Nur um es mal vorauszuschicken.


    Die Pfad- und Fruchtmomente sind mit dem Verlöschen (nibbana) verbunden. Der Stromeintritt ist das erste Sehen von Nibbana. Wenn Nibbana aber das Verlöschen ist, wie kann man dann sehen? Siehe Eingangssatz. Die nachfolgenden Pfad- und Fruchtpaare werden mit kultivieren (von bhavana) bezeichnet. Man entfaltet, entwickelt das Nibbana-Sehen weiter bis es in Fleisch und Blut übergeht.


    Der Stromeintritt als Pfadmoment ist einmalig und kommt nie wieder. In dieser Hinsicht ist er "vergänglich". Die Stromeintrittswirkung ist, wenn einmal erlangt, nicht mehr zu verlieren. In die Fruchtmomente, wo Nibbana in der Definition von Udana 8.1 das "Objekt" ist, kann man mittels geübter Meditation beliebig "eintreten". Falls man nicht geübt genug ist, kommen sie auch nicht wieder.


    Es ist das Ungeschaffene, welches das Geschaffene abschneidet.

    So habe ich gehört: Einst weilte der Erhabene bei Sāvatthi im Jeta-Haine, im Klostergarten des Anāthapindika. Damals aber belehrte, ermahnte, ermunterte und erfreute der Erhabene die Mönche durch eine Rede über das Nibbāna...


    „Es gibt, ihr Mönche, ein nicht Geborenes, nicht Gewordenes, nicht Geschaffenes, nicht Gestaltetes. Wenn es, ihr Mönche, dieses nicht Geborene, nicht Gewordene, nicht Geschaffene, nicht Gestaltete nicht gäbe, dann wäre hier ein Entrinnen aus dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Gestalteten nicht zu erkennen. Weil es nun aber, ihr Mönche, ein nicht Geborenes, nicht Gewordenes, nicht Geschaffenes, nicht Gestaltetes gibt, darum läßt sich ein Entrinnen aus dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Gestalteten erkennen.“


    Wenn der Buddha sagt, er lehre Leiden und Leidensaufhebung, dann ist Leiden diese Welt (loka) und alle potentiell-zukünftigen Welten auch. Die Leidensaufhebung ist überweltlich (lokuttara) im Sinne des Übersteigens (uttara) der Welt. Man muss einmal aus der Welt ausgestiegen sein, um so eine radikal andere Perspektive erlangen zu können. Man kann das Leiden nicht in der Welt verlöschen lassen. Ohne das Ungestaltete kann das Gestaltete nicht überwunden werden. Daher ist das Überweltliche notwendig.